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Chemie

Neue Art von Eis entdeckt

Eis XVI bildet Käfige aus Wassermolekülen, aus denen unter anderem Methanhydrate bestehen

Ein Klumpen Methanhydrat - das Methan wird in einem Käfig aus Eis festgehalten © Wusel007/ CC-by-sa 3.0

Ein Käfig aus Wasser: Forscher haben eine neue Konfiguration von Wassereis entdeckt. In diesem bilden die Wassermoleküle einen Käfig, in dem andere Moleküle eingeschlossen werden können. Bedeutsam ist diese Entdeckung deshalb, weil diese Eiskäfige auch das Methanhydrat bilden – die Verbindung, in der Millionen Tonnen Methangas im Meeresgrund lagern. Die Kenntnis der Eisstruktur könnte helfen, die Stabilität der Methanhydrate besser zu verstehen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Methanhydrate entstehen nur bei relativ hohem Druck und niedriger Temperatur, wie sie beispielsweise am Meeresgrund der Kontinentalhänge herrschen. Unter diesen Bedingungen werden Methangas-Moleküle in einer Art Käfig aus Wassereis eingeschlossen. Sobald jedoch die Temperaturen steigen, löst sich dieser Käfig auf und das Methangas wird frei – eine Entwicklung, die zurzeit durch den Klimawandel vorangetrieben wird.

Gleichzeitig bildet das Methan in diesen Gashydraten eine potenzielle Energiequelle, denn es ist chemisch nichts anderes als Erdgas. Bisher fehlen aber Ideen dazu, wie sich dieses aus den Hydraten lösen lässt, ohne ganze Meereshänge zu destabilisieren. Ein Grund dafür ist das Eis dieser Hydrate: Zwar war dessen Struktur theoretisch bekannt, es galt aber als unmöglich, die fragilen Eiskäfige ohne Inhalt zu erzeugen oder zu erhalten. Dadurch konnten die Eigenschaften dieser Eisform auch nicht näher erforscht werden.

Leere Käfige im kalten Vakuum

Andrzej Falenty von der Universität Göttingen und seinen Kollegen ist nun erstmals die Synthese dieser Wassereis-Form gelungen – und sie entpuppte sich als völlig neue Eisform. Das von ihnen entdeckte Eis XVI ist die 17. bekannte Struktur des Wassereises. Mit einer Dichte von nur 0,81 Gramm pro Kubikzentimeter ist es zudem diejenige mit der geringsten Dichte. Die Wassermoleküle bilden in dieser Eisform eine hochgradig symmetrische Struktur aus Käfigen, die Fremdmoleküle und Atome einfangen können, um Gashydrate und ähnliche Verbindungen zu bilden.

Die Struktur des jetzt erstmals erzeugten Eis XVI: ein leerer Käfig aus Wassermolekülen © Falenty et al./ Nature

Um das Eis XVI im Labor zu erzeugen, synthetisierten die Forscher zunächst bei Temperaturen um 140 Kelvin ein mit Neongas-Atomen gefülltes Gashydrat. Dann pumpten sie die Umgebungsluft ab und erzeugten ein Vakuum, das allmählich die Neonatome aus den Eiskäfigen absaugte. Die Struktur der nun leeren Eiskäfige ermittelten die Wissenschaftler mit Hilfe der Neutronenbeugung: Sie beschossen die Moleküle mit Neutronenstrahlen, die am Molekül auf charakteristische Weise gebeugt wurden. Diese Beugungsbilder geben Aufschluss über die Struktur.

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Leer stabiler als gefüllt

In weiteren Analysen stellten die Forscher fest, dass die leeren Eiskäfige sogar länger stabil bleiben als ihre gefüllten Gegenparts: Sie zerfallen erst bei 20 Grad höheren Temperaturen, wie Versuche zeigten. Erst die Wechselwirkung mit den im Eis enthaltenen Gastmolekülen zieht die Käfige enger zusammen, macht sie aber gleichzeitig instabiler. „Das leere Eis XVI ist mechanisch stabiler und hat bei niedrigen Temperaturen größere Gitterkonstanten als das gefüllte Hydrat“, berichten Falenty und seine Kollegen.

„Leere Einschlussverbindungen waren Jahre lang Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Spekulationen, weil deren tatsächliche Existenz ziemlich unsicher war“, kommentiert Helmut Schober, Wissenschaftsdirektor des Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble die Entdeckung. „Mit dieser Entdeckung kommen wir aus dem Bereich der Spekulationen. Mehr noch: Sie liefert uns einen neuen Edelstein aus der faszinierenden Schatzkiste von Eis-Phasen.“

Wichtig für Gaspipelines und Klimaschutz

Konkrete Vorteile hat das Wissen um die Eigenschaften des Eis XVI unter anderem bei der Wartung von Erdgas-Pipelines. In ihnen wird Methan mit hohem Druck und bei niedriger Temperatur transportiert. Unter diesen Bedingungen bilden sich häufig Ablagerungen aus Gashydraten in den Rohren, die diese verstopfen können. Um sie zu entfernen, müssen weltweit rund 400 Millionen Euro pro Jahr aufgewendet werden. Eine bessere Kenntnis der Käfig-Eigenschaften könnte dabei helfen, die Entstehung der Gashydrate zu verhindern.

Das Eis XVI spielt zudem für die Methanhydrate im Permafrost und in den Meeresböden der Kontinentalhänge eine entscheidende Rolle. Die Erzeugung der Eiskäfige im Labor kann nun dabei helfen, das Verhalten dieser labilen Reservoire besser einzuschätzen. Da Methan eine um rund 30 Mal stärkere Treibhaus-Wirkung als Kohlendioxid besitzt, trägt alles, was die Methanhydrate vor dem Zerfall schützt auch dazu bei, das Klima zu schützen. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature14014)

(Institut Laue-Langevin, 11.12.2014 – NPO)

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