Die Leber ist der Allrounder unter den Organen

Hochleistungs-Organ der Superlative

Lage der Leber im menschlichen Körper
Die Leber übernimmt als Allrounder-Organ zahlreiche unverzichtbare Aufgaben in unserem Körper. Eine funktionierende Leber ist daher für uns überlebenswichtig. © magicmine/ Getty images

Die Leber spielt eine lebenswichtige Rolle im Stoffwechsel unseres Körpers. Sie filtert wichtige Nährstoffe aus dem Blut und entgiftet schädliche Substanzen. Ohne die Leber könnten wir weder Alkohol noch Medikamente noch alte Blutzellen abbauen. Schäden kann das robuste Organ bis zu einem gewissen Grad gut kompensieren und sich erstaunlich gut regenerieren. Auf Dauer kann ein ungesunder Lebensstil aber gravierende Leberschäden anrichten, die oft erst bemerkt werden, wenn es zu spät ist.

Doch wie funktioniert dieses beeindruckend vielseitige Superorgan? Was passiert, wenn wir die Leber überfordern? Was steckt hinter Lebererkrankungen wie Zirrhose und Gelbsucht? Und ist eine Hepatitis eigentlich immer eine Virus-Erkrankung? Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um unser schwerstes Organ.

Was leistet unsere Leber?

Das unterschätzte Organ

Während das Herz unser Blut durch den Körper pumpt, ist die Leber eine seiner „Filtereinheiten“. Das Organ ist dafür zuständig, lebenswichtige Nährstoffe aus dem Blut aufzunehmen und darin enthaltene Schadstoffe zu entgiften. Zudem produziert die Leber Gallensekret, das bei der Verdauung hilft. Als eine Art hochleistungsfähige „Kläranlage“ und Drüse übernimmt die Leber damit eine zentrale Aufgabe in unserem Stoffwechsel. „Pro Minute filtert sie 1,5 Liter Blut und damit täglich etwa 2.000 Liter Blut. Das entspricht bis zu 500 Mal unserem gesamten Blutvolumen“, informiert der Internistenverband BDI.

Für diese enorme Leistung ist die Leber entsprechend gerüstet. Mit etwa 1,4 bis 1,8 Kilogramm bei Erwachsenen ist sie unser schwerstes inneres Organ und mit etwa 20 Zentimetern im Querschnitt die größte Drüse in unserem Körper. Entsprechend ist sie auch das energieintensivste unserer Organe und verbraucht bei ihrer Arbeit rund 20 Prozent unserer über die Nahrung aufgenommenen Energie.

Aufbau und Lage der Leber im menschlichen Körper
Die Leber liegt im rechten Oberbauch und besteht aus zwei Lappen. Die darunterliegende Gallenblase gibt die von der Leber produzierte Galle in den Darm ab. © Jiju Kurian Punnoose /CC-by 4.0

Wie sieht die Leber aus?

Das keilförmige rostbraune Gewebe liegt im rechten Oberbauch unterhalb der Rippen, wo es mit dem Zwerchfell verwachsen ist. Die Leber besteht aus zwei Lappen, wobei der rechte etwa doppelt so groß ist wie der linke Lappen, der den weiter innen und auf der linken Seite liegenden Magen teils überdeckt. Zusammen sind beide Leberlappen durch Bindegewebe eingekapselt und bilden ein kompaktes, glänzendes Organ.

Das Blut gelangt über zwei Hauptgefäße an der Unterseite der Leber in und aus dem Organ. An dieser Pforte befindet sich auch der Gallengang, über den die Gallenflüssigkeit die Leber in Richtung Darm verlässt. Diese Blut- und Gallengefäße teilen sich hinter der Pforte astförmig auf und versorgen die beiden Lappen der Leber, die wiederum in je vier Segmente unterteilt sind. Durch diese Gabelung können alle acht Segmente unabhängig voneinander funktionieren.

Filtereinheiten des Bluts

Die Segmente der Leber sind selbst in Untereinheiten unterteilt, in sogenannte Leberläppchen. „Diese nur etwa ein bis zwei Millimeter großen, sechseckigen Gewebeeinheiten bestehen zum größten Teil aus Leberzellen, den Hepatozyten“, erklärt der BDI. Dazwischen befinden sich feine Kapillarnetze aus kleinen Blutgefäßen, so dass das Blut jede dieser winzigen Funktionseinheiten der Leber erreicht. Über das Blut gelangen Nähr- und Schadstoffe sowie Hormone, die es zuvor aus dem Darm beziehungsweise der Bauchspeicheldrüse aufgenommen hat, in die Leberzellen. Dort passieren die eigentlichen Stoffwechselvorgänge.

In den Zellen der Leberläppchen entsteht auch die Gallenflüssigkeit, die über ein Netz aus kleinen Kapillargefäßen zur Leberpforte strömt. So sammelt sich täglich rund ein Liter Galle in der unter der Leber befindlichen Gallenblase, die von dort weiter in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet wird. Dort helfen die in der Gallenflüssigkeit enthaltenen Cholesterine und Gallensäuren beispielsweise, Fette in der Nahrung zu verdauen.

Mikroskopaufnahme von Leberzellen
Die einzelnen Leberzellen sind in winzigen Einheiten aus sogenannten Leberläppchen organisiert, die durch ein feines Netzwerk an Blutgefäßen gut versorgt werden. © Department of Histology, Jagiellonian University Medical College /CC-by 3.0

Nährstoffaufnahme und Speicherung

Am „Ort des Geschehens“, in den Leberläppchen, verwerten die einzelnen Zellen Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Vitamine und Mineralien wie Eisen entweder selbst, wandeln sie in andere Stoffe um oder bauen sie ab. Dafür verfügt die Leber über spezialisierte Enzyme, die die dabei ablaufenden chemischen Reaktionen ermöglichen. „Unter anderem können die Leberzellen Eiweiße in Zucker und Zucker in Fett umwandeln“, so der BDI.

Wenn die Leberzellen selbst gerade keine Nährstoffe benötigen, speichern sie sie für spätere Zeiten ab und geben sie bei Bedarf wieder frei. Vor allem nachts versorgt die Leber unseren Körper dadurch mit Energie und arbeitet auf Hochtouren. Bei normaler Ernährung füllt und leert sich der Nährstoffspeicher der Leber so täglich. Die Leber von Tieren gilt wegen der darin gespeicherten Vitamine und Nährstoffe auch als besonders gesundes Lebensmittel.

Entgiftung von Schadstoffen

Doch in unserem Stoffwechsel entstehen nicht nur nützliche Nährstoffe, sondern regelmäßig auch giftige Substanzen. Entweder haben wir sie direkt über die Nahrung zu uns genommen oder sie entstehen als Nebenprodukt in unserem Stoffwechsel. Auch für diese Substanzen ist die Leber zuständig. Vor allem nachts, wenn die Leber keine frischen Nährstoffe verdauen muss, kümmert sie sich um die Abfallentsorgung.

Das Organ entgiftet die Schadstoffe dabei über spezielle Enzyme, von denen die meisten zur Gruppe der P450 Cytochrome gehören. Diese finden sich oft in Membranbläschen innerhalb der Zellen, den Lysosomen. Diese sind generell in allen Zellen unsers Körpers für die „Müllabfuhr“ zuständig, in Leberzellen jedoch extra gut und spezialisiert ausgestattet, wie Forschende herausfanden. „Die Lysosomen von Leberzellen sind randvoll mit Abbau-Enzymen“, berichtet Dominic Winter vom Universitätsklinikum Bonn.

Chemische Reaktion des Alkoholabbaus in der Leber
Mit ihren Enzymen wandelt die Leber beispielsweise Alkohol in zwei Schritten zu unschädlicher Essigsäure um, die dann weiter in Fett umgebaut wird. © Kchm123/CC-by 4.0

Mit diesen Enzymen wandelt die Leber beispielsweise giftigen Ammoniak in harmlosen Harnstoff um oder Alkohol in zwei Schritten zu unschädlicher Essigsäure, die dann weiter in Fett umgebaut wird. Schadstoffe, die die Leber selbst nicht umwandeln kann, gibt sie über das Blut an die Niere oder die Galle an den Darm weiter, wo sie mit Harn beziehungsweise Stuhl ausgeschieden werden. Auch Medikamente werden so von der Leber entsorgt.

Teil der Immunabwehr

Weniger bekannt als ihre Filterfunktion von Nähr- und Schadstoffen ist, dass die Leberzellen darüber hinaus auch weitere Stoffe aus dem Blut filtert. Dazu zählen körpereigene und Umwelt-Hormone, alte oder defekte rote und weiße Blutzellen sowie Krankheitserreger wie Bakterien. Die Leber entsorgt diese beziehungsweise ihre Inhaltsstoffe. Damit ist sie auch ein wichtiger Teil unseres Immunsystems und ein echtes Allrounder-Organ.

Die Leber entsorgt dabei nicht nur schädliche Erreger und Substanzen, sondern hilft auch aktiv bei der Heilung von Entzündungen und Wunden. Dafür bildet sie bei Bedarf bestimmte Eiweiße wie das C-reaktive Protein, die den Heilungsprozess fördern, sowie Gerinnungsfaktoren, die das Blut bei Verletzungen gerinnen lassen. Zudem bildet die Leber auch die Ausgangsprodukte für unsere Sexualhormone.

Schematische Darstellung einer jungen Leber
Unser Leber bleibt unser ganzes Leben lang ein junges Organ, denn sie erneuert sich ständig selbst. © Elena Merkulova/ Getty images

Die Leber kann sich selbst regenerieren

Durch ihren modularen Aufbau ist die Leber auch in einer weiteren Hinsicht außergewöhnlich: Sie kann sich als eines der wenigen Organe unseres Körpers wieder komplett regenerieren. Wenn Teile der Leber operativ entfernt werden, wachsen diese wieder nach. Dadurch ist es auch möglich, eine stark geschädigte Leber vollständig zu entfernen und durch die halbe Leber eines lebenden Spenders zu ersetzen. Sowohl im Körper des Organspenders als auch im Empfänger wachsen die Leberhälften innerhalb von etwa zwei Monaten wieder zu normalgroßen Organen heran. Maßgeblich an diesem Regenerationsprozess beteiligt ist das Hormon Serotonin aus den Blutplättchen.

Doch auch ohne Entfernung oder Verletzung eines Leberteils bilden sich die Zellen der Leber stetig und in rasantem Tempo neu, wie Forschende unlängst herausfanden. Selbst unter normalen Umständen bleibt die Leber demnach im Schnitt immer weniger als drei Jahre alt, unabhängig vom Alter unseres restlichen Körpers. „Die Leber bleibt das ganze Leben lang ein junges Organ“, teilten Paula Heinke von der Technischen Universität Dresden und ihre Kollegen mit. „Unabhängig vom Alter wurden mehr als die Hälfte unserer Leberzellen erst im letzten halben Jahr geboren.“

Wie kommt es zu Lebererkrankungen?

Leberzirrhose und Fettleber

Unsere Leber ist äußerst widerstandsfähig. Doch so hochleistungsfähig und robust sie auch ist, selbst sie gerät irgendwann an ihre Grenzen. Bei kontinuierlicher Überlastung – vor allem durch den Konsum von zu viel Alkohol, eine übermäßig fett- und zuckerhaltige Ernährung und zu wenig Bewegung – kann sie verfetten oder sich chronisch entzünden.

Mikroskopaufnahme von veränderten Leberzellen in einer Fettleber
Eine Fettleber zieht häufig eine Leberentzündung nach sich. Dabei verändern sich die Leberzellen. © Nephron /CC-by 3.0

Von der Fettleber zur Zirrhose

„Im gesamten Organ und um die kleinen Blutgefäße bildet sich dann Bindegewebe“, erklärt der Hepatologe Moritz Peiseler von der Charité. Dabei vernarbt die Leber immer mehr und kann sich dadurch verhärten und vergrößern. Diese krankhafte Vermehrung des Bindegewebes wird Leberfibrose und im Endstadium -zirrhose genannt. Zudem sterben bei Überlastung auch zunehmend Leberzellen ab (Nekrose). „Das Blut wird dann auf neue, erweiterte Gefäße innerhalb und außerhalb der Leber umgeleitet“, sagt Peiseler. Doch nicht alle Areale werden dann noch ausreichend versorgt.

Eine Fettleber ist ein maßgeblicher Risikofaktor für eine spätere Fibrose beziehungsweise Zirrhose, da die Verfettung eine effektive Entgiftung behindert und Entzündungen begünstigt. Umso stärker die Vernarbungen der Leber voranschreiten, desto heftiger beeinträchtigen sie die Organfunktionen. Unter anderem können bestimmte Immunzellen, die Kupffer-Zellen, nicht mehr arbeiten. Um dies zu kompensieren, strömen Immunzellen aus dem Knochenmark in die kranke Leber und übernehmen ihre Aufgaben bei der Abwehr von Krankheitserregern, wie Peiseler und seine Kollegen herausgefunden haben (doi: 10.1126/science.abq5202).

Starke Schäden sind nicht umkehrbar

Zwar funktioniert eine teilweise geschädigte Leber durch diesen und andere Kompensationsmechanismen zunächst oft noch ausreichend und kann sich auch wieder erholen, wenn die Überlastung aufhört. Ab einem gewissen Zeitpunkt und Stadium sind die Schäden jedoch unumkehrbar und unbehandelt im schlimmsten Fall tödlich.

An einer Lebererkrankung sterben nach Angaben der Deutschen Leberhilfe hierzulande jährlich rund 20.000 Menschen. Rund 500.000 Menschen leiden in Deutschland unter einer Zirrhose und mehr als fünf Millionen Deutsche sind von einer akuten oder chronischen Lebererkrankung betroffen. Eine nicht-alkoholischen Fettleber haben sogar rund 30 Prozent der Deutschen, in einem frühen Stadium häufig symptomlos und unbemerkt.

Foto einer Leber mit Zirrhose
Die Leberzirrhose ist das Endstadium einer entzündeten und vernarbten Leber. Die Schäden sind dann irreversibel. © Amadalvarez /CC-by 4.0

Symptome anfangs kaum bemerkbar

Denn die Leber selbst besitzt keine Nerven und verursacht daher keine Schmerzen. Erst bei starker Vergrößerung der Leber drückt sie auf das umliegende Gewebe und löst Schmerzen aus. Häufig wird die Fettleber daher erst spät und nur zufällig bei Blutuntersuchungen oder im Ultraschall bemerkt. Auch die ersten Anzeichen einer Leberzirrhose sind oft schwer zu bemerken. Dazu zählen Müdigkeit, Übelkeit und Appetitverlust sowie verschiedene Hautveränderungen.

Erst im späten Stadium von Lebererkrankungen treten massive sichtbare oder spürbare Alarmzeichen auf. Dazu zählen Hautveränderungen wie Gelbsucht, Wassereinlagerungen im Bauch, Veränderungen der Blutgefäße und Thrombosen sowie Nervenschäden. Vor allem Ammoniak kann das Nervensystem und Gehirn belasten, wenn er nicht mehr von der Leber abgebaut wird.

„Giftstoffe aus der Leber wie Ammoniak stören dort das komplexe Zusammenspiel der Nervenzellen und es entsteht eine hepatische Enzephalopathie“, erklärt der Internistenverband BDI. Betroffene sind dann verwirrt, unkonzentriert und desorientiert, landen mitunter sogar im Koma. Häufigstes Ende von Lebererkrankungen ist jedoch das akute Leberversagen.

Risiken für Lebererkrankungen und Krebs

Wie Gene und Medikamente auf die Leber wirken

Hauptverursacher von Lebererkrankungen ist der eigene Lebens- und Ernährungsstil, allen voran Alkohol und Übergewicht. Aber auch unsere Gene können eine Mitschuld tragen. Sie entscheiden zum Beispiel mit darüber, wie schnell die Vernarbung der Leber voranschreitet, wie Forschende herausgefunden haben. Bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose ist demnach häufig das Gen für das Immunprotein C5 verändert. Dadurch wird wahrscheinlich die Entzündung und Vernarbung der Leber verstärkt.

Eine Mutation des sogenannten ABCB4-Gens kann auch eine fehlerhafte Zusammensetzung der Galle und eine nachfolgende Zirrhose verursachen, wie eine Forschungsgruppe gezeigt hat. Durch die Mutation fehlt eine Substanz im Gallensaft, die unter normalen Umständen die Leberzellen vor Giftstoffen in der Galle schützt. Angeborene Krankheiten des Eisenstoffwechsels oder Diabetes Mellitus Typ 1 können das Risiko für Lebererkrankungen wie eine Fettleber oder Zirrhose ebenfalls erhöhen.

Medikamenten-Pille
Die zu häufige Einnahme bestimmter Medikamente wie Paracetamol kann die Leber überfordern und schädigen. © Canonzoom/ iStock

Leberschäden durch Medikamente

Auch eine zu häufige Einnahme von bestimmten Schmerzmitteln wie Paracetamol kann bei ansonsten gesunden Menschen Leberschäden auslösen. Die Leberzellen sind dann mit der Aufgabe überfordert und sterben ab. Rund die die Hälfte aller Fälle von akutem Leberversagen geht auf Paracetamol zurück. Bei übergewichtigen Menschen mit einer vorgeschädigten Fettleber kann sogar schon eine leichte Überdosis des Schmerzmittels zum Versagen des Organs führen. „Die Fälle von akutem Leberversagen verursacht durch Medikamente nehmen im Klinikalltag zu. Besonders oft ist das gängige Medikament Paracetamol, aber auch Marcumar, dafür der Auslöser“, erläutert Ali Canbay vom Universitätsklinikum Essen.

Das Tückische daran: Eine wirksame Therapie gegen die von Paracetamol verursachten Leberschäden gibt es bisher nicht. Selbst wenn die Überdosis schnell erkannt wird, lassen sich die Folgen kaum mehr rückgängig machen. Sind zu viele Leberzellen zerstört, kann die Patienten nur noch eine Leber-Transplantation retten. Wissenschaftler suchen daher nach Medikamenten, die die Leberschädigung eingrenzen können – beispielsweise durch die Blockade der Verbindungskanälchen, durch die sich die lebergiftigen Substanzen ausbreiten. Darüber hinaus können bestimmte Wirkstoffe gegen Krebs und Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen wie Amiodaron oder Kortikosteroide zu einer Fettleber führen.

Foto eines Leberkarzinoms
Leberkarzinom: Als Spätfolge einer Leberentzündung kann auch Krebs entstehen. © Deilson Elgui de Oliveira /CC-by 4.0

Spätfolge Leberkrebs

Als Folge einer Leberzirrhose kann unter Umständen auch Leberkrebs entstehen, ein sogenanntes Hepatozelluläres Karzinom. „Etwa ein bis acht von 100 Menschen mit einer Leberzirrhose erkranken im Laufe ihres Lebens an Leberkrebs“, informiert die Deutsche Krebshilfe. In Deutschland wird jedes Jahr bei knapp 9.000 Menschen ein Tumor in der Leber festgestellt, Tendenz steigend, wie die Deutsche Krebsgesellschaft informiert. Beinahe ebenso viele sterben daran. In den vergangenen Jahren waren dies in Deutschland mehr als 8.000 pro Jahr. Ein wichtiger Treiber ist dabei der Konsum von Alkohol, der sowohl die Lebererkrankung als auch den Tumor selbst begünstigt.

Wenn Kräutertees und Pflanzenarzneien die Leber krank machen

Aber auch scheinbar harmlose oder gar als gesundheitsfördernd geltende Kräuterpräparate und Tees können die Leber so schädigen, dass langfristig Krebs entsteht. Auslöser dafür sind nicht die Kräutermischungen selbst, sondern deren Verunreinigungen mit anderen Pflanzen wie dem Jakobskreuzkraut, die sogenannte Pyrrolizidinalkaloide enthalten. Solche Kontaminationen wurden bereits in gängigen Kamillentees, Pfefferminztees und sogar Bio-Kräutertees für Kinder nachgewiesen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt daher, bei Kräutertees die Marken und Sorten häufiger zu wechseln.

Ebenfalls Leberkrebs-auslösend wirkt ein beliebtes Pflanzenmittel aus der traditionellen chinesischen Medizin, wie Forschende im Jahr 2017 herausgefunden haben. Die Pfeifenblume – Gattung Aristolochia – soll gegen Rheuma und Darmleiden helfen, Menstruationsbeschwerden lindern und die Wundheilung fördern. Doch die darin enthaltenen Aristolochiasäuren können leider auch die Nieren schädigen und neben Blasenkrebs auch Leberkarzinome verursachen. In Deutschland sind solche Präparate verboten, der illegale Vertrieb über das Internet lässt sich aber nur in Teilen unterbinden.

Doch nicht immer sind Lebensweise, Alkohol oder Pflanzeninhaltsstoffe schuld: Auch Krankheitserreger können der Leber stark zusetzen.

Gelbsucht durch Hepatitis-, Gelbfieber- und Circoviren

Wenn Viren die Leber befallen

Gefahr kann unserer Leber auch von Krankheitserregern drohen. Ihre Vorstufe, die Entzündung der Leber (Hepatitis), wird in etwa einem Drittel der Fälle durch Viren hervorgerufen. Das können zum Beispiel die gleichnamigen Hepatitis-Viren sein, aber auch das Gelbfieber-Virus und Circoviren.

Gelb gefärbte Augen und Haut eines Mannes mit Gelbsucht
Ein klassisches Symptom einer Lebererkrankung ist die Gelbsucht, bei der sich Augen und Haut gelb färben. © CDC / Dr. Thomas F. Sellers / Emory University

Warum verfärbt sich bei Gelbsucht die Haut?

Das bekannteste Symptom einer viralen Leberentzündung, einer Zirrhose oder anderen Lebererkrankung ist die Gelbsucht (Ikterus). Umgangssprachlich wird dies oft mit einer Hepatitis gleichgesetzt, tatsächlich kann Gelbsucht aber auch andere Ursachen haben, etwa eine Entzündung der Gallenwege oder eine Blutstörung. Typisch für sie ist eine Gelbfärbung der Haut, der Schleimhäute und der Lederhaut der Augen sowie der inneren Organe.

Die gelbe Farbe entsteht, wenn sich Bilirubin in den Geweben ablagert. Dieser Farbstoff ist ein natürliches Abbauprodukt des roten Farbstoffs Hämoglobin aus den roten Blutkörperchen. Wenn die Leber nicht richtig funktioniert, kann sie das beim Abbau der ausgedienten roten Blutkörperchen anfallende Bilirubin nicht wie gewohnt zersetzen und über Urin und Stuhl entsorgen. Dadurch verteilt sich der Farbstoff mit dem Blut im Körper und lagert sich ab; der Urin wird stattdessen dunkler und der Stuhl heller.

Schematische Darstellung von Hepatitis-Viren und einer Leber
Zurzeit sind fünf Hepatitis-Viren bekannt, die mit den Buchstaben A bis E bezeichnet werden. Sie können unterschiedlich schwere Entzündungen der Leber auslösen. © scientificanimations.com /CC-by 4.0

Das ABC der Hepatitis-Viren

Zurzeit sind fünf Hepatitis-Viren bekannt, die mit den Buchstaben A bis E bezeichnet werden. Sie können unterschiedlich schwere Entzündungen der Leber auslösen, die teils sehr gut, teils kaum behandelbar sind. Die Übertragung erfolgt meist über Kontakt mit infiziertem Blut, teils auch über verunreinigte Lebensmittel oder beim Geschlechtsverkehr. Die fünf Viren unterscheiden sich auch in ihrem Verbreitungsgebiet.

Hepatitis B und C sind die häufigsten der fünf Erreger. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO leben mehr als 350 Millionen Menschen mit einer chronischen Infektion durch Hepatitis B oder C. Über eine Millionen Menschen sterben jährlich daran – mehr als bei Tuberkulose, Aids oder Malaria. Die virale Hepatitis ist damit eine der häufigsten und tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit.

Hepatitis C und B

Allein mit dem Hepatitis C Virus (HCV) sind weltweit etwa 100 Millionen Menschen infiziert. Diese Viren vermehren sich in Leberzellen besonders gut. Etwa 70 Millionen und damit weit über die Hälfte der Infizierten entwickeln in der Folge eine chronische Leberentzündung, die nur schwer behandelt werden kann. Diese kann zwar häufig symptomfrei verlaufen und von den Betroffenen kaum bemerkt werden. In etwa 20 Prozent der chronischen Fälle kommt es allerdings zu einer Zirrhose und in einem bis fünf Prozent der Fälle wird die Leber so stark geschädigt, dass der Infizierte eine Lebertransplantation braucht, um nicht zu sterben. Einen Impfstoff oder andere Vorsorge gegen Hepatitis C gibt es bislang nicht, Forschende arbeiten aber daran.

Mit dem hochansteckenden Hepatitis B Virus (HBV) sind in Deutschland Schätzungen zufolge etwa 500.000 bis 650.000 Menschen infiziert, wobei die Dunkelziffer hoch ist. Weltweit könnten laut WHO sogar zwei Milliarden Menschen davon betroffen sein, mindestens jedoch rund 300 Millionen – häufig ohne es zu wissen. Diese Infektion ist damit deutlich häufiger als die mit HCV, führt aber seltener zu chronischen Leberschäden. Tückisch ist sie deshalb, weil sie ebenso wie bei HCV meist schleichend verläuft und die klassische Gelbsucht ausbleibt. Hepatitis B ist nicht heilbar, kann aber sehr gut behandelt oder durch eine Impfung verhindert werden. 

Grafische Darstellung der Merkmale und Folgen von Hepatitis A, B und C
Die Merkmale und Folgen von Hepatitis A, B und C. Die Hepatitis-Viren B und C können auch Leberkrebs zur Folge haben. © Nobelprize.org

Leberkrebs durch Hepatitis-Viren

Eine Leberentzündung infolge einer Infektion mit den Hepatitis-Viren B und C ist auch häufiger Auslöser von Leberkrebs. Besonders schwer verläuft diese Krankheit, wenn die Leberzellen mit beiden Viren infiziert sind, was bei etwa 20 Prozent der Infizierten vorkommt. Die Leberzellen schütten bei einer solchen Infektion vermehrt Botenstoffe aus der Gruppe der Lymphotoxine aus, die Tumorentwicklung fördern, wie Forscher festgestellt haben. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine erhöhte Lymphotoxin-Produktion in der Leber wesentlich zur chronischen Leberentzündung und der daraus folgenden Krebsbildung beiträgt”, sagte Mathias Heikenwälder von der Universität Zürich.

Andere Hepatitis-Viren

Die Hepatitis Delta kann nur als Koinfektion mit der Hepatitis B auftreten, da das Hepatitis D-Virus (HDV) die Hülle des HB-Virus braucht, um die Leberzellen zu befallen. Wie häufig sie vorkommt, welchen Schaden sie anrichtet und ob sie behandelt werden kann, ist nicht gut untersucht. Gleiches gilt für die Hepatitis E.

An Hepatitis A (HAV) erkranken weltweit jährlich 1,4 Millionen Menschen, vor allem über kontaminiertes Wasser und Lebensmittel. Allerdings muss diese Infektion meist nicht behandelt werden, weil die Symptome wie Fieber und Durchfall in der Regel von alleine abklingen. Bei Kindern verläuft sie sogar meist symptomfrei. Nur sehr selten kommt es zu Leberversagen durch HAV. Ein Impfstoff ist vorhanden und kann die Erkrankung verhindern.

Circoviren – neuer Erreger entdeckt

Erst Anfang 2023 haben Forschende bei einer jungen Patientin einen weiteren viralen Erreger von Lebererkrankungen wie Hepatitis entdeckt. Die „humane Circovirus-1“, kurz HCirV-1, getaufte Art gehört zu den Circoviren mit kreisförmiger DNA. Diese Virengruppe ist dafür bekannt, Krankheiten bei Vögeln und Schweinen auszulösen, für uns Menschen galt sie zuvor als harmlos.

„Wir vermuten, dass HCirV-1 zwar tierischen Ursprungs ist, aber möglicherweise durch ein Nahrungsmittel übertragen wurde, ähnlich wie das Hepatitis-E-Virus“, berichtete das Team um Philippe Pérot vom Institut Pasteur in Paris. Ob dieser Erreger auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, ist noch unklar. Die Entdecker gehen aber davon aus, dass das neue Virus auch bei anderen Patienten für noch unerklärte Fälle von Hepatitis verantwortlich sein könnte.

Wenn harmlose Viren plötzlich gefährlich werden

Für Aufsehen sorgte jüngst eine rätselhafte Hepatitis-Epidemie in Europa, die Anfang 2022 hunderte Kinder traf. Auch im Frühjahr und Sommer 2020 erkrankten in Europa und Nordamerika ungewöhnlich viele Kinder an einer Leberentzündung. Vor allem bei den Kleinkindern war die Leber meist so stark entzündet, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten, wie das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) berichtete. Bei den Kindern konnte jedoch keiner der bekannten Auslöser entdeckt werden. Als mögliche alternative Ursache diskutierten die Behörden eine Infektion mit Adenoviren.

Anfang 2023 entdeckten gleich drei Forschungsgruppen, dass die betroffenen Kinder tatsächlich mit einem solchen gängigen Virus infiziert waren, dem Adeno-assoziierten Virus AAV2. „Wir waren überrascht, dass die rätselhaften Infektionen nicht durch ein unbekanntes, neu aufgetretenes Virus verursacht wurden, sondern offenbar durch bei Kindern häufig vorkommende Erreger“, sagt Charles Chiu von der University of California in San Francisco. Doch in Kombination mit weiteren Viren und dem durch die Lockdowns geschwächten Immunsystem der Kinder könnte dieses ansonsten harmlose Erkältungsvirus tatsächlich die schweren Leberentzündung verursacht haben, schlossen die Forschenden.

Mikroskopaufnahme von Gelfieber-Viren
Auch das vor allem in Südamerika und Afrika vorkommende Gelbfieber-Virus kann die Leber befallen. Es löst in der Regel eine schwache Gelbsucht aus. © CDC/ Erskine Palmer

Gelbfieber und Parasiten

Auch das vor allem in Südamerika und Afrika vorkommende Gelbfieber-Virus kann die Leber befallen. Es gehört zu den Flaviviren und wird vor allem durch die Gelbfiebermücke Aedes aegypti übertragen. Die meisten Infizierten leiden zwar nur ein paar Tage unter Fieber, Übelkeit und Schmerzen und genesen von alleine wieder. Bei etwa jedem Sechsten kommt es jedoch infolge der Infektion zu einer leichten Gelbsucht, inneren Blutungen und hohem Fieber, daher der etwas irreführende Name Gelbfieber. Die WHO schätzt, dass jährlich rund 200.000 Menschen an Gelbfieber erkranken und rund 60.000 daran sterben. Eine Gelbfieber-Impfung kann die Infektion jedoch verhindern.

Neben Viren kann unsere Leber in seltenen Fällen auch durch Parasiten geschädigt werden. Dazu zählen der Fuchsbandwurm und Hundebandwurm, die in unsere Leber schwammartige Gewebe bilden können. Ebenso wie Tumore bleiben diese Wucherungen oft jahrelang unbemerkt. Manchmal lösen sie eine Gelbsucht aus. „Die Parasiten-Eier können durch Füchse, Hunde oder Katzen auf uns Menschen übertragen werden. Der genaue Übertragungsweg ist allerdings unbekannt“, so der BDI.

Wie Low Carb und Kaffee die Leber gesund halten

Gutes für die Leber

Eine funktionierende Leber ist für uns unverzichtbar, aber wie können wir dieses so wertvolle Organ vor Schäden und Krankheiten schützen? Ein entscheidender Faktor dafür ist ein gesunder Lebenswandel. Eine ausgewogene, kohlenhydratarme und vitaminreiche Ernährung ohne überschüssige Kalorien sowie ausreichend Bewegung und Schlaf helfen, einer Leberverfettung und damit ihrer Erkrankung vorzubeugen.

Mit diesem Lebensstil kann eine Fettleber sogar wieder gänzlich rückgängig gemacht werden, zumindest solange sie sich noch nicht entzündet hat und nicht vernarbt ist. Wer seine Leber schonen will oder wegen einer bereits bestehenden Erkrankung dringend schonen muss, sollte zudem unbedingt auf Alkohol verzichten, raten Ärzte.

Eine Tasse dampfender Kaffee umgeben von Kaffeebohnen
Der Konsum von Kaffee kann die Leber schützen. AlexRaths / iStock

Mit Kaffee gegen Leberschäden

Kaffee kann hingegen sogar helfen, die Leber zu schützen, wie eine Studie von 2016 nahelegt. Demnach senkt der Konsum von zwei Extra-Tassen Kaffee pro Tag das Risiko für eine Leberzirrhose um etwa die Hälfte. „Kaffee scheint vor Zirrhose zu schützen“, sagte Oliver Kennedy von der University of Southampton. Und auch eine Langzeitstudie seines Teams aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Schluss, dass Kaffeekonsum vor Leberzirrhose und sogar vor Fettleber und Leberkrebs schützt. „Das Risiko nahm umgekehrt proportional zum Kaffeekonsum ab, am niedrigsten war es bei drei bis vier Tassen Kaffee am Tag“, berichteten Kennedy und seine Kollegen.

Andere Studien legen nahe, dass diese Schutzwirkung auf das im Kaffee enthaltene Koffein zurückgeht. So fand eine Forschungsgruppe 2008 heraus, dass Koffein in der Leber den Wachstumsfaktor CTGF hemmt, wodurch die Vernarbung behindert wird. Die Langzeitstudie von Kennedys Team bestätigte, dass entkoffeinierter Kaffee eine geringere Schutzwirkung hat als normaler Kaffee. Aber auch dieser bot noch einen gewissen Leberschutz.

Abnehmen und Fasten hilft Betroffenen

Wer Übergewicht hat, sollte abnehmen, um sein Risiko für eine Lebererkrankung wie Fettleber, Zirrhose oder Leberkrebs zu senken. Denn wenn die Pfunde schwinden, nehmen auch die Fetteinlagerungen in der Leber ab. Selbst wenn das Organ schon unter einer Zirrhose oder einem Tumor leidet, kann Abnehmen das Fortschreiten der Krankheiten eindämmen. „Wenn Sie Ihr Gewicht reduzieren, wirkt sich das positiv auf den Krankheitsverlauf aus“, informiert die Deutsche Krebshilfe.

Mann sitzt vor leerem Teller. Symbolbild Fasten
Fasten und Intervallfasten kann helfen, die Leber zu entlasten. amanaimagesRF / iStock

Ein zu schneller Gewichtsverlust und Fettabbau können aber auch Nebenwirkungen haben. Denn bei raschem Abnehmen – beispielsweise durch eine Magenverkleinerung oder die Adipositas-Therapie mit der „Abnehmspritze“ Ozempic/Wegovy – wird aus der Leber vermehrt Cholesterin frei, das in die Galle gelangt und dort zu Gallensteinen auskristallisiert. Bei Diäten wird daher empfohlen, nicht mehr als 1,5 Kilogramm pro Woche abzunehmen.

Besonders effektiv ist die natürliche Regeneration der Leber, wenn die innere Uhr des nachtaktiven Organs eingehalten wird, indem wir ausreichend schlafen und nicht zu spät essen. Auch eine kurze Fastenzeit oder das Intervallfasten können die Leber entlasten und ihre Regeneration beschleunigen, indem sie Abbau- und Reinigungsprozesse in den Leberzellen fördern, wie Forschende des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln gezeigt haben.

Hepatitis-Impfungen

Wer darüber hinaus gegen Lebererkrankungen vorsorgen will, kann sich gegen die Hepatitis-Viren A, B und D impfen lassen. Besonders gegen die hochansteckende Hepatitis B ist das hilfreich. „Wir haben alle nötigen Werkzeuge, um HBV zu eliminieren“, sagt Homie Razavi von der Center of Disease Analysis Foundation in Lafayette. „Aber wir müssen unsere Anstrengungen in nahezu allen Bereichen verstärken.“

Vor Reisen ist unter Umständen auch eine Impfung gegen das Gelbfieber-Virus sinnvoll. Einen Impfstoff gegen die Hepatitis-Viren C und E gibt es bislang nicht.