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Chemie

Wasser: Gelöste Biomoleküle stören Choreographie

Supercomputer ermöglicht neue Einblicke in Schwingungen des Wassers

"Tanz" des Wassers um ein Biomolekül © RUB

In Wasser gelöste Biomolekülen haben einen überraschend weitreichenden Einfluss auf den „Tanz“ der sie umgebenden Wassermoleküle. Jetzt gelang es Forschern mit aufwändigen Simulationen im Supercomputer, diese Choreographie im Detail zu erklären. Wie sie in der Fachzeitschrift “Proceedings of the National Academy of Science” (PNAS) berichten, spielen die Biomolekül-Wasser-Grenzflächen dabei eine entscheidende Rolle.

Flüssiges Wasser reagiert, wie andere Flüssigkeiten auch, mit charakteristischen Schwingungen auf Anregungen durch Wellen eines weiten Spektralbereichs. Bei Frequenzen, die denen des infraroten Lichts entsprechen, kann man die Schwingungen innerhalb der einzelnen Moleküle beobachten. Diese Beobachtungen sind erst seit kurzem durch die Entwicklung neuartiger Laserstrahlungsquellen, der so genannten Terahertz-Spektroskopie, möglich.

Menuett statt Discotanz

„Bei niedrigeren Frequenzen, im Terahertz-Bereich, der im elektromagnetischen Spektrum zwischen den Frequenzen des infraroten Lichts und der Mikrowellenstrahlung liegt, finden viel komplexere Bewegungen statt, bei denen sich ganze Wassermoleküle relativ zueinander bewegen“, erklärt Terahertz-Spezialistin Professor Havenith-Newen von der Ruhr-Universität Bochum (RUB). „Diese Bewegungen beinhalten insbesondere das Schließen und Aufbrechen des dreidimensionalen Wasserstoffbrücken-Netzwerks, welches die Wassermoleküle aneinander bindet und für die außergewöhnlichen Eigenschaften von Wasser verantwortlich ist.“

Studien an der RUB führten zu Entdeckung eines unerwartet weitreichenden Einflusses von im Wasser gelösten biologisch relevanten Molekülen wie Zucker oder Proteinen, dem so genannten „Terahertz-Tanz“ des Wassers. Rund um das Molekül herrscht Ordnung in der Schrittfolge: „Während sich Wassermoleküle für sich genommen wie Diskotänzer bewegen, führen sie in der Nähe von Biomolekülen ein Menuett auf“, so Havenith-Newen. Allerdings war bislang unklar, wie dieses unerwartete Phänomen zu erklären ist.

Aussagen zu Schwingungen zwischen Wassermolekülen

Um dies herauszufinden, führten Wissenschaftler aus der Theoretischen Chemie und der Physikalischen Chemie gemeinsam Molekulardynamik-Simulationen von Wasser durch. Diese beruhen allerdings nicht, wie auf diesem Gebiet üblich, auf einem empirischen Modell zur Beschreibung der Wechselwirkung zwischen den Molekülen, sondern wurden mit Hilfe von ab initio-Simulationen beschrieben.

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Erstmals wurden Simulationen damit in einer Größenordnung durchgeführt, die statistisch signifikante Aussagen über die vergleichsweise langsamen Schwingungen zwischen den Wassermolekülen zulassen. Ermöglicht wurden diese immens aufwändigen Berechnungen durch die Unterstützung des Leibniz Rechenzentrums in Garching bei München, welches die erforderliche Rechenzeit auf dem nationalen Supercomputer HLRB2 zur Verfügung stellte.

Gestörte Choreographie

Durch neu entwickelte Analyseverfahren wiesen die Wissenschaftler nun nach, wie genau die Terahertz-Schwingungen des Wassers durch korrelierte Bewegungen vieler Wassermoleküle zu beschreiben sind: sozusagen durch Wassertröpfchen im Wasser selbst. „Damit haben wir die ‚Choreographie des reinen Wassers‘ bei niedrigen Frequenzen aufgedeckt“, erklärt Dominik Marx, Professor für Theoretische Chemie an der RUB. Wird nun ein Stoff, etwa ein Protein, in Wasser gelöst, so „stört“ er diese Choreographie des Wassers an seiner Grenzfläche. Damit lassen sich die experimentellen Befunde der THz-Spektroskopie qualitativ verstehen.

„Die korrelierten Schwingungen von Wassermolekülen bei THz-Frequenzen weisen ein neuartiges Verhalten auf, das sich grundlegend von den bereits seit langem bekannten Infrarot-Schwingungen der chemischen Bindungen innerhalb der Wassermoleküle unterscheidet“, so Marx. In der Choreographie des Terahertz-Tanzes bewegen sich viele, nur indirekt über Wasserstoffbrücken verbundene Moleküle gemeinsam in einer konzertierten Weise im Raum und Zeit. Es sind nun die Veränderungen dieser Korrelation, hervorgerufen durch Biomolekül-Wasser-Grenzflächen, die von der THz-Spektroskopie detektiert und technologisch ausgenutzt werden.

(Ruhr-Universität Bochum, 23.06.2010 – NPO)

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