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Geowissen

Megabeben vor Chile wirft Fragen auf

Energie der Erdstöße zehnfach stärker als normal – Expedition soll Ursachen klären

Relief des Tiefseegrabens vor Chile mit den Epizentren des aktuellen und des bisher stärksten Bebens aus dem Jahr 1960. © W. Weinrebe, IFM-GEOMAR

Das Erdbeben, dass am 27. Februar Chile erschütterte, überraschte selbst die Experten. Denn es war zehnfach stärker als für diese Region zu erwarten. Warum, das könnte eine im Herbst startende Expedition von Seismologen und Meeresforschern klären. Per Tiefseeroboter wollen sie den Meeresboden im Entstehungsgebiet des Bebens genau untersuchen.

Ungewöhnlich starke Erdstöße erschütterten am frühen Morgen des 27. Februar 2010 den Meeresboden und die angrenzenden Küstengebiete im Süden von Chile. Mit einer Stärke von 8.8

auf der nach oben offenen Richterskala gehört es zu den stärksten jemals registrierten Erdbeben. Das Beben wurde von plötzlichen Bewegungen auf der Grenzfläche zwischen der sogenannten Nazca-Platte, die Teil des Pazifiks ist, und der Südamerikanischen Platte ausgelöst. Doch an den näheren Umständen dieses Bebens ist noch einiges unklar.

Ursprung am unteren Ende der „Seismogenen Zone“

„Die Herdtiefe von etwa 35 Kilometern weist darauf hin, dass das Beben nahe der chilenischen Küste seinen Ursprung am unteren, tiefer gelegenen Ende der sogenannten ‚Seismogenen Zone’ hatte“, erläutert Professor Jan Behrmann, Professor für Marine Geodynamik am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Die Seismogene Zone ist der Bereich zwischen zwei sich gegeneinander bewegenden Erdplatten, der durch Auslösung aufgebauter Spannungen immer wieder Erdbeben erzeugt. Die Bewegungen breiteten sich dann westwärts in Richtung auf den offenen Pazifik aus.

„Der durch das Beben ausgelöste Tsunami ist wahrscheinlich entweder durch Brüche am Meeresboden auf dem Kontinentalabhang oder durch Auslösung eines untermeerischen Erdrutsches verursacht worden“, so Behrmann weiter. Für die Meeresforscher der Kieler Christian-Albrechts-Universität und des IFM-GEOMAR, die sich im Sonderforschungsbereich 574 „Fluide und Volatile in Subduktionszonen“ mit genau solchen Erdplattenverschiebungen beschäftigen, wirft dieses Ereignis jedoch noch einige Fragen auf.

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Zehnfach stärker als normal

Da ist zunächst einmal die sehr große Stärke des Erdbebens. Der Rand Südamerikas rund um die Stadt Concepcion ist bekannt für sich im Abstand von mehreren Jahrzehnten wiederholende Beben mit Magnituden bis etwa 7,5. Die jetzt registrierte Magnitude von 8,8 ist jedoch außergewöhnlich und bedeutet eine gegenüber dem Normalfall wenigstens zehnfach höhere Entladung seismischer Energie. „Dieses Ereignis ist daher sehr ungewöhnlich und muss durch eine besonders große Verschiebung ausgelöst worden sein“, vermutet Behrmann.

Tiefseeroboter untersucht Meeresboden

Klärung könnte eine schon lange geplante Expedition bringen, die die Kieler Geowissenschaftler Ende September mit dem Forschungsschiff SONNE in das Entstehungsgebiet des Bebens führen wird. Dabei wird unter anderem auch der Tiefseeroboter KIEL6000 sowie ein videogestützter Großgreifer zum Einsatz kommen. „Auf dieser Expedition wird es Gelegenheit geben, eventuell durch das Erdbeben ausgelöste Veränderungen der tektonischen Struktur und des Meeresbodens zu dokumentieren“, schaut Behrmann voraus.

Bereits im Frühjahr 2008 hatten Kieler Geologen und Geophysiker mit dem britischen Forschungsschiff James Cook detaillierte Kartierungsarbeiten und seismische Untersuchungen durchgeführt, die durch das aufgetretene Beben für die anstehende Expedition eine traurige Aktualität erhalten haben.

(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), 02.03.2010 – NPO)

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