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Physik

Atomuhr misst Einsteins Zeitdehnung

Erste Messung der Gravitationswirkung auf die Zeit mit einer mobilen optischen Atomuhr

Blick in das Innere einer Strontium-Atomuhr. Eine solche Uhr kann jetzt auch mobil Messungen durchführen. © Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

Atomuhr im Alpentunnel: Forscher haben erstmals die gravitationsbedingte Zeitdifferenz zwischen einem Berggipfel und dem Tal mit einer mobilen optischen Atomuhr gemessen. Die auf einem Autoanhänger untergebrachte Strontiumuhr wurde dafür in einen Bergtunnel in den Alpen gebracht und mit einer 1.000 Höhenmeter tiefer aufgestellten Referenzuhr verglichen. Solche Messungen könnten künftig Einsteins Zeitverzerrung, aber auch Höhenangaben präziser messbar machen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“.

Optische Atomuhren sind unsere genauesten Zeitgeber. Sie ermitteln die Zeit über die Zustandswechsel ultrakalter Strontium- oder Ytterbium-Atome. Die in einem Lasergitter eingefangenen Atome werden dafür mit einem zweiten Laser bestrahlt und so zum Wechsel ihres Energiezustands angeregt. Die Lichtfrequenz, bei der die Atome ihren Energiezustand wechseln, dient als Referenz für die Sekunde.

Atomuhr im Autoanhänger

Lange waren solche optischen Atomuhren zu sensibel, um anderswo als im geschützten Labor zu funktionieren – bis jetzt. Denn Wissenschaftler an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig haben eine Strontium-Atomuhr konstruiert, die mobil ist: Der gesamte Aufbau samt feinst justierten Lasern und Kühlaggregaten ist in einem schwingungsgedämpften und temperaturstabilisierten PKW-Anhänger untergebracht.

Ihre erste große Bewährungsprobe hat diese mobile optische Atomuhr nun absolviert. Dafür transportierten Jacopo Grotti von der PTB und seine Kollegen ihre Strontium-Atomuhr in ein Untergrundlabor im Fréjus-Tunnel in den französischen Alpen. Während die mobile Uhr dort die Zeit maß, führten Wissenschaftler eine Vergleichsmessung im 90 Kilometer entfernten Turin durch – einem Ort, der 1000 Meter niedriger liegt als der Bergtunnel.

Einsteins Zeitdehnung gemessen

Das Spannende daran: Seit Albert Einstein wissen wir, dass die Zeit durch hohe Beschleunigung, aber auch durch den Einfluss der Gravitation gedehnt wird. Deshalb müsste eine im Tal stehende Uhr ein winziges Bisschen langsamer laufen als eine auf einem Berggipfel stehende. Strontium-Atomuhren sind präzise genug, um diesen Effekt zu messen – vorausgesetzt man bringt sie auf den Berg.

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Der PKW-Anhänger mit der transportablen optischen Strontiumuhr im Alpentunnel. © Lisdat/ PTB

Genau dies ist nun gelungen. „Das ist die erste Feld-Messkampagne mit einer transportablen Strontium-Atomuhr“, konstatieren Grotti und seine Kollegen. Trotz wenig idealer Bedingungen im Bergtunnel gelang es ihnen, die gravitationsbedingte Zeitdifferenz zwischen Berg und Tal zu messen. „Wir haben eine relativistische Rotverschiebung von 47,92 Hertz gemessen“, berichten sie. Dieser Wert stimme gut mit den durch klassische Methoden ermittelten überein.

Hilfe auch bei der Höhenbestimmung

„Damit ist dies die erste Demonstration einer chronometrischen Höhenbestimmung mithilfe einer transportablen Atomuhr“, konstatieren die Forscher. Noch müssen Störungen beseitigt und die mobile Uhr noch genauer werden. Aber künftig könnte solche mobilen optischen Uhren dabei helfen,

die Einsteinsche Zeitdehnung und auch die Schwerkraft genauer als mit Satellitenmessungen zu bestimmen.

Dadurch wären Wissenschaftler beispielsweise in der Lage, Veränderungen des Meeresspiegels und der Ozeanströmungen mit bisher unerreichter Genauigkeit zu überwachen. Gleichzeitig könnten Höhenmessungen über das Gravitationspotenzial dazu beitragen, die Messtechniken und Höhenreferenzen bei Bauvorhaben zu vereinheitlichen und so Fehler zu vermeiden. Denn bisher nutzen Länder unterschiedliche Meeresspiegelwerte als Referenz für ihre Höhenmessungen. Als Folge kommt es länderübergreifenden Tunnel- oder Brückenprojekten häufiger zu Abweichungen.

Durch Atomuhr-gestützte Höhenmessungen ließe sich das System vereinheitlichen und damit könnten solche Probleme bei Ingenieurs- und Konstruktionsprojekten vermieden werden, wie die Forscher erklären. (Nature Physics, 2018; doi: 10.1038/s41567-017-0042-3)

(Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 13.02.2018 – NPO)

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