Entdeckungen am eisigen Außenrand des Sonnensystems

New Horizons: Mehr als nur Pluto

New Horizons
Vor fünf Jahren flog die NASA-Raumsonde New Horizons am Zwergplaneten Pluto vorbei – seither ist einiges passiert. © NASA/ JHUAPL/ SwRI

Vor fast genau fünf Jahren – am 14. Juli 2015 – stand die NASA-Raumsonde New Horizons im Fokus der Öffentlichkeit. Denn sie flog dicht am Pluto vorbei und lieferte damit erstmals Bilder und Daten vom fernen Zwergplaneten. Doch seither ist einiges passiert – und ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Ein helles Herz, fließende Gletscher und vielleicht sogar einen subglazialen Ozean: Was die Raumsonde New Horizons und ihre Daten über den Pluto enthüllt haben, versetzte selbst erfahrene Planetenforscher in Erstaunen. Doch der Vorbeiflug am Zwergplanet war bei weitem nicht die letzten Aufgabe der Sonde. Einmal im Kuipergürtel angelangt, hat sie noch ein weiteres eisiges Objekt ins Visier genommen und sogar unsere Nachbarsterne neu vermessen.

Zum fünften Jubiläum des Pluto-Vorbeiflugs blicken wir auf die bisherigen Errungenschaften der Raumsonde zurück. Noch aber ist ihre Mission nicht zu Ende: Bis die 2030er Jahre hinein wird ihr Treibstoff reichen. Sie kann daher noch weitere Objekte im fernen Kuipergürtel erkunden und weitere Entdeckungen machen.

DLR/NPO

Am eisigen Rand des Sonnensystems

Ferne Welten

Die eisigen Außenbereiche des Sonnensystems sind noch immer weitgehend unerforscht. Obwohl Astronomen dort inzwischen mehr als tausend größere und kleinere Himmelskörper aufgespürt haben, sind sie selbst in stärksten Teleskopen nicht viel mehr als kleine, schwache Lichtpunkte. Selbst über den lange als neunter Planet eingestuften Zwergplaneten Pluto und seinem großen Mond Charon wusste man kaum etwas.

Kuipergürtel
Lage des Kuipergürtels und aktuelle Position von New Horizons und ihren Vorgängersonden. © NASA/ JHUAPL/ SwRI

Rätselhafte Transneptunier

Klar scheint nur, dass es dort, jenseits des Neptun, weit mehr eisige Brocken gibt als lange angenommen – und es werden immer mehr. Erst vor Kurzem haben Forscher dort 139 neue Kleinplaneten auf einmal aufgespürt, außerdem mehrere größere Himmelskörper mit extrem fernen, stark exzentrischen Bahnen. Sogar Hinweise auf einen neptungroßen neunten Planeten wollen einige Astronomen gefunden haben.

Doch so spannend die Transneptunier auch scheinen: Mit einer Entfernung von mehr als 30 astronomischen Einheiten waren sie lange weit außerhalb jeder Reichweite irdischer Erkundung durch Raumsonden. Zwar haben die beiden Voyagersonden inzwischen eine weit größere Strecke zurückgelegt, sie benötigten für ihre Reise aber auch Jahrzehnte. Allein der Weg zum Neptun dauerte für Voyager 2 zwölf Jahre.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Erst im Dezember 2000 konkretisierte sich bei der NASA die Idee einer echten Plutomission. Die Raumsonde New Horizons sollte die Milliarden Kilometer bis zum fernen Zwergplaneten durchfliegen, um ihn und seine „Artgenossen“ erstmals näher in Augenschein zu nehmen. Der Name der Mission fiel dem Missionsleiter Alan Stern, während einer Gebirgswanderung ein, als er seinen Blick von einem Berg zum Horizont schweifen ließ.

Doch die Zeit drängte. Denn Pluto hat eine stark exzentrische Sonnenumlaufbahn, deren sonnennächster Punkt bei 4,5 Milliarden Kilometern Entfernung liegt. Diesen hatte der Zwergplanet aber bereits 1989 durchlaufen. Seither entfernt er sich wieder von der Sonne und der Erde. Bis Pluto wieder so nah herankommt, würde es fast 250 Jahre dauern. Für die Plutomission hieß es daher: Jetzt oder nie.

STart
Start von New Horizons auf einer ATLAS-Trägerrakete. © NASA/Kim Shiflett

Hinzu kam auch ein wissenschaftlicher Aspekt: Je weiter Pluto sich von der Sonne entfernt, desto kälter wird er und desto stärker kondensieren Gase. Sollte der ferne Zwergplanet demnach eine Atmosphäre haben, wäre sie in Sonnenferne kaum mehr nachzuweisen.

Start mit Extra-Schub

Am 19. Januar 2006 war es schließlich so weit: New Horizons startete von Cape Canaveral aus zu ihrer mehr als vier Milliarden Kilometer lange Reise zum Pluto. Um ihn überhaupt erreichen zu können, durfte die Sonde nur sehr wenig Masse haben. Inklusive Treibstoff waren es keine 500 Kilogramm. Darüber hinaus wurde die Atlas-Trägerrakete mit einer zusätzlichen Schubstufe versehen, die New Horizons auf eine Fluchtgeschwindigkeit von 16,21 Kilometern pro Sekunde beschleunigte – der höchsten Geschwindigkeit, mit der eine Raumsonde je die Erde verlassen hatte.

Die einzigartige Mission hatte begonnen.

DLR/NPO

Vorbeiflug "durch das Nadelöhr"

Das erste Ziel: Pluto

Neuneinhalb Jahre war New Horizons unterwegs, inklusives eines Schwungholens am Gasriesen Jupiter. Dann hatte die Raumsonde ihr Ziel erreicht: den Pluto. Jetzt galt es, das entscheidende Manöver durchzuführen. Denn wegen der geringen Größe des Pluto konnte sie nicht in eine Umlaufbahn einschwenken, sondern musste möglichst viele Informationen in nur einem einzigen Vorbeiflug sammeln.

Plutos Herz
Schon bei der Annäherung an Pluto enthüllten Aufnahmen von New Horizons sein helles Herz. © NASA

Beinahe Katastrophe kurz vor dem Ziel

Die Flugbahn von New Horizons sollte einerseits möglichst nahe am Zwergplaneten verlaufen, anderseits auch den Mond Charon mit erfassen. Dafür musste sie fast senkrecht durch die Ebene fliegen, in der die Monde Charon, Nix, Hydra, Kerberos und Styx den Pluto umkreisen – eine hochriskante Route und eine Quelle großer Unsicherheit bei den Missionsplanern der NASA.

Denn niemand wusste, ob sich nicht weitere, noch unentdeckte Monde oder auch planetare Ringe in dieser Ebene befinden können. Wäre das Fall, könnte sie für New Horions zur tödlichen Gefahr werden. Erst wenige Tage vor dem Flyby gaben Aufnahmen der Raumsonde Entwarnung: Die Aufnahmen zeigten keine unbekannten Hindernisse.

Dafür kam es wenige Tage vor dem geplanten Vorbeiflug zur Beinahe-Katastrophe: Ein Fehler in einer Kommandozeile schickte die Sonde irrtümlich in den Ruhemodus und versetzte sie in Funkstille. Glücklicherweise wachte New Horizons aber gerade noch rechtzeitig wieder auf.

Der Vorbeiflug: 21 Stunden Schwerstarbeit

Am 14. Juli 2015 – vor fast genau fünf Jahren – war es dann soweit: New Horizons flog am Pluto vorbei und näherte sich dem Zwergplaneten dabei bis auf rund 12.000 Kilometer. Das entspricht weniger als einem Erddurchmesser. Innerhalb von nur 21 Stunden hieß es nun: So viele Daten wie möglich sammeln. Dafür kamen neben Kameras sieben wissenschaftliche Bordexperimente zum Einsatz. Neben dem UV-Spektrometer Alice sowie den hochauflösenden Kamerasystemen LORRI und Ralph, nahmen die beiden Plasma-Instrumente PEPSSI und SWAP, der Staubdetektor Venetia und das Radioexperiment REX eingehende Messungen an dieser fernen, eiskalten Welt vor.

Wie erfolgreich dieser Flyby jedoch war, erfuhr das Missionsteam auf der Erde zunächst nicht – es musste fast zwei Tage bangen. Denn während der Datenerfassung herrschte Funkstille, weil New Horizons nur mit der Erde kommunizieren konnte, wenn sie ihre Antennenschüssel gezielt der Erde zukehrte. Das aber hätte die Messungen gestört. Doch am 15. Juli 2015 kam die erste Rückmeldung der Raumsonde bei der NASA an: Sie hatte ihre erste Aufgabe mit Bravour gemeistert.

DLR/NPO

Was New Horizons über den Pluto verraten hat

Überraschend anders

Die Daten der Raumsonde New Horizons haben unser Bild des Pluto drastisch verändert. Denn schon kurz nach dem Vorbeiflug wurde klar, dass sich dieser Zwergplanet völlig von dem unterschied, was Planetenforscher erwartet hatten. Während Pluto selbst im Hubble-Weltraumteleskop nur schemenhaft Helligkeitsunterschiede auf einem winzigen Lichtscheibchen erkennen lässt, enthüllten die Aufnahmen von New Horizons eine faszinierend vielfältige und dynamische Welt.

Pkuto-Atmosphäre
Pluto verfügt über eine verblüffend ausgedehnte und geschichtete Atmosphäre. © NASA/ JHUAPL/ SwRI

Komplexe Atmosphäre

Die Augen der Bordkameras zeigten eine bizarre Welt mit einer bewegten Vergangenheit und vielleicht sogar dynamischen Gegenwart – ein Resultat, mit dem in diesem Ausmaß kein Wissenschaftler zuvor gerechnet hatte. Legendär ist unter Kollegen der Begeisterungs-Ausbruch von Missionsleiter Alan Stern, als er die ersten Nahaufnahmen auf dem Bildschirm zu sehen bekam. Kein Wunder: Jahrzehntelang hatten die Forscher darauf gewartet.

Im Schnitt kommen auf dem Pluto nur fünf Zehntausendstel des Sonnenlichts an, das auf die Erde fällt, die Tagestemperatur beträgt minus 234 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen frieren die meisten Gase aus. Deshalb gibt es auf dem Pluto nicht nur Wassereis, auch Stickstoff, Methan, Kohlenmonoxid, Kohlendoxid und Ammoniak sind dort gefroren. Dennoch besitzt Pluto – zumindest in Sonnennähe – eine erstaunlich große, komplexe Atmosphäre. Sie besteht aus Stickstoff mit ein wenig Kohlenmonoxid und Methan und reicht bis in 1.600 Kilometer Höhe.

Warmer Kern und junges Herz

Auch über das Innenleben des Zwergplaneten gaben die Daten der Raumsonde erstmals Aufschluss. Demnach liegt die mittlere Dichte von Pluto bei 1.860 Kilogramm pro Kubikmeter. Er muss demnach zu mehr als zwei Dritteln aus Gestein und zu 30 Prozent aus Eis verschiedener Zusammensetzung bestehen. Das wiederum bedeutet, dass der Zwergplanet in seinem Inneren genügend Energie und Wärme gespeichert haben könnte, um heute noch dynamische Prozesse und vielleicht sogar einen flüssigen oder halbflüssigen Ozean unter seiner Eiskruste zu erlauben.

Tatsächlich enthüllten die Aufnahmen der New-Horizons-Sonde zahlreiche Hinweise auf dynamische Prozesse an der Pluto-Oberfläche. So gibt es zwar Regionen, die voller alter Einschlagskrater und dunkler Ablagerungen sind. Sie sind daher vermutlich schon vor gut vier Milliarden Jahren erstarrt. In anderen Gebieten aber, wie beispielsweise dem großen „Herz“ des Pluto, gibt es riesige helle kraterfreie Flächen aus blankem Eis, die weniger als 100 Millionen Jahre alt sind. Vor allem in der Ebene Sputnik Planum zeigen sich eckige Waben aus Eis, die auf eine möglicherweise bis heute anhaltende Konvektion im Eis hindeuten.

Sputnik Planum
Gebirge aus Eis und Polygone in der Eisebene von Sputnik Planum. © NASA/ JHUAPL/ SwRI

Hochgebirge aus Eis

Eine weitere Überraschung war die Entdeckung gewaltiger hochgebirgsartiger Landschaften mit den Norgay und Hillary Montes, Bergen von bis zu 3.500 Metern Höhe. Sie bestehen jedoch nicht aus Stein und Fels, sondern aus einer Tieftemperatur-Modifikation von Wassereis extremer Härte. Diese verhindert, dass diese Gebirgsriesen aus Eis an ihrer Basis durch das Eigengewicht in sich zusammenschmelzen.

Das dunkle, rötlich-braune Material im Norden Plutos besteht vermutlich aus einer komplexen Mischung organischer Moleküle wie Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff, die sich in der Atmosphäre von Gasplaneten, Monden oder Kometen unter der Einwirkung ultravioletter Strahlung und den Partikeln des Sonnenwindes aus dem Oberflächenmaterial bilden. Sie werden „Tholine“ (griechisch für „schlammig“) genannt.

DLR/NPO

Vorbeiflug an einem zweigeteilten Brocken

Der zweite Streich: Arrokoth

Mit dem Vorbeiflug am Pluto war die Mission der Sonde New Horizons aber noch lange nicht vorbei – im Gegenteil. Denn nun stieß sie in die Weiten des Kuipergürtels vor. Diese ringförmige Region außerhalb der Planetenbahnen ist die kosmische Heimat eisiger, teils extrem primitiver Körper von wenigen Kilometern Größe bis hin zu mehreren tausend Kilometern Durchmesser. Zwergplaneten wie Pluto, Eris, Makemake und Haumea zählen als bekannte Objekte dazu.

Arrokoth
Wie ein schiefer Schneemann: das transneptunische Objekt Arrokoth. © NASA/ JHUAPL/ SwRI

Noch ein Transneptunier

Der Kuipergürtel schließt unmittelbar an den äußeren Planeten Neptun an und erstreckt sich ungefähr bis in eine Sonnenentfernung von 18 Milliarden Kilometern. Er ist zugleich das Reservoir für die meisten kurzperiodischen Kometen. Alle Objekte des Kuipergürtels zusammengenommen machen nur einen Bruchteil der Masse der Erde aus.

In diesen Weiten ein gutes nächstes Ziel für New Horizons zu finden, war daher nicht einfach. Doch schon vor der Ankunft der Raumsonde am Pluto hatten Planetenforscher mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops ein weiteres transneptunisches Objekt erspäht, das für einen relativ nahen Vorbeiflug geeignet erschien. Der zunächst „Ultima Thule“ getaufte Brocken umkreist die Sonne in einer Distanz zwischen 6,4 und knapp sieben Milliarden Kilometern. Inzwischen wurde das Objekt in „Arrokoth“ umbenannt, was in der Sprache der Algonkin „Himmel“ bedeutet.

Brocken aus zwei Teilen

Das Interessante an Arrokoth: Schon erste Beobachtungen von Sternbedeckungen durch dieses Objekt legten nahe, dass es möglicherweise aus zwei Teilen besteht – vielleicht handelte es sich um einen Brocken mit Mond. Doch als dann New Horizons am 1. Januar 2019 in nur 3.000 Kilometern Entfernung an Arrokkoth vorbeiflog, enthüllten ihre Aufnahmen ein anderes Bild: Arrokoth war zwar zweiteilig, aber beide Teile waren miteinander verbunden.

Der eisige Brocken ähnelt damit eher einem Schneemann oder auch einer Gummiente – ähnlich wie der Kern des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Die Bilder von New Horizons zeigten, dass die beiden Teile von Arrokoth entlang ihrer Längsachsen zu einer 31 Kilometer großen „Erdnuss“ zusammengewachsen sind. Astronomen sprechen hierbei von einem sogenannten Contact Binary – einem Körper, der sich durch langsame Kollision mit einem zweiten Körper verbunden hat.

Vermutlich ist dies ein im äußeren Sonnensystem häufig ablaufender Prozess. Denn auch der von der ESA-Sonde Rosetta besuchte Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko entstand, wie Analysen nahelegen, durch einen sanften Kontakt zweier kleinerer Ursprungskörper.

Relikt aus der solaren Frühzeit

Doch es gibt auch entscheidende Unterschiede zwischen Arrokoth und dem Kometen: Während der Kometenkern im Ganzen doch eine gewisse räumliche Tiefe aufweist, sind die beiden Teile Arrokoths von ziemlich flacher Struktur und eher kraterarm. Forscher sehen darin ein Anzeichen dafür, dass die Oberfläche von Arrokoth sich kaum durch photochemische Reaktionen oder Einschläge verändert hat. Sie könnte daher noch sehr ursprünglich sein und den Zustand in der Frühzeit des Sonnensystems widerspiegeln.

Erste Analysen der von der Raumsonde übermittelten Aufnahmen zeigten bereits Formationen, die Geologen als urtümliche Bausteine von frühen Himmelskörpern im Kuipergürtel interpretieren. Spektralmessungen deuten zudem darauf hin, dass die rötliche Färbung von Arrokoth auf die Verbindungen Methanol, Blausäure, Wassereis und einiger Kohlenwasserstoffverbindungen zurückgeht.

Noch aber sind diese Ergebnisse erst der Anfang. Denn wegen New Horizons großer Entfernung ist die Übertragung der Daten vom Vorbeiflug an Arrokoth auch nach anderthalb Jahren nicht abgeschlossen. Sie wird noch bis Ende 2020 andauern. Erst dann wird es endgültige Ergebnisse geben.

DLR/NPO

Erste Fixstern-Parallaxenmessung mit einer Raumsonde

Der dritte Job: Sterne im Blick

Vor wenigen Wochen hat die Raumsonde New Horizons einen weiteren Rekord gebrochen und eine zuvor nie erreichte Leistung erbracht. Denn sie hat aus ihrer Position jenseits von Arrokoths Umlaufbahn zwei nahe Fixsterne angepeilt. Dadurch wurde die erste interplanetare Parallaxenmessung ermöglicht.

Parallaxenmessung
Prinzip der Entfernungsmessung durch die Parallaxe naher Sterne. © NASA/ JHUAPL/ SwRI

Subtile Verschiebung

Die Basis dafür legte New Horizons am 22. und 23. April 2020, als sie fern von Erde und Sonne Aufnahmen zweier Sterne machte, die unserem Sonnensystem relativ nah stehen. Neben unserem nächsten Nachbarstern Proxima Centauri war dies der Stern Wolf 359 im Sternbild des Löwen. Der Clou dabei: Wenn man nun die Bilder der Sonde mit denen vergleicht, die zeitgleich von der Erde aus gemacht wurden, dann kann man eine subtile Verschiebung dieser beiden Sterne vor den Hintergrundsternen zwischen beiden Aufnahmen erkennen.

Astronomen bezeichnen diese perspektivische Verschiebung als Parallaxeneffekt. Wir können ihn im Alltag beobachten, wenn wir den Daumen an unserem ausgestreckten Arm abwechselnd nur mit dem linken oder rechten Auge betrachten. Der Daumen scheint dann vor dem Hintergrund seitlich zu springen. Über das Ausmaß dieses „Sprungs“ und den Abstand unsere beiden Augen voneinander kann man berechnen, wie weit der Daumen entfernt ist – und genau das macht den Parallaxeneffekt für die Astronomie so interessant.

„Das trigonometrische Parallaxenverfahren spielte und spielt in der Astronomie eine entscheidende Rolle, denn damit lässt sich gut die Entfernung naher Sterne in einem Umkreis von etwa 100 Lichtjahren bestimmen“, erläutert Manfred Gaida vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Dieses Verfahren zur stellaren Entfernungsbestimmung ist gleichsam die erste Stufe auf der kosmischen Entfernungsleiter.“ Je weiter die beiden Beobachtungspunkte dabei voneinander entfernt sind, desto besser gelingt diese Entfernungsbestimmung.

16 Bogensekunden für Proxima Centauri

Genau dies ist die Besonderheit der Parallaxenmessung durch New Horizons. Denn sie war zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme rund 47 astronomische Einheiten von der Erde entfernt und damit weiter als jede andere Parallaxenkamera zuvor. Dadurch „springen“ Proxima Centauri und Wolf 359 bei wechselnder Betrachtung der Erd- und Raumsonden-Aufnahmen deutlich vor den Fixsternen im Hintergrund hin und her. Die mithilfe der Raumsonde ermittelte Parallaxenverschiebung liegt für Wolf 359 bei 16 Bogensekunden und für Proxima Centauri bei 32 Bogensekunden.

Diese Werte haben zwar die bisherige Entfernungsangaben für diese beiden Sternen nicht verändert oder präzisiert. Dennoch ermöglichte dieses Experiment eine bislang einzigartige und zuvor nicht mögliche Visualisierung des stellaren Parallaxeneffekts. Langfristig eröffnen sich für solche Messungen auch durchaus praktische Anwendungsmöglichkeiten – beispielsweise bei der Navigation auf interstellaren Reisen.

Mit einem Sternkatalog an Bord eines Raumschiffes, der als Referenz die erdbasierten Sternenpositionen enthält, könnten Raumsonden anhand solcher Messungen sicher durch interstellare Weiten navigieren, wie einst die Seefahrer anhand der Gestirne über unbekannte Meere. Clyde Tombaugh, der US-amerikanische Astronom, der Pluto im Jahr 1930 entdeckte und von dessen Asche der Sonde etwas mitgegeben wurde, wäre über die Verwirklichung solcher Pläne wahrscheinlich sehr angetan. Die kleine Raumsonde New Horizons hat zweifellos ihrem Namen alle Ehre gemacht und uns allen wahrhaft neue Horizonte eröffnet.

DLR/NPO