Die geheimnisvolle Welt der Maya

Herrscher über Mittelamerika

Maya-Relief mit Gesicht
Die Hochkultur der Maya herrschte mehr als 2.000 Jahre lang über weite Teile Mittelamerikas. © ManuelVelasco / Getty Images

Die Maya herrschten mehrere Jahrhunderte lang über große Teile des heutigen Mexiko, Guatemala und Belize. Archäologische Funde zeugen von einflussreichen Königreichen und Dynastien mit einer komplexen Kultur und Religion, hervorragenden Kenntnissen in Astronomie und Mathematik, aber auch von blutrünstigen Ritualen und Kriegen.

Trotz zahlreicher Hinweise auf ihre Lebensweise bergen die Maya noch immer viele Geheimnisse für die Forschung. Wie groß war das Maya-Reich wirklich? Wie waren die Städte der Maya angelegt? Wer baute ihre Pyramiden und wofür wurden sie genutzt? Was stand bei den Ballspielen der Maya auf dem Spiel? Und welche gesellschaftlichen oder klimatischen Entwicklungen beendeten ihre Hochkultur?

Entstehung und Untergang einer Hochkultur

Wer waren die Maya?

Die Hochkultur der Maya herrschte mehr als 2.000 Jahre lang über weite Teile Mittelamerikas. In der klassischen Mayaperiode vom Jahr 250 bis zum Jahr 900 nach Christus waren die Maya die dominierende Zivilisation auf dem Kontinent mit beeindruckenden kulturellen und architektonischen Leistungen. Aber Siedlungsfunde zeigen, dass diese Kultur schon ab etwa 3000 vor Christus im heutigen Süden Mexikos, in Guatemala und Belize verbreitet war. Das Maya-Reich entstand damit rund 500 Jahre vor dem der Azteken und lag etwas südlicher.

Wo liegen die Wurzeln der Maya?

Doch wo kamen die Maya her? Die Wurzeln und Vorgänger-Kulturen dieser präkolumbischen Zivilisation sind nicht eindeutig geklärt, sie könnten sich nach Ansicht einiger Historiker jedoch aus den Olmeken entwickelt haben, die an der benachbarten Golfküste lebten. Darauf deuten ähnliche Bauweisen beider Kulturen hin. Relikte von Keramiken und anderen Gebrauchsgegenständen der Maya legen hingegen nahe, dass sich die Kulturen zwar kannten und gegenseitig beeinflussten, aber unabhängig entwickelten.

„Aber nicht nur dieses Volk, sondern auch viele andere Gruppen, beispielsweise im bergigen Hochland der Chiapas im südlichen Mittelamerika und an der südlichen Pazifikküste, hatten wohl prägende Beziehungen mit den frühen Tiefland-Maya“, sagt der Archäologe Takeshi Inomata von University of Arizona. Die Wurzeln der Maya sind demnach weit verzweigt und von einem breiten kulturellen Wandel und Austausch in Mittelamerika geprägt.

Pyramiden von Teotihuacan
Die alten Pyramiden von Teotihuacan ähneln in ihrer Bauweise denen der Maya. © Starcevic / Getty Images

Archäologische Funde deuten zudem darauf hin, dass es eine Verbindung zwischen der weiter nördlich lebenden Teotihuacan-Zivilisation und den Maya gab, zumindest zwischen den herrschenden Klassen der beiden Völker. Forschende gehen von einer zunächst friedlichen Handelsbeziehung aus, die sich später jedoch zugespitzt haben könnte. Davon zeugen unter anderem von Maya-Funden geprägte Stadtviertel in Teotihuacan, aber auch Skelette von in den Tempeln der Stadt Geopferten, die typischen Maya-Schmuck trugen.

Was führte zum Untergang der Maya-Kultur?

Was das plötzliche Ende der Maya-Hochkultur einläutete, ist ebenso wie ihr Anfang bis heute nicht eindeutig geklärt. Um das Jahr 1000 nach Christus sank die Bevölkerungsdichte der Maya innerhalb von relativ kurzer Zeit. Sie verließen die großen Städte, die Infrastruktur verfiel. Zu diesem Kollaps beigetragen haben vermutlich verschiedene Faktoren oder eine Kombination aus diesen, wie verschiedene Funde und Messdaten nahelegen. Zum einen hat es soziale Konflikte und Kriege innerhalb des Mayareichs gegeben, die möglicherweise viele Opfer forderten. Auch eine Verdrängung durch fremde Völker wie die Tolteken ist möglich.

Studien weisen jedoch auch darauf hin, dass ein Klimawandel mit jahrzehntelangen Trockenperioden zu Dürren und einer Hungersnot geführt haben könnte. Andere zeigen, dass die Maya möglicherweise ihre gerodeten und landwirtschaftlich genutzten Flächen, auf denen sie Mais, Bohnen, Chili, Tomaten und Kürbisse anpflanzten oder Vieh züchteten, übernutzt haben, wodurch diese erodierten und unfruchtbar wurden.

Archäologen in einem Pool der Maya
Archäologen in einem „gekachelten“ Pool, den die Maya als Trinkwasser-Reservoir nutzten. © Institut für Altamerikanistik, Universität Bonn

Zudem gibt es Hinweise, wonach die Maya versehentlich ihre eigenen Trinkwasser-Reservoire vergiftet haben. Schuld war vermutlich das rote Farbpigment Zinnober, mit dem die Maya massenhaft ihre Häuser und Tempel bemalten. Das Mineral ist ein giftiges Quecksilbersulfid, das dazu führte, dass die Städte mit Quecksilber verseucht waren, belegt eine Studie (doi: 10.3389/fenvs.2022.986119). Das könnte bei den Maya Schäden an Nerven, Nieren und Leber verursacht haben, weswegen sie ihre Städte möglicherweise verließen. Zudem war das Trinkwasser der Maya möglicherweise durch giftige Blaualgen belastet.

Maya haben noch lebende Nachfahren

Anders als vielfach angenommen, sind die Maya jedoch nicht gänzlich ausgestorben. Etwa sechs bis sieben Millionen Nachfahren der einstigen Hochkultur leben heute in Mittelamerika, die meisten in Guatemala. Alte Rituale spielen für sie weiterhin eine wichtige Rolle.

Die Ausdehnung des Maya-Reichs

Siedlungen, Städte und Königreiche

Die eindrucksvollen Ruinen von Maya-Tempeln und -Palästen können Touristen heute vor allem im Regenwald von Mexiko und Guatemala bewundern – darunter die großen Städte und einstigen Machtzentren Tikal und Palenque und die späte Maya-Hauptstadt Chichén Itzá, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Im Gegensatz dazu ist die frühe Maya-Hauptstadt El Mirador noch kaum vom Dschungel freigelegt und nicht touristisch erschlossen.

Karte des Herrschaftsgebiets der Maya
Politische Karte des einstigen Herrschaftsgebiets der Maya. © PeterHermesFurian / Getty Images

Doch neben diesen bekannten Orten umfasste das in rund 50 Königreiche und Stadtstaaten gegliederte Reich der Maya noch zahlreiche weitere Siedlungen und Städte mit Tempeln und anderen Monumentalbauten.

Insgesamt war das Verbreitungsgebiet der Maya etwa so groß wie Deutschland und reichte vom Tiefland auf der Halbinsel Yucatán im Nordosten bis zum Hochland auf der Pazifikseite im Südwesten, wie archäologische Funde belegen. Die frühesten Maya-Siedlungen liegen im Tiefland des südlichen Mexikos, in Guatemala und Belize. Weitere Anlagen befinden sich im nordwestlichen Honduras und El Salvador.

Erforschung von Maya-Stätten noch nicht abgeschlossen

Längst nicht alle Mayastädte sind heute bekannt oder konnten lokalisiert werden. Andere sind zwar bekannt, aber nicht zugänglich. Denn viele Anlagen sind vom dichten Dschungel überwuchert und unter der Vegetation und Geröll verborgen. Hinweise auf ihre Lage liefern oft nur Luftaufnahmen oder mithilfe von Lasern erstellte LIDAR-Scans von Flugzeugen oder Drohnen aus.

Die lasergestützten Techniken offenbaren oft verräterisch symmetrische Strukturen der Maya unter dem Blätterdach des Regenwalds, wie sie in der Natur sonst nicht vorkommen. Zudem sind die Anlagen oft auf einem Plateau oder einer Plattform und damit höher gelegen als ihre Umgebung, was mit Laserscans messbar ist.

Wie waren Maya-Städte aufgebaut?

Erst im Frühjahr 2023 entdeckten Forschende so zum Beispiel eine bisher unbekannte Mayastätte in Mexiko. Die Ocomtún getaufte Stadt ist mit 50 Hektar (500.000 Quadratmeter) halb so groß wie die Maya-Hauptstadt Chichén Itzá. Ocomtún umfasst mehrere gepflasterte Plätze, zahlreiche kleine und große Wohngebäude, teils mit miteinander verbundenen Innenhöfen und Patios. Neben rechteckigen Gebäuden von bis zu 80 Metern Länge wurden auch mehrere Pyramiden mit über 15 Metern Höhe gefunden. Umgestürzte Säulen und Stelen weisen darauf hin, dass die Gebäude einst mehrstöckig waren.

Ruinen einer einstigen Maya-Stadt im heutigen Tulum
Ruinen einer einstigen Maya-Stadt im heutigen Tulum in Mexiko. © memo06dic / Getty Images

Die Entdecker gehen davon aus, dass die Stadt vor allem in den Jahren 250 bis 1000 nach Christus bewohnt war und damals ein regional wichtiges Zentrum war. Sie war damit länger bewohnt und einflussreich als Chichén Itzá, das erst nach 800 nach Christus zur Hauptstadt aufstieg. Der Aufbau von Ocomtún ähnelt im Prinzip dem vieler anderer Maya-Städte. Darüber hinaus wurden in anderen Orten, vor allem aus der späten Maya-Zeit auch königliche Residenzen, rechteckige Paläste sowie andere monumentale Gebäude und Plätze entdeckt, die vermutlich als Festhallen und Versammlungsorte für Zeremonien dienten.

Älteste und größte Maya-Stadt

Das größte und bislang älteste entdeckte Monumentalbauwerk der Maya wurde 2020 im Süden Mexikos, an der Grenze zu Guatemala entdeckt. Die Aguada Fénix genannte Stätte ist über 1.400 Meter lang, rund 400 Meter breit und liegt etwa zehn bis 15 Meter über dem Umland. „Das Hauptplateau von Aguada Fénix ist damit die größte Konstruktion im prähispanischen Maya-Gebiet“, berichteten Takeshi Inomata von der University of Arizona und seine Kollegen.

Anhand von Holzkohleresten vermuten die Archäologen, dass der Bau der Stadt bereits um 1000 vor Christus begonnen hatte. Damit ist Aguada Fénix mindestens 50 Jahre älter als die Maya-Stadt Ceibal in Guatemala, die zuvor als älteste bekannte Stätte dieser Kultur galt. Anders als in späteren Anlagen wurden in Aguada Fénix aber weder Pyramiden noch Skulpturen noch Inschriften mit der Nennung von Herrschern und Würdenträgern gefunden. Auch Befestigungsmauern gab es noch keine. Wissenschaftler vermuten daher, dass die Maya anfangs eine Kultur mit wenig Hierarchien und geringer sozialer Ungleichheit waren, was sich jedoch im Laufe der Zeit änderte.

Sak Tzi
Diese Karte zeigt die bisher identifizierten Bauwerke der Hauptstadt des Maya-Königreichs Sak Tzi. © Charles Golden/ Brandeis University

Machtzentren der Maya

Spätere Anlagen wie das Königreich Sak Tzi mit großen Tempeln, Plätzen und Verteidigungsstrukturen zeugen von rivalisierenden Dynastien mit politisch einflussreichen Herrschern. Politisch bedeutsam waren beispielsweise auch die Metropolen El Mirador und Calakmul, Sitz der einflussreichen Kaan-Dynastie, sowie die Königsstädte Copan und Tikal, auch bekannt als „Paris“ und „New York“ der Maya. „Die Frage, was einige Maya-Königreiche in Größe, Macht und Einfluss so groß werden ließ, während andere klein blieben, ist eine zentrale Frage unserer Forschung“, sagt der Archäologe Charles Golden von der Brandeis University.

Maya-Masken
Totenmasken zeugten einst von Herrschaft und Einfluss einiger Maya. Heute werden die bunten Masken als Souvenir verkauft. © lukestudios / Getty Images

Neben Inschriften, Reliefs und Portraits von Herrschern zeugen auch hochwertige Grabbeigaben wie Keramiken oder Totenmasken vom Reichtum und Einfluss mancher Maya-Persönlichkeiten. Bei hochrangigen Maya waren zudem Schmuckgegenstände aus Jade wie Ohrspangen, Perlen und Brustpanzer üblich. „Wir wissen, dass diese Objekte in der Mayagesellschaft oft ein Symbol für Herrscher oder royale Familienmitglieder waren“, erklärt der Archäologe Saburo Sugiyama von der University of Arizona.

Wie religiös waren die Maya?

Pyramiden zu Ehren der Götter

Maya-Pyramiden von Palenque
Typische Maya-Bauten sind ihre terrassenförmigen Pyramiden wie diese aus Palenque. © ferrantraite / Getty Images

Typische und bis heute besonders bekannte Maya-Bauten sind ihre terrassenförmigen Pyramiden. Diese architektonischen Kunstwerke dienten als zeremonielle Gebäude, Tempel und letzte Ruhestätte für Herrscher. In ihrem Inneren befindet sich teils ein Labyrinth aus Gewölben und Räumen.

Im Laufe der Maya-Zivilisation wurden die Pyramiden immer größer gebaut. Anfangs waren sie wenige Meter hoch, am Ende bis zu 70 Meter. Teilweise wurden auch kleinere Pyramiden zugeschüttet und an derselben Stelle eine größere errichtet. Bei Ausgrabungen treffen Archäologen daher oft auf den Matrjoschka-Effekt eines „Tempels im Tempel“.

Stuck und Glitzer-Putz

Heutige Maya-Ruinen sind oft von Pflanzen überwuchert oder bestehen aus freigelegtem kargem, grauen Stein. Teilweise sieht man noch die Ornamente aus Stein oder aus Stuck, mit denen die Maya-Tempel oft verziert waren. Dieser Stuck besteht aus Gips, Kalk, Sand und Wasser sowie einer zuckerhaltigen Flüssigkeit aus Baumrinden, die das Material besonders widerstandsfähig und robust machte. „Die Zutat sorgte dafür, dass der Putz mehr als 1.200 Jahre lang der aggressiven heißen und feuchten tropischen Witterung trotzte“, berichten Forschende in einer neueren Studie (doi: doi/10.1126/sciadv.adf6138).

So grau die Fassaden heute erscheinen, waren sie demnach wohl ursprünglich nicht. Denn die Außenwände der Tempel und Paläste wurden von den Maya meist weiß verputzt und rot übermalt. Eine Analyse von Farbrückständen ergab, dass eine Tempelanlage in Copan zudem durch glitzernde mineralische Farben rot und grün funkelte.

Kukulkan-Pyramide
Die steilen Treppen der Kukulkan-Pyramide in Chichén Itzá führen scheinbar endlos in die Höhe. © rusm / Getty Images

Berühmte Stufenpyramiden

An der Spitze einiger Pyramiden befanden sich kleinere Tempel. Zu ihrem Eingang führten bei den Maya immer steile und scheinbar endlose Treppenstufen – oft, aber nicht zwingend auf allen vier Seiten des Bauwerks. Zu bewundern sind diese Treppen zum Beispiel bei der 30 Meter hohen neunstufigen Pyramide des Kukulcán in der einstigen Hauptstadt Chichén Itzá. Diese Pyramide wird wegen ihrer massiven Erscheinung auch El Castillo – das Schloss oder die Burg – genannt und zählt zu den bekanntesten Maya-Bauwerken. Ihre vier Treppen haben jeweils 91 Stufen – zusammen sind es 365, ebenso viele, wie die Zahl der Tage in einem Jahr.

Die höchste bislang entdeckte Maya-Pyramide ist mit circa 70 Metern La Danta in der Maya-Metropole El Mirador im Dschungel von Guatemala. Sie ist eine der größten Pyramiden weltweit und massiver als die Cheops-Pyramide in Ägypten.

Für wen wurden die Maya-Pyramiden erbaut?

Meist waren es die Maya-Könige, die den Bau der Pyramiden-Tempel in Auftrag gaben. Aber sie waren nicht die alleinigen Bauherren. Auch Adelige, Priester und möglicherweise auch normale Bürger ließen solche Tempel bauen, wie Funde in der Maya-Stadt Yalbac im heutigen Belize nahelegen. Die Maya-Städte und Königreiche wiesen in der Regel mehr als nur einen Tempel auf, entweder innerhalb oder außerhalb von Wohngegenden. Warum dies so ist und welchen Zweck sie erfüllten, ist nicht ganz klar.

Wahrscheinlich ist jedoch, dass diese Tempel von verschiedenen Personen errichtet wurden und ganz unterschiedlichen Zwecken und Göttern dienten. „Möglicherweise konnten sich die Maya-Untertanen sogar aussuchen, in welchen Tempeln sie beteten und welche sie unterstützten“, sagt Lisa Lucero, Anthropologin und Archäologin der Universität von Illinois.

Maya-Relief mit Opfergabe
Ihren zahlreichen Göttern brachten die Maya regelmäßig Opfer in Form von Pflanzen, Tieren und Menschen. © terminator1 / Getty Images

Welche Götter beteten die Maya an?

Doch welchen Göttern waren die Tempel gewidmet? Angebetet wurden in den Anlagen unter anderem Naturgötter, etwa für die Sonne und den Mond, Regen und Wind, Fruchtbarkeit und die Jagd, aber auch Monate und Ziffern sowie zahlreiche weitere Götter. Ihre Götter stellten sich die Maya dabei als menschen- oder tierähnliche, sterbliche und zugleich junge und uralte, gute und böse Wesen vor.

Als Opfer brachten sie ihnen wahrscheinlich Blumen, Tiere und Menschen, wie verschiedene archäologische Funde von Opferstätten mit Spuren unter anderem von Gefäßen, Lebensmitteln, Samen und Knochen zeigen. Zudem legt ein Fund von Tierknochen in Ceibal nahe, dass die Maya gezielt Tiere als Opfer züchteten und handelten. „In der Neuen Welt zogen die Menschen Tiere offenbar vor allem für zeremonielle Zwecke auf“, sagt Ashley Sharpe vom Smithsonian Tropical Research Institute in Panama.

Sportplätze als religiöse Bauwerke

Spiel um Leben und Tod

Zentrale Bauten der Maya-Städte waren ihre Tempel-Pyramiden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass rund um die Tempelanlagen bis zu 100.000 Menschen lebten, rund um La Danta in El Mirador sogar an die 200.000. Neben den Pyramiden hatten die Maya aber noch weitere religiöse Stätten, darunter weitere Tempel, Zeremonienplätze – und Sportplätze.

Illustration zweier Maya beim Ballspiel
Einer Maya-Legende zufolge besiegten die „Göttlichen Zwillinge“ Hunahpú und Ixbalnqué die Herren der Unterwelt in einem Ballspiel. © Irina Cheremisinova / Getty Images

Die besondere Bedeutung der Sportplätze geht vermutlich auf einen Schöpfungsglauben der Maya zurück. In der Pyramide La Danta fanden Archäologen ein seltenes Fries, das zwei Figuren dieses Mythos zeigt: Dargestellt sind die „Heldenbrüder“ und „Göttlichen Zwillinge“ Hunahpú und Ixbalnqué, die der Legende nach die Herren der Unterwelt in einem Ballspiel besiegten, worauf sie zu Sonne und Mond wurden.

Ballspiel zu Ehren der Götter

Möglicherweise aufgrund dieser Geschichte dienten auch Ballspiele den Maya als religiöse Zeremonie und wurden zu Ehren verschiedener Götter ausgetragen. Davon zeugen rechteckige, teils von Tribünen-artigen Treppen umgebene Ballspielplätze mit zwei sich gegenüberliegenden Rampen, die in mehreren Maya-Städten gefunden wurden, beispielsweise in Chichén Itzá, Sak Tzi und Ocomtún. Allein auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán haben Archäologen bisher über 500 Ballspielplätze der Maya entdeckt. In Toniná in Mexiko entdeckte ein Ausgrabungsteam im Jahr 2022 sogar zwei solcher Sportplätze und unter dem Sonnentempel obendrein eine Art Ballfabrik mit rund 400 Gefäßen.

Maya-Ballspielplatz in Copan
Typischer Maya-Ballspielplatz in den Ruinen von Copan. © josuef3r / Getty Images

Die von Kautschuk umhüllten Bälle der Maya waren etwa so schwer wie heutige Medizinbälle. Bei der Analyse der Füllung erlebten die Forschenden aber eine Überraschung: Sie bestand aus Kohle, Gummi, Wurzeln – und menschlicher Asche. Möglicherweise fanden einige verstorbene Könige in den Bällen ihre letzte Ruhe, wie in einer Art Urne, vermutet Juan Yadeun Angulo vom mexikanischen Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH). „Wir haben Beweise dafür, dass sie in Bälle eingearbeitet wurden“, sagte er. Der Schwefel in der Asche sei aber auch nötig gewesen, um die Gummibälle herzustellen.

Auch zahlreiche Schriftzeichen und Bilder auf in Maya-Stätten gefundenen Steintafeln belegen die Existenz und Bedeutung des Ballspiels für die Maya. Darauf finden sich etwa Inschriften von Spielständen, gegnerischen Mannschaften und Darstellungen des Sports.

Kampf mit blutigem Ende

Die Maya spielten ihre Ballspiele wahrscheinlich keineswegs zum Spaß, sondern für einen religiösen Zweck. Denn am Ende eines Spiels wurde den Göttern in der Regel ein oder mehrere Menschenopfer gebracht. Doch auch in nicht-religiöser Hinsicht hatten die Ballspiele rituellen und blutrünstigen Charakter. Mit ihnen wurden auch weltliche Entscheidungen getroffen, etwa wer einen Krieg verliert oder ob Kriegsgefangene hingerichtet werden.

Davon zeugt unter anderem ein Massengrab, das Archäologen im Königreich Uxul gefunden haben. Darin befanden sich zahlreiche Knochen mit Spuren von Gewalt, etwa durch ein Beil. Sie legen nahe, dass die Maya ihre Gegner und Kriegsgefangenen nach einem verlorenen Ballspiel enthaupteten und zerstückelten.

Steinring eines Ballspielplatz der Maya
Steinringe wie dieser am großen Ballspielplatz in Chichén Itzá dienten als „Tor“. © GISTEL Cezary Wojtkowski / Getty Images

Spielregeln bis heute erhalten

Heute noch spielen indigene Völker Ballspiele mit ähnlichen Regeln wie beim einstigen Spiel der Maya – wenn auch mit weniger blutigem Ausgang. Dabei treten zwei Mannschaften gegeneinander an und spielen sich einen mehrere Kilogramm schweren Ball zu. Dieser darf weder den Boden noch Hände und Füße berühren, sondern nur mit dem Rumpf bewegt werden, meist mit der Hüfte. Als „Tor“ dienten zur Zeit der Maya Steinringe in rund sechs Metern Höhe am oberen Ende der beiden Rampen. Gewonnen hatte die Mannschaft, die den Ball am häufigsten durch diese Ringe schlug.

Die heutigen Ballspiele der Maya-Nachfahren heißen auch „Pelota“, „Ulama“ oder „Pok-ta-Pok“, haben jedoch anders als früher reinen Sport- und Freizeitcharakter.

Die kulturellen Errungenschaften der Maya

Kalender, Wasserversorgung und Wegenetz

Pyramide von Kukulkan bei Sonnenuntergang
Tempel und Pyramide von Kukulkan. Die Gebäude der Maya waren oft nach dem Stand der Sonne an bestimmten Tagen im Jahr ausgerichtet. © Delbars / Getty Images

Die Tempelanlagen, Kunstwerke und Monumentalbauten der Maya waren mehr als nur religiöse Bauten oder eine politische Machtdemonstration. Sie dienten oft auch als Basis für komplexe astronomische und kalendarische Beobachtungen und Berechnungen. Denn heilige Rituale fanden bei den Maya wie in vielen frühen Hochkulturen meist im Einklang mit Himmelsereignissen statt.

Daher waren die Pyramiden beispielsweise meist nach den Jahreszeiten und dem Stand der Sonne am 21. März, Juni, September und Dezember ausgerichtet und markierten damit wichtige Eckpunkte im Jahreskalender der Maya wie den längsten und den kürzesten Tag des Jahres sowie die Tagnachtgleiche. Außerdem kennzeichneten diese Tage den Wechsel von Trocken- und Regenzeit und bestimmten den Zeitpunkt für Aussaat und Ernte.

Maya-Observatoriums El Caracol
Das Observatorium El Caracol in Chichén Itzá ermöglichte den Maya-Sternkundigen einen freien Blick auf den Nachthimmel. © Eagle2308 / Getty Images

Sternwarte und Kalender der Maya

Um die Sterne und Planeten zu beobachten, bauten die Maya auch Observatorien, wie archäologische Untersuchungen nahelegen. Mindestens eines, die Sternwarte El Caraco in Chichén Itzá, lässt sich relativ klar diesem Zweck zuordnen. Die Aussichtsplattform dieser Sternwarte lag vermutlich höher als die Baumwipfel des Dschungels und ermöglichte den Maya-Sternkundigen damit einen freien Blick auf den Nachthimmel.

Basierend auf ihre Himmelsbeobachtungen entwickelten die Maya ihren berühmten Kalender, der eine Kombination zweier zyklischer Zeitmessungen darstellt. Der für den Alltag verwendete „Haab“-Kalender orientierte sich an der Sonnenbahn und unterteilte ein Jahr in 365 Tage, verteilt auf 18 Monate mit je 20 Tagen plus fünf weitere Tage. Der rituelle Tsolkin-Kalender der Maya umfasste hingegen nur 260 Tage (13 mal 20 Tage), wobei er jeden Tag durch eine Kombination aus einer Zahl von eins bis 13 und 20 verschiedenen Namen eindeutig kennzeichnete. In der Kombination, dem „Long Count“, der auch den Weltuntergang für 2012 vorhersagte, ist jeder Tag durch fünf Ziffern gekennzeichnet.

Hieroglyphen des Maya-Kalenders
Ereignisse datierten die Maya mit Datumseinträge in Form von Hieroglyphen für Tage nach ihrem 260-Tages-Kalender. © Alexg63 / Getty Images

Dokumentation auf Tafeln und Gebäuden

Mithilfe ihres Kalenders dokumentierten die Maya auch historische Ereignisse, wie Funde von Steintafeln und Stelen mit Inschriften belegend. Datiert sind diese Maya-Texte oft durch Datumseinträge in Form von Hieroglyphen für Tage nach dem 260-Tages-Kalender. Neben diesen Datumszeichen bestand die Schrift der Maya aus weiteren Schriftzeichen, insgesamt etwa 800 verschiedenen Hieroglyphen. Einer der längsten Hieroglyphentexte wurde auf einer Steinplatte in einem Tempel in der „Site Q“ in Guatemala gefunden.

In den Inschriften verewigten die Maya unter anderem ihre politischen Allianzen, den Verlauf von Kriegen und Ballspielen sowie Machtwechsel. Aber auch gesellschaftliche Ereignisse wie die Einweihung eines Schreins für den Gründer einer bedeutenden Adelsfamilie wurden darin festgehalten, wie die bisher entzifferten Inschriften nahelegen. Viele weitere sind allerdings nicht mehr lesbar oder noch nicht vollständig entschlüsselt.

Handelsnetz dank „Autobahnen“

Wichtige Ereignisse wurden aber wahrscheinlich nicht nur schriftlich festgehalten, sondern auch mündlich überliefert und in andere Teile des Maya-Reichs gebracht. Möglich machten dies Straßen, über die die verschiedenen Königreiche und Machtzentren mit der Maya-Hauptstadt Chichén Itzá auf der heute mexikanischen Halbinsel Yucatán verbunden waren, wie eine Inschrift belegt. „Die Entdeckung bestätigt die Existenz einer ‚königlichen Straße’, einer strategischen Überlandroute, die die Maya Hauptstadt mit ihren Vasallenkönigriechen in den südlichen Ebenen verbindet“, erklärt der Anthropologe David Freidel von der Southern Methodist University.

Neuere Funde im dichten Dschungel von Guatemala belegen sogar ein kilometerlanges „Autobahnnetz“ zwischen den Städten. Demnach waren dort 417 Städte durch 177 Kilometer befestigte Straßen miteinander verbunden. Diese „Superhighways“ deuten darauf hin, dass die Maya nicht nur einfache Bauern waren, sondern intensiv Handel betrieben, berichten die Forschenden. „Dieser Fund könnte eine ebenso einflussreiche historische Entdeckung sein wie die der ägyptischen Pyramiden“, sagte der Archäologe Enrique Hernández von der Universität San Carlos in Guatemala-Stadt. (doi: 10.1017/S0956536122000244)

Schema wie ein Springbrunnen der Maya funktioniert haben könnte
Schema wie ein Springbrunnen der Maya funktioniert haben könnte. © Reid Fellenbaum

Ausgeklügelte Wasserversorgung mit Systemfehler?

Weitere Zeugnisse der Rechen- und Konstruktionsfertigkeiten der Maya sind ihre durchdachten Systeme zur Wasserversorgung der Städte. Denn weil es im Maya-Reich nur saisonal regnete und das Wasser schnell versickerte, brauchten sie ein Wasserspeichersystem. Dafür bauten sie beispielsweise Wasserreservoire, gewaltige Dämme mit Schleusen, komplexe Kanalsysteme und sogar Springbrunnen.

Zudem reinigten sie das oft durch Algen und Quecksilber kontaminierte Trinkwasser mit Filtern aus Quarzsand und Zeolithkörnchen, wie Ausgrabungen in Tikal nahelegen. In anderen Städten kamen diese Filter jedoch möglicherweise nicht zum Einsatz, was letztlich zum Untergang der Maya-Kultur beigetragen haben könnte.