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Physik

Verschränkte Quanten im Orbit

Mitte 2016 könnte das erste orbital-planetare Quantennetzwerk laufen

Das Hedy Lamarr Quantum Communication Telescope in Wien ist eine der Bodenstationen für das orbital-planetare Quantennetzwerk. © Lois Lammerhuber

Der Countdown läuft: Schon in wenigen Monaten könnte es erstmals eine Quantenkommunikation mit einer Sendestation im Orbit geben. Ein chinesischer Forschungssatellit wird dafür verschränkte Lichtteilchen aus dem erdnahen Weltraum zu zwei Bodenstationen schicken – und damit das weltweit erste orbital-planetare Quantennetzwerk in Betrieb nehmen. Die Vorbereitungen sind in der heißen Phase.

Einstein nannte es die spukhafte Fernwirkung: Bei dem Phänomen der Verschränkung sind zwei Quantenteilchen, beispielswiese Photonen, im Überlagerungszustand miteinander verkoppelt. Misst man den Zustand eines der Beiden, verändert dies auch den Zustand des anderen – und das selbst über große Entfernungen hinweg. Über solche verschränkten Teilchen können daher auch Informationen kodiert und übertragen werden.

Quanten-Sendestation im Weltraum

Ein solches „Beamen“ von Quanteninformationen ist bisher allerdings nur über begrenzte Strecken durchgeführt worden. Den gegenwärtigen Rekord von 144 Kilometern stellten Physiker um Anton Zeilinger von der Universität Wien auf. Er und sein Team haben nun jedoch ein noch ehrgeizigeres Ziel: Zum ersten Mal soll eine Quantenkommunikation zwischen Erdoberfläche und Umlaufbahn möglich werden.

Für das Experiment „Quantum Experiments at Space Scale“ (QUESS) wird Mitte 2016 ein chinesischer Forschungssatellit mit einer Quanten-Sendestation in den Weltraum starten. Sie soll verschränkte Lichtteilchen aus dem erdnahen Weltraum zu Bodenstationen in Graz und in Wien schicken – und damit das weltweit erste orbital-planetare Quantennetzwerk in Betrieb nehmen.

Die Vorbereitungsarbeiten in Österreich und China laufen auf Hochtouren © Lois Lammerhuber

Modell für abhörsichere Fernverbindungen

Die Wissenschaftler erhoffen sich von dem Projekt zweierlei: Das Experiment soll einerseits Klarheit schaffen, ob der Zustand der quantenphysikalischen Verschränkung von Photonen auch über Distanzen von mehr als 1.000 Kilometern aufrecht bleibt. Andererseits soll die Verschränkung mittels bestimmter Protokolle die Erzeugung und den Austausch kryptographischer Schlüssel erlauben und damit ein Modell für vollständig abhörsichere Datenverbindungen über bisher unerreichte Distanzen liefern.

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Auf chinesischer Seite ist der Quantenphysiker Jian-Wei Pan an dem Projekt beteiligt. Sein erfolgreiches „Beamen“ von zwei Merkmalen gleichzeitig trug ihm erst kürzlich die Auszeichnung Durchbruch des Jahres 2015 ein. Während er und seine Kollegen die Sendeeinheit entwickelten und deren Transport in den Orbit übernehmen, konzentrieren sich die österreichischen Partner auf die Entwicklung der Bodenstationen.

„Meilenstein auf dem Weg zum Quanteninternet“

Gelingen der Transport der Sendestation ins All und die Quantenkommunikation mit der Erde, wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu sicherer Quantenkryptographie und Quanteninternet erreicht. „Das Projekt hat das Potenzial, neue Grundlagen zu etablieren“, sagt Zeilinger. „Wir sprechen dabei nicht nur von einer neuen Dimension der Überprüfung fundamentaler quantenphysikalischer Erkenntnisse, sondern auch von einem entscheidenden Schritt in der Entwicklung des Quanteninternets.“

Die hochsensiblen Messapparate müssen bis zum Start der Quantenkommunikation mit dem Orbit kalibriert werden. © IQOQI Wien

Mit einem Quantennetzwerk unter Einbindung von orbitalen Stationen als Relais könnte der Abtausch von Sicherheitsschlüsseln zwischen beliebig weit voneinander entfernten Bodenstationen realisiert werden – beispielsweise zwischen Europa und China. Für die Entwicklung des Quanteninternets ist das von großer Bedeutung, um die Kommunikation zwischen unterschiedlichsten Datenknotenpunkten auf der Welt über Satelliten durchführen zu können.

Man muss Grenzen überschreiten“

Dem Start des Satelliten gegen Jahresmitte sehen die Forscher mit Spannung entgegen, denn trotz der guten Vorbereitung sind die technischen Herausforderungen enorm: angefangen von der hohen Geschwindigkeit des Satelliten, die große Anforderungen an die Nachführgenauigkeit der Sende- und Empfangsstationen stellt, bis hin zur kosmischen Strahlung, welche die empfindlichen Geräte an Bord des Satelliten beeinflussen kann.

Doch Jian-Wei Pan ist von dem Experiment überzeugt, denn: „Wenn man Neues in der Physik entdecken möchte, muss man bisherige Grenzen überschreiten. Und wir wollen herausfinden, ob sich die quantenphysikalische Verschränkung von Teilchen tatsächlich über beliebige Distanzen erstrecken kann.“

(Österreichische Akademie der Wissenschaften, 18.02.2016 – NPO)

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