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Biochemie

„Plastikfresser“ im menschlichen Speichel

Enzym aus Speichelmikroben kann PET-Kunststoffe zersetzen

Mundhöhle
In unserem Speichel lebt offenbar ein Bakterium, das PET-Kunststoff abbauen kann. Warum, sit unklar. © 7activestudio/ Getty images

Überraschender Fund: In unserem Speichel gibt es offenbar Mikroben, die PET-Kunststoff zersetzen können. Das belegen genetische Spuren eines PET-abbauenden Enzyms im menschlichen Speichel-Mikrobiom. In ersten Tests konnte dieses neuentdeckte Enzym PET-Plastik besser zersetzen als andere natürliche und gentechnisch-optimierte PET-Hydrolasen, wie die Chemiker berichten. Das Enzym ließ sich zudem gut durch Laborbakterien produzieren. Wer der bakterielle Plastikfresser in unserem Speichel ist, ist aber noch offen.

Weltweit sind Wissenschaftler auf der Suche nach Bakterien und Enzymen, die gängige Kunststoffe abbauen und so dem Plastikmüll entgegenwirken können. Tatsächlich stieß man 2016 erstmals auf ein plastikfressendes Bakterium, das den Kunststoff PET mithilfe zweier Enzyme in seine Grundbestandteile zerlegen kann. Seither versucht man, diese Enzyme weiter zu optimieren, um den PET-Abbau effizienter zu machen – und sucht parallel vor allem im Abwasser und auf Mülldeponien nach weiteren mikrobiellen Plastikfressern.

PET-Hydrolase
Das im menschlichen Speichel entdeckte Enzym MG8 kann den Kunststoff PET in seine Grundeinheiten zerlegen. © Wiley-VCH

Enzym aus dem Speichel-Mikrobiom

Jetzt sind Forschende an einem unerwarteten Ort fündig geworden: in unserem eigenen Speichel. Für ihre Studie hatten Bhumrapee Eiamthong vom Vidyasirimedhi Institut für Wissenschaft und Technologie (VISTEC) in Thailand und seine Kollegen eine Datenbank für mikrobielle Genome nach Hinweisen auf PET-abbauende Enzyme durchsucht. In dieser Datenbank waren DNA-Sequenzen aufgelistet, die zuvor bei der Analyse von Meerwasser, Speichel und anderen Medien gefunden worden waren.

Tatsächlich entdeckten die Forschenden unter diesen Gensequenzen die Signatur einer PET-Hydrolase – eines Enzyms, das PET in seine Untereinheiten aufspalten kann. Dieses MG8 getaufte Enzym stammt offenbar von einer Mikrobe, die im menschlichen Speichel vorkommt. Um welches Bakterium es sich handelt, ist jedoch noch unbekannt. Ebenso offen ist, warum es in unserem Speichel überhaupt Mikroben mit der Fähigkeit zum PET-Abbau gibt.

Klar scheint nur, dass diese Bakterienspezies gram-negativ ist und einige Ähnlichkeit mit Meeresbakterien aufweist, die zuvor schon nahe der riesigen Plastikstrudel in den Ozeanen nachgewiesen wurden.

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Besser beim PET-Abbau als bisher bekannte PET-Hydrolasen

Um herauszufinden, wie effizient das Enzym dieses noch unbestimmten Speichelbakteriums beim PET-Abbau ist, bauten die Forschenden das MG8-Gen in Laborbakterien ein. Diese Mikroben produzierten daraufhin größere Mengen des neuen Enzyms – und schufen so die Voraussetzung für erste Tests. Das Ergebnis: Das MG8-Enzym zersetzt PET-Kunststoff relativ effizient und ist dabei deutlich aktiver als die zuvor aus Bakterien bekannten PET-Hydrolasen.

„MG8 hat eine robuste Aktivität, die mehrere natürlich vorkommende und biotechnisch optimierte Hydrolasen im PET-Abbau übertrifft“, berichten Eiamthong und seine Kollegen. Zudem laufe die Enzymaktivität auch unter verschiedenen Temperaturen und Salzgehalten ab. Damit könnte diese neue PET-Hydrolase gute Voraussetzungen bieten, um den Abbau und das Recycling von PET-Kunststoffen voranzutreiben.

Allerdings müsste dafür auch das MG8 noch weiter optimiert werden, damit es auch das hochkristalline PET von Getränkeflaschen ohne große Vorbehandlung zersetzen kann, wie das Team einräumt. Dennoch sehen sie gute Chancen, dieses Enzym großtechnisch zu produzieren und für das Plastikrecycling anzupassen. „Die Entdeckung einer hochaktiven PET-Hydrolase aus dem menschlichen Metagenom – einer noch kaum erforschten Quelle für die Entdeckung industriell nutzbarer Enzyme – könnte die aktuellen Bemühungen zur Degradierung und Wiedernutzung von PET voranbringen“, konstatieren die Wissenschaftler. (Angewandte Chemie, 2022; doi: 10.1002/anie.202203061)

Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

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