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Astronomie

Kommt 2l/Borisov von einem Doppelstern?

Interstellarer Komet ähnelt trotz extrasolarer Herkunft verblüffend den heimischen Kometen

2l/Borisov
Der interstellare Komet 2l/Borisov in einer Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops. Dass es sich tatsächlich um einen Kometen handelt und wo er möglicherweise herkommt, haben nun zwei Astronomenteams ermittelt. © Hubble Space Telescope/ Renerpho, CC-by-sa 4.0

Fremd und doch vertraut: Astronomen haben Neues zum interstellaren Kometen 2l/Borisov herausgefunden. Das Ende August 2019 entdeckte Objekt könnte demnach von einem nahen Doppelsternsystem kommen, wie erste Flugbahnanalysen nahelegen. Gleichzeitig ähnelt der rund zwei Kilometer große Brocken im Aussehen überraschend stark den Kometen unseres Sonnensystems – ganz anders als der erste bekannte interstellare Besucher Oumuamua.

Vor zwei Jahren haben Astronomen den ersten interstellaren „Besucher“ in unserem Sonnensystem entdeckt: das rund 400 Meter lange, zigarrenförmige Objekt Oumuamua. Ersten Beobachtungen zufolge schien es sich dabei um eine Art Asteroid zu handeln, allerdings wies die Flugbahn auch einige Merkmale eines Kometen auf. Seine wahre Natur ist daher bis heute strittig. Im August 2019 haben nun Astronomen einen zweiten interstellaren Besucher gesichtet – den kometenähnlichen Brocken 2l/Borisov, der zurzeit noch auf das innere Sonnensystem zurast.

Flugbahn von 2l/Borisov
Flugbahn des interstellaren Kometen 2l/Borisov. © NASA/JPL

Eindeutig ein Komet

Jetzt gibt es nähere Informationen über Aussehen und mögliche Herkunft von 2l/Borisov. Piotr Guzik von der Jagiellonen-Universität Krakau und seine Kollegen hatten dafür das interstellare Objekt im September mit dem William Herschel Telescope auf La Palma und dem Gemini North Teleskop auf Hawaii beobachtet und photometrisch vermessen.

Die Beobachtungen bestätigen, dass es sich beim zweiten interstellaren Besucher eindeutig um einen Kometen handelt: „Wir haben dabei sofort die vertraute Koma und den Schweif bemerkt – Merkmale, die es bei Oumuamua nicht gab“, sagt Guziks Kollege Michal Drahus. Demnach ist der feste Kern von 2l/Borisov rund zwei Kilometer groß und von einer dichten Koma umgeben. Die leicht rötliche Färbung von Kern und Koma sprechen dafür, dass der Komet beim Ausgasen seines Materials relativ viel Staub abgibt. Außerdem besitzt der Brocken einen dünnen, breiten Schweif.

Verblüffend vertraut

Damit scheint klar: Trotz seiner interstellaren Herkunft weist der zweite interstellare „Besucher“ alle klassischen Merkmale eines Kometen auf – und unterscheidet sich damit drastisch von seinem Vorgänger Oumuamua. 2l/Borisov ist ungefähr so groß wie die typischen Kometen unseres Sonnensystems, seine Färbung ist ähnlich und auch die Staubkoma entspricht der typischen Hülle unserer heimischen Kometen, wie die Astronomen erklären.

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„Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Oumuamua so viele Eigenheiten hatte, dass sie uns dazu zwangen, unsere gesamte Vorstellung zur Natur interstellarer Ausreißer zu überdenken“, sagen Guzik und seine Kollegen. Der neuentdeckte interstellare Komet scheint dagegen bis auf seine Flugbahn fast ununterscheidbar von den Kometen unseres Heimatsystems zu sein.

Naher Doppelstern als Ursprung?

Doch woher kommt dieser fremde, aber doch so vertraut erscheinende Brocken? Auch dazu gibt es erste Vermutungen. Ein Team um Piotr Dybczybski von der Adam Mickiewicz Universität in Posen hat mithilfe der ersten Flugbahndaten und eines astrophysikalischen Modells die Bahn von 2l/Borisov zurückverfolgt. „Ausgehend von der aktuellen Position von 2l/Borisov haben wir seine Bewegung rückwärts verfolgt und nach einem Stern gesucht, dem er irgendwann einmal mit geringer relativer Geschwindigkeit nahe gekommen ist“, erklärt Dybczynski.

Das Ergebnis: Den Berechnungen zufolge könnte der interstellare Komet seinen Ursprung in einem rund 13 Lichtjahre entfernten Doppelsternsystem aus zwei Roten Zwergen haben. 2l/Borisov passierte diesen Kruger 60 genannten Doppelstern vor rund einer Million Jahren in nur gut fünf Lichtjahren Entfernung und nur sehr geringem Tempounterschied. „Das Doppelsystem Kruger 60 ist demnach eine plausible Quelle für den interstellaren Kometen 2l/Borisov“, konstatieren die Astronomen.

Die besten Daten kommen noch

Allerdings: Noch hat die Beobachtungssaison dieses interstellaren Kometen erst begonnen und die Flugbahndaten zu l2/Borisov sind noch relativ unpräzise, wie auch die Forscher einräumen. Beide Teams hoffen daher, im Laufe der nächsten Wochen und Monate noch mehr und genauere Daten zur Beschaffenheit und möglichen Herkunft dieses kosmischen „Fremdlings“ zu erhalten.

„Der Komet wird noch mehrere Monate beobachtbar sein und das wird es uns erlauben, bahnbrechende Einblicke in die physikalischen Merkmale von interstellaren Kometen und extrasolaren Planetensystemen im Allgemeinen zu gewinnen“, konstatieren Guzik und seine Kollegen. (Nature Astronomy, 2019, doi: 10.1038/s41550-019-0931-8; arXiv:1909.10952)

Quelle: Jagiellonian University, Physics World

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