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Evolution

Mehrzeller schon vor 2,1 Milliarden Jahren

Sensationeller Fund von Mehrzeller-Fossilien im Gabun verändert Sicht auf frühe Evolution

2,1 Milliarden Jahre altes Mehrzeller-Fossil © CNRS Photothèque / Kaksonen

Mehrzellige Organismen entstanden sehr viel früher als bisher angenommen. Das zeigen mehr als 250 gut erhaltene Fossilien, die Forscher jetzt in Gabun entdeckt haben. Sie sind 2,1 Milliarden Jahre alt und damit fast 1,5 Milliarden Jahre älter als bisherige Belege mehrzelligen Lebens. Die jetzt in „Nature“ veröffentlichte Entdeckung zeigt zudem, dass es selbst damals schon eine große Vielfalt der Lebensformen gab.

Die ersten Lebensformen auf der Erde, entstanden vor vermutlich rund 3,5 Milliarden Jahren, waren prokaryotische Einzeller, einfache Organismen ohne Zellkern. Irgendwann später entwickelten diese Einzeller einen Zellkern und noch später schlossen sie sich zu mehrzelligen Organismen zusammen. Wann und wie dies genau geschah, liegt jedoch im Dunkeln. Denn die ersten bisher bekannten fossilen Belege für Leben stammten aus der Zeit vor rund 600 Millionen Jahren, der so genannten kambrische Explosion, einer Ära, in der komplexere mehrzellige Lebensformen sich besonders schnell ausbreiteten und differenzierten. Daher gingen Forscher bisher davon aus, dass die ersten Mehrzeller auch erst kurz vor dieser Zeit entstanden sein müssen.

Mehrzeller-Fossilien in 2,1 Milliarden Jahre alten Sedimenten

Doch neue Funde im afrikanischen Gabun haben diese Vorstellung jetzt komplett über den Haufen geworfen. Ein französisches Wissenschaftlerteam unter Leitung von Abderrazak El Albani vom Labor für Hydrogeologie und Bodenkunde der Universität von Poitiers und der französischen Wissenschaftsorganisation CNRS stieß nahe der Stadt Franceville auf perfekt erhaltene Fossilien von Lebensformen in 2,1 Milliarden Jahre alten Tonsedimenten. Die rund zehn bis zwölf Zentimeter großen Relikte sind zu groß und komplex strukturiert um von Einzellern zu stammen.

Virtuelle Rekonstruktion der äußeren (links) und inneren Strukturen (rechts) eines Gabun-Fossils © CNRS Photothèque / A. El Albani & A. Mazurier

Die Forscher nutzten Isotopenanalysen, um die Verteilung organischer Materialien in den Versteinerungen zu bestimmen und auszuschließen, dass es sich um geologisch-chemische Strukturen handelte. Von den zurzeit mehr als 250 entdeckten Fossilien sind rund 100 bisher genauer untersucht worden. Bei einigen von ihnen setzten die Wissenschaftler einen hochauflösenden 3D-Scanner ein, der eine räumliche Rekonstruktion der Strukturen – und insbesondere auch der inneren Organisation – ermöglichte, ohne die Relikte zu zerstören oder zu beschädigen.

Koexistenz mit prokaryotischen Einzellern

Die Analysen belegen, dass es sich bei den Organismen um Mehrzeller handeln muss. Sie sind damit die ältesten Belege für Leben dieser Organisationsstufe, die bisher gefunden wurden und verschieben den Beginn der Mehrzelligkeit um knapp 1,5 Milliarden Jahre nach vorne. Demnach gab es in dieser Frühzeit der Erde offenbar schon eine Koexistenz von prokaryotischen und eukaryotischen Lebensformen. Nach Ansicht der Wissenschaftler förderte möglicherweise ein Anstieg des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre, der vor rund 2,45 und zwei Milliarden Jahren stattfand, die Entwicklung und Verbreitung der ersten Mehrzeller.

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Warmes Flachmeer als Lebensraum

Die Sedimente am Fundort enthielten teilweise mehr als 40 Exemplare der fossilen Mehrzeller pro Quadratmeter, daraus schließen die Forscher, dass die Organismen damals in Kolonien gelebt haben. Die Gesteinsformationengeben auch Hinweise auf ihren damaligen Lebensraum, ein nur 20 bis 30 Meter tiefes Flachmeer. Dieses meist ruhige, nur ab und zu durch Gezeiten, Wellen und Stürme aufgemischte Wasser könnte den Mehrzellern optimale Entwicklungsbedingungen geboten haben.

Mehr Informationen über damalige Lebensbedingungen nötig

Als nächste Schritte wollen die Forscher nicht nur die Fundstätte weiter untersuchen und für ihre Erhaltung sorgen. Sie betonen auch, dass es nun wichtig sei, die Geschichte des Gabun-Beckens genauer zu erkunden und zu erforschen, warum hier die Bedingungen solche komplexeren Lebensformen so früh möglich machten. Außerdem müsse die Entwicklung des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre weiter mit der Mineralisierung der Tonsedimente verglichen werden, um noch mehr Aufschluss über die konkreten Lebensbedingungen zu erhalten.

(CNRS (Délégation Paris Michel-Ange), 01.07.2010 – NPO)

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