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Raumfahrt

Warum die JUICE-Mission fast gescheitert wäre

Eingeklappte Radarantenne der Jupitermond-Sonde war wochenlang blockiert

JUICE-Raumsonde
Die ESA-Raumsonde JUICE soll mithilfe ihrer Radarantenne unter die Eiskruste der Jupitermonde blicken. Doch ausgerechnet diese Antenne hing fest und ließ sich zunächst nicht ausklappen. © ESA /CC-by-sa 3.0 IGO

Es hing an einem Bolzen: Die am 14. April 2023 zu den Jupitermonden gestartete ESA-Raumsonde JUICE hätte fast ihr wichtigstes Instrument verloren. Denn die für die Durchleuchtung der Eismonde so wichtige Radarantenne RIME ließ sich nicht entfalten. Vier Wochen lang versuchte die ESA, den verklemmten Haltebolzen des Antennenteils zu lösen – zunächst vergeblich. Erst durch die Kombination mehrere Aktionen gelang es dann schließlich doch. Die Radarantenne ist nun einsatzbereit.

Die europäische Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer) soll erstmals genauer erkunden, was sich unter den Oberflächen der Jupitermonde Ganymed, Europa und Kallisto verbirgt. Denn alles deutet daraufhin, dass es unter der Eiskruste dieser Monde subglaziale Ozeane gibt – und damit möglicherweise ein Refugium für extraterrestrisches Leben. Für die Erkundung der Jupitertrabanten ist JUICE mit elf Instrumenten ausgerüstet, eines der wichtigsten ist die 16 Meter lange Radarantenne RIME, die genauere Daten zu den subglazialen Ozeanen liefern soll.

Verklemmte Antenne
Diese Animation aus vier „Selfie“-Aufnahmen der JUICE-Sonde zeigt, dass das Antennensegment sich zwar bewegt, aber festhängt. © ESA/Juice/JMC, CC-by-sa 3.0 IGO

RIME-Antenne hängt fest

Doch ausgerechnet mit dieser Radarantenne gab es nach dem erfolgreichen Start der JUICE-Sonde Probleme: Das Ausklappen der Antennenteile lief nicht wie erhofft. Damit die ganze Antenne in die Nutzlastkapsel der Ariane-Rakete passte, mussten ihre sechs beweglichen Segmente beim Start eingeklappt werden. Als am 17. April die Ausklappsequenz begann, hing das zweite Segment fest. Der Haltebolzen, der dieses Antennensegmente sicherte, löste sich nicht.

„Man kann es zuerst gar nicht glauben: Die am meisten gefürchtete Situation tritt ein“, berichtet ESA-Ingenieur Ronan Le Letty. „Wir haben nochmal versucht, den Lösemechanismus zu aktivieren, aber es passierte nicht.“ Der Haltebolzen steckte fest. Aber warum? „Wir wussten, wir müssen schnell verstehen, was da los ist und dann versuchen, eine Lösung zu finden“, sagt Frédéric Faye, Chefingenieur für JUICE bei Airbus.

Erster Versuch: Erwärmen durch Sonnenlicht

Ein möglicher Grund für die Blockade könnte Eis sein, dass sich nach dem Start am Haltebolzen gebildet hatte und ihn festhielt. Um dieses Eis zu schmelzen, müsste die gesamte Raumsonde so gedreht werden, dass der Bolzen der Sonne ausgesetzt und dadurch erwärmt werden würde. Das Problem nur: Die Halteklammer lag an einer Stelle der Raumsonde, die wegen der hitzeempfindlichen Instrumente als „kalte Seite“ definiert war – sie war nicht darauf ausgelegt, dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt zu werden.

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Entsprechend riskant war das Manöver. Das ESA-Bodenteam drehte die JUICE-Sonde immer wieder für kurze Zeit so, dass der Haltbolzen der RIMA-Antenne von der Sone bestrahlt wurde – erst nur 25 Minuten pro Durchgang, dann bis zu 73 Minuten lang. „Über zwei Wochen hinweg führten wir dieses Manöver achtmal durch, um die RIME-Klammer zu beleuchten“, berichtet Angela Dietz, Operationsmanagerin bei ESOC.

Zweiter Versuch: Schütteln

Anschließend versuchte das Team, die sechs Tonnen schwere JUICE-Sonde mithilfe ihrer Antriebsdüsen leicht hin- und herzuschaukeln, in der Hoffnung, so den verklemmten Bolzen lösen zu können. „Wir nutzten sowohl die Steuerdüsen als auch den Hauptantrieb. Die Düsen wurden dabei in bestimmter Abfolge aktiviert, um das eingeklappte Antennensegment loszurütteln“, schildert Dietz das Vorgehen. Doch der Haltebolzen saß fest. Gleichzeitig lief die Zeit – und der Druck auf das Team stieg.

„Auch wenn die RIMA-Antenne nur ein Instrument von zehn ist, hätte ihr unvollständiges Ausklappen die wissenschaftlichen Leistungen der Mission stark beeinträchtigt“, sagt Giuseppe Sarri, JUIVE-Projektmanager bei der ESA. Nach weiteren Brainstorming-Sitzungen kamen die Airbus-Ingenieure auf eine weitere Lösungsmöglichkeit: Wenn man erst die anderen Antennensegmente ausklappen würde, könnten die abrupten Erschütterungen durch das Lösen ihrer Haltebolzen vielleicht den verklemmten Bolzen losschütteln.

Die RIME-Antenne klappt aus
Geschafft: Das zuvor festhängende Antennensegment klappt sich aus. © ESA/Juice/JMC, CC-by-sa 3.0 IGO

Es funktioniert!

Damit sich dabei die meterlangen Antennenteile nicht gegenseitig blockierten, musste dafür jedoch die gesamte Ausklappsequenz umgestellt werden. Am 12. Mai 2023 war es dann soweit: Die ESA-Bodenstation schickte der JUICE-Sonde die neuen Befehle und der entscheidende Versuch begann: Die Sonde drehte das festgeklemmte Antennenteil erst für 73 Minuten in die Sonne, dann wieder zurück und die Haltebolzen der benachbarten Antennenteile wurden gelöst. Dann folgte das verklemmte Antennensegment – und es gelang.

Die Telemetriedaten zeigten charakteristische Oszillationen der JUICE-Sonde, wie sie beim Ausklappen der Antennenteile auftreten. Dann bestätigten auch Bilder der „Selfie-Kameras“ von JUICE den Erfolg: Die RIME-Antenne war vollständig entfaltet. „Vier Wochen des enormen Drucks waren plötzlich vorüber, ich wollte es erst kaum glauben, dass es endlich geklappt hatte“, sagt Le Letty.

Auf dem Weg zum Jupitersystem

Die JUICE-Sonde ist damit nun in endlich in ihrer Sollkonfiguration und kann ihre lange Reise ins Jupitersystem fortsetzen. Um die Eismonde des Gasriesen zu erreichen, wird die ESA-Raumsonde acht Jahre unterwegs sein und mehrere Vorbeiflüge an Erde und Venus durchführen, um sich Schwung für den langen Flug zu holen. Im Jahr 2031 wird JUICE dann ihr Ziel erreichen – und die Radarantenne RIME zur Durchleuchtung der Jupitermonde einsetzen.

European Space Agency (ESA)

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