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Neurobiologie

Freundschaft geht durch den Magen

Nahrung teilen erhöht bei Schimpansen den Spiegel des Beziehungshormons Oxytocin

Schimpansen teilen nach der Jagd das Fleisch eines roten Stummelaffen untereinander auf. © Roman M. Wittig / Taï Chimpanzee Project

Liebe und Freundschaft gehen tatsächlich durch den Magen – zumindest bei Schimpansen. Denn wenn diese ihr Futter mit einem Artgenossen teilen, steigt in ihrem Blut der Spiegel des „Kuschelhormons“ Oxytocin. Das berichten deutsche Wissenschaftler im Magazin „Proceedings of the Royal Society B“. Überraschend dabei: Dieses beziehungsstiftende Hormon stieg bei den Menschenaffen nach geteilter Mahlzeit sogar noch stärker an als nach dem gegenseitigen Fellkraulen.

Soziale Beziehungen tragen maßgeblich zum biologischen Erfolg des Menschen bei. Menschen und auch einige andere Säugetiere bauen auch zu nicht verwandten Erwachsenen enge langfristige Beziehungen auf. Über ihre Entstehung und die ihnen zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen ist jedoch wenig bekannt. Das Hormon Oxytocin spielt dabei aber eine Schlüsselrolle.

Oxytocin: Neurobiologische Beziehungsgrundlage?

Es ist bereits bekannt, dass Oxytocin die Mutter-Kind-Bindung herstellt und aufrecht erhält. Das Hormon wird zum Beispiel beim Stillen sowohl bei der Mutter als auch beim Kind ausgeschüttet. Oxytocin ist aber auch am Aufbau und Erhalt von Freundschaften und der Beziehung zwischen Partnern beteiligt. So steigt bei Schimpansen nach der gegenseitigen Fellpflege der Oxytocinspiegel, egal ob diese miteinander verwandt sind oder nicht.

Roman Wittig und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie wollten herausfinden, ob es auch zwischen dem Teilen von Futter und der Ausschüttung des Hormons Oxytocin bei unseren nächsten Verwandten einen Zusammenhang gibt. Dazu beobachteten sie eine Gruppe von 26 frei lebenden Schimpansen aus dem Budongo Forest in Uganda. Die Forscher notierten, ob die Schimpansen der Gruppe ihr Futter mit anderen Artgenossen teilten, oder ob sie trotz Gesellschaft ihr Futter für sich behielten. Innerhalb der ersten Stunde nach dem beobachteten Verhalten fingen sie dann Urinproben der Schimpansen auf, um sie auf den Oxyctocingehalt zu untersuchen.

Das Ergebnis: Der Oxytocinspiegel im Urin von Schimpansen, die mit anderen Gruppenmitgliedern Futter geteilt hatten, war wesentlich höher als bei denen, die ihr Essen nicht teilten. „Dabei spielte es keine Rolle, wer Futter gegeben und empfangen hat oder ob die Tiere miteinander verwandt waren oder nicht. Auch ob sie Kooperationspartner waren oder nicht oder ob sie Fleisch oder anderes Futter miteinander teilten, hatte keinen Einfluss auf die Oxytocinwerte”, sagt Wittig.

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Nahrung teilen ist wichtiger als Fellpflege

Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass der Oxytocinspiegel nach dem Teilen von Nahrung sogar noch höher war als nach der gegenseitigen Fellpflege, einem häufigen kooperativen Verhalten unter Schimpansen. Das könnte bedeuten, dass das Teilen von Futter sogar einen noch stärkeren positiven Effekt auf den Aufbau und Erhalt von sozialen Bindungen hat. „Futter mit anderen zu teilen könnte ein Schlüsselverhalten für den Aufbau sozialer Beziehungen unter Schimpansen sein“, sagt Wittig. „Da es für Spender und Empfänger gleichermaßen von Vorteil ist, ist dieses Verhalten möglicherweise sogar ein Auslöser oder ein Anzeichen für den Beginn einer kooperativen Beziehung.“

Die Forscher vermuten, dass das Teilen von Nahrung möglicherweise neurobiologische Mechanismen aktiviert, die ursprünglich der Festigung der Mutter-Kind-Bindung während des Stillens dienten. Die Ähnlichkeit liegt auf der Hand, gewissermaßen teilt die Mutter beim Stillen Nahrung mit dem Kind. „Zunächst entstand dieser Mechanismus, um die Mutter-Kind-Bindung über das Abstillen hinaus zu festigen”, sagt Wittig. „Die Funktion, kooperative Beziehungen zwischen nicht miteinander verwandten Individuen aufzubauen und zu erhalten, könnte dann später hinzugekommen sein.“

Inwiefern diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, wollen die Wissenschaftler als nächstes untersuchen. Hinweise darauf, dass gemeinsames Essen beim Menschen eine ähnlich hohe Bedeutung hat, liefert bereits die Sprache: Die lateinischen Wurzeln des Wortes Kumpan („com = zusammen“, „panis = Brot“) deuten es an. Und nicht umsonst heißt es im Volksmund: Liebe geht durch den Magen“. Ob auch der Oxytocinspiegel beim Menschen nach dem Teilen einer Mahlzeit tatsächlich höher ausfällt als beim alleine Essen, wird Gegenstand zukünftiger Studien sein.

(Proceedings of the Royal Society B, 2014; doi: 10.1098/rspb.2013.3096)

(Max-Planck-Gesellschaft, 15.01.2014 – AKR)

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