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Astronomie

„Sunrise“ enthüllt magnetische Grundbausteine der Sonne

Ersten Ergebnisse der Ballonmission liefert wertvolle Daten auch zum Klimawandel

Die Aufnahme des Instruments IMaX zeigt die Granulation der Photosphäre. In den hellen Bereichen strömt heißes Plasma nach oben; in den dunklen sinkt das abgekühlte Plasma wieder herab. Dazwischen blitzen winzige, helle Punkte auf. Die einzelnen Granulen haben eine Größe von einigen tausend Kilometern, die hellen Punkte von etwa 100 Kilometern. © MPS

Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, die kleinsten Bausteine des Sonnenmagnetfeldes sichtbar zu machen und zu charakterisieren. Ermöglicht haben dies erste Daten des im letzten Jahr per Ballon aufgestiegenen Sonnenobservatoriums „Sunrise“. Die jetzt in einer Sonderausgabe des „Astrophysical Journal“ vorgestellten Ergebnisse zeigen unter anderem, dass das Magnetfeld in den so genannten „Hellen Punkten“ der Sonnenflecken die Stärke des Erdmagnetfeldes etwa um das 3.000-fache übertrifft.

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Die Sonne ist ein turbulenter Ort: Heißes Plasma ist ununterbrochen in Bewegung, steigt aus dem heißen Innern des Sterns auf, kühlt ab und sinkt wieder hinab. An der sichtbaren Oberfläche der Sonne, in der so genannten Photosphäre, machen sich diese brodelnden Ströme als einige tausend Kilometer große, netzartige Strukturen bemerkbar: Unter den hellen, heißeren Bereichen steigt das Plasma auf; an den dunklen, kühleren Rändern sinkt es hinunter. Wissenschaftler bezeichnen diese Strömungsmuster als Granulation. Die Bewegungsenergie dieser Ströme wandelt sich in magnetische Energie um. Die Magnetfelder, die so entstehen, zeigen sich beispielsweise in den dunklen Sonnenflecken, von denen einige so groß sind wie die Erde.

Plasmaströme beeinflussen Magnetfeld

Doch das Magnetfeld der Sonne kennt auch deutlich kleinere Strukturen. Hinweise auf diese Strukturen liefern winzige, helle Punkte zwischen den Granulen. Dort drängen die starken Magnetfelder das brodelnde Plasma nach außen, so dass ein tieferer Blick in das Sonneninnere möglich ist. Wegen der höheren Temperaturen im Innern erscheinen die so genannten „bright points“ deshalb heller. Obwohl die hellen Punkte in den Aufnahmen einiger großer Sonnenteleskope sichtbar sind, ließen sich bisher ihre physikalischen Eigenschaften wie etwa die Magnetfeldstärke nicht genau bestimmen.

Ungelöstes Rätsel der Sonenkorona

„Ohne diese Kenntnisse fehlte eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein grundlegendes Verständnis der magnetischen Vorgänge auf der Sonne“, erklärt Professor Sami K. Solanki, Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS). Es sei, als wolle man einen Ameisenhaufen untersuchen, ohne die einzelnen Ameisen erkennen und beschreiben zu können. Nach gängigem Verständnis muss in den Magnetfeldern unter anderem die Erklärung liegen, warum die Sonnenoberfläche „nur“ rund 6.000 Grad heiß ist, die weiter außen liegende Korona aber mehrere Millionen Grad.

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„Das ist so, als wenn ich in einem Zimmer stehe mit einer Heizung auf der anderen Seite. Und ich bewege mich jetzt von der Heizung weg und es wird immer wärmer“, so Solanki. „Wir haben soweit verstanden, dass die Heizung der Korona mit dem Magnetfeld der Sonne zu tun hat. Aber die Details verstehen wir nicht. Wie transportiert das Magnetfeld diese Energie? Wir wissen, dass die Energie in das Magnetfeld auf sehr kleinen Skalen auf der Oberfläche der Sonne hineingepumpt wird. Aber gesehen hat das noch niemand.“

Tiefere Einblicke dank „Sunrise“

Erst das Sonnenobservatorium Sunrise, das als internationales Projekt unter Leitung des MPS gebaut und betrieben wurde, vereinigte die entscheidenden Eigenschaften, um auch die kleinräumigen Strukturen auf der Sonnenoberfläche sichtbar zu machen: eine hohe räumliche Auflösung von etwa 100 Kilometern und hochpräzise Instrumente, die unter anderem die Stärke der Magnetfelder messen können. Bei seinem Flug im Juni vergangenen Jahres trug ein mit Helium gefüllter Ballon das Observatorium bis auf eine Höhe von 37 Kilometern in die Stratosphäre.

Dort hatte das Teleskop den Großteil der Erdatmosphäre – und somit die störenden Luftverwirbelungen ─ unter sich gelassen. Mit einem Spiegeldurchmesser von einem Meter ist Sunrise das größte Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat. Anders als erdgebundene Teleskope konnte das Observatorium zudem die ultraviolette Strahlung der Sonne untersuchen, die in der Erdatmosphäre absorbiert und somit aus dem Sonnenlicht herausgefiltert wird. „Die Instrumente von Sunrise konnten Strukturen von nur hundert Kilometern Größe auflösen“, erklärt Solanki. Das ist als würde man eine Ein-Euro-Münze aus 30 Kilometern Entfernung untersuchen.

Magnetfeld 3.000 Mal so stark wie das der Erde

Durch diese hohe Auflösung war es erstmals möglich, die hellen Punkte in der Photosphäre zu charakterisieren. Mit bis zu 1,8 Kilogauss ist das Magnetfeld in diesen Bereichen bis zu 3.000-mal so stark wie das der Erde. Die Temperatur liegt dort etwa 1.000 Grad höher als in der nichtmagnetischen Umgebung. „Theoretische Berechnungen legen nahe, dass diese heißen, magnetischen Strukturen einzelnen magnetischen Flussröhren entsprechen“, so Andreas Lagg vom MPS. Diese Flussröhren sind die Basiseinheiten des Sonnenmagnetfeldes. In der Photosphäre verlaufen ihre Feldlinien senkrecht zur Sonnenoberfläche, wie in einer Röhre.

Wertvolle Hinweise auf Einfluss der Sonne auf Klimawandel

Zudem konnten die Wissenschaftler erstmals die Helligkeit der hellen Punkte auch im Ultravioletten (UV) bestimmen. Diese ist etwa fünf Mal stärker als in der Umgebung. „Nur so ist es möglich, den Beitrag der hellen Flecken zu den Helligkeitsschwankungen der Sonne abzuschätzen“, so Tino Riethmüller vom MPS. Da die Erdatmosphäre die UV-Strahlung fast vollständig absorbiert, spielt dieser Teil des Sonnenlichts eine wichtige Rolle bei der Erwärmung der oberen Luftschichten.

Dieses Wissen ist deshalb entscheidend für die Klimaforschung. Denn nur so kann es gelingen, den Anteil der globalen Erwärmung, der vom Menschen verursacht wird, vom Einfluss der Sonne zu trennen. Die Helligkeitsschwankungen der Photosphäre, die Sunrise wie keine Mission zuvor sichtbar macht, spiegeln zudem detailliert die Temperaturverläufe an der Sonnenoberfläche wieder. Diese und weitere erste Ergebnisse der Mission Sunrise würdigt die Fachzeitschrift „The Astrophysical Journal“ jetzt in einer Sonderausgabe mit zwölf Beiträgen des Sunrise-Teams.

In 130 Stunden um den Nordpol

Das Sonnenobservatorium Sunrise startete im Juni vergangenen Jahres unter der Leitung des MPS von der Weltraumbasis Esrange im nordschwedischen Kiruna zu seinem 130-stündigen Flug um den Nordpol. Neben einem Sonnenteleskop und ausgeklügelten Mechanismen der Bildstabilisierung trug das Observatorium zwei wissenschaftliche Instrumente an Bord, welche die Magnetfelder der Sonne untersuchen: SuFI (Sunrise Filter Imager) wurde unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut; IMaX (Imaging Magnetograph eXperiment) entstand in einem spanischen Konsortium unter der Leitung des Instituto de Astrofisica de Canarias. Zu den weiteren Kooperationspartnern der Mission zählen das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg und das High Altitude Observatory in den USA.

(Max-Planck-Gesellschaft, 09.11.2010 – NPO)

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