Die tödliche Gefahr der Mykotoxine

Pilze und ihre Gifte

Fliegenpilze
Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) gilt vielen als Inbegriff eines Giftpilzes, ist jedoch nicht der tödlichste aller heimischen Pilze. © Holger Krisp /CC-by 3.0

Pilze zählen zu den vielfältigsten und wundersamsten Lebewesen auf der Erde. Mit ihren Sporen, fädigen Myzelen und Fruchtkörpern bevölkern sie beinahe jeden Lebensraum und treten in den unterschiedlichsten Farben und Formen auf. Einige Pilze sind nahrhaft und lecker, andere können aber auch giftig und mitunter tödlich sein, wie regelmäßige Meldungen von verstorbenen Hobby-Pilzsammlern zeigen.

Aber warum gibt es das Phänomen der Giftpilze eigentlich und welchen evolutionären Zweck erfüllen ihre Toxine? Wie viele Pilze produzieren Giftstoffe und wie wirken diese? Kann auch Schimmel in der Wohnung giftig sein? Und welche Pilze bedrohen unsere Ernten? Ein Einblick in die Welt der Mykotoxine.

Warum manche Pilze giftig sind

Chemische Verteidigung

Pilze gibt es nahezu überall auf der Welt. Je nach Pilzart und Fortpflanzungsstatus treten sie in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf: Von der winzigen Spore über den fadenartigen Schimmelhyphen bis hin zum klassischen Hutpilz. Ihnen gemeinsam ist ein meist unsichtbares Geflecht aus Pilzfäden, den Myzelen, die viel größere Flächen einnehmen können als der sichtbare Fruchtkörper.

Pilze gedeihen überall dort, wo es organisches Material gibt, von dem sie sich ernähren können. Das kann sowohl die Erde im Garten oder Blumentopf sein als auch tote oder lebende Organismen wie Pflanzen und Tiere, alte Lebensmittel oder feuchte Wohnungen. Mit der Nutzung dieser Fülle an Lebensräumen sind Pilze wahre Meister der Vielseitigkeit. Doch auch in ihrer Verteidigung sind sie gewiefte Überlebenskünstler, mit vielfältigen Abwehrstoffen.

Toxine als Verteidigungsstrategie

Da sie nicht wie Tiere vor Feinden davonlaufen können und keine mechanische Barriere wie Baumrinde besitzen, besteht eine der wichtigsten Verteidigungsstrategien der Pilze in der Produktion von Giftstoffen – sogenannten Mykotoxinen. Indem sie diese für andere Lebewesen schädlichen Chemikalien in ihre Fruchtkörper einbauen oder ausscheiden, verhindern die Pilze, von Insekten und anderen Tieren gefressen oder von Parasiten ausgenutzt zu werden.

Insekten und Schimmelpilze
Springschwänze (Folsomia candida) und Schimmelpilze (Aspergillus nidulans): An ihnen belegten Forscher erstmals, dass Pilzgifte als Schutzschild gegen Fraßfeinde wirken können. © Marko Rohlfs

Das belegt unter anderem eine Studie mit dem Schimmelpilz Aspergillus nidulans, der mit seinem Toxin erfolgreich Insekten abwehrt. „Das Experiment beweist, dass die Gifte bei Pilzen im Zuge der Evolution als Fraßschutz entstanden sind und den Pilzen einen Überlebensvorteil sicherten“, erklärt der Ökologe Marko Rohlfs von der Universität Kiel.

Aber woher wissen die Pilze, wann ihnen Gefahr droht? Die meisten Pilze bilden ihre Gifte prophylaktisch, so dass diese stets in den Fruchtkörpern vorhanden sind. Diese dauerhafte Verteidigungsstrategie ist Forschern bereits seit Jahrhunderten bekannt und kommt auch in Pflanzen und Tieren häufig vor. Die meisten Pilze enthalten sogar mehrere Toxine, die in unterschiedlichen Konzentrationen im Fruchtkörper vorliegen können, je nach Standort, Jahreszeit, Wetter und Alter.

Orangefarbene Mehlscheibe
Orangefarbene Mehlscheibe (Aleurodiscus amorphus) auf der Rinde einer Tanne. Der Pilz produziert giftige Blausäure, wenn er angefressen wird. © Jimmie Veitch (jimmiev) / Mushroom Observer/CC-by 3.0

Bei Angriff Blausäure

Andere Pilzarten wiederum sind sparsamer, schonen ihren Stoffwechsel und produzieren zunächst nur eine Vorstufe ihres eigentlichen Toxins. Letzteres entsteht erst dann, wenn die Pilze tatsächlich angegriffen werden, wie neuere Studien zeigen. Beispielsweise stellt ein winziger Rindenpilz namens Orangefarbene Mehlscheibe (Aleurodiscus amorphus) aus Blausäureglykosiden giftige Blausäure her, wenn er verletzt wird. Damit verhindert er zwar den Angriff nicht, wird aber auch nicht komplett gefressen und kann sich wieder erholen.

Ebenfalls erst bei Verletzungen produziert der Austernpilz (Pleurotus ostreatus) sein Gift. Allerdings dient es ihm nicht nur als passiver Fraßschutz, sondern auch, um aktiv seine Nahrung zu erbeuten. Aus kleinen rundlichen Fortsätzen stößt der Austernpilz dafür das giftige Nervengas 3-Octanon aus, um Fadenwürmer zu töten und anschließend mit seinem Hyphen-Geflecht auszusaugen. „Seine Toxocysten produzieren ein potentes Gift, das die Fadenwürmer innerhalb von Minuten nach dem Kontakt tötet“, berichtet Ching-Han Lee von der Academia Sinica in Taipeh.

Austernpilze
Austernpilze (Pleurotus ostreatus) sind für Würmer giftig, können von Menschen aber bedenkenlos gegessen werden. © empire331 / GettyImages

Bei den Würmern führt das Mykotoxin zu Muskelkrämpfen und Lähmungen, für Menschen ist es hingegen ungefährlich. Austernpilze können daher bedenkenlos gegessen werden und zählen auch zu den beliebtesten Speisepilzen.

Gesundheitsgefahr durch ungiftige Pilze

Pilze müssen übrigens nicht zwingend selbst Giftstoffe produzieren, um für Menschen schädlich bis tödlich zu sein. Auch mit Schwermetallen aus dem Boden (doi: 10.1016/j.scitotenv.2022.158160) oder radioaktiver Strahlung belastete Speisepilze können langfristig gesundheitliche Schäden hervorrufen. In deutschen Wäldern sind beispielsweise nach wie vor viele Pilze durch den Reaktorunfall 1986 in Tschernobyl belastet, wie das Umweltinstitut München mitteilt. „Der radioaktive Stoff Caesium-137 wird vom im Boden weit verflochtenen Myzel einiger Pilzsorten stark aufgenommen“, sagt Hauke Doerk vom Umweltinstitut. Solange wir Waldpilze nicht in riesigen Mengen essen, sei dies zwar kein akutes Problem, jedoch langfristig gesehen auch nicht ungefährlich.

Zu einer Unverträglichkeit, allergischen Reaktion oder akuten Vergiftung kann es außerdem durch den Verzehr roher oder durch Bakterien verdorbener Speisepilze kommen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um wilde Pilze aus dem Wald handeln, sondern kann auch bei Kultur-Pilzen aus dem Supermarkt passieren.

Wie wirken Pilzgifte?

Mykotoxine: Von unangenehm bis tödlich

Auf den menschlichen Körper und andere Tiere wirken Pilzgifte auf ganz unterschiedliche Weise – von leichten Schäden bis hin zum Tod. Von den über 5.000 Großpilzen in Europa sind etwa 150 als giftig bekannt. Sie produzieren kleine Moleküle oder Proteine mit toxischer Wirkung. Doch nur ein gutes Dutzend dieser Pilzgifte sind tatsächlich lebensbedrohlich.

Gift-Feuerkoralle
Die Gift-Feuerkoralle (Trichoderma cornu-damae) ist einer der wenigen Pilze, die schon bei Hautkontakt giftig sind. Er kommt nur in Asien und Australien vor. © Atsushi Nakajima/CC-by 4.0

Hinzu kommt, dass selbst die toxischsten Pilze für gewöhnlich verzehrt werden müssen, um bei uns ihre Giftwirkung zu entfalten. Der bloße Hautkontakt reicht bei keinem der europäischen Giftpilze für eine Vergiftung aus. Auf anderen Kontinenten gibt es jedoch sehr vereinzelt Pilze, die schon bei Berührung ihre tödlichen Toxine an unsere Haut abgeben – zum Beispiel die in Asien und Australien beheimatete knallrote „Gift-Feuerkoralle“ (Trichoderma cornu-damae), deren Abwehrstoffe multiples Organversagen hervorrufen.

Vielfältige Wirkung der Pilzgifte

Die meisten Giftpilze haben nur eine lokale, eher schwache Reizwirkung und erzeugen mit ihren Giftstoffen etwa Verdauungsstörungen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise einige Ritterlinge (Tricholoma), Täublinge (Russula) und Milchlinge (Lactarius), die unter anderem giftige Terpene herstellen. Die Vergiftungserscheinungen dieser Pilze dauern meist nur einige Stunden an.

Die Wirkung anderer Pilze kann dagegen einige Stunden bis Tage anhalten. Sie schädigen besonders das Nervensystem und führen zu schweren Wahrnehmungsstörungen – unter anderem der Fliegenpilz (Amanita muscaria) und Pantherpilz (Amanita pantherina), die das Nervengift Muscimol herstellen. In höheren Dosen ist diese halluzinogene Substanz tödlich. In Pilzen kommt sie jedoch in unterschiedlichen Mengen vor, je nach Umgebungstemperatur und Alter der Pilze, so dass der Verzehr eines Fliegenpilzes nicht zwangsläufig tödlich enden muss.

japanisches Eichhörnchen mit Fliegenpilz
Ein japanisches Eichhörnchen (Sciurus lis), das sich von einem Fliegenpilz (Amanita muscaria) ernährt. © Koichi Gomi

Zudem sind nicht alle Lebewesen gleichermaßen anfällig für dieses Gift: Japanischen Eichhörnchen kann das Neurotoxin des Fliegenpilzes beispielsweise nichts anhaben, wie eine Studie vor rund zwei Jahren ergab (doi: 10.1002/fee.2443). Generell sind Pilzgifte nicht unbedingt für alle Lebewesen schädlich: Manche Mykotoxine richten sich nur gegen andere Pilze, andere gegen Bakterien und wieder andere gegen den pflanzlichen Wirt oder gegen tierische Fressfeinde. Für wen das Gift gemacht ist, hängt von der Lebensweise und dem Lebensraum der Pilze ab. Im Fall der Eichhörnchen vermuten die Forschenden, dass diese den Pilzen bei der Verbreitung helfen, weswegen sie gegen das Gift immun sind.

Grüne Knollenblätterpilze
Der hochgiftige Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) wird auch „Todeskappe“ genannt. © Strobilomyces/CC-by 3.0

Knollenblätterpilz: Todesbringer und Lebensretter

Neben den reizenden oder neurotoxischen Pilzsubstanzen gibt es noch ein dritte, deutlich gefährlichere Gruppe: Pilzgifte, die besonders die Zellen der Leber angreifen und zum Leberversagen führen können. Dazu zählt zum Beispiel der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), der neben weiteren Toxinen das extrem giftige Amatoxin alpha-Amanitin produziert. Dieser Pilz ist in Europa für den Großteil aller Todesfälle infolge einer Pilzvergiftung verantwortlich und wird daher auch „Todeskappe“ genannt.

Doch dieser Giftstoff kann auch medizinisch nützlich sein: So fanden Forschende um Xiongbin Lu von der University of Texas beispielsweise heraus, dass alpha-Amanatin sehr effektiv Tumorzellen im Darm abtötet. Da das Gift zugleich jedoch auch gesunde Leberzellen schädigt, hat das Team ein synthetischen Wirkstoff entwickelt, der alpha-Amanatin ähnelt, aber kranke Zellen stärker angreift als gesunde Zellen (doi: 10.1038/nature14418).

Spitzkegelige Kahlköpfe
„Magic Mushrooms“ wie der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) werden wegen ihrer halluzinogenen Wirkung als Drogen verzehrt. © Arp /CC-by 3.0

Psychedelika aus Pilzen

Eine besondere, wenn auch eher „zauberhafte“ als toxische Wirkung hat die pilzliche Substanz Psilocybin. Sie ist mit dem „Glückshormon“ Serotonin verwandt und kommt in Pilzen wie dem Mexikanischen Kahlkopf (Psilocybe mexicana) oder den in Deutschland wachsenden Spitzkegeligem Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) und Blauendem Kahlkopf (Psilocybe cyanescens) vor. Diese natürliche psychedelische Substanz verändert ähnlich wie das synthetische LSD das Bewusstsein und löst einen Rauschzustand oder Halluzinationen aus.

„Magic Mushrooms“, die dieses Psychedelika herstellen, werden daher schon seit Jahrtausenden getrocknet und als Drogen verzehrt. Meist wird das Pilzgift nach einigen Stunden im Körper abgebaut und die Wirkung lässt nach. In seltenen Fällen kommt es beim Konsum der Pilze zu versehentlichen Vergiftungen durch Verwechslung mit Giftpilzen, manchmal auch zu „Horrortrips“ oder zu Todesfällen durch Selbstverletzung. Das Psilocybin selbst führt meist zum Erbrechen, bevor tödliche Mengen verzehrt werden können. Gelegentlich gibt es auch Berichte von langfristigen psychischen Störungen infolge des Pilzkonsums. Wegen ihrer Nebenwirkungen sind die „Zauberpilze“ hierzulande illegal. Inzwischen wird Psilocybin jedoch auch als potenzieller medizinischer Wirkstoff gegen Ängste und Depressionen untersucht (doi: 10.1038/s41591-022-01744-z).

Schimmel- und Hefepilze im Klimawandel

Gesundheitsgefahr Schimmel

Schimmelpilze lauern besonders in feuchten Umgebungen wie Kellern und Kühlschränken, aber auch in vermeintlich unwirtlichen Orten wie in Abflussrohren von Waschbecken. Besonders häufig kennt man sie von verschimmelten Lebensmitteln, wo die Pilze reichlich Nährstoffe finden und regelrecht „aufblühen“. Doch selbst auf nährstoffarmen Lebensmitteln wie Meersalz und Olivenöl halten sich Verunreinigungen mit Schimmelpilzen hartnäckig.

Im Gegensatz zu den Großpilzen, die meist mit Fruchtkörpern mit Hut und Stiel auftreten, gehören die Schimmelpilze nicht zu den Giftpilzen im klassischen Sinne. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie unbedenklich wären. Im Gegenteil: Mit ihren Sporen und Pilzgiften, die wir über die Luft einatmen, können auch zahlreiche Schimmelpilze unsere Gesundheit schädigen. Bei einer starken Schimmelbelastung in der Wohnung können sie zum Beispiel Allergien und Atemwegserkrankungen wie Asthma auslösen oder verschlimmern.

Aflatoxine
Einige Schimmelpilze produzieren Aflatoxine. © D.Thiên /CC-by 4.0

Giftproduktion im Dunkeln

Die Giftstoffe der Schimmelpilze aus den Gruppen der Aflatoxine und Ochratoxine können beim Menschen auch zu Durchfall und Erbrechen führen, das Immunsystem stören, Nieren und Leber schädigen sowie die Entstehung von Krebs begünstigen. Beispielsweise produziert der im Erdboden und auf Lebensmitteln lebende Schimmelpilz Aspergillus nidulans das Mykotoxin Sterigmatocystin, das mit den krebserregenden Aflatoxinen verwandt ist.

Allerdings stellt er den Wirkstoff vorwiegend im Dunkeln her. Eine mögliche Strategie, um sich vor dem Schimmelpilz und seinem Gift zu schützen, ist daher, belastete Flächen und Lebensmittel mit Licht bestimmter Wellenlängen zu bestrahlen. Das gilt auch für weitere Schimmelpilze, etwa Pilze der Gattung Penicillium, die Ochratoxin herstellen. „Wenn es uns gelingt, die innere Uhr der Schimmelpilze mit Licht aus dem Takt zu bringen, dann können wir die Toxinbildung stoppen,“ erklärt Rolf Geisen vom Max Rubner-Institut in Karlsruhe.

Tropische Killerhefen

Ebenfalls nicht zu den klassischen Giftpilzen zählen einige Hefepilze, die aber dennoch schwere Erkrankungen verursachen können. Dazu zählen beispielsweise die Hefen Cryptococcus gattii und Cryptococcus neoformans, die in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht haben. Deren Sporen können in der Luft schweben und so die Lunge von Menschen und Haustieren wie Hunden und Katzen befallen. Betroffene leiden unter anderem unter Husten, Atembeschwerden, Fieber und Kopfschmerzen. Mitunter kann die Kryptokokkose genannte Erkrankung auch in eine tödliche Lungen- oder Hirnhautentzündung münden, vor allem bei immungeschwächten Personen.

Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Vergiftung durch ein Mykotoxin, sondern um eine gewöhnliche Infektion. Statt mit einem Gift schützt sich die Hefe durch eine besondere Zellwand vor Angreifern wie dem menschlichen Immunsystem.

falsche Wiesenchampignons
Mit dem Klimawandel siedeln sich immer mehr invasive Pilze an. Einige sind giftig, zum Beispiel der falsche Wiesenchampignon (Agaricus xanthodermus). © Jose Angel Urquia Goitia/CC-by 4.0

Klimawandel verändert Lebensraum der Pilze

Bislang war der auf Bäumen lebende Pilz Cryptococcus gattii vornehmlich in tropischen und subtropischen Gegenden der Erde beheimatet. In den vergangenen beiden Jahrzehnten breitete er sich jedoch auch immer mehr in Nordamerika aus, vor allem in Kanada. Experten vermuten einen Zusammenhang mit dem Klimawandel, der den Pilzen neue Lebensräume in weniger tropischen und weiter nördlich gelegenen Wäldern eröffnet.

Wissenschaftler prophezeien daher, dass sich die Hefe und viele andere invasive Pilze aus wärmeren Regionen, künftig auch hierzulande ansiedeln könnten. Studien belegen, dass einige Arten bereits eingeschleppt wurden (doi: 10.1007/s10530-022-02896-2) – darunter zahlreiche Pflanzenschädlinge und Giftpilze wie der falsche Wiesen-Champignon (Karbol-Egerling, Agaricus xanthodermus), die wilden Speisepilzen zum Verwechseln ähnlichsehen. Sowohl beim Pilze sammeln im Wald als auch in der Landwirtschaft könnten gesundheitsschädliche Pilze daher mit der Erderwärmung ein größeres Problem werden.

Risiken und Chancen durch heimische Giftpilze

Gefahren beim Pilze sammeln

In den Wald gehen und Pilze für das Abendessen sammeln ist ein Hobby, das sich seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut. Nicht nur, weil Pilze lecker, nahrhaft und reich an Eiweiß und Vitaminen sind, sondern auch, weil Pilze sammeln ein naturverbundener Zeitvertreib ist. Doch dabei kommt es immer wieder zu tragischen Verwechslungen von Speisepilzen und Giftpilzen.

Echte und Falsche Pfifferling
Der essbare Echte Pfifferling (Cantharellus cibarius) und sein giftiger Doppelgänger, der Falsche Pfifferling (Hygrophoropsis aurantiaca, unten), sind sich zum Verwechseln ähnlich. © Wilhelm Zimmerling PAR/CC-by 4.0 / © Lukas/CC-by 2.0

Wie viele Giftpilze und Pilzvergiftungen gibt es?

Zu den beliebtesten essbaren Wildpilzen gehören in Deutschland etwa Champignons (Agaricus), Pfifferlinge (Cantharellus), der Austernpilz (Pleurotus ostreatus), der Feldpilz (Agaricus campestris) und einige Russula-Arten (Täublinge). Von unerfahrenen Sammlern werden diese und weitere Speisepilze leider häufig mit verschiedensten der rund 150 heimischen Giftpilze verwechselt. Am häufigsten treten Verwechslungen mit einigen Amanita-Arten wie dem giftigsten aller Pilze auf, dem Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), der schon in geringen Mengen ein tödliches Leberversagen verursacht.

In fünf Prozent aller Fälle geht eine Pilzvergiftung auf den Grünen Knollenblätterpilz zurück, bei tödlichen Fällen sogar zu 80 Prozent, schätzt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das Institut verzeichnet jährlich im Schnitt zehn Pilzvergiftungen bei privaten Sammlern und die Giftinformationszentren erhalten jährlich tausende Anfragen zu Giftpilzen und möglichen Vergiftungen. Zwischen 2000 und 2018 wurden über 4.400 Menschen wegen einer Pilzvergiftung in einem deutschen Krankenhaus gegen die Symptome behandelt, wie eine Übersichtsstudie erfasst hat (doi: 10.3238/arztebl.2020.0701). Weltweit sterben jährlich etwa 100 Menschen an einer Vergiftung durch Mykotoxine.

Fleischroter Speise-Täubling und Kirschroter Spei-Täubling
Der Fleischrote Speise-Täubling (Russula vesca) ist essbar, der Kirschrote Spei-Täubling (Russula emetica, unten) hingegen leicht giftig. Beide kommen in Deutschland häufig vor. © Irene Andersson (irenea), Mushroom Observer /CC-by 3.0 / © James Lindsey/CC-by 2.5

Irreführung durch Aussehen, Geschmack und Geruch

Hauptproblem beim Pilze sammeln ist die Verwechslungsgefahr: „In Deutschland wachsen sehr giftige Pilze, die essbaren Exemplaren ähneln. Das kann für Sammler mit geringer Erfahrung gefährlich sein“, sagt Herbert Desel vom BfR. Jedes optische Pilz-Duo aus harmloser und giftiger Variante hat dabei andere charakteristische Erkennungsmerkmale, die auf Fotos oft nicht alle abgebildet werden können. Das macht allgemeine Faustregeln zur Erkennung und eine eindeutige Unterscheidung schwer.

Ein weiteres Problem: Giftpilze riechen und schmecken sehr unterschiedlich und können daher beim Kochen und Verzehren nicht zuverlässig an einheitlichen Merkmalen erkannt werden. Selbst hochgiftige Arten wie der süßliche Knollenblätterpilz können sehr angenehm riechen und schmecken. Viele Pilzgifte sind zudem hitzestabil und bleiben beim Kochen und Braten erhalten, so dass auch die Zubereitung keinen sicheren Schutz vor den Toxinen bietet.

Vorsicht geboten!

Bevor es ans Pilze suchen geht, sollten Interessierte sich daher ausreichend informieren, um Verwechslungen von harmlosen Speisepilzen mit giftigen Doppelgängern zu vermeiden. Neben diversen Broschüren, Bestimmungsbüchern und Apps lohnt es sich, zusätzlich eine Schulung zu besuchen, wie sie etwa die Deutsche Gesellschaft für Mykologie anbietet. Zudem können Sammler ihre gefundenen Pilze vor dem Verzehr von einer oder einem Pilzsachverständigen bestimmen lassen, um ganz sicher zu gehen, sich nicht versehentlich zu vergiften. Das geht allerdings wegen der vielfältigen Erkennungsmerkmale nur persönlich, nicht per eingeschicktem Foto, und ist daher zeitaufwendig.

Kommt es trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen nach dem Essen zu Vergiftungserscheinungen – die ersten Symptome sind oft Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen – sollten Pilzesser sofort den Notruf wählen.

Petrischale mit Pilzkulturen unter einem Mikroskop
Pilze zu erforschen lohnt sich, denn sie enthalten oft medizinisch nützliche Substanzen gegen Bakterien. © Arpon Pongkasetkam / iStock

Antibiotika aus Pilzgift

Doch Giftpilze sind nicht nur gefährlich, sie können auch nützlich sein. Zum Beispiel im Fall der Schnecklinge (Hygrophorus), die in heimischen Wäldern häufig zu finden sind. Diese Pilze stellen Mykotoxine aus der Gruppe der Hygrophorone her, die effektiv Bakterien töten, darunter auch den Krankenhauskeim Staphylococcus aureus. Diese Substanzklasse könnte daher interessant werden für die Entwicklung neuer Antibiotika, wie Forschende vor einigen Jahren herausfanden.

„Bei Pilzen nach biologisch aktiven Wirkstoffen zu suchen, ist immer lohnenswert“, erklärt Norbert Arnold vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, „denn diese Organismen sind für ihre enorme Produktion an Giftstoffen bekannt“. Auch für den Menschen ungiftige Pilze enthalten oft wirksame Substanzen gegen Bakterien und andere Pilze, die medizinischen Nutzen haben können.

Giftige Pilze in der Landwirtschaft

Von Mehltau bis Mutterkorn

Die Gefahr einer Pilzvergiftung durch Verwechslungen beim Pilzesammeln trifft nur die Sammler selbst und die Personen, für die sie die Giftpilze zubereiten. Für deutlich mehr Menschen gefährlich sind dagegen Pilzgifte, die sie unwissentlich über verunreinigte Lebensmittel aufnehmen. Besonders häufig ist dies bei pilzlichen Pflanzenschädlingen der Fall, die auch Nutzpflanzen wie Getreide befallen.

Echter Mehltau auf einer Erbsenpflanze
Echter Mehltau auf einer Erbsenpflanze. Die Erbsenblätter sind von dem weißem Mehltau-Belag überzogen. © Schlaghecken Josef /CC-by 4.0

Mit Giftpilzen verunreinigtes Getreide

So vernichten beispielsweise Arten des Echten Mehltaus (Erysiphaceae) durch ihre Mykotoxine ganze Ernten an Weizen, Gerste oder anderem Getreide. Erkennbar ist der Pilzbefall zunächst an weißen, watteartigen Pilzkolonien auf der Blattoberfläche, gefolgt von verwelkenden Blättern. Für die befallene Pflanze kann das tödlich sein. Und auch Menschen, die Körner des verpilzten Getreides essen, können noch Spuren der Toxine aufnehmen – mit ernsten gesundheitlichen Folgen wie Verdauungs- und Atemproblemen.

Gleiches gilt für den Fusarium-Pilz, der durch seine Gifte jährlich Millionen Tonnen Weizen für den menschlichen Verzehr unbrauchbar macht. Sein Toxin Deoxynivalenol verursacht beispielsweise Erbrechen und Übelkeit, andere seiner Gifte wie Zearalenon stören den Hormonaushalt und können bestimmte Krebsformen begünstigen. „Mit Fusarium-Toxinen kontaminiertes Getreide kann eine signifikante Gefahr für unsere Gesundheit darstellen“, erklärt Neil Brown von der University of Bath. Die Auswirkungen der Pilzgifte seien zudem erst in Teilen bekannt. Sorgen bereitet ihm vor allem eine mögliche Langzeitwirkung von chronisch belastetem Weizen.

Mutterkornpilz auf Weizenpflanze
Sklerotien eines Mutterkornpilzes auf Weizenpflanzen. Der giftige Getreideschädling war vor allem im Mittelalter gefürchtet. © Lorie Shaull /CC-by 2.0

„Antoniusfeuer“ des Mutterkorns

Ein weiterer Pilz, der Getreide wie Roggen befällt, ist das Mutterkorn (Claviceps purpurea), das hochgiftige Alkaloide herstellt. Der Verzehr des befallenen Korns führt zu tödlichen Organschäden. Im Mittelalter war die weit verbreitete Mutterkorn-Vergiftung als „Antoniusfeuer“ gefürchtet. In der heutigen Landwirtschaft kommt der Pilz dank Pflanzenschutzmitteln (Fungiziden) und strenger Kontrollen nicht mehr vor.

Wie Forschende per Zufall herausfanden, sind jedoch zahlreiche Schlickgraswiesen entlang der Nordsee in Deutschland, den Niederlanden und Belgien mit Mutterkorn befallen. Das sei eine potenzielle Gefahr für Kinder, Hunde und Schafe auf den Deichen, die im Herbst und Winter die Überwinterungsorgane des Pilzes, sogenannte Sklerotien, verzehren.

Aspergillus flavus unter dem Mikroskop
Der Pilz Aspergillus flavus wird auch Pinselschimmel genannt. Er befällt Nutzpflanzen wie Mais und Erdnuss und produziert krebserregende Aflatoxine. © Medmyco /CC-by 4.0

Landwirtschaftliche Schimmelpilze

Auch der Schimmelpilz Aspergillus flavus befällt Nutzpflanzen wie Baumwolle, Mais, Erdnuss und Pistazie, vor allem in den USA, in Afrika und Asien. Einige Stämme des „Pinselschimmels“ produzieren hochgiftige und krebserregende Aflatoxine, die vor allem ärmeren Ländern allgegenwärtig sind und neben Krebs bei Kindern auch Entwicklungsstörungen verursachen können. Einige wenige Stämme von Aspergillus flavus produzieren hingegen natürlicherweise keine Toxine. Forschende versuchen daher seit einigen Jahren, mit solchen Pilzen ihre „bösen Verwandten“ in der Landwirtschaft zu verdrängen.

Ein weiteres Beispiel für landwirtschaftliche Schimmelpilze sind die Trichoderma-Arten, die eine Vielzahl an Pflanzen befallen können und ein ganzes Arsenal an Giftstoffen produzieren. Einige dieser Toxine richten sich gegen andere Pilze und Bakterien, was einige Trichoderma-Pilze wiederum als „Schutzpilz“ und Alternative zu synthetischen Pflanzenschutzmitteln für Ackerflächen interessant macht. „Diese Pilze könnte man ganz einfach auf Felder aufbringen, so wie man das heute mit Kunstdünger macht“, sagt Irina Druzhinina von der TU Wien.

Teilweise wird mit Giftpilzen kontaminiertes Getreide, das für den menschlichen Verzehr verboten ist, an Nutztiere verfüttert, da dort geringere Grenzwerte gelten. Doch auch die Tiere können teils durch die Mykotoxine Schaden nehmen.