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Astronomie

Starlink und Co „lecken“ Radiostrahlung

Unabsichtliche elektromagnetische Störsignale von Satelliten behindern Radioastronomie

Satelliten-Konstellation
Satelliten von Mega-Konstellationen im Erdorbit geben unbeabsichtigte Störstrahlung im Radiobereich ab – und erzeugen so Störsignale in Radioteleskopen. © Daniëlle Futselaar (artsource.nl)

Unbeabsichtigter Störeffekt: Die Satelliten von Mega-Konstellationen wie Starlink erzeugen Störsignale in eigentlich für die Radioastronomie reservierten Frequenzbereichen, wie Messungen mit den LOFAR-Radioteleskopen enthüllt haben. Demnach produziert die Bordelektronik dieser Satelliten unbeabsichtigte Leckstrahlung im Frequenzbereich zwischen 110 und 188 Megahertz, die in Radioteleskopen helle Störstreifen erzeugt. Dagegen müsse dringend etwas getan werden, appellieren die Astronomen.

Ob Starlink, OneWeb oder Projekt Kuiper: Erdumspannende Mega-Konstellationen aus tausenden von Mini-Satelliten sollen künftig Breitband-Internet und andere Dienste bis in die hintersten Winkel des Planeten bringen. Doch für die Astronomie sind diese orbitalen Netzwerke problematisch: Durch Lichtreflexionen und Streulicht stören die Satelliten astronomische Aufnahmen, bei einigen optischen Teleskopen sind schon bis zu 20 Prozent der Aufnahmen durch helle Störstreifen verdorben.

Mega-Konstellation
Konstellationen von tausenden Internet-Satelliten im niedrigen Erdorbit. © ESA Science Office

Leckstrahlung von der Bordelektronik

Jetzt zeigt sich ein weiteres Problem: Auch im Radiobereich geben die Satellitenkonstellationen offenbar reichlich unbeabsichtigte Störstrahlung ab. Diese unintendierte elektromagnetische Strahlung (UEMR) kann durch elektronische Schaltkreise entstehen, durch Resonanzeffekte, Reflexionen höherfrequenter Signale und fast jeden anderen elektrischen Prozess. Bei irdischen Anlagen und Geräten gibt es Vorschriften für solche Leckstrahlung, damit sich die Geräte nicht gegenseitig stören.

Bei Satelliten ist dies jedoch nicht der Fall – auch weil sie bisher zu dünn verteilt waren, um nennenswerte Störeffekte zu entfalten. Doch mit dem Aufbau der großen Satelliten-Konstellationen hat sich die Situation geändert: Wenn tausende von Satelliten um die Erde kreisen, geraten sie häufiger als früher ins Beobachtungsfeld der Radioteleskope. Hinzu kommt, dass sich die Leckstrahlung dieser baugleichen Satelliten summieren kann.

Störsignale bei 47 von 68 Starlink-Satelliten

Um zu ermitteln, ob Satelliten der Mega-Konstellationen eine solche Leckstrahlung produzieren, haben Radioastronomen um Federico Di Vruno vom Committee on Radio Astronomy Frequencies 68 Starlink-Satelliten von SpaceX „belauscht“. Dafür nutzten sie die sensiblen Antennen des europäischen LOFAR-Radioobservatoriums, um eine Stunde lang bei Überflügen der Satelliten den Frequenzbereich zwischen 110 und 188 Megahertz abzuhören. Dieser umfasst ein international für die Radioastronomie reserviertes Frequenzband zwischen 150,05 und 153 Megahertz.

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Störsignal
Störsignal eines Starlink-Satelliten beim Flug über die Antennen (rund) der LOFAR-Teleskops. © IAU / CPS

Das Ergebnis: „Mit LOFAR konnten wir von 47 der 68 beobachteten Satelliten Strahlung zwischen 110 und 188 MHz nachweisen“, berichtet Koautor Cees Bassa vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON). Unter den Emissionen waren fünf Signale um 125, 135, 143,05, 150 und 175 Megahertz. „In einigen Fällen waren diese schmalbandigen Signale so stark, dass die Satelliten selbst von den Seitenbändern einzelner Antennen detektiert wurden“, so die Astronomen.

Außerdem detektierten die Radioteleskope zwei verschiedene Arten von breitbandigen UEMR-Emissionen in den Frequenzbereichen 116 bis 124 Megahertz und 157 bis 165 Megahertz. Die Intensität auch dieser Störsignale war hoch genug, um in den Radioaufnahmen prominent herauszustechen.

Von Satelliten emittierte, aber auch reflektierte Radiosignale

Nähere Analysen ergaben, dass ein Teil der schmalbandigen Störsignale nur von den 22 Starlink-Satelliten ausging, die schon in ihren Arbeitsorbits in 550 Kilometer Höhe kreisen und in Betrieb sind. „Diese Emissionen bei 125, 150 und 175 Megahertz könnten auf Resonanzen eines lokalen Oszillators oder Uhrensignals mit der Grundfrequenz von 25 Megahertz zurückgehen“, erklären die Forschenden. Die Breitbandsignale wurden dagegen auch von einem Großteil der 47 Satelliten emittiert, die noch nicht ihre volle Höhe erreicht haben und daher noch nicht betriebsbereit sind.

Doch neben dieser von den Satelliten selbst erzeugten Leckstrahlung gibt es auch Störsignale, die durch Radioreflexionen entstehen. Die Astronomen konnten eine starke schmalbandige Emission bei 143,05 Megahertz zu einer terrestrischen Quelle zurückverfolgen: dem französischen Weltraumüberwachungs-Radar GRAVES. Dieser liegt zwar 620 Kilometer vom LOFAR-Observatorium entfernt, sein Signal ist aber offensichtlich so stark, dass selbst die von den Satelliten reflektierte Strahlung noch eine hohe Intensität hatte, wie das Team berichtet.

„Ein terrestrischer Radio-Emitter, der auf den ersten Blick wegen seiner räumlichen Entfernung kein unmittelbares Problem ist, kann über solche Satellitenreflexionen zu einer neuen Störquelle werden“, erklären Di Vruno und seine Kollegen. Bisher wurde dies – beispielweise bei der Einrichtung sogenannter radioruhiger Schutzzonen um Radioteleskope – nicht berücksichtigt.

Regulierung dringend nötig

Nach Ansicht der Forschenden demonstriert schon dieser einstündige „Schnappschuss“, dass Satelliten der neuen Mega-Konstellationen beträchtliche Mengen an elektromagnetischer Leckstrahlung abgeben können. „Die von uns detektierten Intensität liegen mehrere Größenordnungen über dem Niveau, das bei absichtlicher Strahlung momentan für einzelne Satelliten zugelassen wäre“, erklären Di Vruno und seine Kollegen.

Die Astronomen fordern daher Satellitenbetreiber und Regulierungsbehörden dazu auf, die Auswirkungen solcher Leckstrahlungen auf die Radioastronomie sowohl bei der Entwicklung von Satelliten als auch bei Regulierungsverfahren zu berücksichtigen. Denn sie gehen davon aus, dass die Starlink-Satelliten keine Einzelfälle sind, sondern dass auch Satelliten anderer Anbieter ähnliche UEMR-Emissionen zeigen.

SpaceX hat bereits reagiert

Wenn die Konstellationen weiter ausgebaut werden, wäre eine ungestörte Radiobeobachtung ohne regulierende Gegenmaßnahmen sonst kaum mehr möglich. „Unsere Simulationen zeigen unter anderem, dass dieser Effekt umso wichtiger wird, je größer die Konstellation ist, da sich die Strahlung aller Satelliten summiert“, erklärt Koautor Benjamin Winkel vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn. „Das bereitet uns natürlich Sorgen, insbesondere wenn man an die Vielzahl von geplanten Satelliten denkt.“

Die Radioastronomen sind mit SpaceX bereits im Gespräch. Das Unternehmen hat daraufhin Änderungen an der kommenden Satellitengeneration vorgenommen. „Wir glauben, dass das rechtzeitige Erkennen dieser Situation den Astronomen und den Betreibern großer Satellitenkonstellationen die Chance gibt, gemeinsam an technischen Maßnahmen zu arbeiten“, sagt Koautor Gyula Józsa von der Rhodes University in Südafrika. „Parallel dazu sind aber dringend Gespräche mit Regulierungsbehörden zu führen, um geeignete Richtlinien zu schaffen.“ (Astronomy & Astrophysics, 2023; doi: 10.1051/0004-6361/202346374)

Quelle: Centre for the Protection of the Dark and Quiet Sky from Satellite Constellation Interference (IAU CPS), Max-Planck-Institut für Radioastronomie

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