Die MMX-Mission auf dem Weg zu Phobos und Deimos

Das Geheimnis der Marsmonde

MMX-Mission
Die MMX-Mission soll die Marsmonde Phobos und Daimos erkunden und ihre Entstehung klären. © JAXA

Sie sind klein, unregelmäßig geformt und umkreisen unseren Nachbarplaneten Mars ungewöhnlich nahe: Die Marsmonde Phobos und Deimos geben in vieler Hinsicht Rätsel auf. Wie sind sie entstanden? Wie stabil sind sie? Und wie sieht ihre Zukunft aus? Die Mission MMX (Martian Moons eXploration) soll dies in den kommenden Jahren klären.

Bisher haben die beiden Marsmonde Phobos und Deimos noch nie Besuch von einer Raumsonde erhalten – gleich zwei Missionen zum Phobos schlugen fehl. Jetzt soll es endlich klappen: Die in japanisch-europäischer Kooperation durchgeführte Mission MMX (Martian Moons eXploration) wird beide Marsmonde in nahen Vorbeiflügen erkunden. Dann sollen sowohl ein Rover als auch eine für die Probennahme ausgerüstete Sonde auf dem Phobos landen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Warum sind die Marsmonde so anders?

Rätsel um „Furcht“ und „Schrecken“

Während die großen Planeten des äußeren Sonnensystems meist einen ganzen Hofstaat aus Trabanten um sich scharen, sind Monde im inneren Sonnensystem eher dünn gesät: Neben der Erde mit ihrem Mond hat nur der Mars eigene Trabanten, die beiden Marsmonde Phobos und Deimos.

Phobos und Daimos
Die beiden Marsmonde Phobos (links) und Deimos ähneln eher Asteroiden als ausgewachsenen Monden. © NASA

Damit tragen die Marsmonde ziemlich martialische Namen – übersetzt heißen sie Furcht und Schrecken, nach zwei Begleitern des hellenischen Kriegsgottes Ares. Doch in Wirklichkeit sind Phobos und Deimos eher schmächtig und wenig furchteinflößend. Dafür zeigen sie gleich mehrere ungewöhnliche Merkmale.

Eher Asteroid als Mond

Die erste Eigenheit der Marsmonde ist ihre geringe Größe: Phobos hat einen maximalen Durchmesser von knapp 27 Kilometer, bei Deimos sind es sogar nur 15 Kilometer. Zum Vergleich: Der Erdmond hat einen Durchmesser von knapp 3.500 Kilometern und ist damit immerhin ein Viertel so groß wie die Erde. Die beiden Marsmonde ähneln dagegen eher zwei Asteroiden als ausgewachsenen Monden. Phobos und Deimos sind zudem zu klein, um von der Schwerkraft zur Kugel geformt worden zu sein. Sie ähneln daher eher unregelmäßigen Brocken als kugelrunden Monden.

Eine Besonderheit des inneren Mondes Phobos sind zudem rätselhafte Gräben, die sich als lange, größtenteils parallele Streifen über seine Oberfläche ziehen. Bisher können Planetenforscher nur darüber spekulieren, wie sie entstanden sind. Einige halten die Gräben für Risse und damit für erste Vorzeichen eines Auseinanderbrechens des Marsmonds. Andere vermuten, dass diese Streifen von Meteoriteneinschlägen auf dem Mars oder auf Phobos selbst stammen. Ausgeworfene Trümmer dieser Einschläge könnten in die Höhe geschleudert worden sein und dann über die Oberfläche des Marsmonds geschrammt sein.

Daimos
Der kleinere, äußere Marsmond Deimos, hier in einer Aufnahme der Marssonde Hope. © Emirates Mars Mission

Gefährlich nah

Die zweite Eigenheit ist die Umlaufbahn der beiden Marsmonde: Phobos umkreist den Mars in nur knapp 6.000 Kilometer Höhe – er ist seinem Planeten damit extrem nah. Er bewegt sich damit knapp über dem Roche-Limit, ab dem der Trabant von den Gezeitenkräften seines Planeten zerrissen würde. Durch die starken Anziehungskräfte des Mars verengt sich der Orbit des Phobos jedoch pro Jahrhundert um rund 1,80 Meter. Schätzungen zufolge könnte der Marsmond daher schon in rund 40 bis 50 Millionen Jahren die kritische Grenze passieren und zerreißen.

Sein hohes Tempo bewahrt Phobos jedoch davor, vorzeitig auf seinen Planeten zu stürzen: Er benötigt für einen Marsumlauf nur gut siebeneinhalb Stunden und bewegt sich damit schneller als die Marsoberfläche unter ihm. Für einen Mars-Astronauten würde Phobos am Himmel ein ungewohntes Verhalten zeigen: Pro Marstag könnte man zwei bis drei Mondauf- und untergänge sehen. Außerdem ginge der Marsmond im Westen auf und im Osten wieder unter – genau umgekehrt wie beim Erdmond.

Der zweite, äußere Marsmond Deimos umkreist seinen Planeten in rund 23.500 Kilometer Entfernung – auch das ist für einen Mond noch ziemlich nah. Ein Astronaut könnte ihn der Marsoberfläche aus trotz seiner geringen Größe noch als Lichtpünktchen von der zweifachen Größe der Venus erkennen. Weil die Oberfläche des Marsmonds relativ dunkel ist, wirft er aber kaum Licht zurück und erscheint daher nur sehr schummrig und verwaschen. Mit einer Umlaufzeit von rund 30 Stunden steht Deimos fast einer 1:4-Bahnresonanz mit seinem inneren Mitmond Phobos. Anders als dieser nähert sich Deimos aber dem Mars nicht an, sondern entfernt sich allmählich immer weiter von ihm.

Wie sind Phobos und Deimos entstanden?

Das Geheimnis des Ursprungs

Wenn es um die beiden Marsmonde geht, stehen zwei große Fragen im Raum: Wie sind Phobos und Deimos entstanden? Und woraus bestehen sie? Insgesamt werden drei Theorien für die Entstehung der beiden kleinen Marsmonde diskutiert.

Phobos
Phobos über dem Mars – ist er ein eingefangener Asteroid? © ESA/DLR/ FU Berlin (G. Neukum), CC-by-sa 3.0 IGO

Sind es eingefangenen Asteroiden?

Die erste Theorie geht davon aus, dass die beiden Marsmonde ursprünglich Asteroiden waren, die von der Marsschwerkraft eingefangen wurden. Dafür spricht, dass Helligkeit und Farbspektrum beider Monde dem bestimmter Asteroiden ähneln: Phobos und Deimos sind sehr dunkel und reflektieren nur rund fünf Prozent des Sonnenlichts. Die Marsoberfläche strahlt dagegen viermal so viel Licht zurück – was eher gegen einen gemeinsamen Ursprung spricht. Außerdem sind die Marsmonde relativ rötlich, wasserarm und reich an kohlenstoffhaltigen und silikatischen Molekülen. Asteroiden mit ähnlichen Merkmalen finden sich im äußeren Asteroidengürtel.

Gegen dieses Modell spricht, dass beide Monde den Mars in Äquatornähe umkreisen und damit auch in der Hauptebene der Planeten. Für eingefangene Asteroiden ist dies eher selten, sie haben oft eine geneigte Umlaufbahn, wie beispielsweise der Saturnmond Phoebe. Zudem sind die Orbits von Phobos und Deimos fast kreisrund, während die meisten eingefangenen Monde im Sonnensystem auf exzentrischen, elliptischen Bahnen kreisen.

Stickney-Krater
Der große Stickney-Krater auf Phobos zeugt davon, dass auch der Marsmond von Einschlägen getroffen wurden. Ist er womöglich selbst ein Trümmerstück? © NASA/JPL/ University of Arizona

Oder Trümmer eines Einschlags?

Besser passen könnte daher die Trümmertheorie: Jüngere Untersuchungen legen nahe, dass die Monde Überreste eines großen Einschlags in der Frühzeit des Mars sind – möglicherweise der Impakt, der auch das ausgedehnte nördliche Tiefland des Planeten schuf. Der dafür verantwortliche Asteroid könnte bis zu 2.000 Kilometer groß gewesen sein und Billionen Tonnen heller Kruste und dunklen Mantels aus dem jungen Mars herausgeschlagen haben.

Diese Trümmer bildeten einen Ring um den Mars, aus dem sich die Monde Phobos und Deimos herauskondensierten. Vielleicht entstanden dabei sogar noch weitere Monde, die dem Mars allerdings später verloren gingen oder wieder auf ihm einschlugen. Diese Theorie würde die relativ niedrigen und kaum elliptischen Umlaufbahnen recht gut erklären. Allerdings nicht, warum Deimos‘ Orbit um knapp zwei Grad gegen den Marsäquator geneigt ist.

Ring und Monde im Wechsel?

Denkbar wäre auch eine Variante des Trümmer-Szenarios, wie ein Team um Matija Cuk vom SETI-Institute im Jahr 2020 berichtete. Ihren Modellen zufolge könnte es nach einem großen anfänglichen Einschlag mit dichtem Trümmerring einen ständigen Wechsel von Monden und Ringen gegeben haben. Dabei bildeten sich aus dem Außenbereich des ersten Marsrings ein großer innerer Mond und der kleine Deimos. Dieser wurde durch den Einfluss seines inneren Nachbarn nach außen und buchstäblich auf die schiefe Bahn gedrängt. Der innere Mond dagegen rückte nach einiger Zeit zu nahe an den Mars heran und wurde wieder zerrissen – ein neuer Ring entstand.

Mars mit Ring
Der Mars könnte im Wechsel Monde und einen Trümmering besessen haben. © Purdue University

Dieser Zyklus von Ringbildung, Mondentstehung und Zerfall könnte sich in den letzten knapp vier Milliarden Jahren mehrfach wiederholt haben. Weil dabei immer ein Teil des Ringmaterials auf den Planeten stürzte, wurden Ring und Mond immer kleiner und masseärmer. Heute ist von dem einst großen inneren Marsmond nur noch der schmächtige Phobos übrig – er ist gewissermaßen das Enkelkind seines frühen Vorgängers.

Welches Szenario stimmt?

Das Problem jedoch: Welches dieser Szenarien zutrifft, lässt sich bisher nicht sagen – es fehlt schlicht an Daten. Zwar haben schon frühe Raumsonden wie die NASA-Sonde Maringer 9 und die beiden Viking-Marssonden erste Aufnahmen von Phobos und Deimos erstellt. Auch die heute um den Mars kreisenden Orbitersonden, darunter der Mars Reconnaissance Orbiter der NASA und die ESA-Sonde Mars Express haben Nahaufnahmen der Marsmonde geliefert. Aber die Bilder allein reichen nicht, um Alter und Zusammensetzung der beiden Monde genauer zu bestimmen.

Deshalb gab es schon mehrfach Pläne, Raumsonden gezielt zu den Marsmonden zu schicken: In den späten 1980er-Jahren startete die Sowjetunion die beiden Sonden Phobos 1 und 2, zu denen aber der Funkkontakt nach Übermittlung weniger Daten abbrach. Im Jahr 2011 folgte dann die Mission Phobos Grunt, die jedoch schon kurz nach dem Start verloren ging. Die beiden Marsmonde warten daher noch immer auf einen Besuch.

Die MMX-Mission zu den Marsmonden

Kopfüber ins Abenteuer

Um die Frage nach dem Ursprung der Marsmonde Phobos und Deimos zu klären, aber auch, um generell die Rolle kleiner Körper bei der Entwicklung der Planeten zu verstehen, hilft nur eine Raumsonde. An diesem Punkt setzt die Mission Martian Moons eXploration (MMX) der japanischen Weltraumorganisation JAXA an. Beteiligt sind auch NASA, ESA, die französische Raumfahrtagentur CNES und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

MMX-Mission
Die europäische-japanische MMX-Mission soll die Marsmonde und im Speziellen Phobos näher erkunden. © JAXA

Ziel der der MMX-Mission ist es, die beiden Marsmonde zu besuchen und zu klären, wie und wo sie entstanden sind. Der Start ist für das Jahr 2026 geplant. Die Raumsonde soll nach dem Erreichen des Mars zunächst in einer Umlaufbahn um den Planeten einschwenken und die die beiden Marsmonde von dort aus untersuchen. Anschließend wechselt sie in einen Quasi-Orbit um den Marsmond Phobos.

Dort wird die MMX-Muttersonde im Jahr 2027 den mitgeführten deutsch-französischen MMX-Rover absetzen. Er soll in freiem Fall auf Phobos landen und sich anschließend selbstständig aufrichten. Ist das geschafft, wird er der erste Rover sein, der auf einem kleinen Körper unter extrem geringer Schwerkraft rollt. Die Mission soll außerdem Proben von der Oberfläche des Phobos nehmen, die von der Rückholeinheit der MMX-Mission im Jahr 2029 zur Erde zurückgebracht werden.

Ein Rover im Reinraum

Doch bis dahin ist noch einiges zu tun – unter anderem im beim französischen Weltraumforschungszentrum CNES in Toulouse, wo der MMX-Rover gebaut und getestet wird. Eine Glasscheibe ähnlich der Größe eines riesigen Flachbildfernsehers gibt den Blick in den Reinraum des Zentrums frei. In der Mitte aufgebaut und umsorgt liegt der gerade einmal 25 Kilogramm leichte MMX-Rover. Noch ohne Solarpanels ist er etwa so groß wie eine Getränkekiste.

MMX-Rover
Gerüst, Räder und das Fortbewegungs- und Aufrichtsystem des MMX-Rovers wurden am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gebaut. © DLR

Die vier filigranen Beine mit den – vergleichsweise großen – Schaufelrädern von sich gestreckt, sieht er schon Ende Januar 2023 fast fertiggestellt aus. In den Tagen zuvor wurden die Räder bereits auf ihre Beweglichkeit getestet, ebenso das korrekte Ausklappen der Beine. Zusammen bilden sie das Fortbewegungssystem. Es soll dem Rover später auf dem Marsmond Phobos ermöglichen, sich nach der Landung aus 40 bis 100 Meter freiem Fall in die korrekte Position aufzurichten, egal in welcher Lage die Landung zunächst endet. Auch für die weitere Mission spielt das System eine große Rolle, da es auch das Ausrichten der Solarpanels zur Sonne und die Absenkung des Rovers für wissenschaftliche Messungen ermöglicht.

Alle Beine in der Luft

Für den irdischen Check seines Bewegungssystems musste der Rover allerdings keine Teststrecke entlangfahren oder sich am Boden aus den verschiedensten Positionen aufrichten. Im Gegenteil – er wurde im Reinraum aufgebockt. Die vier Beine mit ihren Rädern schwebten in der Luft. So wurden diese nicht unnötig belastet. Denn die Schwerkraft der Erde wäre viel zu stark für die filigrane Leichtbaukonstruktion, die am Robotik- und Mechatronikzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die extrem geringe Gravitation von lediglich einem Zweitausendstel der Erdanziehung auf Phobos erdacht und ausgelegt wurde.

Bei den Tests drehten sich die Räder einzeln in der Luft. Die Beine, an deren Ende die Räder sitzen, rotierten jeweils um 400 Grad. Geprobt wurde ebenfalls die Sequenz der Beinbewegungen, die sicherstellt, dass sich der Rover von allein aus jeder Ausgangslage aufrichten kann. Ebenso die Sequenz, die die korrekte Ausrichtung der Solarpanels zur Sonne sicherstellt. Alles klappte – die Bewegungsabläufe, die zuvor bereits simuliert worden waren, funktionierten einwandfrei.

An diesem Freitagnachmittag laufen in Toulouse zudem ganz besondere Tests, zu denen kein Besuch im Reinraum zugelassen ist. Mit speziellen LED-Leuchten erkunden die Ingenieurinnen und Ingenieure die verschiedenen „Shutter“ am Rover – klappbare Scheiben, die die einzelnen Kameras und Instrumente bei der Landung schützen. Nach geglückter Landung sollen sich diese „Schutzfenster“ öffnen. Unmittelbar nach der Landung wird durch eine solche mit Staub verschmutzte Schutzscheibe ein Bild von der Phobos-Oberfläche als Landebestätigung aufgenommen. Wenn sich der Staub gelegt hat, werden die Schutzfenster geöffnet.

Der MMX-Rover und seine Aufgaben

Fahrt über den Marsmond

Bevor der MMX-Rover die ersten Zentimeter auf Phobos zurücklegen kann, wird er bei der Landung sein ganzes Können zeigen müssen: Das MMX-Mutterschiff wird den Rover in einer Höhe von etwa 50 Metern ausklinken. Im langsamen freien Fall schwebt der Rover Phobos entgegen. Die Eigenschaften der Mondoberfläche sind im Detail noch unbekannt, aber es ist wahrscheinlich, dass der Rover mehrmals vom Boden abprallt und sich überschlägt, bevor er schließlich liegenbleibt.

Aufricht-Sequenz des MMX-Rovers
Nach dem Abwurf über Phobos wird der MMX-Rover in nicht vorhersehbarer Orientierung landen. Er muss sich dann autonom aufrichten und anschließend seine Solarpanels entfalten. © DLR/ CC-by-nc-nd 3.0

Egal in welcher Position dies sein wird, der MMX-Rover ist so konstruiert, dass er sich mit den Beinen seines Fortbewegungssystems autonom mit der korrekten Seite nach oben aufrichtet. Dies ist entscheidend, damit er danach seine Solarpanels entfalten, diese zur Sonne hin ausrichten und seine Batterie aufladen kann. Dann kann die Erkundung des Marsmondes Phobos beginnen.

Mit 3D-Sicht und Radkameras

Die Bilder, die uns dann erwarten, werden von insgesamt vier Kameraköpfen bereitgestellt. Zwei Navigationskameras blicken nach vorne und erlauben eine 3D-Darstellung des Terrains vor dem Rover. Mit diesen Bildern können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Hindernisse erkennen und die Fahrtroute detailliert planen. Anhand der 3D-Daten soll der Rover vollautonom vor Hindernissen stoppen oder diese sogar umfahren. Außerdem eignen sich die räumlich hochaufgelösten Bilder sehr gut für geologische Analysen.

Die anderen beiden Kameras, genannt „Wheelcams“, befinden sich unter dem Rover. Diese blicken auf die Kontaktbereiche der beiden linken Räder und erfassen Spurtiefe, Profilabdruck und wie beim Fahren das Bodenmaterial bewegt wird. Das erlaubt Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit. Die beiden Radkameras können kurze Filmsequenzen aufnehmen, um das Fahrverhalten genau zu analysieren.

MMX-Rover
Der MMX-Rover auf der Oberfläche von Phobos (Illustration). © DLR/ CC-by-nc-nd 3.0

Mit Millimetern pro Sekunde über den Marsmond

Rund 100 Tage soll der Rover auf dem Mond unterwegs sein. Zentimeter für Zentimeter könnte er eine Strecke von bis zu 100 Metern erkunden. Das klingt zunächst nach nicht viel, ist aber aufgrund der durch die Schwerkraft limitierten Fahrgeschwindigkeit eine enorme Herausforderung für das kleine vierrädrige Gefährt. Sicher werden Steine in der Landeumgebung liegen, die aufwändig umfahren werden müssen. Aufgrund der extrem geringen Gravitation wird dies zum Balanceakt. Jedes zu schwungvolle Manöver könnte den Rover abheben lassen – mit unkalkulierbaren Folgen.

So wird die Fahrgeschwindigkeit am Anfang weniger als einen Millimeter pro Sekunde betragen, kann aber bei wachsender Erfahrung mit dem Terrain auf rund einen Millimeter pro Sekunde gesteigert werden. Mögliche Bodeneigenschaften und ihre jeweiligen Auswirkungen auf das Fahrverhalten wurden am DLR-Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik durch eine eigens entwickelte Physiksimulation vorab analysiert.

Autonomes Fahren und drastische Temperaturwechsel

Zusätzliche Schwierigkeiten für den MMX-Rover stellen die große Entfernung zum Mars und der komplexe Funkweg über das Mutterschiff dar. Die Signallaufzeit vom Rover über das Mutterschiff zur Erde und zurück wird rund zwei Tage betragen. Entsprechend müssen die Forschungsteams in den beiden Kontrollzentren beim CNES in Toulouse und beim DLR in Köln jeweils Fahrsequenzen programmieren, die der Rover selbstständig ausführen kann.

Klappt alles, wird er der weltweit erste Rover auf einem kleinen Körper mit geringer Schwerkraft sein, der zudem eine längere Strecke erkundet. Hinzu kommen andere widrige Bedingungen: Während eines „Phobos-Tages“ von knapp acht Stunden schwankt die Temperatur am Rover zwischen minus 150 und plus 50 Grad Celsius. Dieser Temperaturwechsel geschieht dazu noch sehr schnell, denn drei Tage auf Phobos entsprechen einem Tag auf der Erde. Deshalb muss der Rover so konstruiert sein, dass die Temperatur in seinem Inneren in einem verträglichen Bereich gehalten wird, damit die Elektronik geschützt wird.

Wie geht es weiter für "Idefix" und MMX?

Die nächsten Schritte

Die MMX-Mission und ihr Rover mit Spitznamen „Idefix“ sollen bei ihrem Besuch des Marsmonds Phobos endlich die Daten liefern, auf die die Planetenforschung schon lange wartet. Denn die Messungen und Proben könnten verraten, wie und wo der kleine Mond entstanden ist.

MMX-Sonde
Die MMX-Landesonde wird den Rover bei der Erkundung des Marsmonds Phobos unterstützen und Proben von seiner Oberfläche nehmen.© JAXA

Spektralanalysen und Radiometer

Für seine Erkundung des Marsmonds Phobos hat der kleine MMX-Rover daher nicht nur mehrere Kameras an Bord. Er trägt auch das am DLR-Institut für Optische Sensorsysteme entwickelte Raman-Spektrometer RAX und das Radiometer miniRAD mit sich, das am DLR-Institut für Planetenforschung entwickelt wurde. RAX erkundet die mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche und miniRAD sammelt Daten für die Analyse der thermischen Eigenschaften.

Die Messdaten werden dazu beitragen, die bisher ungeklärte Herkunft der Marsmonde Phobos und Deimos genauer zu beleuchten. Integriert sind beide Instrumente neben den Kameras im Chassis des Rovers, das am DLR-Institut für Systemleichtbau entwickelt und hergestellt wurde. Es folgte im vergangenen Jahr die weitere Integration des Chassis beim DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen inklusive der Montage des Fortbewegungssystems. Vor der Auslieferung nach Toulouse im November 2022 erfolgten unter anderem Funktionaltests, der Vibrationstest, der Thermal-Vakuum-Test sowie der Test auf die elektromagnetische Verträglichkeit des Rover-Segments.

Die finalen Tests

Beim CNES in Toulouse erfolgte der finale Zusammenbau des Rovers, inklusive der Integration des Energie- und Kommunikationssystems sowie der wissenschaftlichen Instrumente. In Toulouse durchläuft der komplette MMX-Rover dann auch die finalen Tests zur Weltraumqualifikation. Hierbei ist bereits das Verbindungs- und Separationssystem, genannt „MECSS“ (Mechanical and Electrical Connection and Support System), montiert, welches später den Rover vom Mutterschiff trennt und auf seine Reise zu Phobos schickt. Dieses Subsystem wurde ebenfalls vom DLR entwickelt.

MMX-Rover
Der MMX-Rover verpackt und fertig zum Transport nach Japan. © Ebottlaender/ CC-b-sa 4.0

Im Oktober 2023 stand die Auslieferung des Flugmodells nach Japan an. Ein straffer Zeitplan, der die Teams beim DLR und beim CNES in den letzten Monaten und Jahren enorm forderte. Bei der JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) wird der deutsch-französische Rover in die MMX-Muttersonde eingebaut. Genauer gesagt wird der Rover in das Explorationsmodul der Raumsonde integriert.

Dieses ist selbst mit verschiedenen Instrumenten und Landebeinen ausgestattet, um im Verlauf der MMX-Mission, nahe der Landestelle des Rovers, Proben des Mondes zu entnehmen. Das Rückkehrmodul bringt die Proben am Ende der Mission 2029 zurück zur Erde.

Aufbruch zum Mars

Die MMX-Mission wird voraussichtlich 2026 mit einer H3-Rakete vom Weltraumbahnhof in Tanegashima starten. Dann stehen Mars und Erde das nächste Mal günstig für einen Flug. Zuvor muss jedoch die gesamte MMX-Sonde samt Rover noch einmal die Tests zur Weltraumqualifikation durchlaufen, bei denen ihre Beständigkeit gegenüber den Vibrationen des Starts, der Hitze und Kälte im Weltraum sowie dem dort herrschenden Vakuum erprobt wird.

Auch an jenem Freitag Ende Januar in Toulouse ist mit der Begeisterung des Teams zu spüren, dass der Start zum Mars und zu seinen Monden immer näher rückt. Die Beine samt Rädern werden wieder in die Startkonfiguration zurückversetzt. Eng an den Rover angeschmiegt sind sie sicher verriegelt. Diese Position werden sie nun halten, bis das Abenteuer auf Phobos beginnt …