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Paläontologie

Großer Meeres-Raubsaurier in Frankreich entdeckt

Lorrainosaurus begründete vor 170 Millionen Jahren die Dynastie der marinen Riesenräuber

Lorrainosaurus
Als ältester bekannter Riesenpliosaurier machte der Lorrainosaurus bereits vor 170 Millionen Jahren die Meere unsicher. © Joschua Knüppe

Französischer Riese: In Nordfrankreich haben Paläontologen das Fossil eines bislang unbekannten, sechs Meter langen Meeres-Raubsauriers entdeckt. Allein der Kopf des Lorrainosaurus getauften Tieres war 1,30 Meter lang. Das fleischfressende Reptil lebte bereits vor 170 Millionen Jahren in den Meeren Westeuropas und gilt damit als erste bekannte Riesenform innerhalb der Gruppe der räuberischen Pliosaurier. Der Lorrainosaurus begründete somit eine 80 Millionen Jahre andauernde Linie von marinen Spitzenprädatoren.

Zur Zeit der Dinosaurier waren auch die Meere von großen Reptilien bevölkert. Neben langhalsigen Plesiosauriern und delfinähnlichen Ichthyosauriern lebten dort die räuberischen Pliosaurier mit ihren großen Schädeln und kräftigen Kiefern. Sie gelten als prähistorisches Äquivalent zum Killerwal und konnten über zehn Meter lang werden. Auf ihrem Speiseplan standen neben Kopffüßern und Fischen auch andere Meeresreptilien.

Wann übernahmen Pliosaurier die Herrschaft?

Die Pliosaurier tauchten bereits vor mehr als 200 Millionen Jahren zum ersten Mal auf, lebten aber zunächst im Schatten anderer mariner Raubtiere. Die frühen Formen waren meist noch eher klein und auch die robusten, großen Schädel und Kiefer waren noch nicht so deutlich ausgeprägt. Erst an der Grenze vom frühen zum mittleren Jura vor etwa 175 bis 171 Millionen Jahren stiegen die Pliosaurier gängiger Theorie nach zu Spitzenprädatoren der Meere auf.

Doch bislang gab es keine eindeutigen fossilen Beweise für diesen evolutionären Umbruch. Daher blieben Zeit und Art des Pliosaurier-Aufstiegs umstritten. Paläontologen um Sven Sachs vom Naturkunde-Museum Bielefeld haben nun fossile Pliosaurier-Überreste näher untersucht, die im Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg archiviert sind. Dabei sind sie auf eine Überraschung gestoßen.

Skelett Lorrainosaurus
Vom Lorrainosaurus sind nur wenige Knochen überliefert. © Joschua Knüppe

Eine Meeresechse im Straßengraben

Es zeigte sich: Die fossilen Knochen gehören zu einem unvollständigen Skelett und umfassen vier kegelförmige Zähne von bis zu acht Zentimeter Länge, einen vollständigen, 1,30 Meter langen Unterkiefer sowie Teile von Oberkiefer, Rippen und Flossen. Gefunden wurden die Überreste bereits vor 40 Jahren während Straßenbauarbeiten in der Nähe des nordfranzösischen Metz. Damals hielt man sie für Knochen des Pliosauriers Simolestes, der zwischen mittlerem und spätem Jura lebte.

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Doch diese Annahme ist falsch, wie Sachs und sein Team nun festgestellt haben. Sie identifizierten das unvollständige Skelett stattdessen als Überreste einer bislang unbekannten Pliosaurier-Gattung, die sie auf den Namen Lorrainosaurus getauft haben. „Lorraine“ bezieht sich dabei auf die französische Bezeichnung von Lothringen – dem Gebiet, in dem die Knochen einst gefunden wurden. Der Lorrainosaurus lebte laut neuer Datierung schon vor 170 Millionen – ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, der auch in der Theorie als Aufstieg der großvolumigen Pliosaurier angenommen wird.

Kopf Lorrainosaurus
So könnte der 1,30 Meter lange Kopf des Lorrainosaurus einst ausgesehen haben. © 10 Tons

Lorrainosaurus als Dynastie-Begründer

Das Interessante an dem neuen Fossil: Auf Basis seines 1,30 Meter langen Kiefers schätzen die Paläontologen, dass der Lorrainosaurus über sechs Meter Länge erreichen konnte. Seinen massigen, torpedoförmigen Körper navigierte er wahrscheinlich mit vier Flossen. Er ist damit der älteste bekannte Riesenpliosaurier mit der Ausstattung eines wahren Spitzenprädators. „Er begründete eine Dynastie von Meeresreptilien-Mega-Raubtieren, die rund 80 Millionen Jahre lang die Ozeane beherrschten“, erklärt Sachs.

Dass die Pliosaurier überhaupt vor 170 Millionen Jahren an die Spitze der Nahrungskette aufsteigen konnten, führen die Paläontologen auf tiefgreifende Veränderungen der Ozeane zurück. „Ihr Auftauchen verlief parallel zu einem regionalen Wechsel der Meeresfauna im frühen Mitteljura, der möglicherweise mit raschen ozeanischen Temperaturveränderungen zusammenhing“, erklären Sachs und seine Kollegen.

Diese Veränderungen sorgten wahrscheinlich dafür, dass die bis dato vorherrschenden Meeresreptilien – die langhalsigen, auf Kopffüßer spezialisierten Rhomalosauriden – weniger zu fressen fanden und somit ausstarben. An ihre Stelle traten die Pliosaurier beziehungsweise „Mörder des Meeres“ (Thalassophonea), wie sie in Fachkreisen auch genannt werden. (Scientific Reports, 2023; doi: 10.1038/s41598-023-43015-y

Quelle: Schwedischer Forschungsrat – The Swedish Research Council

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