Qualitätssicherung ist für die Zelle überlebenswichtig. Wenn eines der dafür verantwortlichen internen Systeme ausfällt, wird die Zelle krank. Heidelberger Wissenschaftler haben jetzt ein als „Nonsense Mediated Decay“ bezeichneten Mechanismus zur Qualitätskontrolle der Genexpression jetzt näher analysiert: Es vernichtet fehlerhafte RNAs (Botenmoleküle) sofort und verhindert dadurch die Produktion fehlerhafter Proteine. Defekte dieses Kontrollsystems spielen eine wichtige Rolle bei einer Vielzahl von vererbten und erworbenen Erkrankungen wie dem Krebs. Die Forscher hoffen, damit einen Ansatzpunkt für neue Therapien gefunden zu haben.
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Die genetische Information der Zelle wird ständig in RNA als Botenmoleküle umgeschrieben, die zur Herstellung von Proteinen dienen. Bei diesem Kopiervorgang kommt es oft zu Fehlern, sodass die Botenmoleküle falsche Informationen in sich tragen können. Damit keine fehlerhaften Proteine produziert werden, besitzen Zellen komplexe Kontrollsysteme. Das so genannte „nonsense-mediated-decay“ (NMD) -System, mit dem sich die Heidelberger Wissenschaftler beschäftigt haben, zerstört beispielsweise falsche Botenmoleküle umgehend und baut sie ab.
Zwei Wege führen zur Fehlerkorrektur
Den Heidelberger Wissenschaftlern um Dr. Niels Gehring und Professor Dr. Andreas Kulozik gelang es, den Ablauf der Identifikation fehlerhafter Botenmoleküle in der Zelle zu beschreiben und nachzuweisen, dass ihre Zerstörung auf zwei Wegen ablaufen kann. Sie unterscheiden sich durch die Beteiligung verschiedener Hilfsproteine, die miteinander in Wechselwirkung treten.
„Unsere Arbeit konnte zeigen, dass es unterschiedliche Ausgangspunkte für die Qualitätskontrolle der Genexpression durch NMD gibt. Am Ende führen dann jedoch beide Abbauwege zu einem identischen Ziel – der Eliminierung von fehlerhaften Botenmolekülen“, erklärt Dr. Gehring.
Hoffnung auf neue Behandlungsansätze
Das schützende NMD-System ist für den Organismus überlebenswichtig. Es verhindert, dass Proteine mit falscher Funktion zum Einsatz kommen, die Krankheiten auslösen können. Defekte im NMD-System werden mit zahlreichen erblichen, aber auch erworbenen Erkrankungen wie dem Krebs in Verbindung gebracht. So leiden z. B. Patienten mit der beta- Thalassämie, einer der weltweit häufigsten genetischen Erkrankungen des Blutes, an einer fehlerhaften Produktion von Hämoglobin-Proteinen mit toxischer Wirkung. Ebenso könnten Ursachen der Cystischen Fibrose sowie der Duchenne-Muskeldystrophie durch einen NMD-Defekt begründet sein.
„Da NMD ein zentraler Kontrollmechanismus ist und eine Fehlfunktion bei bestimmten Erkrankungen nachgewiesen wurde, ist dieses System ein viel versprechender Ansatzpunkt für die Entwicklung von Therapien“, erläutert Professor Kulozik. Die Heidelberger Wissenschaftler wollen nun die einzelnen Komponenten näher charakterisieren und passende Moleküle für zukünftige Behandlungen identifizieren.
Die Forscher von der Heidelberger Universitätsklinik berichten gemeinsam mit Professor Dr. Matthias Hentze vom Europäischen Labor für Molekularbiologie (EMBL) in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Molecular Cell“ über ihre Ergebnisse.
(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 05.10.2005 – DLO)