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Sonnensystem

Mars: Doch kein Wasser unterm Südpoleis?

Vermeintlich wasseranzeigende Radarechos erweisen sich als Signale von Tonschichten

Mars Südpol
Blick auf die Eiskappe des Mars-Südpols. Verbergen sich darunter subglaziale Tümplel oder doch nur gefrorene Tonminerale? © ESA/DLR/FU Berlin/Bill Dunford

Erhebliche Zweifel: Unter der Eiskappe des Mars-Südpols gibt es offenbar doch kein flüssiges Wasser oder sogar Seen. Die vermeintlich wasseranzeigenden Radarsignaturen könnten stattdessen von speziellen Tonmineralen, sogenannten Smektiten, stammen, wie nun Studien enthüllen. Zudem belegen neuere Messdaten von Orbitersonden, dass die Radarechos aus Zonen der marsianischen Eiskappe kommen, die selbst für eine Salzlauge zu kalt wären.

Flüssiges Wasser auf dem Mars? Seit 2018 wecken Radardaten vom marsianischen Südpol Hoffnung, dass es dies auf dem Roten Planeten auch heute noch geben könnte. Damals hatte der Radarsensor der ESA-Sonde Mars Express eine hellreflektierende Schicht an der Basis des polaren Eispanzers detektiert. 2020 legte eine Neuauswertung dieser Daten sogar nahe, dass es unter der Eiskappe einen subglazialen See und mehrere Tümpel geben könnte.

Radarechos
Die farbigen Punkte repräsentieren Radarechos aus der polaren Eiskappe, die als Signaturen flüssigen Wasser interpretiert wurden. © ESA, NASA/JPL-Caltech

Doch die schon anfangs bei einigen Planetenforschern bestehenden Zweifel an diesen Marsseen könnten sich nun bestätigt haben: Neue Messdaten und Experimente liefern gleich mehrere Argumente gegen die Existenz von flüssigem Wasser am Mars-Südpol. „Schon seit den ersten Berichten über diese Wasservorkommen war die wissenschaftliche Gemeinschaft eher skeptisch“, berichtet Isaac Smith von der York University in Kanada.

Radarechos von den falschen Stellen

Den ersten Widerspruch haben Jeffrey Plaut vom Jet Propulsion Laboratory er NASA und sein Team aufgedeckt. Für ihre Studie haben sie 44.000 Radarechos aus dem Inneren der Südpol-Eiskappe neu ausgewertet, die die Mars-Express-Sonde im Lauf der letzten 15 Jahren gesammelt hatte. Dabei zeigte sich, dass die vermeintlich von flüssigem Wasser stammenden Radarsignaturen nicht nur an der Basis des Eispanzers vorkommen, sondern auch in Schichten nahe der Eisoberfläche.

Das Problem: Weiter oben in der Mars-Eiskappe ist es viel zu kalt, um Wasser flüssig zu halten, wie Plaut erklärt. Selbst ein hoher Salzgehalt, beispielsweise in Form der auf dem Mars häufigen Perchlorate, würde nicht ausreichen, um das Wasser vor dem Gefrieren zu bewahren. Hinzu kommt: Die Radarsignaturen treten in einer räumlichen Anordnung auf, die für Wassereinschlüsse im Eis ungewöhnlich ist. „Wenn das wirklich Wasser wäre, wäre dies physikalisch nahezu unmöglich“, sagt Stefano Nerozzi von der University of Arizona.

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Ton statt Wasser?

Ein weiteres Argument gegen subglaziale Marsseen liefern Untersuchungen von Smith und seinem Team. Sie hatten dem Verdacht, dass die Radarechos von bestimmten Tonmineralen, den sogenannten Smektiten stammen könnten. Dabei handelt es sich um quellfähige Schichtsilikate, die unter anderem bei der Verwitterung von Basaltgestein entstehen. „Smektite kommen auf dem Mars sehr häufig vor, vor allem auf der Südhalbkugel“, erklärt Smith. „Sie bedecken den halben Planeten.“

Zwar lässt sich nicht direkt nachweisen, dass solche Smektite auch unter dem Eis der Polkappe verborgen liegen. Doch Smith und sein Team spürten die charakteristische Spektralsignatur dieser Tonminerale am Rand der polaren Eiskappe und in Teilen des südlichen Polargebiets auf. Die Daten dazu lieferte das Infrarotspektrometer CRISM an Bord der NASA-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO).

Radarsignaturen passen auch zu gefrorenen Smektiten

Im nächsten Schritt testeten die Forscher im Labor, ob Smektite die auffälligen Radarechos im Inneren der Mars-Eiskappe erklären können. Dafür froren sie Proben dieser Minerale bei minus 50 Grad ein und brachten sie damit auf die Temperatur, die im Marseis herrscht. Dann bestimmten sie die dielektrische Leitfähigkeit und ermittelten mithilfe eines Radar-Auswertungsmodells, welche Radarsignaturen sie erzeugen würden.

Das Ergebnis: „Wir haben festgestellt, dass die Ergebnisse dieser Tests sehr gut mit den echten Beobachtungsdaten übereinstimmen“, berichtet Koautor Dan Lalich vom Cornell Center for Astrophysics and Planetary Science in Ithaca. Die vermeintlichen Wassersignaturen könnten demnach auch von gefrorenen Smektiten stammen – Mineralen, die nachweislich in der unmittelbaren Umgebung der marsianischen Eiskappe vorkommen.

Ton wahrscheinlicher als Wasser

Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht daher einiges dafür, dass die Freude über Seen am Mars-Südpol verfrüht war. „Die Theorie des flüssigen Wassers erfordert sechs- bis achtmal mehr Wärme als der Mars liefert und mehr Salz, als in dieser Region vorkommt – was sie schon von vornherein wenig plausibel machte“, sagt Smith. „Jetzt zeigt sich, dass die Tonminerale die Beobachtungen erklären können, ohne dass wir dafür besondere Umstände brauchen.“

Noch muss allerdings auch die Präsenz der Smektite unter dem Eis bewiesen werden. „In der Planetenforschung nähern wir uns der Wahrheit oft in winzigen Schritten an“, sagt Plaut. „Die ursprüngliche Studie konnte nicht beweisen, dass es sich um Wasser handelt, und unsere neuen Studien können auch nicht eindeutig belegen, dass es nicht dort ist.“ Smith, Plaut und ihre Teams halten ihre Theorie aber für deutlich wahrscheinlicher als die der subglazialen Seen. (Geophysical Research Letters, 2021; doi: 10.1029/2021GL093631; doi: 10.1029/2021GL093618)

Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL), York University

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