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Sonnensystem

Phobos: Rätsel der anomalen Gräben gelöst

Langgestreckte Streifen entstanden durch Wiedereinschlag von marsumkreisenden Trümmern

Viele der auffallend langen Gräben auf dem Marsmond Phobos lassen sich durch Gezeitenkräfte erklären – aber nicht alle. © NASA/JPL-Caltech/University of Arizona

Mysteriöse Streifen: Einige Gräben auf dem Marsmond Phobos lassen sich durch gängige Geologie nicht erklären. Jetzt jedoch haben Forscher ihre Ursache herausgefunden. Demnach entstanden diese Gräben, als Trümmer eines größeren Einschlags in den Marsorbit geschleudert wurden und erst nach ein paar Umkreisungen des Planeten wieder auf dem Mond einschlugen. Dieser Prozess könnte im Sonnensystem einzigartig sein, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Der Marsmond Phobos ist ziemlich ungewöhnlich: Er ist nur gut 20 Kilometer groß, unregelmäßig geformt und umkreist den Roten Planeten in nur rund 9.000 Kilometern Höhe. Zudem ähnelt er eher einem von Gezeitenkräften durchgewalkten, nur lose verklebten Trümmerhaufen. Die auf Phobos wirkenden Kräfte sind mittlerweile so stark, dass der Mond mehrere lange Risse auf seiner Oberfläche gebildet hat.

Rätselhafte Gräben

Doch es gibt einige Gräben auf Phobos, die nicht zu dieser Erklärung passen: „Diese Gräben verlaufen nicht in Richtung der Gezeitenkräfte, daher müssen sie eine andere Ursache haben“, erklärt Erstautor Michael Nayak von der University of California in Santa Cruz. „Sie ähneln eher den sekundären Kraterketten auf dem Erdmond.“

Solche Kraterketten entstehen, wenn Trümmer eines großen Einschlags ausgeschleudert werden und ihrerseits Krater erzeugen. Während auf dem Erdmond aber klar ersichtlich ist, von welchem Haupteinschlag die Kraterketten ausgehen, ist dies bei Phobos nicht der Fall. Die langgestreckten, leicht gebogenen Grubenstreifen zeigen auf den ersten Blick keine räumliche Verbindung zu den größeren Kratern des Marsmonds.

Wiedereinschlag nach ein paar Marsorbits

Wie Nayak und seine Kollegen durch Modellsimulationen herausfanden, gibt es aber noch eine weitere Variante sekundärer Einschläge – und sie passt sehr gut zur geringen Schwerkraft und dem niedrigen, eng gebundenen Orbit von Phobos. Schlägt ein größerer Meteorit auf dem Marsmond ein, können emporgeschleuderte Trümmerbrocken sehr leicht aus dem Einflussbereich der schwachen Mondschwerkraft entweichen.

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Die roten Pfeile markieren eine der wahrscheinlich durch Sekundär-Einschläge verursachten Gräbenketten. Als Ursprungskrater dieses Grabens identifizierten die Forscher Grildrig. © ESA/Mars Express, modified by Nayak & Asphaug

Weil Phobos aber sehr nah am Mars kreist, bleiben diese herausgeschleuderten Trümmerbrocken in einer Umlaufbahn um den Roten Planeten. Das jedoch bedeutet, dass diese Brocken auf potenziellen Kollisionskurs mit dem Marsmond bleiben. „Sie bleiben ein paar Umkreisungen lang im Orbit und werden dann doch wieder eingefangen und fallen auf Phobos zurück“, erklärt Nayak.

Einzigartig im Sonnensystem?

Weil die Einschlagstrümmer im Marsorbit eng beieinander bleiben, schlagen sie kurz nacheinander und mit eher geringer Geschwindigkeit auf Phobos ein. Dadurch bilden sie langgezogene Ketten von kleinen Kratern, wie die Simulation ergab – und diese Kraterketten ähneln den bisher unerklärlichen Gräben.

Nach Ansicht der Forscher könnte dieser Prozess sogar einzigartig im Sonnensystem sein – denn nur Phobos hat eine so geringe Schwerkraft gekoppelt mit einem extrem niedrigen Orbit um seinen Planeten. „Auf einem Himmelskörper mit normaler Schwerkraft wie dem Mond würden diese Sekundärkrater dicht am Ursprungskrater liegen, aber bei Phobos werden sie im Marsorbit zu Strängen langgezogen, bevor sie wieder einschlagen“, erklären die Wissenschaftler.

Zuordnung zum Ursprungs-Einschlag

Aber selbst wenn die Trümmer einige Male um den Mars gekreist sind, lässt sich aus der Lage und Form ihrer Kraterketten rekonstruieren, welcher größere Phobos-Krater ihr Ursprung war. „Entscheidend für die Entstehung dieser Gräben ist dabei, wo der ursprüngliche Einschlag auf Phobos erfolgte“, sagt Nayak. „Denn das bestimmt, wo die Trümmer später wieder auftreffen.“

Einen der rätselhaften Gräben haben die Forscher schon exemplarisch seinem Ursprungs-Einschlag zugeordnet. „Wir haben die Flugbahnen von Ejecta aus dem 2,6 Kilometer Krater Grildrig modelliert und eine sehr gute Übereinstimmung zu einem der Gräben erhalten“, berichten die Wissenschaftler. Zudem stellten sie fest, dass Stickney, der größte Krater von Phobos, offenbar keine solche sekundären Kraterketten verursachte.

Nach Ansicht von Nayak und seinen Kollegen könnte dies daran liegen, dass dieser Einschlag geschah, bevor Phobos dem Mars so nahe war wie heute. In jedem Falle aber sind die Forscher sehr zuversichtlich, mit ihrem Modell die Ursache des mysteriösen zweiten Grabentyps auf Phobos gefunden zu haben. „Wenn wir diesen Prozess und die Gezeitenkräfte miteinander kombinieren, dann können wir damit die meisten, wenn nicht sogar alle Gräben auf Phobos erklären, sagt Nayak. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms12591)

(University of California – Santa Cruz, 31.08.2016 – NPO)

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