Anzeige
Archäologie

Massaker in Maya-Ruinen entdeckt

Kostbar geschmückte Skelette markieren Beginn des Untergang der Hochkultur

In den Ruinen einer alten Maya-Stadt haben Forscher Skelette von adeligen Maya entdeckt, die auf ein Massaker vor mehr als 1.200 Jahren hindeuten. Nach Ansicht der Wissenchaftler könnte dieser Fund ein wichtiges historischen Datum markieren: Den Beginn des geheimnisumwitterten Zusammenbruchs der Maya-Hochkultur.

Einunddreißig ermordete und zerstückelte adlige Maya sind in einer heiligen Zisterne am Eingang des weitläufigen Königspalasts in Ruinen von Cancuén gefunden worden. Cancuén war die Hauptstadt eines der blühenden Königreiche der klassischen Mayazeit (ca. 300 – 900 n. Chr.) im Petén-Regenwald von Guatemala. Die National Geographic Society, die Vanderbilt University und das Kulturministerium von Guatemala gaben den grausigen Fund bekannt, den man für den Beleg eines wichtigen historischen Datums hält: den Beginn des geheimnisumwitterten Zusammenbruchs dieser großartigen Kultur.

Skelette von König und Gefolge

Etwa 75 Meter von der Massenbegräbnisstätte entfernt entdeckte das guatemaltekisch-amerikanische Archäologenteam unter Leitung von Arthur A. Demarest, Ingram-Professor für Anthropologie an der Vanderbilt University, außerdem flache Gräber mit den Skeletten des Königs und seiner Gemahlin. Auch nördlich des Palasts von Cancuén fand man mehr als ein Dutzend weitere teils zerstückelte Skelette ermordeter hochrangiger Persönlichkeiten.

Laut Demarest zeigt die Entdeckung unvollendeter Verteidigungswälle, verstreuter Speerspitzen, verlassener Palast- und Wohngebäude und Skelette mit Spuren von Speer- und Axtwunden, dass das Königreich überfallen, die Stadt zerstört und die königliche Familie um 800 n. Chr. liquidiert wurde. Ein System aus hastig hochgezogenen Steinmauern und Palisadenwänden rund um den Palast und eine Portage der Grabungsstätte zeugt von dem verzweifelten Versuch, die Stadt gegen einen Überfall zu befestigen. „Offensichtlich scheiterten diese Bemühungen“, so Demarest.

Anscheinend handelte es sich um eine Massenhinrichtung des dort mit seinen Edelleuten versammelten Königspaars – viele starben durch Lanzenstöße in Hals oder Kopf,“ sagt er. „Männer, Frauen und Kinder jeden Alters wurden niedergemetzelt, wie die Gebeine belegen.“ Sogar zwei Schwangere waren unter den Getöteten – die Föten der beiden erhielten sich im Schlamm, der später die alte Steinzisterne füllte. Die starken Knochen, die Schädelverformung und der Schmuck – zum Beispiel Jade, Halsketten aus Jaguarzähnen und Muscheln von der Pazifikküste – lassen den Schluss zu, dass es sich bei den Opfern um Adelige aus dem alten Palast handelt, möglicherweise sogar um Angehörige der Königsfamilie.

Anzeige

Massaker markierte Ende der Maya-Stadt Cancuén

Cancuén war ein reicher Stadtstaat der Maya, strategisch günstig gelegen am Pasión. Dieser Fluss stellte die bedeutendste Handelsroute der alten Mayakultur dar. Laut Demarest lag hier die Schnittstelle zwischen der klassischen Mayakultur der mexikanischen Tieflanddschungel und des nördlichen Guatemala sowie den vulkanischen Hochlandgebieten und Küsten im Süden. Der Reichtum lässt sich an der Weitläufigkeit des Königspalasts ablesen, der eine Fläche von beinahe sechs Fußballfeldern einnimmt, und der von Hunderten riesiger Stuckskulpturen gesäumt wurde. Um den Palast herum gab es Werkstätten für Jade, vulkanisches Glas, Pyrit („Katzengold“) und andere Preziosen aus dem Gebirge und von den Küsten im Süden.

„Doch nach diesem tragischen und gewaltsamen Ereignis wurde die Stadt Cancuén – anders als andere bislang entdeckte Stätten der Maya – völlig aufgegeben. Das gleiche Schicksal widerfuhr vielen anderen Städten, die auf der gleichen Route weiter flussabwärts lagen“, so Demarest. „In den Jahren vor dem Königsmassaker hatten sich die Kriegshandlungen bis über dieses westliche Gebiet der alten Welt der Maya ausgebreitet. Sie scheinen Cancuén um 800 n. Chr. erreicht zu haben.“

Forensische Untersshungen mithilfe von DANN und Isotopen

In der Zusammenarbeit mit dem Archäologenteam der Vanderbilt University unter Leitung von Demarest und Barrientos untersuchte die FAFG zum ersten Mal den Schauplatz eines antiken Massenmords. Andere forensische Forscherteams, darunter DNA- und Isotop-Analysten, beginnen jetzt mit der Auswertung von Tausenden der gefundenen Knochenfragmente. Die Vermutungen über die Hinrichtung konnten sie bereits bestätigen. Jetzt erforschen sie die Verwandschaftsbeziehungen sowie die gesundheitlichen und andere Aspekte der Knochen der königlichen Toten.

Die Erforschung des Massakers und das archäologische Projekt von Cancuén werden vom guatemaltekischen Kulturministerium, der Vanderbilt University, der National Geographic Society, der Stiftung zur Förderung mittelamerikanischer Studien, der Nationalen Wissenschaftstiftung, National Endowment for the Humanities und anderen internationalen Organisationen unterstützt. Die Forscher erhoffen sich von weiteren Untersuchungen des Schauplatzes dieses „Kriegsverbrechens“, das vor mehr als 1200 Jahren stattfand, weitere Hinweise zum Untergang der alten Mayakultur. „In den nächsten beiden Jahren wird eine Untersuchung der Skelette und Gerätschaften sogar noch mehr Details über das Leben und den gewaltsamen Tod des Herrschers und der Edlen von Cancuén zu Tage fördern“, sagt Demarest.

(National Geographic Deutschland, 18.11.2005 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Bändereisenerz

Ur-Magnetfeld ohne festen Erdkern?

Krebs kann auch ohne DNA-Mutation entstehen

Waffentruhe eines mittelalterlichen Flaggschiffs geöffnet

Neues fossiles Riesenkänguru entdeckt

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

Dossiers zum Thema

Indianer - Riten, Mythen und Rätsel einer geheimnisvollen Kultur

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche