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Astronomie/Kosmologie

Radioblitze aus dem All

Können Neutronensterne auch die Fast Radiobursts erklären?

Weil sich Gravitationswellen dank sensitiverer Detektoren immer besser messen lassen und auch die Reihweite der Detektion wächst, könnten sie in Zukunft auch ein weiteres kosmisches Phänomen klären helfen: Fast Radio Bursts (FRB). Dabei handelt es sich um extrem kurze, aber intensive Pulse kosmischer Radiostrahlung. Sie setzen in wenigen Millisekunden so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag.

Parkes-Radioteleskop
Das Parkes-Radioteleskop in Australien war das erste, das einen Fast Radioburst auffing. © CSIRO /CC-by-sa 3.0

Ein Gespräch in der Kaffeepause

Nach einer Theorie des Frankfurter Astrophysikers Luciano Rezzolla könnten auch bei diesem Phänomen Neutronensterne und Schwarze Löcher eine entscheidende Rolle spielen. Ausgangspunkt dieser Geschichte war eine Kaffeepause während eines Astronomie-Kongresses 2014, zu dem Rezzollas Kollege Heino Falcke von der Universität Nijmegen ihn eingeladen hatte. Kurz zuvor hatten Rezzolla und Falcke zusammen mit dem Bonner Astronomen Michael Kramer den Grundstein für die weltweite Event-Horizon-Kollaboration gelegt, der im Jahr 2019 das erste Foto eines Schwarzen Lochs gelang.

In jener Kaffeepause im Jahr 2014 ging es jedoch um die Fast Radio Bursts. Davon habe er noch nie gehört, meinte Rezzolla damals, als Falcke ihn darauf ansprach. Es handele sich, so erklärte dieser, um kurze, einmalige Signale, die zuweilen von den riesigen Schüsseln der Radioteleskope empfangen würden, in einem engen Frequenzbereich. Dass die höheren Frequenzen des Signals etwas früher einträfen als die niedrigeren, deute auf eine Herkunft außerhalb unserer Milchstraße hin.

Artefakte aus der Mikrowelle

Erstmals waren die Fast Radiobursts im Jahr 2007 dem Briten Duncan Lorimer aufgefallen. Anders als andere Astronomen interpretierte er sie als echte Signale und nicht etwa als technische Empfangsstörungen. Lorimers Theorie geriet allerdings etwas in Misskredit, als sich herausstellte, dass eine Reihe der im australischen Parkes-Radioteleskop gemessenen Signale nicht aus dem All, sondern von Mikrowellenöfen des Besucherzentrums stammten, in denen das Mittagessen für die Gäste aufgewärmt wurde.

Da jedoch Fast Radiobursts auch bei geschlossenem Besucherzentrum des Parkes-Radioteleskops sowie in anderen Radioteleskopen empfangen wurden, blieb die Frage, woher sie stammten.

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Kollabierende Neutronensterne als Urheber?

Rezzolla hatte dazu eine Theorie: Es sind Neutronensterne, die zu Schwarzen Löchern kollabieren. „Die Erklärung ist wie folgt“, erklärt der Astrophysiker: „Ein Schwarzes Loch kann kein Magnetfeld haben. Daher reißen die Magnetfeldlinien beim Kollaps des Neutronensterns zum Schwarzen Loch ab und breiten sich als Radiowellen im Weltraum aus. Weil der Kollaps eines Neutronensterns nur ein paar Millisekunden dauert, entsteht nur ein kurzes, einmaliges Signal.“

Neutronensternverschmelzung
Millisekunden vor der Verschmelzung zweier Neutronensterne zu einem Schwarzen Loch geraten die Magnetfelder (weiße Linien) der Neutronensterne durcheinander. Sekundenbruchteile später lösen sie sich vom Schwarzen Loch und verursachen einen Gammastrahlenblitz (Blitzar). © L. Rezzolla, M. Koppitz, GU/AEI/Zuse

Kurz zuvor hatte Rezzolla genau für dieses Szenario Modellrechnungen durchgeführt, um das Schicksal des Magnetfelds eines kollabierenden Neutronensterns zu untersuchen. Nach ihrem Treffen arbeiteten er und Falcke die Details aus und verfassten einen wissenschaftlichen Aufsatz dazu, was kaum eine Woche dauerte.

Erheblich mehr Zeit nahm die Suche nach dem Namen für das Phänomen in Anspruch, denn die beiden konnten sich nicht einigen – bis drei Wochen später Rezzolla mit seiner Frau im Auto fuhr. »Fahr langsamer, da ist ein Blitzer«, warnte sie vor einer Radarfalle. Damit hatte das wissenschaftliche Kind einen Namen: Blitzar – ein einmaliger »Blitzer« entsprechend dem periodisch blinkenden Pulsar.

Bislang unwiderlegt

Die Blitzar-Theorie gilt seitdem als eine von einer Reihe möglicher Erklärungen für FRBs. Der Kollaps magnetischer Neutronensterne könnte zumindest die Radioblitze erklären, die nur einmalig auftreten. Andere Fast Radiobursts stammen dagegen aus Quellen, die ganze Serien dieser Radiopulse abgeben. Bei ihnen und auch bei einigen Einzelblitzen stehen unter anderem Magnetare als Urheber im Verdacht – schnellrotierende Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern.

„Bisher konnte die Blitzar-Theorie nicht widerlegt werden“, freut sich Rezzolla. „Es ist auch klar: Wenn Neutronensterne mit einem Magnetfeld langsamer werden und die Schwerkraft überhandnimmt, kollabieren sie zu einem Schwarzen Loch, zum Beispiel direkt nach einer Neutronensternkollision. Dabei wird ein Radiowellensignal ausgesendet, da gibt es gar keinen Zweifel.“

Theorien erwachsen aus der Verknüpfung

Auf die Theorie der Blitzare ist Rezzolla deshalb so stolz, weil sie sozusagen ganz nebenbei entwickelt wurde. „So entstehen Ideen: indem vorhandene Informationen und Erkenntnisse miteinander verknüpft werden“, ist er Physiker überzeugt. „Das hat auch Einstein nicht anders gemacht, der die von Carl Friedrich Gauß, Bernhard Riemann und weiteren Mathematikern entwickelte Differentialgeometrie zur Erklärung der Gravitation nutzte.“

So bleibt nur zu hoffen, dass Rezzolla und seine Kolleginnen und Kollegen noch in vielen weiteren anregenden Kaffeepausen Erklärungen für Geheimnisse unseres Universums finden.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wenn die Raumzeit Wellen schlägt
Was Gravitationswellen über kosmische Phänomene verraten

Die Neutronenstern-Kollision
Gravitationswellen aus der Verschmelzung von Sternenresten

Kosmische Ursuppe und Bettlaken-Raumzeit
Gravitation, Quark-Gluon-Plasma und Einstein

Radioblitze aus dem All
Können Neutronensterne auch die Fast Radiobursts erklären?

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