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Biologie

Blut-Wachstumsfaktor treibt Gehirnzellen in den Tod

Thrombopoietin löst Zelltod bei unverbundenen Gehirnzellen aus

Gehirnzellen mit TPO-Rezeptoren © MPI für experimentelle Medizin

Das auch als Dopingmittel bekannte EPO ist nicht nur ein wichtiger Wachstumsfaktor im Blut, es schützt auch die Gehirnzellen. Jetzt haben Forscher auch für das verwandte Thrombopoietin (TPO) eine unerwartete Funktion im Gehirn entdeckt: Es vernichtet „Nervenzellen ohne Ancshluss“.

Zwischen dem Zentralnervensystem und dem blutbildenden System mehr Überschneidungen als bisher angenommen. Der Wachstumsfaktor der roten Blutkörperchen, Erythropoietin (EPO), wird beispielsweise im Nervensystem selbst gebildet und dort spezifisch gebunden. EPO besitzt im Gehirn nervenzell-schützende Eigenschaften. Wichtige Funktionen im Gehirn konnten jüngst auch für Thrombopoietin (TPO) nachgewiesen werden.

Gegenspieler in Blut und Gehirn

Das Team um Hannelore Ehrenreich vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen fand heraus, dass dieser mächtigste Stimulator der Blutplättchenbildung auch im Gehirn exprimiert wird und dort eine neue, völlig unerwartete Rolle zu spielen scheint: TPO fungiert als Gegenspieler zu Erythropoietin und verursacht den Zelltod von noch unreifen „Nervenzellen ohne Anschluss“. Auf diese Weise wäre TPO mitverantwortlich für die Eliminierung überflüssiger, nicht am Zielort angelangter Nervenzellen.

Im blutbildenden System agieren EPO und TPO als Gegenspieler. Beide Wachstumsfaktoren weisen hohe Sequenzhomologien auf und binden an ähnliche Rezeptoren der Zytokin-Typ-1-Familie. Von Erythropoietin weiß man seit einiger Zeit, dass dieser von der Niere gebildete Faktor im Gehirn potente zellschützende Eigenschaften besitzt: EPO scheint ein wichtiger Überlebensfaktor für Neuronen in Stresszeiten zu sein. Dieses neuroprotektive Potenzial konnte im Tierversuch beispielsweise bei Hirntrauma und Ischämie (Blutleere) festgestellt werden, wurde aber auch in klinischen Versuchen an Schlaganfallpatienten bestätigt. Über die Anwesenheit von Thrombopoietin im Gehirn gab es bisher widersprüchliche Meinungen.

Nun konnten die Wissenschaftler aus Göttingen zeigen, dass das Thrombopoietin ebenfalls im Gehirn exprimiert wird und dort als Gegenstück zu EPO wirkt. Interessanterweise wird TPO insbesondere nach der Geburt im Gehirn gebildet, wohingegen EPO vor allem im embryonalen Gehirn stark exprimiert und postnatal in seiner Expression vermindert wird. Unter Sauerstoffmangel im Gewebe hingegen werden EPO und sein Rezeptor im Gehirn rasch hochreguliert, TPO und sein Rezeptor dagegen gedrosselt.

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Unerwarteterweise fanden die Autoren, dass TPO sich im Gehirn als potenter pro-apoptotischer Faktor zeigt, das heißt es fördert den Zelltod. Bereits in kleinsten Konzentrationen bewirkt TPO den Tod neu generierter Nervenzellen über den so genannten Ras-ERK1/2-Signaltransduktionsweg. Dieser Effekt von TPO wird komplett aufgehoben durch EPO, aber auch durch Neurotrophine, weitere Signalstoffe im Nervensystem.

Die Forscher vermuten, dass die pro-apoptotische Wirkung von TPO dazu dient, Neuronen zu selektieren, die bereits Anschluss an ihre Zielzellen und damit neurotrophe Überlebenshilfe gefunden haben. Die übrig bleibenden, noch unreifen „Zellen ohne Anschluss“ würden getötet. Auf diese Weise wäre TPO mitverantwortlich für die Eliminierung überflüssiger, nicht am Zielort angelangter Nervenzellen.

(MPG, 08.03.2005 – NPO)

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