Mit Hilfe eines neu entwickelten Analysegeräts haben Forscher neue Erkenntnisse dazu gewonnen, wie Fruchtfliegen auf Düfte reagieren. Dabei zeigte sich unter anderem, dass ähnlich wie bei Säugetieren und dem Menschen, auch bei den Fliegen lockende und abschreckende Düfte in jeweils unterschiedlichen Hirnregionen verarbeitet werden. Das Gehirn der geflügelten Winzlinge ist damit dem unsrigen in diesem Punkt ähnlicher als bisher gedacht. Auch einen bisher unbekannten Sexuallockstoff konnten die Forscher mit der „Flywalk“-Apparatur ausmachen.
In Zusammenarbeit mit Kollegen aus Portugal und Spanien haben Forscher am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena eine Apparatur entwickelt, mit der sich die Reaktion von Insekten auf Duftstoffe besonders gut beobachten und filmen lässt. Das System Flywalk besteht aus einer Art Windkanal in Form einer Glasröhre, in dem die Tiere sich bewegen und durch die ein Duftstoff mit dem Luftstrom eingeleitet wird. Je Versuchsreihe können fünfzehn Tiere auf bis zu acht verschiedene Duftsignale hin getestet werden. Läuft das Tier gegen die Windrichtung, wird der Duft als attraktiv bewertet; bleibt es stehen oder läuft mit dem Luftstrom, ist der Duft abschreckend.
Fruchtfliegen: Neuer Sexuallockstoff
Mit Hilfe der neuen Apparatur haben Forscher jetzt Versuche mit Fruchtfliegen durchgeführt. Sie zeigen unter anderem, dass Weibchen im Gegensatz zu Männchen mehr von typischen Nahrungsdüften wie Ethylazetat angezogen werden − ein Verhalten, das auf die Suche nach einem optimalen Eiablageplatz zielen könnte, um dem Larven-Nachwuchs nach dem Schlüpfen sofort ausreichend Nahrung zu garantieren. Auf abschreckende Düfte, beispielsweise Benzaldehyd, reagieren dagegen beide Geschlechter gleich negativ. Männchen wiederum antworten positiv auf den Geruch unbegatteter Weibchen: Wird die Luft, die die jungfräulichen Weibchen umgibt, in Flywalk geleitet, wandern die Männchen stromaufwärts.
„So konnten wir erstmals zeigen, dass Weibchen mithilfe von Düften Männchen anlocken, wie bei anderen Insektenarten auch. Die Chemie dieser Duftkomponenten wird zurzeit untersucht“, so Kathrin Steck, die die Experimente durchgeführt hat. Bekannt ist bereits der Stoff, der begattete Weibchen für paarungsbereite Männchen unattraktiv macht: cis-Vaccenyl Azetat. Mit diesem Duft „markiert“ ein Männchen während der Begattung das Weibchen, verhindert so eine weitere Befruchtung durch konkurrierende Männchen und sichert so die Verbreitung seiner Gene.
Was passiert im Gehirn?
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler die Aktivität so genannter Projektionsneuronen im Gehirn von Fruchtfliegen gemessen. Diese befinden sich im Riechzentrum der Fliegen, dem Antennallobus. Tests mit sechs besonders attraktiven und sechs besonders abschreckenden Duftkomponenten, ausgewählt aus insgesamt 110 überprüften Stoffen, ergaben, dass ähnlich wie bei Mäusen und Menschen attraktive und abschreckende Düfte jeweils in einer bestimmten Gehirnregion verarbeitet werden.
„Die Funktion des Insektengehirns gleicht somit der des Säugergehirns mehr als bisher angenommen“, schreiben die Forscher. Da die Aktivität von Projektionsneuronen bereits eine Art Interpretation eingehender Duftsignale darstellt, scheinen sich Beurteilungen wie „gut“ oder „schlecht“, die letztendlich das Verhalten der Fliegen steuern, schon sehr früh im Fliegengehirn auszubilden.
Vielfraße und Spezialisten
Bei den in der Landwirtschaft gefürchteten Faltern Ägyptische Baumwolleule und Zuckerrübeneule zeigten Aktivitätsmessungen, dass Neuronen auf einzelne pflanzliche Geruchsstoffe jeweils sehr spezifisch reagieren. Dies steht im Einklang mit ihrer Lebensweise: Die beiden Eulenfalter befallen mehr als 100 verschiedene Pflanzengattungen, darunter viele Nutzpflanzen, und deswegen müssen sie den Duft einer bestimmten Pflanzenart genau zuordnen können. Solche Schädlinge werden wegen ihres breiten Wirtsspektrums Generalisten genannt.
Drei im Vergleich zu den beiden Generalisten untersuchte Spezialisten, Totenkopffalter, Abendpfauenauge und Tabakschwärmer scheinen sich dagegen nur auf die Erkennung weniger Wirtspflanzen spezialisiert zu haben: verschiedene Düfte erzeugen oft ähnliche oder sogar identische Erregungsmuster im Mottengehirn.
(Nature Scientific Reports 2012; doi: 10.1038/srep00361; The Journal of Experimental Biology 2012; doi: 10.1242/jeb.068064)
(Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 27.04.2012 – NPO)