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Geologie/physische Geographie

Wettrennen im All bringt Daten auf die Erde

Je kleiner die Schritte desto größer der Fortschritt

Während bei CHAMP neben der Vermessung des Erdschwerefeldes auch die Untersuchung des Magnetfeldes und die Erforschung der Atmosphärenschichten im Mittelpunkt stehen, konzentriert sich das deutsch-amerikanische Gemeinschaftsprojekt GRACE ausschließlich auf die Schwerefeldmessung. Im März 2002 startet die Mission GRACE mit zwei Satelliten. Die Zwillingssonden haben wie CHAMP Messinstrumente und Programme zum Filtern der Störsignale und einen GPS-Empfänger an Bord, aber außerdem den Vorteil, dass sie zu zweit sind.

In 500 Kilometer Höhe fliegen sie im Abstand von 220 Kilometern hintereinander her. Ein Radiosignal misst ihren Abstand auf Haaresbreite genau, denn dieser verrät zusätzliche Informationen über das Schwerefeld. Nähert sich der erste Satellit etwa einer Region mit hohem Schwerewert, einer Beule des Geoids, wird er davon angezogen und beschleunigt seine Flugbahn – der Abstand zu seinem nachfolgenden Zwilling vergrößert sich. Sobald der Erste allerdings direkt über der Beule ist, wird er von der Schwere „festgehalten“ und der zweite Satellit kann wieder aufholen.

Während die beiden Satelliten sich so auf ihrer Umlaufbahn hinterher jagen, sammeln sie die bisher genausten Messungen des Schwerefeldes. Die Auswertung der Daten teilen sich die Universität von Texas, die NASA und das GFZ. Die Wissenschaftler können dank GRACE jetzt die Geoid-Höhen bis auf drei Zentimeter genau und die Schwerkraft mit einer Abweichung von nur noch ± 0,4 mGal genau messen – eine Verbesserung zu den Ergebnissen von CHAMP um 20 beziehungsweise sogar 40 Prozent.

Die positiven Abweichungen (rot) zeigen die höheren Schwerewerte etwa von Gebirgen und die negativen Abweichungen (blau) deuten meistens auf die Absenkung der Erdkruste hin. Die abtauchenden Plattenränder an Subduktionszonen etwa, oder abgesunkene Kontinentalplatten wie im Nordosten Kanadas. © University of Texas

Durch die hohe Auflösung des GRACE-Geoids gewinnen auch die Oberflächenstrukturen unseres Planeten wie Gebirge, Tiefseegräben und Ozeanrücken an Schärfe. Regionale Beulen in dem Geoid sind meist Gebirge wie etwa der Himalaja, die als oberflächennahe Massenansammlungen eine hohe Gravitationskraft ausüben. Aber auch Buckel mitten in den Ozeanen erzielen ähnlich hohe Ergebnisse. Wie etwa am Tongagraben, wo nördlich von Neuseeland die Pazifische Platte auf die Indisch-Australische prallt. Der Nord-Süd Streifen hoher Schwerewerte geht von einem Bergsystem an der Kante der Indisch-Australischen Platte aus, das durch den Druck der absinkenden Pazifischen Platte aufgestaut wird. Direkt daneben entsteht durch das Abknicken der Platte ins Erdinnere ein Tiefseegraben, dessen Massedefizit die negativen Schwerewerte verursacht.

Es brodelt und blubbert Blasen und Dellen

Die großflächigen Verformungen im Geoid sind jedoch meist nicht auf hohe Schwerewerte von Gebirgen oder anderen Landschaftsformen zurückzuführen, sondern haben ihre Ursache meist in Massenbewegungen im Erdinneren. Das nutzen Geoforscher aus, um aus dem globalen Schweremodell in Kombination mit seismischen und geomagnetischen Beobachtungen Hinweise auf Prozesse und Strukturen im Erdmantel und dem Erdkern zu erhalten.

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Auffallende Dichteunterschiede haben sie so beispielsweise an den Übergangsflächen zwischen Erdkruste und Oberem Erdmantel auf fünf bis 65 Kilometer Tiefe und zwischen Oberem und Mittlerem Mantel auf 410 bis 660 Kilometer Tiefe entdeckt. Um Anomalien in so großer Tiefe messen zu können, rechnen die Wissenschaftler die gesamten Schwerewerte der Oberfläche und der Erdkruste heraus, so dass die Daten nur noch die dynamischen Prozesse im Erdmantel widerspiegeln.

Die Schweremessungen bis zu einer Tiefe von 600 Kilometern offenbaren die Ansammlung von Mantelmaterial an den Dehnungszonen der Erdkruste. Durch die geringe Mächtigkeit der dichten Erdkruste an den Plattengrenzen zeigen die Schwerewerte entlang den Meeresrücken Tiefwerte von bis zu - 400 mGAL. Genauere Messungen in der Zukunft könnten sogar Informationen zu den flüssigen Gesteinsströmen im Erdinneren geben. © GFZ Potsdam

Das neueste Geoid EIGEN-CG01C zeigt drei Extremwerte im globalen Schwerefeld. Die größte Beule der Nordhalbkugel mit einer Höhe von etwa 70 Metern liegt zwischen Island und den Azoren im Nordatlantik. An der Dehnungszone des Mittelatlantischen Rückens bewegen sich hier die Platten auseinander und durch austretendes Material entsteht neuer Ozeanboden. Die Forscher um Christoph Reigber vom GFZ konnten das enorme Geoidhoch mithilfe eines Schweremodells des Erdmantels erklären. Entlang der Dehnungszonen sammelt sich flüssiges Gesteinsmaterial aus dem Erdmantel, das die Erdkruste aufwölbt und austreten will. Die Massenansammlung von Materie mit so hoher Dichte unter einer Dehnungszone führt weltweit am Ostpazifischen Rücken, dem Zentralindischen Rücken und eben auch am Mittelatlantischen Rücken zu extremen Schwerewerten.

Das "Tal" vor Indien und der "Berg" vor Papua Neuguinea © GFZ Potsdam

Die tiefste Senke des Geoids liegt vor der Südspitze Indiens. Hier fällt die Oberfläche auf ihren tiefsten Punkt von 105 Metern unter dem Normalwert. Die Wissenschaftler vermuten, dass auch hier die Plattenbewegung und Massenverlagerungen im Erdmantel eine Erklärung bieten. Die Indische Platte schiebt sich nach wie vor mit der enormen Geschwindigkeit von 1,25 Zentimeter pro Jahr in die Eurasische Platte. An der nördlichen Plattengrenze faltet sich dadurch der Himalaja auf, aber an der südlichen Rückseite könnte die nach Norden abrückende Platte zu einem Massendefizit im Erdmantel führen.

Für den dritten Extremwert haben die Experten bisher noch keine Erklärung: Nördlich von Papua Neu-Guinea erhebt sich das Geoid fast ebenso hoch wie die Atlantikbeule, doch kommen weder eine Dehnungszone noch ein Gebirgssystem an der Oberfläche als Erklärung für die Schwereanomalie im Erdmantel in Frage. Was aber verursacht stattdessen die Beule? Noch kennen die Geoforscher die Antwort darauf nicht…

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Stand: 25.11.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Eine Kartoffel im Weltall
Den Kapriolen der irdischen Schwerkraft auf der Spur

Erst war die Erde eine Scheibe …
Warum die Menschen trotzdem niemals runterfallen

…dann ein Ei …
Wenn die Erde Karussell fährt

… und schließlich sogar eine Kartoffel?
Die Natur will ins Gleichgewicht

Wo ist Null?
Was ist schon „Normal“?

Auch im Himmel kann es „schwer“ sein
Aus der Ferne sieht man besser

Schweremessung in der Schwerelosigkeit
Eine Störung liefert Genauigkeit

Wettrennen im All bringt Daten auf die Erde
Je kleiner die Schritte desto größer der Fortschritt

Leichte Beeinflussung eines Schwergewichts
Wie schwer ist Wasser?

Die Zukunft – ein Wackelpudding?
Alte Geheimnisse und neue Welten

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