Die europäische Marssonde und ihre Highlights

20 Jahre Mars Express

Mars Express
Die europäische Raumsonde Mars Express startete am 2. Juni 2003 zum Mars und liefert seitdem einzigartige Bilder und Daten aus dem Orbit des Roten Planeten. © ESA/Medialab.

Sie ist unser schärfstes Auge im Marsorbit: Die ESA-Raumsonde Mars-Express liefert seit 20 Jahren einzigartige Aufnahmen vom Roten Planeten, ihre Daten haben schon viele bahnbrechende Erkenntnisse über unseren Nachbarplaneten und seine Geschichte ermöglicht. Doch als diese Raumsonde am 2. Juni 2003 zum Mars startete, hätte niemand gedacht, dass sie so lange aktiv sein würde.

Ob marsianische Polarlichter, Supervulkane, verborgene Gletscher oder sogar flüssiges Wasser unter dem Polareis: Die Raumsonde Mars Express hat in den letzten 20 Jahren entscheidende zur Erkundung unseres Nachbarplaneten beigetragen. Vor allem ihre hochauflösende HRSC-Kamera zeigt uns den Mars in beispielloser Schönheit und dreidimensionaler Auflösung. Grund genug, sich die Fähigkeiten und Leistungen dieser europäischen Raumsonde einmal näher anzuschauen.

Missionsbeginn mit Hindernissen

Im Doppelpack zum Mars

Die ESA-Mission Mars Express war schon bei ihrem Start am 2. Juni 2003 ein historisches Ereignis: Zum ersten Mal in der Raumfahrtgeschichte schickten die Europäer eine eigene Mission zu einem anderen Planeten. Zwar waren zuvor schon Wissenschaftler und Technologien aus Europa an Missionen der NASA und der russischen Raumfahrtbehörde beteiligt. Aber noch nie lagen alle Abläufe von der ersten Planung, über Entwicklung und Bau der Sonden bis hin zur Durchführung der Mission komplett in europäischer Hand.

MArs Express
Die ESA-Orbitersonde Mars Express beim Flug über den Roten Planeten © ESA/ATG medialab; ESA/DLR/FU Berlin

Im Doppelpack zum Mars

Auch die Ziele der aus zwei Komponenten bestehenden Marsmission waren ehrgeizig: Die Orbitersonde Mars Express sollte die Oberfläche des Roten Planeten so genau und vollständig kartieren wie niemals zuvor. Dafür hat sie neben ihrer hochauflösenden Kamera HRSC ein speziell der mineralogischen Kartierung dienendes Infrarot-Spektrometer an Bord. Ein spezielles Radargerät zeigt zudem Strukturen unter der Marsoberfläche – und kann beispielsweise unter die polaren Eiskappen des Mars blicken. Aber auch die Atmosphäre und ihre Wechselwirkungen mit dem Planeten und dem umgebenden All stehen im Fokus der Mission.

Eine Premiere war auch die Huckepack mit der Orbitersonde mitreisende Landesonde Beagle 2: Noch nie zuvor hatte man versucht, ein solches Doppelpack zum Mars zu bringen. Am Mars angekommen, soll sich die Landesonde auskoppeln und zur Marsoberfläche hinuntersinken. Für die ESA war dies ein riskantes Unterfangen, denn sie hatet noch nie zuvor eine Marslandung versucht. Wenn dies gelänge, wäre Beagle 2 die erste Sonde, die nach den Viking-Sonden der NASA gezielt nach Spuren vergangenen und gegenwärtiges Leben auf dem Mars fahndet.

Der Start am 2. Juni 2003 ging glatt: Pünktlich hob die Sojus-Trägerrakete vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur ab und brachte das Doppelpack auf den Weg zum Mars. Am 25. Dezember 2003 erreichte Mars Express ihr Ziel und schwenkte in eine elliptische Umlaufbahn um den Roten Planeten ein.

Der erste Schock: das weiße Bild

Doch dann kam der Schock: Das erste aus dem Marsorbit aufgenommene Bild der hochauflösende Stereokamera HRSC war komplett weiß – vom Mars keine Spur. „Da haben alle erst einmal geschluckt“, erinnert sich Projektleiter Ralf Jaumann vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR). Als Mitarbeiter am DLR-Institut für Planetenforschung waren er und sein Team federführend für die Entwicklung und Betreuung dieser Kamera und damit eines Herzstücks der Sonde. Funktionierte die weltraumtaugliche Kamera etwa nicht? Der Ausfall dieses wichtigen Instruments wäre ein herber Rückschlag für die Mission.

Nicholson-Krater
Seitdem die Belichtung korrigiert wurde, liefert Mars Express gestochen scharfe, dreidimensionale Bilder der Marsoberfläche, hier vom Zentralberg des Nicholson-Kraters. © ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)/ CC-by-sa 3.0 IGO

Dann zeigte sich jedoch, dass zumindest ein Kanal der Kamera, ein im Nahinfrarot arbeitender Sensor, schwache Konturen der Marsoberfläche zeigte. Demnach mussten wesentliche Komponenten der Kamera funktionieren. Wenig später gab es Entwarnung: Die ersten Aufnahmen waren schlicht überbelichtet. Zwei Marsumkreisungen später lieferte die Kamera dann die erste klare und perfekt belichtete Aufnahme – die erste von zehntausenden.

Beagle 2 antwortet nicht

Doch während Mars Express seither alle Erwartungen übertroffen hat und bis heute wertvolle Daten und Bilder aus dem Marsorbit liefert, war das Schicksal von Beagle 2 weniger positiv. Der kleine Lander hatte sich planmäßig am 19. Dezember 2003 von ihrer Muttersonde abgetrennt, um dann eigenständig zur Marsoberfläche abzusinken. Dabei sollte er seinen Flug erst mit dem Hitzeschild abbremsen, dann in 2,6 Kilometer Höhe die Bremsfallschirme auslösen. Kurz vor der Landung, in rund 250 Metern Höhe, sollten dann luftgefüllte „Airbags“ den Aufprall abdämpfen – so der Plan.

Doch es kam anders: Nach der normalen Funkunterbrechung während des Flugs durch die Marsatmosphäre, blieb es still – Beagle 2 meldete sich nicht mehr. „Wenn die Landesequenz korrekt verläuft, dann sendet die Sonde ein Signal und man kann dieses nutzen, um den genauen Landeplatz zu orten – selbst wenn es nur ganz kurz sendet“, erklärt Alfred McEwen von der University of Arizona. „Doch im Fall von Beagle 2 bekamen wir gar nichts.“ Trotz monatelanger Versuche der Kontaktaufnahme und einer Fahndung mithilfe der NASA-Orbitersonde Mars Global Surveyor (MGS) blieb die Landesonde verschollen.

War die Landesonde abgestürzt? Und wenn ja, welcher Schritt in der Landesequenz hatte versagt? Bis zum Jahr 2015 blieben diese Fragen unbeantwortet, denn von Beagle 2 fand sich keine Spur. Eine Lösung des Rätsels lieferten erst Aufnahmen der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO): Sie zeigten, dass Beagle 2 entgegen anfänglicher Befürchtungen nicht abgestürzt war, sondern weitgehend intakt auf der Marsoberfläche stand. Allerdings waren nicht alle Sonnensegel des Landers ausgeklappt – und das hatte das Ausfahren der Antenne für die Kommunikation blockiert.

Beagle 2 ist gefunden!© University of Leicester

Die Kamera HRSC und ihre "Lupe"

Das fliegende Auge

Ob steile Klippen, urzeitliche Flussbetten oder marsianische Wanderdünen: Die Aufnahmen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) sind ikonisch. Kein anderes Instrument hat uns die faszinierenden Landschaften des Mars so nahegebracht wie diese Kamera der Mars-Express-Sonde. Sie ist die erste, die eine Planetenoberfläche in so hoher Auflösung dreidimensional, in Farbe und multispektral abbilden kann – und die noch dazu über eine Art Lupe für besondere Nahaufnahmen verfügt.

HRSC-Kamera
Die hochauflösende Stereokamera HRSC hat zwei Kameraköpfe: den hochauflösenden Stereokopf mit CCD-Zeilensensor (oben) sowie den SRC-Kopf (unten) aus einem Spiegelteleobjektiv mit CCD Flächensensor.© DLR/Astrium

Zeilenweise und versetzt abgerastert

Ihre besonderen Fähigkeiten hat die am DLR-Institut für Planetenforschung entwickelte HRSC ihrer Sensortechnologie zu verdanken. Anders als bei einer normalen Digitalkamera zeichnet ihr Stereokopf das Gesehene nicht flächig auf, sondern tastet die Marsoberfläche zeilenweise ab. Dies geschieht über neun CCD-Zeilensensoren, die hinter einem Linsenobjektiv mit 150 Millimetern Brennweite nebeneinander angeordnet sind. Fünf dieser Sensoren liefern nur Helligkeitsinformationen, die vier restlichen zeichnen nur bestimmte Wellenlängenbereiche auf und liefern daher multispektrale Farbinformationen: Rot Grün, Blau und Nahinfrarot.

Soll nun ein bestimmter Ausschnitt der Marsoberfläche aufgenommen werden, geschieht dies nach dem Scanner-Prinzip: Die Sensoren rastern den gewünschten Ausschnitt zeilenweise ab. Weil sich ihr Blickwinkel dabei leicht unterscheidet, zeichnet jeder Sensor ein leicht parallaxenverschobenes Bild auf. Werden diese Informationen miteinander verrechnet, liefern sie räumliche Tiefeninformationen und es entsteht ein dreidimensionales Bild. Für diese 3D-Aufnahmen werden die Daten der fünf Helligkeitssensoren verwendet, die vier anderen ergänzen die Farbinformationen oder liefern Daten im Nahinfrarot.

Fünf verschiedene Blickwinkel auf einmal

„Zum ersten Mal konnten wir den Mars dadurch räumlich – dreidimensional – sehen“, sagt Projektleiter Ralf Jaumann vom DLR. Der große Vorteil: Weil die verschiedenen Blickwinkel gleichzeitig und unter gleichen Bedingungen aufgenommen werden, ermöglichen sie eine photogrammetrische Auswertung – und damit eine genaue topografische Kartierung der Marsoberfläche. Zwar liefern auch Laser-Altimeter an Bord anderer Marssonden hochpräzise Höhendaten, ihre Auflösung in horizontaler Richtung und ihre Abdeckung der Marsoberfläche ist jedoch meist deutlich geringer.

Abrastern durch HRSC
Die Sensorzeilen der HRSC sind unterschiedlich ausgerichtet. Dadurch wird jeder Punkt der Oberfläche aus fünf Blickwinkeln aufgenommen. Vier weitere CCD-Zeilen haben Farbfilter (Blau, Grün, Rot Nahinfrarot), durch die die Kamera Farbaufnahmen erstellen kann. © DLR/ CC-by-nc-nd 3.0 IGO

Die räumliche Auflösung der von der HRSC erstellten Aufnahmen variiert mit dem Abstand der Raumsonde von der Marsoberfläche. Am marsnächsten Punkt ihrer Umlaufbahn erreichen die Zeilensensoren eine Auflösung von rund zwölf Metern pro Pixel, am fernsten Punkt sind es rund 30 Meter. Mit jedem Überflug kann Mars Express zudem einen 52 Kilometer breiten Streifen der Marsoberfläche abscannen. Diese an die Bodenstation übermittelten Daten werden dann dort Stück für die Stück zusammengefügt und liefern dann die dreidimensionalen Ansichten vom Mars.

Anblicke wie vor Ort

„Wir können die gesamte Topografie beinahe so sehen, als würden wir vor Ort auf dem Mars stehen“, sagt Jaumann. Dadurch lassen sich wichtige Fragen zur marsianischen Geologie und Landschaft klären: Welche Neigung hat ein Hang? Wie dick ist die Lavaschicht? Und wie tief ist eine Schlucht? Zusammen mit den Daten der Laseraltimeter haben Planetenforscher aus den Daten der HRSC-Kamera inzwischen hochgenaue digitale Geländemodelle des Mars erstellt – gewissermaßen eine globale Wanderkarte für den Roten Planeten.

Als besonderen Bonus besitzt die Kamera der Mars-Express-Sonde zusätzlich eine ultrahochauflösende „Lupe“. Dieser Super Resolution Channel (SRC) besteht aus einem Spiegelteleskop-Objektiv mit einem Meter Brennweite und einem CCD Flächensensor mit 1.024 mal 1.024 Pixeln. Er erreicht dabei eine Auflösung von 2,3 Metern pro Bildpunkt – genug, um selbst größere Felsbrocken oder Schichtabfolgen an einer marsianischen Steilkante im Detail zu zeigen.

Die "feurigen" Highlights der Mission

Supervulkane und Himmelslichter

Gräben, verzweigte Täler, Lavaflüsse und der höchste Berg im Universum – seit 20 Jahren liefert die Raumsonde Mars Express einzigartige Bilder vom Roten Planeten. Ihre Aufnahmen und Messdaten haben unser Bild des Mars entscheidend geprägt und einiges an Überraschungen aufgedeckt.

Klippen vn Olympus Mons
Blick auf die 7.000 Meter hohen Klippen an der Westflanke des Olympus Mons.© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Junge Feuerberge, Lavaströme…

Eines der Highlights der Mission betrifft den Vulkanismus des Mars. Auffälligstes Zeugnis dafür sind die gigantischen Schildvulkane in der Tharsis-Region des Roten Planeten. Der größte von ihnen ist der 24 Kilometer hohe Olympus Mons – er ist der größte Vulkan im gesamten Sonnensystem. Der Fuß dieses riesigen Feuerbergs hat einen Durchmesser von knapp 600 Kilometern – er nimmt damit beinahe so viel Fläche ein wie ganz Deutschland. Gängiger Annahme nach entstanden die Tharsis-Vulkane vor rund 3,7 Milliarden Jahren in der Hesperianischen Periode des Mars und waren dann bis vor rund 100 Millionen Jahren aktiv.

Doch Aufnahmen und Radardaten des Mars Express haben Lavaströme aufgespürt, die noch vor rund zwei Millionen Jahren die Vulkanhänge hinabgeflossen sein könnten. Der Mars könnte demnach weit länger vulkanisch aktiv gewesen sein als lange angenommen. Bestätigt wurde dies erst kürzlich durch seismische Messungen der NASA-Sonde Mars InSight, nach der es unter der Region Cerberus Fossae sogar heute noch Magmabewegungen im Untergrund geben könnte.

Einige Planetenforscher vermuten sogar, dass die enormen Lavamassen der marsianischen Feuerberge nicht nur die Vulkane selbst auftürmten, sondern auch für einige der großen Schluchten des Roten Planeten verantwortlich sind. Demnach könnte die glühende Gesteinsschmelze zunächst in Tunneln bergab geströmt sein, deren Decken dann später einbrachen und tiefe Canyons bildeten wie im Schluchtengebiets von Labyrinthus Noctis zu sehen. Sogar noch intakte Lavahöhlen mit sogenannten Skylights in ihren Decken könnte es auf dem Mars geben. Sie gelten als mögliche Standorte für eine Marsbasis.

Ismene Patera
Der Krater Ismenia Patera könnte die Caldera eines marsianischen Supervulkans sein. © ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)/ CC-by-sa 3.0 IGO

…und uralte Supervulkane

Mars Express verdanken wir aber noch eine weitere vulkanische Entdeckung: Im Jahr 2013 stießen Forscher bei der Auswertung von Daten mehrerer Marssonden auf eine auffällige Ansammlung von bis zu 100 Kilometer großen, unregelmäßig geformten Kratern im Hochland der Region Arabia Terra. Nähere Analysen enthüllten dort einige Strukturen, wie sie typischerweise bei irdischen Lavaseen und Calderen auftreten. „Zusammengenommen bilden diese Strukturen eine ganz neue Klasse von Mars-Vulkanen – urzeitliche Supervulkane, die zusammen gigantische Mengen von Lava und pyroklastischem Material auswarfen“, konstatieren Joseph Michalski vom Natural History Museum in London und Jacob Bleacher von der NASA.

Ihrer Einschätzung nach waren diese marsianischen Supervulkane zuletzt vor rund 3,5 Milliarden Jahren aktiv und könnten die Arabia-Terra-Region entscheidend geprägt haben. Im Jahr 2021 bestätigte sich dies, als NASA-Planetenforscher in der Region Arabia Terra hunderte Meter dicke Schichten aus urzeitlicher Vulkanasche identifizierten. Dicke und Verteilung der Ascheschichten legen nahe, dass die marsianischen Supervulkane zwischen 7,5 und 15 Millionen Kubikkilometer Asche, Lava und anderes Vulkanmaterial ausgeschleudert haben.

Himmlisches Leuchten

Eine andere „feurige“ Entdeckung machte Mars Express schon bald nach seiner Ankunft am Mars in der Atmosphäre hoch über dem Planeten: 2004 wiesen Wissenschaftler mithilfe des Ultraviolett- und Infrarot-Spektrometers (SPICA) der Raumsonde erstmals Polarlichter auf dem Roten Planeten nach. Das Überraschende daran: Anders als die Erde besitzt der Mars kein globales Magnetfeld mehr. Stattdessen gibt es nur lokale Magnetfelder, die pilzförmig aus dem Untergrund in die Höhe ragen.

Doch wie entstehen die Mars-Auroren? Anders als bei den irdischen Polarlichtern entsteht das Leuchten nicht durch die Interaktion eines Magnetfelds mit dem Sonnenwind. Deshalb sind die Polarlichter auch nicht auf die Polargebiete des Planeten begrenzt. Stattdessen entsteht das größtenteils im ultravioletten Bereich messbare Leuchten, wenn Protonen des Sonnenwinds auf die Mars-Ionosphäre treffen und dort mit Elektronen zu angeregtem Wasserstoff reagieren. Wenn dieser dann seine Energie in Form von UV-Photonen wieder abgibt, entsteht das Leuchten.

Mars Express und die feuchte Vergangenheit des Mars

Gletscher, Eis und alte Seen

Eine Schlüsselrolle für unser heutiges wissen über die „wässrige“ Seite des Mars spielt das Radarinstrument MARSIS (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionospheric Sounding von Mars Express. Seit 20 Jahren liefern seine Messdaten immer wieder spektakuläre Erkenntnisse zu verborgenen Vorkommen von Wasser und Eis auf dem Roten Planeten.

Südpol des Mars
Blick auf einen Teil der Eiskappe am marsianischen Südpol. Das MARSIS-Radarinstrument von Mars Express hat erstmals unter dieses Eis geblickt. © ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)/ CC-by-sa 3.0 IGO

Polares Eis und verborgene Gletscher

Den Anfang machte im Jahr 2005 die erste Durchleuchtung der Eiskappen an den Polen des Roten Planeten. Über die Schichtung und Beschaffenheit dieser kilometerdicken Polkappen war zuvor kaum etwas bekannt. Erst die Radardaten von MARSIS enthüllten, dass sich unter der Oberfläche von Nord- und Südpol des Mars mächtige Wassereisschichten verbergen. Allein das gut 3,7 Kilometer dicke Südpoleis enthält demnach genug Wasser, um den gesamten Planeten elf Meter hoch zu bedecken.

Die frühen Radarmessungen der Raumsonde enthüllten zudem, dass es auch anderswo auf dem Mars Wassereis gibt. Unter anderem spürte MARSIS unter der Oberfläche der nördlichen Tiefebene Chryse Planitia eine 250 Kilometer große Einschlagssenke auf, an deren Grund es dicke Wassereis-Ablagerungen gibt. Seither haben weitere Radardaten von Mars Express und der NASA-Sodne Mars Reconnaissance Orbiter Hinweise auf tausende von gletscherähnlichen Eisvorkommen im marsianischen Untergrund geliefert.

„Wir haben errechnet, dass diese Gletscher 155 Milliarden Kubikmeter Eis enthalten – eine solche Menge würde die gesamte Oberfläche des Mars mit einer 1,1 Meter dicken Eisschicht überziehen“, berichtet Bjørnholt Karlsson von der Universität Kopenhagen. er Rote Planet war damit nicht nur früher wasserreich, selbst heute noch hat er einige Wasserreserven behalten. Sie liegen nur nicht an der Oberfläche, sondern verbergen sich unter ihren schützenden Staubschichten.

Wasser unterm Südpoleis

2018 machten Forscher mithilfe der MARSIS-Daten eine noch spektakulärere Entdeckung: Sie fanden Hinweise auf flüssiges Wasser unter dem Südpol-Eis des Mars. In rund 1,5 Kilometer Tiefe zeigten die Radarmessungen dort eine helle Schicht, die auf die Präsenz von flüssigem Wasser hindeutete. „Die hohe Leitfähigkeit dieses hellen Gebiets deutet darauf hin, dass dort wassergesättigtes Material oder Schichten flüssigen Wassers vorhanden sein müssen“, berichteten Roberto Orosei vom Nationalen Institut für Astrophysik in Bologna und sein Team.

Ähnlich wie bei den subglazialen Seen der Antarktis oder Grönlands könnte dieses Marswasser durch den hohen Druck des auflastenden Eises und durch gelöste Salze flüssig bleiben. „Wir finden es plausibel, dass es an der Basis dieses Eises eine Schicht von flüssiger Perchlorat-Lauge gibt“, sagen Orosei und seine Kollegen. Denn Perchlorat und andere Salze wurden auch an anderen Stellen der Marsoberfläche schon nachgewiesen.

Radarquerschnitt
Radarquerschnitt durch den geschichteten Untergrund in der Südpol-Region des Mars. DIe hellen Zonen nahe der Basis könnten von flüssigem Wasser stammen. © ESA/NASA/JPL/ASI/Univ. Rome; R. Orosei et al 2018

Subglaziale Seenlandschaft oder doch bloß feuchter Ton?

2020 lieferte die Auswertung weiterer MARSIS-Daten Indizien dafür, dass unter dem Südpoleis sogar ein subglazialer See existieren könnte. „Das Gebiet ist durch einen großen Wasserkörper gekennzeichnet, der von kleineren Wassertümpeln oder Feuchtgebieten umgeben ist“, berichtete lena Pettinelli von der Universität Roma Tre. Für den zentralen See ermittelte sie einen Durchmesser von 20 mal 30 Kilometern.

Schon ein Jahr später weckten allerdings Laborversuche und weitere Analysen Zweifel an dieser südpolaren Seenlandschaft. Denn quellfähige Schichtsilikate, sogenannte Smektite, erzeugen eine ganz ähnliche Radarsignatur wie flüssiges Wasser, wie ein Team um Jeffrey Plaut vom Jet Propulsion Laboratory der NASA feststellte. Zudem traten einige ganz ähnliche Radsignaturen nicht nur an der Basis des Südpoleises auf, sondern auch näher an der Oberfläche.

Welche Erklärung stimmt und was sich tatsächlich unter den mächtigen Schichten der marsianischen Polkappe verbirgt, ist noch offen. „Die ursprüngliche Studie konnte nicht beweisen, dass es sich um Wasser handelt, und unsere neuen Studien können auch nicht eindeutig belegen, dass es nicht dort ist“, konstatiert Plaut. Hier seien weitere Untersuchungen gefragt.

Der letzte See des Mars

Wesentlich eindeutiger war dagegen ein Fund, zu dem die hochaufgelöste HRSC-Kamera des Mars Express entscheidend beigetragen hat: 2015 entdeckten Planetenforscher einen der letzten echten Seen des Mars. Er lag in einer 35 Kilometer weiten Senke im kraterdurchsetzten Hochland nahe der Ebene Meridiani Planum und existierte wahrscheinlich bis vor rund 3,6 Milliarden Jahren – er überdauerte damit noch nach dem Ende der feuchtwarmen Periode des Mars. „Wir können ziemlich sicher sein, dass dies einer der letzten größeren Seen auf dem Mars gewesen sein muss“, sagt Brian Hynek von der University of Colorado in Boulder.

Durch das sich wandelnde Klima sank der Pegel in diesem urzeitlichen Marssee allmählich immer weiter ab, bis er dann schließlich austrocknete. Ablesen lässt sich dies an Ablagerungen am Rand der Senke, die auf unterschiedliche Wasserstände schließen lassen. Am Grund des einstigen Sees existiert zudem eine 1,5 Meter dicke Schicht aus Salzen, wie sie typischerweise bei der Verdunstung von salzigem oder brackigem Wasser zurückbleiben.

Die Aufnahmen und Messdaten von Mars Express haben auch anderswo Spuren einstiger Seen und Flüsse auf de Roten Planeten aufgedeckt. Zusammen haben diese Erkenntnisse wertvolle Einblicke in die feuchte Vergangenheit unseres Nachbarplaneten geliefert.

Was Mars Express über den Marsmond verraten hat

Das Geheimnis des Phobos

Die ESA-Sonde Mars Express hat uns nicht nur unzählige Daten und Aufnahmen vom Mars und seiner Oberfläche geliefert – wir verdanken ihr auch wesentliche Erkenntnisse über den kleinen Marsmond Phobos. Dieser nur 26 mal 22 Kilometer große Mond ist auffallend unregelmäßig geformt und umkreist den Planeten in nur 6.000 Kilometer Höhe – näher als jeder andere Mond im Sonnensystem.

Phobos
Der Marsmond Phobos ist 26 x 22 Kilometer groß – aber wie ist er entstanden? © ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)/ CC-by-sa 3.0 IGO

Eingefangener Asteroid oder echter Mond?

Deshalb gingen Planetenforscher lange davon aus, dass es sich bei Phobos und dem ähnlich kleinen Marsmond Deimos m eingefangenen Asteroiden handelt – Brocken aus dem nahen Asteroidengürtel, die einst zufällig in Marsnähe gelangten und dann von dessen Schwerkraft festgehalten wurden. Denkbar wäre aber auch, dass die kleinen Marstrabanten vor Ort entstanden – beispielsweise aus den Trümmern eines Einschlags oder eines zerstörten größeren Marsmonds.

Das Problem jedoch: Welches Szenario zutraf, ließ sich nur anhand der Zusammensetzung und Dichte der Marsmonde klären. Doch bis zum Eintreffen von Mars Express gab es keine Raumsonde, die dafür nahe genug an Phobos herankommen konnte. Erst der elliptische Orbit der ESA-Sonde ermöglichte es ihr, die Umlaufbahn des Marsmonds immer wieder zu kreuzen und dabei Phobos im Abstand von weniger als 100 Kilometern zu passieren. Seit 2008 hat Mars Express mehr als 50 solcher nahen Vorbeiflüge absolviert und so erstmals nähere Informationen zum kleinen Marsmond geliefert.

Rätselhafte Riefen und die Frage der Dichte

Schon 2008 enthüllten hochaufgelöste Aufnahmen des ersten Vorbeiflugs, dass die Oberfläche von Phobos von einem auffallende Riefenmuster aus langgezogenen Gräben durchzogen ist. Inzwischen haben Planetenforscher herausgefunden, dass ein Teil dieser Gräben wahrscheinlich Dehnungsrisse sind, ein andere Teil dagegen von Einschlagstrümmern erzeugt wurde. Diese wurden zunächst ins All geschleudert und umkreisten den Mars, bevor sie dann wieder auf Phobos einschlugen und über seine Oberfläche schrammten.

Im Jahr 2010 enthüllten Daten des Fourier-Spektrometers an Bord der Mars-Express-Sonde, dass das Material von Phobos nur wenig Übereinstimmung mit typischen kohlenstoffhaltigen Chondriten zeigt – dem Material, aus dem die meisten Meteoriten und viele Asteroiden bestehen. Noch erhellender war ein Experiment, mit dem Wissenschaftler im gleichen Jahr erstmals die Masse des Marsmonds genauer bestimmen konnten – und damit auch seine Dichte.

Riefen auf Phobos
Diese Mars-Express-Aufnahme zeigt die auffallendne Riefen in der Oberfläche von Phobos.© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)/ CC-by-sa 3.0 IGO

Ein fliegender Geröllhaufen

Dafür werteten sie winzige Variationen in der Frequenz der Radiosignale aus, die Mars Express während eines nahen Vorbeiflugs am Phobos sendete. Diese Schwankungen verrieten, wie groß der Schwerkrafteinfluss des Marsmondes auf die Sonde war und ermöglichten so die Berechnung seiner Masse. Das Ergebnis: Phobos wiegt rund zehn Billionen Tonnen und hat eine Dichte von rund 1,88 Gramm pro Kubikzentimeter. Damit ist er viel leichter als ein typischer, massiver Asteroid seiner Größe. Stattdessen ähnelt Phobos Beschaffenheit eher einem lose zusammengehaltenen Geröllhaufen mit vielen Hohlräumen.

Zusammen mit den restlichen Informationen legten diese Daten nahe, dass der kleine Marsmond wahrscheinlich kein eingefangener Asteroid ist – er wäre dabei vermutlich zerbrochen. Wie aber entstand Phobos dann? Wurde er womöglich aus einem ehemaligen Ring des Mars gebildet? Dann müsste die Umlaufbahn des Marsmonds allerdings auf der Eben des Marsäquators liegen wie für planetare Ringe meist üblich. Phobos‘ Orbit ist jedoch um knapp zwei Grad gegen den Marsäquator geneigt.

Der marsianische Ringzyklus

Eine mögliche Lösung des Rätsels haben im Jahr 2020 Forscher um Matija Cuk vom SETI-Institute vorgeschlagen. Demnach könnte Phobos das Überbleibsel eines seit Milliarden Jahren anhaltenden Wechsels von Ringen und Monden um den Mars sein. Dabei gab es anfangs einen großen inneren Marsmond, der dann jedoch zerrissen wurde und aus dessen Trümmern ein Ring entstand. Dieser verlor einen Teil seines Materials an den Mars, der Rest ballte sich zu einem neuen, kleineren Marsmond zusammen.

Dieser Zyklus von Ringbildung, Mondentstehung und Zerfall wiederholte sich so lange, bis nur noch der kleine Phobos übrig blieb. Er ist gewissermaßen der Urenkel seines allerersten Vorgängers. Ob dieses Szenario stimmt, könnte im Jahr 2024 zeigen. Denn dann soll eine japanische Raumsonde Phobos besuchen und erstmals Proben von seiner Oberfläche zur Erde zurückbringen.