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Astronomie

Zwergplanet mit kristallinem Wassereis

Spektrografische Analysen enthüllen ungewöhnliche Oberflächenschicht auf Haumea

Haumea B und seine beiden Trabanten Hi'iaka und Namaka © SINC/José Antonio Peñas

Der fünfte Zwergplanet des Sonnensystems, Haumea, ist schon durch seine stark elliptische Form sehr ungewöhnlich. Jetzt jedoch haben Astronomen entdeckt, dass seine Oberfläche zudem noch von kristallinem Wassereis bedeckt ist – erwartet hätten sie eine amorphe Eisform. Offenbar liefern Gezeitenkräfte zwischen Haumea und seinen beiden kleineren Trabanten oder aber radioaktive Elemente in seinem Inneren die Energie für die Kristallisation des Wassereises. Die jetzt im Journal „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlichte Studie liefert auch neue Erkenntnisse darüber, wie die beiden Monde des Zwergplaneten entstanden sein könnten.

Haumea, offiziell auch 2003 EL61 bezeichnet, ist der fünfte Zwergplanet des Sonnensystems und eines der größ0ten Objekte im Kuipergürtel. Der rund 2.000 Kilometer lange aber nur halb so breite Himmelskörper kreist weit außerhalb der Neptunbahn um die Sonne. 285 Jahre braucht der nach einer hawaiianischen Fruchtbarkeitsgöttin benannte Himmelkörper für einen Umlauf. Seine Rotation ist dagegen die schnellste im gesamten Sonnensystem: weniger als vier Stunden dauert eine Drehung um sich selbst. Der erst 2005 entdeckte Zwergplanet wird von zwei Trabanten, Hi’iaka und Namaka, begleitet.

Jetzt hat ein Astronomenteam unter Leitung von Christophe Dumas von der Europäischen Südsternwarte ESO erstmals mehr Details über diese seltsame und ferne „Familie“ herausgefunden: Mit Hilfe des Sinfoni-Instruments am Very Large Telescope der ESO in Chile analysierten die Forscher das Spektrum der winzigen, schwachen Lichtpünktchen.

Haumea: Drei Viertel kristallines Wassereis

Dabei zeigte sich, dass Haumea zu drei Vierteln und sein 400 Kilometer großer Trabant Hi’iaka sogar zu 100 Prozent mit Wassereis bedeckt sind. Erst unter dieser Eiskruste liegt der zu rund 90 Prozent aus Gestein bestehende Kern. Ungewöhnlich daran: Die Wassermoleküle in dem Eis der Oberfläche liegen nicht amorph und ungeordnet vor, wie eigentlich erwartet, sondern bilden geordnete Kristalle. Normalerweise sorgt die Sonneneinstrahlung dafür, dass diese Struktur im Laufe der Zeit verloren geht, doch im Falle von Haumea und Hi’iaka scheint dies nicht der Fall zu sein – oder aber das Eis wird ständig regeneriert.

„Da die Sonneneinstrahlung die kristalline Struktur des Eises auf der Oberfläche kontinuierlich zerstört, wird Energie benötigt, um es organisiert zu halten”, erklärt Benoit Carry vom ESAC Zentrum der Europäischen Weltraumbehörde ESA in Madrid. „Die beiden Quellen, die wir dafür in Erwägung gezogen haben, sind zum einen radioaktive Elemente wie Thorium-232, Uran-238 und Kalium-40 im Inneren und die Gezeitenkräfte zwischen Haumea und seinen Trabanten.“ Noch ist nicht klar, welche Quelle es tatsächlich ist, doch die vorläufigen Modelle sprechen für die Gezeitenkraft-Hypothese. Der dritte im Bunde, der nur rund 200 Kilometer große Trabant Namaka, hüllt sich indes noch immer in Rätsel. Sein Signal war zu schwach, um darauf Informationen über seine Oberfläche zu entnehmen.

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Schuf ein „Streifschuss“ die beiden Trabanten?

Die neuen Daten liefern auch vertiefende Informationen über die Umlaufbahnen der drei Himmelskörper: „Die Bahnebene von Haumea ist um 28° gegenüber der der anderen Planeten im Sonnensystem gekippt, die Umlaufbahnen seiner Trabanten weichen ebenfalls ab – was sehr ungewöhnlich ist“, so Carry. Die Bahnebenen der beiden Monde weichen um 13° voneinander ab. Auch wenn die Orbits der beiden Monde noch nicht genau bestimmt werden konnten, geben auch die ungefähren Daten schon wichtige Hinweise auf die mögliche Entstehung der beiden Trabanten:

Modelle zeigen dass ein „Streifschuss“ durch einen kollidierenden Himmelskörper ausgereicht haben könnte, um Material aus der Mitte von Haumea heraus zu katapultieren und so die beiden Trabanten zu bilden. Dieser Treffer könnte auch Haumea einen Schubs und damit den Impuls für seine ungewöhnlich schnelle Rotation verliehen haben. Der ursprüngliche Himmelskörper soll mit einem etwa 1.000 Kilometer großen Objekt kollidiert sein. Durch den Zusammenstoß wurde ein Großteil des Eismantels weggesprengt, weshalb Haumea eine deutlich höhere Dichte als andere Objekte des Kuipergürtels besitzt. Aus den Bruchstücken der Kollision entstanden nicht nur die beiden Monde, sondern auch weitere kleinere Objekte, die mit Haumea zusammen eine Familie von Himmelskörpern bilden.

Noch rätselhaft ist dagegen ein dunkler, rötlicher Fleck, den die Astronomen auf der sonst so glänzend weißen Oberfläche von Haumea ausgemacht haben. „Meine Interpretation der Infrarot-Photometrie ist, dass dieses Gebiet eine reichere Quelle von kristallinem Wassereis ist als der Rest der Oberfläche“, erklärt Pedro Lacerda, Astronom an der Queen’s Universität in Belfast. Möglich wäre aber auch, dass dort bestimmte Minerale oder organische Materie die Verfärbung erzeugen. (Astronomy & Astrophysics, 2011; DOI: 10.1051/0004-6361/201015011)

(Plataforma SINC, 18.05.2011 – NPO)

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