Wissenschaftler haben während einer Tauchexpedition in Unterwasser-Höhlen auf den Bahamas erstmals Larven seltener und bisher wenig erforschter Urzeit-Krebse aus der Gruppe der Remipedia gefangen. Anhand der Funde gelang es dann sogar, die post-embryonale Entwicklung dieser Grottenkrebse zu rekonstruieren, so das deutsch-amerikanische Forscherteam in der Fachzeitschrift Evolution & Development.
Bis heute gab das stammesgeschichtliche Alter der Höhlenkrebse, ihre Position im zoologischen System und ihre Verbreitung der Wissenschaft Rätsel auf. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Bauplans wurden (und werden) Remipedien häufig als Urzeit-Krebse eingestuft. Fossilienfunde aus dem Karbon, deren Bauplan dem der Remipedia ähnelt, schienen diese Auffassung zu unterstützen. Die Larvenfunde in den so genannten Blue Holes untermauern jedoch neuere Untersuchungen, nach denen Remipedien wahrscheinlich keine ‚lebenden Fossilien‘ sind, sondern eine hoch angepasste, moderne Form von Krebsen darstellen. Auf den Bahamas wurden insgesamt fünf Exemplare verschiedener larvaler Entwicklungsstadien gefunden.
Neue Ergebnisse zur Evolution der Arthropoden
Die Forscher der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung und der Texas A&M University konnten zwischen den frühen Larvenstadien der Remipedia und den Larven der höheren Krebse, den Malacostraca, Gemeinsamkeiten feststellen, was auf eine engere Verwandtschaftsbeziehung der beiden Krebsgruppen hindeutet. Diese überraschende Erkenntnis stellt ein wichtiges Mosaikstück für das Verständnis der Evolution der Arthropoden dar, und schließt eine wesentliche Lücke im Wissen über die Herkunft und das Alter dieser rätselhaften Tiergruppe.
Das geographische Hauptverbreitungsgebiet der Höhlenkrebse erstreckt sich in der Karibik von der Yukatan-Halbinsel in Mexico bis zu den Bahamas. Zusätzlich wurden zwei Arten auf Lanzarote und in Westaustralien gefunden. Professor Stefan Könemann aus dem Institut für Tierökologie und Zellbiologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover erklärt: „Da Remipedien noch nie außerhalb ihres Lebensraums gefunden wurden, bleibt ungeklärt, wann und wie sie es geschafft haben, weit voneinander entfernte Höhlensysteme auf beiden Seiten des Atlantischen und Indischen Ozeans zu besiedeln.“
Lebensweise: unbekannt
Remipedia leben überwiegend in küstennahen Höhlensystemen, die gegen Ende der Eiszeit von Salzwasser überflutet wurden, und sind in Anpassung an ihren lichtlosen Lebensraum schneeweiß und blind. Die Wissenschaft bezeichnet Tiere mit solchen Anpassungen als Stygobionten, in Anlehnung an Styx, einen Fluss der griechischen Unterwelt.
„Die Unzugänglichkeit dieser Lebensräume ist der Hauptgrund für die späte Entdeckung der Remipedia. Bis heute liegen viele Details ihrer Lebensweise buchstäblich im Dunkeln. Jetzt kommt es darauf an, schnell zu handeln, da einige Lebensräume der Remipedia durch Bauvorhaben und Abwassereinleitungen bedroht sind“, erklärt Christoph Held, Mitautor der Studie und Biologe am Alfred-Wegener- Institut.
Die Remipedia bilden innerhalb des Stamms der Gliederfüßer (Arthropoda) eine Klasse der Krebstiere. Sie wurden Anfang der 1980er Jahre während eines Tauchgangs in marinen Höhlensystemen auf den Bahamas entdeckt. Remipedien sind zwischen neun Millimeter und 4,5 Zentimeter lang und erinnern auf den ersten Blick entfernt an Tausendfüßer.
(idw – Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 19.03.2007 – DLO)