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Astronomie

Kleinster Brauner Zwerg hat mysteriöse Spektralsignatur

Bisher leichtester Grenzgänger zwischen Planet und Stern verblüfft durch unerwartetes Merkmal

Sternhaufen IC 348
Diese Aufnahme des James-Webb-Teleskops zeigt den zentralen Bereich des Sternhaufens IC 348. In ihm haben Astronomen den bisher leichtesten Braunen Zwerg entdeckt – und eine rätselhafte Spektralsignatur. © NASA/ESA/CSA, STScI, Kevin Luhman (PSU), Catarina Alves de Oliveira (ESA)

Rätselhafte Signatur: Astronomen haben den bisher leichtesten Braunen Zwerg aufgespürt. Dieser nur drei bis Jupitermassen schwere Himmelskörper verblüfft jedoch durch eine bisher unerklärliche Spektralsignatur. Sie stammt von einem noch unbekannten Kohlenwasserstoff und wurde zuvor noch nie außerhalb unseres Sonnensystems beobachtet – nur Saturn und sein Mond Titan weisen ebenfalls diese Signatur auf. Doch wodurch sie erzeugt wird, ist ebenso ungeklärt wie die wahre Natur des neu entdeckten Braunen Zwergs.

Wie klein kann ein Stern werden? Und wo liegt die Grenze zu den großen Gasplaneten? Bisher gibt es keine eindeutige Antwort auf diese Fragen. Ein echter Stern ist zwar an der gezündeten Wasserstoff-Kernfusion zu erkennen, aber bei „gescheiterten“ Sternen – den Braunen Zwergen – ist die Grenze zu Gasriesen fließend. Sie sind mit zehn bis 15 Jupitermassen eigentlich zu schwer für Planeten, dennoch zeigen einige von ihnen planetenähnliche Merkmale wie niedrige Temperaturen und Methan in der Gashülle.

Das wirft auch die Frage auf, wie solche Grenzgänger entstehen: Werden sie wie Gasplaneten in der Staubscheibe eines größeren Sterns gebildet? Dafür sprechen einige Braune Zwerge mit resonanten Umlaufbahnen. Andere dagegen sind Einzelgänger und können sogar eine eigene Akkretionsscheibe besitzen – ein eher sternentypisches Merkmal.

Braune Zwerge in IC 348
Die Markierungen und Ausschnittvergrößerungen zeigen die drei neuentdeckten Braunen Zwerge. Zwerg 3 ist der leichteste jemals gefundene. © NASA/ESA/CSA, STScI, Kevin Luhman (PSU), Catarina Alves de Oliveira (ESA)

Fahndung nach Braunen Mini-Zwergen

Jetzt haben Astronomen um Kevin Luhman von der Pennsylvania State University einen weiteren Vertreter dieser Grenzgänger entdeckt. Auf der Suche nach besonders kleinen, leichten Braunen Zwergen hatten sie das James-Webb-Teleskop genutzt, um die rund 1.000 Lichtjahre entfernte Sternbildungsregion IC348 im Sternbild Perseus zu durchsuchen. Dieser offene Sternhaufen ist erst rund fünf Millionen Jahre alt und enthält daher neben Jungsternen auch viele noch relativ heiße Braune Zwerge.

Für ihre Fahndung durchmusterten die Astronomen den Sternhaufen zunächst mit der Nahinfrarotkamera NIRCam, um kleine Braune Zwerge anhand ihrer Infrarotstrahlung zu orten. Acht vielversprechende Kandidaten und einen schon bekannten Braunen Zwerg als Vergleichsobjekt untersuchte das Team dann mit dem hochauflösenden Infrarotspektrometer NIRSpec des Weltraumteleskops.

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Der leichteste je entdeckte Braune Zwerg

Es zeigte sich, dass drei der infraroten Lichtpunkte tatsächlich von jungen Braunen Zwergen stammen müssen. „Der hellste dieser Kandidaten ähnelt in seinen spektralen Merkmalen anderen jungen L-Typ-Zwergen“, berichten Luhman und seine Kollegen. Dieser Braune Zwerg ist rund acht Jupitermassen schwer und etwa 1.500 Grad heiß – schon er ist damit ein Winzling unter den gescheiterten Sternen. Doch die beiden anderen Kandidaten sind sogar noch kühler und leichter, wie die Analysen ergaben.

„Das Objekt mit dem schwächsten Signal, Quelle 3, könnte der masseärmste, allein im All stehende Braune Zwerg sein, den wir bisher kennen“, berichten die Astronomen. Dieser Braune Zwerg wiegt nur rund drei bis vier Jupitermassen und ist kaum heißer als rund 850 Grad. Damit ist dieser Himmelskörper der leichteste, kleinste bisher bekannte Grenzgänger zwischen Planet und Braunem Zwerg.

Spektrallinie eines mysteriösen Kohlenwasserstoffs

Doch worum handelt es sich bei diesem Objekt? Ist es wirklich ein Brauner Zwerg und damit ein gescheiterter Stern? Oder handelt es sich vielleicht doch um einen jupiterähnlichen Einzelgänger-Planeten? Um das herauszufinden, schauten sich Luhman und sein Team das Spektrum dieses Objekts und des zweitkleinsten Zwergs noch einmal genauer an. Dabei entdeckten sie Überraschendes: Beide Himmelskörper zeigen in ihrem Spektrum eine starke Absorptionslinie bei 3,4 Mikrometer Wellenlänge.

Das Ungewöhnliche daran: Diese Spektrallinie wurde bisher noch nie bei einem extrasolaren Himmelskörper beobachtet – und ihr chemischer Urheber ist unbekannt. „Im Sonnensystem wurde diese Spektralsignatur bisher nur in den Atmosphären von Saturn und dem Saturnmond Titan nachgewiesen“, berichten die Astronomen. Doch sie passt nicht zu Methan, Ethen oder anderen bekannten Kohlenwasserstoffen. „Diese Absorptionslinie muss daher von einem noch unidentifizierten, aliphatischen Kohlenwasserstoff stammen“, erklären die Forschenden.

Erster extrasolarer Nachweis dieser Signatur

Jetzt zeigt sich, dass dieses Rätselmolekül auch in den Gashüllen von mindestens zwei der in IC 348 entdeckten Braunen Mini-Zwerge vorkommt. „Wir sehen hier Objekte, die jünger und leichter sind als jemals zuvor dokumentiert – und noch dazu finden wir bei ihnen etwas ganz Neues und Unerwartetes“, sagt Koautorin Catarina Alves de Oliveira von der europäischen Weltraumagentur ESA. „In Modellen für die Atmosphären Brauner Zwerge kommt ein solches Kohlenwasserstoff-Molekül nicht vor.“

Worum es sich bei diesem Molekül handelt und weshalb die Braunen Zwerge zwar diesen Kohlenwasserstoff, aber kein Methan in ihrer Gashülle haben, ist ungeklärt. Wie die Astronomen erklären, ist die rätselhafte 3,45-Mikrometer-Signatur auch schon bei einigen Meteoriten und in interplanetarem Staub des Sonnensystems nachgewiesen worden. Theoretisch könnte es daher sein, dass auch diese beiden Braunen Zwerge von Staub- oder Asteroidengürteln umgeben sind.

Sind es doch Planeten?

Der Nachweis der ungewöhnlichen Kohlenwasserstoff-Signatur weckt zudem den Verdacht, dass es sich bei den neuentdeckten Himmelskörpern vielleicht doch um ungewöhnlich große Exoplaneten handeln könnte. „Eine Möglichkeit wäre, dass die beiden Objekte ausgeschleuderte Planeten sind und dass ihre Kohlenwasserstoff-Signatur auf ihren Bildungsprozess in zirkumstellaren Scheiben zurückgeht“, schreibt das Team. Allerdings halte man dieses Szenario für eher unwahrscheinlich.

Die Astronomen hoffen, dass weitere Untersuchungen, auch in anderen Sternbildungsregionen, mehr Aufschluss über den mysteriösen Kohlenwasserstoff, aber auch über die Natur von Grenzgänger-Objekten zwischen Zwergstern und Planet erbringen. (Astronomical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-3881/ad00b7)

Quelle: Space Telescope Science Institute, Baltimore

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