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Materialforschung

Innovative Rechenmethode modelliert Hochleistungskeramiken für extreme Umgebungen

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

Ein internationales Forschungsteam hat ein Verfahren entwickelt, um neuartige Materialien zu berechnen, die bei extrem hohen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius funktionieren. Diese leistungsfähigen Keramiken könnten eines Tages die Grundlage für robustere Beschichtungen, Batterien und strahlungsbeständige Geräte bilden. Einen entscheidenden Beitrag zu den Forschungsergebnissen leistete Dr. Rico Friedrich, Wissenschaftler der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Elektronische Geräte, die lavaähnlichen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius standhalten? Eine neue Klasse von Hochleistungsmaterialien könnte das bald möglich machen. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Materialwissenschaftler der Duke University (USA) hat eine Berechnungsmethode vorgestellt, mit der sich schnell hunderte Vertreter einer neuen Klasse von Materialien entwickeln lassen, die so hitzebeständig und elektronisch stabil sind, dass sie Geräte in die Lage versetzen könnten, bei extremer Hitze zu funktionieren. Bei diesen Materialien handelt es sich um Keramiken aus sogenannten Übergangsmetallcarbonitriden oder -boriden. Dieser spezielle Typ von Verbindungen bildet stark ungeordnete Strukturen, sogenannte Hochentropiephasen. Durch die zufällige Verteilung der Kationen im Material kommt es dabei in hohem Maße zu Reflexionen und Interferenzen von Wellen, woraus sich besondere mechanische, elektronische und thermische Eigenschaften ergeben.

Mit thermodynamischen Daten zur präzisen Vorhersage

Rico Friedrich von der Professur für Theoretische Chemie der TU Dresden und dem HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung ist Teil dieses Forschungskonsortiums. Er leitet die DRESDEN-concept Forschungsgruppe „Autonomous Materials Thermodynamics – AutoMaT“, die sich hauptsächlich mit dem daten-getriebenen Design zweidimensionaler Nanomaterialien und der Optimierung ihrer elektronischen und magnetischen Eigenschaften beschäftigt. Für die neue Methode mit Namen „Disordered Enthalpy-Entropy Descriptor“ (DEED) hat Friedrich einen Teil der umfangreichen Berechnungen durchgeführt.

DEED ist dabei eine Formel, die sowohl energetische als auch entropische, also die Unordnung in einem Material betreffenden Einflüsse bei der Bildung dieser Keramiken genau abwägt. Dies ermöglicht eine Vorhersagekraft zur Synthetisierbarkeit dieser komplexen Systeme über viele Materialklassen hinweg, die bisherige Ansätze bei Weitem übertrifft. Für eine optimale Wirkungsweise benötigt DEED eine große Zahl thermodynamischer Daten zu anorganischen Materialien wie sie beispielsweise in der AFLOW Datenbank vorhanden sind, die rund 3,5 Millionen gespeicherte Verbindungen umfasst. In Relation zu diesen Daten lässt sich die Stabilität der neuen Keramiken zuverlässig zu evaluieren.

Erfolgreiche Herstellung im Labor

„In seiner ersten Demonstration sagte DEED die Synthetisierbarkeit von 900 neuen Formulierungen von Hochleistungsmaterialien voraus, von denen 17 anschließend in Laboren erfolgreich hergestellt und getestet werden konnten. Die fertigen Keramiken haben ein metallisches Aussehen und wirken dunkelgrau oder schwarz. Sie fühlen sich an wie Metalllegierungen, etwa rostfreier Stahl, und haben eine ähnliche Dichte. Und obwohl sie metallisch aussehen, sind sie hart und spröde wie herkömmliche Keramiken. Sie könnten die Grundlage für neue verschleiß- und korrosionsbeständige Beschichtungen, Thermoelektrika, Batterien, Katalysatoren und strahlungsbeständige Geräte bilden“, erläutert Friedrich.

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Aufbauend auf diesen Ergebnissen will Rico Friedrich mit seinem Team die Eigenschaften der neuen Materialien sowie ihre Wechselwirkungen an Grenzflächen für mögliche elektronische Anwendungen untersuchen. Die in der Dresdner Forschungsallianz DRESDEN-concept organisierte Gruppe geht davon aus, dass auch andere Forscher DEED einsetzen werden, um die Eigenschaften neuer keramischer Materialien für verschiedene Anwendungen zu optimieren und zu testen. Angesichts der enormen Vielfalt an potentiellen Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten könnte es ihrer Meinung nach nur eine Frage der Zeit sein, bis einige von ihnen in die kommerzielle Produktion gelangen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-023-06786-y)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

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