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Geowissen

Lop-Nor: Ein Leidensgenosse des Aralsees

Menschengemachte Umweltkatastrophe vor 1.800 Jahren

Wo vor 2000 Jahren der See Lop-Nor war ist heute nur Wüste. © NASA / Mission: STS047 / überarbeitet von Michael Gaebler

Es lag doch nicht am Klimaumschwung: Der Untergang des chinesischen Königreichs Loulan ist eng mit dem Schicksal des Lop-Nor-Sees verknüpft. Dieser trocknete wahrscheinlich aus, weil zu viel Wasser aus den Zuflüssen für die Landwirtschaft abgezweigt wurde, wie Forscher nun berichten. Damit widersprechen sie der gängigen These von einer klimatischen Ursache für das Austrocknen des Sees. Das Gewässer erlitt demnach ein ähnliches Schicksal wie der Aralsee.

Vor rund 2000 Jahren blühte in der Oasenstadt Loulan und dem gleichnamigen Königreich im Nordwesten Chinas das Leben. In unmittelbarer Nähe zum 17.000 bis 50.000 Quadratkilometer großen Lop-Nor-See betrieben die Einwohner Landwirtschaft und florierenden Handel über die Seidenstraße, einem weiten Netz aus Handelsrouten. Doch zwischen dem dritten und siebten Jahrhundert nach Christus sank der Pegel des Sees drastisch. In dieser Zeit zerfiel das Königreich und ging schließlich unter.

Aralsee am 19. August 2014: Der östliche Teil des südlichen Sees ist vollständig ausgetrocknet. © NASA Earth Observatory

Einblick in die Vergangenheit

Lange nahmen Historiker klimatische Änderungen als Ursache für das Austrocknen des Lop-Nor-Sees und den Niedergang Loulans an. Doch neueste Untersuchungen legen nahe, dass eine menschengemachte Umweltkatastrophe der Auslöser für die Ausbreitung der Wüste und den Rückzug der Zivilisation war. Damit wäre Lop-Nor der historische Vorgänger der heutigen Aralsee-Krise, bei der ebenfalls durch Eingriffe des Menschen die Austrocknung eines riesigen Sees herbeigeführt wurde.

Zur Aufklärung des Schicksals von Lop-Nor untersuchte ein Forscherteam um Geologin Birgit Plessen vom Helmholtz Zentrum Potsdam Sedimente des damaligen Seebeckens. Dazu entnahmen sie eine Probe, die von der Oberfläche bis 5,7 Meter in den Boden reichte. Da sich tiefere Schichten vor längerer Zeit abgelagert haben als die oberen, konnten die Forscher damit einen Zeitabschnitt untersuchen, der bis 9.000 Jahre in die Vergangenheit reicht.

Informationen aus Sandkörnern

Die Wissenschaftler nutzten die Konzentration stabiler Sauerstoffisotope im Sediment, die zum Beispiel Muscheln in ihre Schalen einbauen. Diese diente ihnen als Indikator für veränderte Zuläufe und den Salzgehalt des Sees. Das Ergebnis der Analyse legte nahe: Schon vor 2.300 Jahren könnte es erste Einbrüche des Wasserzuflusses und eine beginnende Versalzung gegeben haben.

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Auch die Form und Größe der Körner des Sediments verriet den Forschern etwas über die Vergangenheit des Sees. So deutet die Verkleinerung der Korngröße in höheren, also jüngeren Sedimentschichten auf eine Zunahme von windabgelagertem Sediment hin, schreiben die Forscher in ihrem Bericht. Daraus leiten sie ab, dass vor etwa 1.800 Jahren sehr niedrige Pegelstände geherrscht haben und der See bereits nahe an der Austrocknung war.

Klimaeinfluss unwahrscheinlich

Anders als die landläufige Meinung einer klimabedingten Austrocknung des Sees, glauben Plessen und ihre Kollegen, dass es sich um ein menschengemaches Phänomen handelt. Dazu haben sie die Entwicklung benachbarter Regionen mit der des Loulan-Königreiches verglichen: In vielen Gebieten der Nachbarschaft seien keine Hinweise auf eine allgemein herrschende Trockenheit in dem betreffenden Zeitraum zwischen dem dritten und siebten Jahrhundert zu finden. Eine klimatische Ursache halten die Wissenschaftler daher für unwahrscheinlich.

Die Forscher gehen davon aus, dass durch die umfangreiche Bewässerung der Felder zu große Wassermengen aus den Zuläufen des Lop-Nor-Sees abgezweigt wurden, was über die Jahrzehnte zur Austrocknung geführt habe. „Der Untergang der Loulan Zivilisation war keine Konsequenz des Klimawandels, sondern wahrscheinlich das Ergebnis einer menschengemachten Umweltkatastrophe, vergleichbar mit der heutigen Krise des Aralsees“, fassen die Forscher zusammen. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/srep43102)

(Helmholtz-Zentrum Potsdam, 30.03.2017 – CLU)

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