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Medizin

Epstein-Barr-Viren: „Pause“ täuscht Immunsystem

Schlüsselmechanismus zur Vermehrung der krebsauslösenden Viren identifziert

Leukämiezellen mit markierten Eppstein-Barr-Viren (grün) © CDC

Das krebsauslösende Epstein-Barr-Virus nutzt einen Trick, um das Immunsystem zu überlisten: Es schaltet eine Ruhephyse ein, bevor es sich dann um so aggressiver vermehrt. Wie diese „Pause“ gesteuert wird, haben jetzt Wissenschaftler aufgeklärt. Die in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Ergebnisse sind ein wesentlicher Schritt zum Verständnis des Wachstums von Tumoren.

Wenn sich ein Virus in einer Körperzelle vermehrt, bilden sich üblicherweise sehr schnell eine große Zahl neuer Partikel. Dabei nutzendie Viren Teile des Zellapparates, insbesondere bestimmte Proteine und Faktoren. Nach der Vermehrung werden die neuen Viren freigesetzt – Forscher sprechen vom lytischen Zyklus. Der Nachteil: Die Viren machen das Immunsystem auf sich aufmerksam, das dann gegen den Erreger vorgeht.

„Pause“ täuscht Immunsystem

Das Epstein-Barr-Virus (EBV), ein Vertreter der Herpes-Viren, nutzt jedoch eine ganz andere Strategie: Anstatt alle Energie auf die sofortige Vermehrung in der Zelle zu setzen, geht es nach der Infektion der sogenannten B-Zellen des Immunsystems zunächst in den Ruhezustand über. Dadurch verhindert es eine Reaktion des Immunsystems. EBV begnügt sich damit, lediglich ein paar seiner Gene von der Zelle in Proteine verwandeln zu lassen. Diese so genannten latenten Gene sind für die Ruhephase wichtig, sie sorgen dafür, dass das EBV-Erbgut stabil im Zellkern verbleibt, während sich die Zelle selbst vermehrt. Diese scheinbar friedliche Koexistenz endet, wenn das Virus in die Vermehrungsphase übergeht oder Tumorwachstum auslöst.

Entscheidender Proteinschalter identifiziert

Die Ursachen für den Übergang des EBV aus dem Ruhe- in den Aktivzustand waren bisher ungeklärt – insbesondere, welche Faktoren verantwortlich sind und wie die molekularen Mechanismen funktionieren. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München unter Leitung von Professor Wolfgang Hammerschmidt haben nun herausgefunden, wie das Virus den Ruhezustand beendet und den Vermehrungszyklus aktiviert.

„Wir haben nun die entscheidende Funktion des viralen BZLF1 Proteins identifiziert: Es aktiviert die Gene des EBV, die für die Vermehrung der Viruspartikel essenziell sind“, erklärt Hammerschmidt. Etwa 70 verschiedene Gene sind während der Ruhephase abgeschaltet, weil bestimmte DNA-Abschnitte chemisch modifiziert sind: Einige DNA-Bausteine tragen so genannte Methylgruppen. Sie sind für den Zellapparat eine Art Stoppsignal, so dass diese Gene nicht in Protein umgewandelt werden können.

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Aktivierung auch von methylierten DNA-Abschnitten

„BZLF1 kann diese Methylierungs-Muster auf der DNA aufspüren“, so Markus Kalla, der Erst-Autor der Studie. Mit seiner DNA-Bindedomäne binde das Protein gerade an die methylierte DNA-Sequenz. Eine zweite Domäne von BZLF1 sorge dann dafür, dass das Gen wieder aktiviert wird. „Ein derartiger Mechanismus war bisher nicht bekannt“, sagt Hammerschmidt. Bisher sind die Forscher davon ausgegangen, dass die Methylgruppen von den DNA-Bausteinen entfernt werden müssen, ehe die so genannten Transkriptionsfaktoren an die regulatorische DNA-Sequenz binden und so das Gen aktivieren können.

Den Ergebnissen der Forscher zufolge umgeht BZLF1 offenbar diese Hürde. Demnach scheint BZLF1 zum einen notwendig zu sein, um die Latenzphase aufrecht zu erhalten, aber auch, um diese zu beenden. Mit den nun publizierten Ergebnissen haben Hammerschmidt und seine Kollegen einen wichtigen Baustein gefunden, um die Rolle von EBV beim Tumorwachstum besser zu verstehen.

(Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, 12.01.2010 – NPO)

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