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Sonnensystem

Hat der Mars eine exotische Tektonik?

Neu entdeckte Vulkantypen könnten durch "vertikale Tektonik" entstanden sein

Terra Cimmeria
Diese Aufnahme der Orbitersonde Mars Express zeigt einen Teil des südlichen Marshochlands Terra Cimmeria. In ihm gibt es eine Vulkanregion, die von einer exotischen Form der Tektonik zeugt. © ESA/DLR/FU Berlin, / CC-by-sa 3.0 IGO

Überraschender Fund: Bisher galt der Mars als Planet mit rein basaltischer Kruste – ohne Kontinente und Plattentektonik. Doch jetzt haben Planetenforscher vielfältige, silikatreiche Vulkanformen auf dem Mars entdeckt, die dies widerlegen. Demnach könnten diese Marsvulkane durch eine „vertikale Tektonik“ entstanden sein. Bei dieser Vorform der Plattentektonik wird Kruste in den Mantel gezogen, ohne dass es sich bewegende Erdplatten gibt. Dies wirft auch neues Licht auf die irdischen Anfänge der Tektonik, so das Team in „Nature Astronomy“.

Der Olympus Mons und die anderen riesigen Schildvulkane der Tharsis-Region zeugen von einer „feurigen“ Vergangenheit des Mars. Sogar Supervulkane könnte es auf unserem Nachbarplaneten einst gegeben haben, wie dicke Ascheschichten und Caldera-Relikte in der Region Arabia Terra nahelegen.

Mars
Mit Daten der HRSC-Kamera von Mars Express erstelltes Farbmosaik des Mars. © ESA/DLR/FU Berlin (G. Michael)

Doch anders als auf der Erde entstanden diese Vulkane nicht an Plattengrenzen: Der Rote Planet hat gängiger Annahme nach keine Plattentektonik. „Der Mars galt gemeinhin als basaltischer Einplatten-Planet“, erklären Joseph Michalski von der Universität Hongkong und seine Kollegen.

Ein basaltischer Ein-Platten-Planet?

Im Prinzip entspricht die gesamte Marskruste demnach der ozeanischen, silikatarmen Kruste der Erde. Denn ohne Plattentektonik fehlten Prozesse, durch die diese Basaltkruste unter Druck aufgeschmolzen und in silikatreiche Kontinentkruste umgewandelt werden konnte – so die Lehrmeinung. „Aber in den letzten Jahrzehnten deuten einige Entdeckungen von entwickelten plutonischen Gesteinen und Vulkangestein darauf hin, dass dieses Paradigma möglicherweise überdacht werden muss“, schreiben Michalski und sein Team.

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben sie mithilfe von spektroskopischen und thermischen Sondendaten die Geologie der Eridania-Region näher analysiert. Dieses im Süden des Mars liegende Gebiet besteht aus mehreren großen Senken im Hochland Terra Cimmeria und zeigt mehrere Auffälligkeiten: „Die Region enthält die stärkste Signatur eines früheren Magnetismus, eine anomal hohe Kalium-Konzentration, große Kontraste in der Krustendicke und vulkanische Krustenblöcke“, erklären die Geologen. Deshalb wollten sie klären, was es damit auf sich hat.

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Hunderte Vulkane mit silikatreichem Magma

Die Analysen enthüllten: „Die Eridania-Region des Mars umfasst mindestens 63 eindeutig identifizierte Vulkane, wahrscheinlich aber mehrere hundert“, berichten die Forschenden. Diese Vulkane zeigten zudem eine ungewöhnlich große Vielfalt vulkanischer Formationen: Neben kleineren Vulkandomen und bis zu drei Kilometer hohen und 80 Kilometer breiten Stratovulkanen gibt es in diesem Gebiet auch Calderen und pyroklastische Schilde. Letztere entstehen durch glühende Aschen- und Gasströme, die bis zu 100 Kilometer große, aber nur gut einen Meter hohe Ablagerungen hinterließen.

Marsianische Vulkanformen
Beispiele für die vier Vulkanformen in der Eridania-Region: a) Vulkandom b)Stratovulkan c) pyroklastischer Schild d) Caldera © NASA/Mars Odyssey/HRSC

Das Entscheidende ist jedoch die chemische Zusammensetzung der vulkanischen Formationen: Den Messdaten der Orbitersonden zufolge bestehen diese Vulkane nicht aus rein basaltischem Gestein, sondern enthalten rund 70 Prozent Silikate, wie Michalski und sein Team ermittelten. Eine so hoher Silikatgehalt ist jedoch normalerweise für kontinentale, recycelte Kruste typisch – die es aber auf dem Mars laut geltender Lehrmeinung nicht geben dürfte.

Vertikale Tektonik statt Plattendrift?

Nach Ansicht der Planetenforscher muss das silikatische Magma dieser Marsvulkane demnach einen geochemischen Umwandlungsprozess durchlaufen haben – wahrscheinlich in Form einer sogenannten vertikalen Tektonik. Anders als bei der klassischen Plattentektonik werden dabei Krustenteile nicht durch seitliche Verschiebung von Platten untergetaucht und aufgeschmolzen. Stattdessen sorgen starke Magmaaufströme oder Stauchungen durch vulkanische oder thermische Prozesse für den Krustentransport.

Diese vertikale Tektonik gilt als Vorform der Plattentektonik und könnte auch auf der Urerde an der Bildung der ersten Kontinente beteiligt gewesen sein: „Eine solche Inkorporation von vulkanischem Material in die tiefe Kruste und den oberen Mantel durch die katastrophalen, episodischen Umwälzungen der vertikalen Tektonik war wahrscheinlich auch auf der Erde ein entscheidender Schritt bei der Bildung felsischer Gesteine und letztlich der kontinentalen Kruste„, konstatieren Michalski und sein Team.

Vorstufe der Plattentektonik auch auf der Erde

Damit könnte der Mars auch ein neues Licht auf die frühe Vergangenheit der Erde und die Anfänge der Plattentektonik auf unserem Planeten werfen: „Dies ist eine bedeutende Entdeckung, weil sie enthüllt, wie das Recycling von Kruste auch ohne Plattentektonik mit ihren horizontalen Bewegungen erfolgen kann“, sagt Michalski. „Der Mars liefert uns damit wichtige geologische Puzzleteile, die uns nicht nur mehr über unseren Nachbarplaneten verraten, sondern auch über die Erde.“ (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-023-02191-7)

Quelle: The University of Hong Kong

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