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Medizin

„Magische Kugel“ gegen Tumorzellen

Antikörperfragment ist neuer Kandidat für hochspezifische Krebs-Radioimmuntherapie

Laboranalyse © USDA

Die Immuntherapie gegen Krebserkrankungen blockiert gezielt wichtige Antigene auf den Tumorzellen. Die dafür eingesetzten Antikörper konnten aber bisher nicht gegen Metastasen oder andere spezielle Tumoren eingesetzt werden. Jetzt hat ein Forscher erstmals mithilfe der Gentechnik ein stabiles Antikörperfragment erzeugt, das neue Wege der Therapie eröffnen könnte.

„Finde ein tumorspezifisches Antigen, stelle einen Antikörper her, lade ihn mit Gift und schieße.“ Das ist das Grundkonzept des „Magic Bullet“-Prinzips der Immuntherapie gegen Krebserkrankungen. Ein wichtiges Ziel für diese Strategie ist seit langem bekannt: das Thomsen-Friedenreich-Antigen (TF-Antigen). Es sitzt fast ausschließlich auf der Oberfläche von Tumorzellen, zum Beispiel bei Lungen, Brust-, Pankreas-, Magen-, Darm- und Eierstockkrebs, und ist darüber hinaus ein Risikofaktor für Lebermetastasen. Passend zu diesem Antigen, das die Tumorzellen markiert, wurden bereits verschiedene Antikörper entwickelt. Bislang eigneten sich die „magischen Kugeln“ allerdings nicht für Primärkarzinome, Metastasen oder kleinste Resttumoren – eine Bindung an das TF-Antigen war hier nicht möglich.

Peter H. Ravn ist es im Rahmen seiner Doktorarbeit am Fachbereich Biologie, Chemie und Pharmazie der Freien Universität Berlin zum ersten Mal gelungen, ein Antikörperfragment herzustellen, das äußerst spezifisch und intensiv an das TF-Antigen bindet. Dieses erste stabile, multivalente TF-spezifische Antikörperfragment ermöglicht die Entwicklung neuer, gezielter, Antikörper vermittelter Strahlentherapien.

Durch Genmanipulation erzeugt…

Das von Peter Ravn entwickelte Immunmolekül ist ein rekombinanter Antikörper, dass heißt, er wurde mithilfe entsprechender Gene neu zusammengesetzt. Der anschließende biotechnologische Prozess gleicht einem mehrstufigen „Tuning“. Ausgangspunkt war ein so genanntes „single chain Fragments variable“ (scFv), ein auf wenige variable Aminosäureabschnitte reduziertes Antikörperfragment – im Prinzip nur noch der Bereich, der an das Antigen bindet.

Zunächst wurde in dem scFv ein kleines Eiweiß, der so genannte Linker, der das Molekül stabilisiert, drastisch verkürzt. Dadurch erreichte der aus Dänemark stammende Wissenschaftler die Verbindung der einzelnen Antikörperfragmente zu Mehrfachmolekülen (Multimere) und, entscheidend, eine deutliche Erhöhung der Bindungsmöglichkeiten für Antigene(Multivalenz).

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…von Viren vermehrt

Diese scFv-Multimere mit verstärkter Bindungsaktivität entwickelte Ravn mit der so genannten Phagendisplaymethode. Dabei wird Bakterien infizierenden Viren – Bakteriophagen – die genetische Bauanleitung für das neue Antikörperfragment eingesetzt, die dann bei der Virenvermehrung umgesetzt wird. Aus den so gewonnenen Klonen konnten Kandidaten mit außergewöhnlich hoher Spezifität und Affinität für das Thomsen-Friedenreich-Antigen ausgewählt werden. Mit der Phagendisplaymethode lassen sich also TF-spezifische Antikörperfragmente, vermutlich aber auch weitere Antikörper, herstellen.

Ein weiterer Erfolg in Peter Ravns Antikörperproduktion ist die hohe Stabilität des Multimers, die über alle Schritte des Herstellungsprozesses erhalten blieb. Und schließlich wurde mit den radioaktiv markierten, multivalenten Antikörperfragmenten – in einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit der Glycotope GmbH (Berlin Buch) – zum ersten Mal gezeigt, dass sich das Thomsen-Friedenreich-Antigen sehr gut für die Antikörper vermittelte Tumortherapie bei Primärkarzinomen, Metastasen oder kleinsten Resttumoren eignet. Die überaus hohe Tumorspezifität des scFv-Antikörperfragments ist eine sehr gute Basis für die Weiterentwicklung einer gezielten Radioimmuntherapie, in der die radioaktiv markierten Antikörper an die Tumorzellen binden und die therapeutische Strahlung gezielt an sie abgeben.

(Freie Universität Berlin, 01.09.2004 – NPO)

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