Anzeige
Verkehr

Klimaneutrale Schifffahrt möglich, aber teuer

Großteil der Frachtschiff-Transporte können mit alternativen Kraftstoffen umgesetzt werden

Frachtschiff
Die internationale Seeschifffahrt stößt etwa die gleiche Menge an Treibhausgasen aus wie Deutschland. Die Emissionen der jeweiligen Fahrten werden aber keinem Land zugeordnet. © diegocardini / iStock.com

Gut umsetzbar: Wissenschaftler haben modelliert, inwiefern sich in der Frachtschifffahrt Antriebe auf Basis klimaneutraler Kraftstoffe realisieren lassen. Dem Ergebnis nach sind fossiler Diesel und Schweröl bei über 90 Prozent der Massengutfrachter-Transporte problemlos durch Ammoniak, Methan oder Methanol ersetzbar – nur Wasserstoff scheint als Öko-Kraftstoff ungeeignet, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Energy“ berichten. Inwieweit die Ergebnisse auch auf Containerschiffe übertragbar sind, ist allerdings unklar.

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und den Klimawandel auf ein annehmbares Maß zu begrenzen, muss auch die Schifffahrt dekarbonisiert werden. Zwar sind in kleinem Maßstab, wie bei Fähren oder Wassertaxen, schon teilweise nachhaltige Antriebstechnologien verbreitet, auf der Ebene der überregional operierenden Frachtschiffe kommen aber immer noch hauptsächlich Schweröl und Diesel zum Einsatz. Da aktuell etwa 90 Prozent der international gehandelten Güter auf dem Seeweg transportiert werden, ist auch der Schadstoffausstoß von Frachtern in Bezug auf die Klimawende nicht zu vernachlässigen.

Die internationale Seeschifffahrt trägt aktuell gut drei Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei – etwa gleich viel wie Deutschland. Das Problem hierbei: Ähnlich wie beim internationalen Flugverkehr werden die Emissionen keinem Land zugewiesen, weshalb sie auch nicht in den entsprechenden Statistiken vorkommen oder von Regulierungen betroffen sind. Die Schifffahrts-Emissionen sollen deshalb künftig von der zur UN gehörenden Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO stärker eingeschränkt werden.

Öltanker und Massengutfrachter als Grundlage

Inwieweit sich klimaneutrale Frachtschifffahrten mit dem aktuellen Frachtkontingent umsetzen lassen, hat ein Forscherteam um Boris Stolz und Maximilian Held von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich nun durchgerechnet. In ihrer Modellierung haben sie verschiedene nachhaltige Antriebssysteme mit dem konventionellen Dieselmotor in Schiffen verglichen. So wollten sie schauen, ob die Frachter bei gleichbleibender Ladung und Distanz auch mit den alternativen Kraftstoffen ans Ziel kommen würden.

Als Grundlage ihrer Berechnungen nahmen die Wissenschaftler alle Öltanker und Massengutfrachter, die im Jahr 2018 in europäischen Häfen ein- oder ausgelaufen sind. Massengutfrachter zeichnen sich durch den Transport von losen Gütern wie Erz, Kohle oder Getreide aus. Gemeinsam mit Öltankern sind sie für etwa 21 Prozent aller betrieblichen Treibhausgasemissionen in der europäischen Schifffahrt verantwortlich.

Anzeige

Fünf Kraftstoff-Kandidaten

Um diesen Ausstoß zu reduzieren, können verschiedene alternative Kraftstoffe zum Einsatz kommen. Die ETH-Forscher verglichen den herkömmlichen Diesel mit Wasserstoff, Ammoniak, Methan, Methanol und synthetischem Diesel – allesamt mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt. Für die kohlenstoffhaltigen Kraftstoffe setzten die Wissenschaftler in der Kalkulation auch ein CO2-Capture-Verfahren voraus. Zusätzlich berechneten sie auch die Anwendbarkeit von Lithium-Ionen-Batterien, diese stellten sich jedoch schnell als deutlich ungeeignet heraus.

Ob einer der fünf synthetischen Kraftstoffe eine geeignete Alternative zum fossilen Diesel hätte darstellen können, berechneten die Wissenschaftler für jeden Transport über das Gewicht der Antriebssysteme inklusive des Treibstoffs. Die meisten klimaneutralen Kraftstoffe sind bei gleicher Fahrleistung schwerer als herkömmlicher Diesel und Schweröl, weil letztere eine höhere Energiedichte haben.

„Wenn der maximal zulässige Tiefgang des Schiffes bei Verwendung eines schwereren Antriebssystems für eine bestimmte Reise überschritten wurde, haben wir das neue Antriebssystem für die gegebene Ladung und Reisedauer als ‚nicht geeignet‘ definiert“, so die Forscher. Anhand dieser Einstufungen modellierten sie letztlich eine generelle Umsetzbarkeit der klimaneutralen Kraftstoffe.

Größtenteils umsetzbar

Das Ergebnis der Modellierung zeigt, dass die meisten Fahrten ohne frachtspezifische Veränderungen mit den alternativen Antriebstechnologien funktionieren würden. Am schlechtesten schneidet laut der Studie Wasserstoff als Energiequelle ab. Mit ihm sind bei gleicher Frachtbeladung lediglich 79 Prozent der Fahrten umsetzbar. Mit Ammoniak sind es immerhin schon 91 Prozent, mit Methanol 93 Prozent.

Mit einer leichten Anpassung könnten sogar alle Fahrten auf Basis aller klimaneutralen Kraftstoffe außer Wasserstoff umgesetzt werden. Dies ist möglich, wenn drei Prozent des Frachtgewichts dem Kraftstoff zur Verfügung gestellt werden. Um alle Transporte auch mit Wasserstoff zu realisieren, müssten knapp über sechs Prozent des Frachtgewichts hergegeben werden, wie das Team ermittelte.

Deutlich höhere Betriebskosten

Neben der eventuellen Notwendigkeit, das Frachtgewicht zu reduzieren, sehen die Wissenschaftler noch andere Herausforderungen auf die Reedereien zukommen. Auf Basis der aktuellen Strompreisentwicklungen rechnen sie damit, dass „die Betriebskosten für Schiffe, die mit erneuerbaren Kraftstoffen angetrieben werden, etwa zwei- bis sechsmal höher sein dürften als die eines konventionellen, mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Schiffes.“

Martin Cames vom Institut für angewandte Ökologie in Berlin hält dies aber für umsetzbar. „Entscheidend ist, dass alle Schiffe gleichermaßen von den entsprechenden Regulierungen betroffen sind“, sagt der nicht an der Studie beteiligte Forscher. „Große Staaten oder Gruppen wie die EU können die Entwicklung schneller vorantreiben, indem sie die Umstellung auf E-Fuels fördern – ähnlich wie in Deutschland durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz.“

Ammoniak und Methanol als Favoriten

Kritischer sieht Cames dagegen die Aussage der Studie, dass die Analyse der Massengutfrachter auch auf andere Schiffsarten, wie Containerschiffe, übertragbar seien. Letztere zeichnen sich im Gegensatz zu Massengutfrachtern eher durch eine Volumen- als eine Gewichtsbeschränkung aus. „Die Vernachlässigung der Volumeneinschränkungen ist für Massengutfrachter tolerabel, aber sofern die Analyse zum Beispiel auf Containerschiffe ausgeweitet würde, problematisch. Hierfür müsste die Methodik entsprechend weiterentwickelt werden“, erklärt Cames.

Bei der Frage, welche Kraftstoffe sich mittelfristig durchsetzen werden, hat Cames zwei klare Favoriten: „Die besten Aussichten haben Ammoniak und Methanol. Dabei ist Ammoniak kostengünstiger, weil es keine direkte CO2-Entnahme aus der Atmosphäre erfordert, allerdings wird es wohl erst ab 2025 Ammoniak-Motoren geben“, sagt Cames. „Methanol ist zwar teurer in der Produktion, aber das Handling und seine Energiedichte sind günstiger und es gibt bereits etwa 20 Schiffe, die mit Methanol fahren. Maersk – die weltgrößte Containerrederei – hat fünf Schiffe mit Methanolantrieb geordert, die ab 2025 zum Einsatz kommen sollen.“ (Nature Energy, 2022; doi: 10.1038/s41560-021-00957-9)

Quelle: Science Media Center

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Energieeffizienz - Ein Lehr- und Handbuch von Martin Pehnt

Erneuerbare Energie - von Thomas Bührke und Roland Wengenmayr

Wetter & Klima - Das Spiel der Elemente - Atmosphärische Prozesse verstehen und deuten von Dieter Walch und Harald Frater

Top-Clicks der Woche