Wie exotisch ist die Materie in den ultradichten Sternenresten?

Reise ins Innere eines Neutronensterns

Neutronenstern
Neutronensterne sind die dichtesten Himmelskörper im Kosmos. Doch wie sehen sie innen aus? © NASA Goddard Space Flight Center/ Chris Smith (USRA/GESTAR)

Ein Neutronenstern würde bequem in den Ärmelkanal passen, wäre aber schwerer als unsere Sonne. Denn diese heißen, kompakten Sternenreste sind nach Schwarzen Löchern die dichtesten Objekte im gesamten Universum. Doch wie schwer können sie werden? Wie sieht ihr Innenleben aus? Und wie exotisch ist der Materiezustand dort? Bisher sind diese Fragen erst zum Teil beantwortet.

Neutronensterne sind das, was von massereichen Sternen nach ihrer Supernova übrigbleibt. Im Universum gibt es Milliarden dieser kompakten, heißen Sternenreste. Dabei verblüffen sie jedoch durch ihre Vielfalt: Viele von ihnen sind Pulsare und überstreichen das All wie ein Leuchtfeuer mit regelmäßigen Strahlungspulsen, andere erzeugen einige der stärksten Magnetfelder im gesamten Kosmos. Gemeinsam ist ihnen, dass ihr extremes Inneres selbst Atome zerquetscht und exotische Materiezustände erzeugt. Aber welche?

Supernovae, Oppenheimer und komprimierte Neutronen

Exotische Reste

Neutronensterne sind die Extremisten unter den Himmelskörpern: Kein anderes kosmisches Objekt ist so kompakt und enthält in seinem Inneren so exotische Materiezustände. Auch die Entstehung der Neutronensterne ist ein Extremereignis: Sie werden – wie die stellaren Schwarzen Löcher – bei der Supernova massereicher Sterne gebildet.

Entstehung eines Neutronensterns
Wenn ein massereicher Stern in einer Supernova explodiert, kann ein Neutronenstern entstehen. © ttsz/ Getty images

Was von Sternen übrigbleibt

Dass es solche exotischen Sternenreste überhaupt gibt, vermuteten Astrophysiker erst Anfang der 1930er Jahre – kurz nach der Entdeckung der Neutronen. Damals grübelten der deutsche Astronom Walter Baade und sein schweizerisch-amerikanischer Kollege Fritz Zwicky darüber, was mit Sternen am Ende ihres Lebenszyklus passiert. Bekannt war schon, dass sich Sterne von mehr als rund acht Sonnenmassen erst zu Roten Riesen aufblähen, dann ihre Hülle ausschleudern und unter Freisetzung enormer Energien explodieren.

Doch wie läuft eine solche Supernova ab? Und was bleibt danach vom Stern übrig? Als Baade und Zwicky versuchten, dies in Gleichungen und Modellen nachzuvollziehen, kamen sie zu einem für damalige Zeit revolutionären Schluss: Sie postulierten, dass der Kern des Sterns zu einem kompakten Objekt kollabiert, in dem selbst Atome keinen Bestand mehr haben. Durch den Kollaps werden die Atomhüllen so stark komprimiert, dass die Elektronen in den Atomkern gedrückt werden und dort mit positiv geladenen Protonen zu Neutronen reagieren. Das Ergebnis wäre demnach ein Sternenrest, dessen Inneres statt aus Atomen aus Neutronen besteht – soweit Baades und Zwicky Hypothese.

Oppenheimer und die Massengrenze

Wenig später griff ein Physiker diese Idee auf, der später in einem ganz anderen Kontext berühmt werden sollte: Robert Oppenheimer. 1939 entwickelte er gemeinsam mit Kollegen ein theoretisches Modell, das die physikalischen Möglichkeiten für die Materiezustände in einem solchen Sternenrest näher beschrieb. Daraus ermittelten Oppenheimer und seine Kollegen erstmals eine Massen-Obergrenze für Neutronensterne. Dieser Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenze zufolge dürfte ein solcher Sternenrest demnach nicht schwerer werden als 0,7 Sonnenmassen.

Robert Oppenheimer
Bevor der US-Physiker Robert Oppenheimer wissenschaftlicher Leiter des Manhattan Project wurde, forschte er zu Neutronensternen und ihrer Massenobergrenze. © Los Alamos National Laboratory/ CC-by-nc-nd 2.0

Allerdings: Sowohl Oppenheimer als auch seine Zeitgenossen konnten bei ihren Annahmen nur auf sehr lückenhaftes Wissen zum Materiezustand in Neutronensternen zurückgreifen. Denn damals war noch kein einziger Neutronenstern durch Beobachtungen nachgewiesen und auch das Verhalten subatomarer Teilchen war in den 1930er Jahren erst in Ansätzen erforscht. Entsprechend spekulativ waren die Berechnungen der Physiker.

Tatsächlich weiß man heute, dass Oppenheimer und Co mit ihrer Massengrenze zu niedrig lagen. Dennoch wird die Obergrenze der Neutronensternmasse ihnen zu Ehren bis heute als Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenze (TOV) bezeichnet. Doch wo liegt sie? Klar ist: Hat der Sternenkern bei der Supernova eine zu große Masse, kommt es Zentrum des Gebildes zu einer Singularität – ein Schwarzes Loch entsteht. Dies ist dann der Fall, wenn der Sternenkern beim Kollaps mehr als drei Sonnenmassen wiegt.

Wenn die starke Kernkraft sich umkehrt

Entscheidend für die Stabilität eines Neutronensterns ist jedoch auch eine Eigenheit der starken Kernkraft. Unter normalen Bedingungen wirkt diese Grundkraft wie ein Gummiband, das die Quarks im Inneren der Protonen und Neutronen verbindet. Gleichzeitig hält sie Protonen und Neutronen im Atomkern zusammen. Doch wenn Atome extrem komprimiert werden und dadurch die Distanz zwischen den Kernbausteinen schwindet, kommt es zu einem überraschenden Effekt: Die anziehende Wirkung der Kernkraft kehrt sich um.

Atomkern
Die starke Kernkraft hält die Kernbausteine zusammen, doch unter extremem Druck verändert sie sich. © Adisonpk/ iStock.com

Diesen schon lange vermuteten Effekt haben Physiker um Or Hen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) erst im Jahr 2020 experimentell bestätigt. Dafür schossen sie stark beschleunigte Elektronen in hoher Dichte auf Ziele aus verschiedenen Kohlenstoff-, Aluminium- und Eisen-Isotopen. Dabei werden deren Kernbausteine bei einigen Treffern stark genug komprimiert, um diese Umkehrung der starken Kernkraft zu bewirken.

Für Neutronensterne bedeutet dies: In ihrem Inneren könnte dieser Abstoßungseffekt der starken Wechselwirkung die extrem dicht gedrängten Neutronen vor dem Verschmelzen bewahren –zumindest bis zu einem gewissen Grad der Kompression. Ein Neutronenstern kann demnach etwas mehr Masse in sich vereinen, als Oppenheimer und seine Kollegen ursprünglich annahmen, ohne dass der Sternenrest zum Schwarzen Loch kollabiert.

Doch was heißt dies nun für die Massenobergrenze?

Wie schwer und groß kann ein Neutronenstern werden?

An der Grenze zur Singularität

Im Vergleich zu unserer Sonne ist ein Neutronenstern winzig – selbst ein Planet oder unser Erdmond nehmen sich neben ihm geradezu gigantisch aus. Doch in puncto Masse sind die kompakten Sternenreste echte Schwergewichte. Wie groß und wie schwer ein Neutronenstern maximal werden kann, konnten Astrophysiker erst vor wenigen Jahren genauer ermitteln.

Neutronensternkollision
Die bei der Kollision von Neutronensternen erzeugten Gravitationswellen verraten einiges über die Merkmale dieser Sternenreste. © NASA

Eine Kollision als Helfer

Möglich wurde dies dank eines astronomischen Glücksfalls: Am 17. August 2017 detektierten die Gravitationswellen-Observatorien LIGO und Virgo erstmals die Raumzeit-Schwingungen einer Neutronensternkollision. Fast gleichzeitig fingen auch mehrere Teleskope die bei dieser kosmischen Karambolage freigesetzte Strahlung ein – erst einen kurzen Gammastrahlenausbruch, dann ein starkes Aufleuchten in nahezu allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums.

Die Gravitationswellen und Strahlung dieser Kollision lieferten einem Team um Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt entscheidende Informationen zur den Grundeigenschaften von Neutronensternen – darunter die Obergrenze für Masse und Größe. „Das Schöne an theoretischen Studien ist, dass sie Vorhersagen treffen können. Die Theorie ist aber zwingend auf Experimente angewiesen, um einige ihrer Unsicherheiten zu minimieren“, sagt Rezzolla.

Die Neutronenstern-Kollision GW170817 war genau das kosmische Experiment, das die Astrophysiker dafür benötigten. Dank dieses Ereignisses konnten sie ihre theoretischen Modelle ergänzen und so erstmals genauer ermitteln, wo die Grenzen eines Neutronensterns liegen. Das Ergebnis: Die Massenobergrenze von nicht-rotierenden Neutronensternen liegt bei rund 2,16 Sonnenmassen. Rotiert der Neutronenstern jedoch, wirkt die Fliehkraft der Gravitation entgegen und verhindert den Kollaps noch etwas länger. Ein schnell rotierender Neutronenstern – beispielsweise ein Pulsar – kann daher rund 20 Prozent schwerer werden.

Pulsar PSR J0952-0607
Der Pulsar PSR J0952-0607 ist der schwerste und am schnellsten rotierende Neutronenstern der Milchstraße. © NASA/ GSFC

Der schwerste Neutronenstern der Milchstraße

Tatsächlich haben Astronomen im Jahr 2022 einen Neutronenstern entdeckt, der an dieser absoluten Obergrenze für Neutronensterne liegt. Der Pulsar PSR J0952-0607 liegt rund 3.000 Lichtjahre von uns entfernt und ist in der Milchstraße bisher einzigartig. Denn er dreht sich mit dem rasenden Tempo von 42.000 Umdrehungen pro Minute um sich selbst – so schnell wie kein anderer Neutronenstern in unserer Galaxie.

Gleichzeitig ist dieser Millisekunden-Pulsar ein echtes Schwergewicht, wie Astronomen im Jahr 2022 feststellten: PSR J0952-0607 ist rund 2,35 Sonnenmassen schwer – und damit der schwerste bisher bekannte Neutronenstern. Schwerer als er können diese Sternenreste gängiger Annahme nach kaum werden, ohne zum Schwarzen Loch zu kollabieren. Seine ungewöhnlich große Masse verdankt dieser Rekordpulsar allerdings nicht einem besonders schweren Vorgängerstern, sondern seinem „parasitischen“ Verhalten: Er saugt einem nahen Begleitstern Material ab und könnte dadurch im Laufe der Zeit eine halbe bis ganze Sonnenmasse hinzugewonnen haben.

Neutronenstern und Hannover
Ein Neutronenstern ist kaum größer als die Stadt Hannover. © NASA/ GSFC

Nicht größer als eine Großstadt

Auch für die Größe gibt es dank der Neutronensternkollision jetzt genauere Obergrenzen: Die Astrophysiker der Goethe-Universität Frankfurt ermittelten für einen typischen Neutronenstern einen maximalen Radius von 12 bis 13,5 Kilometern. Zuvor lagen die Schätzungen wegen der höheren Unsicherheiten noch bei einer Spanne von acht bis 16 Kilometer Radius. Die neue Größenobergrenze zeigt, dass ein solcher Supernova-Rest zwar doppelt so schwer wäre wie unsere Sonne, er würde aber dennoch bequem in den Ärmelkanal passen. Selbst die Stadt Berlin ist größer als ein gängiger Neutronenstern.

Um so viel Masse auf so kleinem Raum zu vereinen, muss die Materie im Inneren eines Neutronensterns extrem komprimiert sein – doch was bedeutet dies für sein Innenleben?

Perfekte Kugeln und exotische Materiezustände

Rätsel des Inneren

Im Inneren von Neutronensternen ist die Materie so stark komprimiert wie in keinem anderen Himmelskörper. Im Zentrum eines solchen Sternenrests herrscht der unvorstellbare Druck von rund 16 Quadrillionen Gigapascal, die Dichte liegt bei rund 370 Billiarden Kilogramm pro Kubikmeter. Würde man die gesamte Erde auf die Dichte eines Neutronensterns komprimieren, wäre sie nur noch gut 300 Meter groß.

Neutronenstern
Auf der Oberfläche eines Neutronensterns ist die Schwerkraft rund 200 Milliarden Mal höher als auf der Erdoberfläche. © NASA/ GSFC

Entsprechend gewaltig ist auch die Gravitationswirkung eines Neutronensterns. Auf seiner Oberfläche ist die Schwerkraft rund 200 Milliarden Mal höher als auf der Erdoberfläche. Ein einziger Teelöffel voller Material würde auf dem Neutronenstern daher mehr wiegen als 15 auf die Erde gelegte Erdmonde zusammen. Als Folge dieser extremen Gravitationswirkung vergeht auch die Zeit auf der Oberfläche eines Neutronensterns langsamer: Wenn auf der Erde zehn Jahre rum sind, sind auf dem Neutronenstern erst acht Jahre vergangen.

Die perfektesten Kugeln im Kosmos

Diese enormen Kräfte haben auch Auswirkungen auf die Oberflächenform eines Neutronensterns: Von der Erde und anderen Planeten ist bekannt, dass die Schwerkraft eine entscheidende Rolle dafür spielt, wie hoch Berge auf einem Himmelskörper werden können. Je stärker die Gravitation, desto kleiner die höchsten Erhebungen. Was aber heißt das für die „Berge“ auf einem Neutronenstern? Bisherige Modelle gingen davon aus, dass Erhebungen auf seiner Oberfläche maximal einige Zentimeter Höhe erreichen können. Doch 2021 kam ein Team um Fabian Gittins von der University of Southampton auf Basis neuer Simulationen auf einen anderen, noch extremeren Wert.

Demnach könnten selbst zentimetergroße Berge auf einem Neutronenstern nicht bestehen bleiben, ohne einzubrechen. Die enorme Gravitation des dichten Sternenrests erlaubt stattdessen nur Erhebungen von etwa einem Zehntel Millimeter Höhe. „Dies bedeutet, dass Neutronensterne bemerkenswert sphärische Objekte sind“, sagt Gittins. Neutronensterne sind demnach nahezu perfekte Kugeln.

Inneres eines Neutronensterns
Vermutetes Innenleben eines Neutronensterns. © Robert Schulze/ CC-by-sa 3.0

Wie sieht das Innere aus?

Die extreme Kompression der Materie in einem Neutronenstern hat aber vor allem Konsequenzen für sein Inneres. Der Druck im Inneren dieser Sternenreste ist so hoch, dass Elektronen in die Atomkerne hineingedrückt werden und mit den Protonen zu Neutronen verschmelzen. Im Zentrum eines Neutronensterns gibt es demnach keine Atome mehr, sondern nur noch Neutronen – daher der Name.

Doch wie das Innere von Neutronensternen konkret beschaffen ist, darüber können selbst Astrophysiker nur spekulieren. Denn im Labor lassen sich die extremen Bedingungen im Neutronenstern-Inneren nicht nachstellen und auch die Zustandsgleichungen, die das Verhalten gängiger Materie unter verschiedenen Bedingungen beschreiben, sind für diese Sternenreste unvollständig. Deshalb existieren verschiedene physikalische Modelle, die versuchen, die Struktur von Neutronensternen zu beschreiben.

Vom Metallgitter zur Neutronen-Suppe

Gängiger Annahme nach besteht die Oberfläche eines Neutronensterns aus Atomen im metallischen Zustand: Die Atomrümpfe bilden ein dichtes Gitter, in dem sich die Elektronen frei bewegen – ähnlich metallischem Eisen. Schon wenige Meter unter der Oberfläche ist der Druck jedoch so hoch, dass immer mehr Elektronen mit den Atomkernen verschmelzen – es entstehen neutronenreiche Isotope.

Unterhalb von rund zehn Metern Tiefe bilden sich erste Bereiche, in denen sich die Atome ganz aufgelöst haben und nur noch Neutronen vorliegen. Der Anteil der freien Neutronen nimmt in dieser Schicht mit der Tiefe immer weiter zu. In ein bis zwei Kilometer Tiefe – am Unterrand der inneren Neutronenstern-Kruste – haben sich schließlich alle Atome aufgelöst. Die Materie liegt nun als eine Art „Neutronen-Suppe“ vor.

Supernova-Relikt Cassiopeia A
Die Abkühlung des zentralen Neutronensterns im Supernova-Relikt Cassiopeia A lieferte Hinweise auf den superfluiden Zustand im Inneren des Sternenrests. © NASA/JPL-Caltech/STScI/CXC/SAO

Superfluid und supraleitend

Was dies konkret für ihren Zustand bedeutet, haben Astrophysiker im Jahr 2011 mithilfe des jungen, nur rund 11.000 Lichtjahre entfernten Supernova-Relikts Cassiopeia A herausgefunden. Mithilfe von Daten des Röntgenobservatoriums Chandra ermittelten die Forschenden, dass sich dieser junge, noch sehr heiße Neutronenstern innerhalb von nur zehn Jahren um vier Prozent abgekühlt hatte. „Diese Temperaturabnahme erscheint zwar gering, ist aber wirklich dramatisch und überraschend zu sehen“, berichtete Dany Page von der Autonomen National-Universität in Mexiko.

Nach Ansicht der Astrophysiker ist eine so hohe Abkühlungsrate nur damit erklärbar, dass die Materie im Inneren des Neutronensterns in einem besonderen Zustand vorliegt – als superfluide Flüssigkeit. Aus dem Labor ist dieses Phänomen der Superfluidität nur bei bestimmten Helium-Isotopen nahe dem absoluten Nullpunkt bekannt. Die Flüssigkeit verliert dabei jede innere Reibung, kann aufwärts fließen und sogar vakuumdichte Behälter verlassen. Superfluide Flüssigkeiten aus geladenen Teilchen gelten zudem als perfekte Supraleiter.

Die schnelle Abkühlung des Neutronensterns von Cassiopeia A belegte erstmals, dass dieser exotische Materiezustand auch bei der extremen Hitze von fast einer Milliarde Grad Celsius auftritt, wenn der Druck entsprechend hoch ist. Demnach besteht das Innere eines Neutronensterns unterhalb seiner Kruste größtenteils aus einem superfluiden Neutronen-Bad, dem die wenigen verbliebenen Elektronen und Protonen supraleitende Fähigkeiten verleihen.

Doch das ist noch nicht alles…

Kosmische Ursuppe im Neutronenstern?

Rätsel um die „Quarksterne“

Wenige Sekundenbruchteile nach dem Urknall war das gesamte Universum von einer dichten „Ursuppe“ aus Quarks und Gluonen erfüllt – den elementaren Grundbestandteilen aller Materie. Erst als sich der Kosmos weiter abkühlte, banden die Gluonen – Trägerteilchen der starken Kernkraft – die Quarks in Zweier- und Dreierpaaren zusammen. Dadurch entstanden die ersten Protonen und Neutronen und damit die ersten Bausteine der Atomkerne.

Quark-Gluon-Plasma
Quarks und Gluonen lassen sich nur unter extremsten Bedingungen trennen, beispielsweise bei der Kollision schwerer Ionen im Teilchenbeschleuniger LHC. © CERN

Künstlich lässt sich ein vergleichbares Quark-Gluon-Plasma nur für extrem kurze Momente bei energiereichen Teilchenkollisionen erzeugen – beispielsweise im Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am Forschungszentrum CERN. Dort werden jeweils einige Wochen im Jahr schwere Blei-Ionen statt der sonst im LHC kreisenden Protonen beschleunigt und aufeinander geschossen. Bei diesen Kollisionen entsteht wenige Sekundenbruchteile lang ein Quark-Gluon-Plasma.

Quark-„Suppe“ auch im Neutronenstern?

Doch was hat all dies mit Neutronensternen zu tun? Ganz einfach: Astrophysiker diskutieren schon länger darüber, ob im Zentrum dieser Sternenreste nicht auch eine Art Quark-Gluon-Plasma existieren könnte. Denn bisher ist nicht genau bekannt, wie sich Neutronen unter den extremen Bedingungen des Neutronenstern-Inneren verhalten – Physiker sprechen hier von nicht ausreichend bekannten Zustandsgleichungen. Als Folge besteht die theoretische Möglichkeit, dass selbst die Neutronen unter dem ungeheuren Druck „schmelzen“ – wie kurz nach dem Urknall.

Damit dies geschieht, müssten die Neutronen im Zentrum eines solchen Neutronensterns so stark komprimiert sein, dass der Abstand zwischen ihnen einen Femtometer unterschreitet – was einige Astrophysiker durchaus für möglich halten. Unter diesen Bedingungen werden einige Neutronen instabil und zerfallen in ihre Quarks. Dafür sind allerdings enorme Energien nötig. Wenn es eine solche superfluide, überdichte Mischung aus Neutronen und Quarks gibt, kann sie daher nur im innersten Zentrum der Neutronensterne vorkommen.

Der schwerste bisher bekannte Neutronenstern, der rund 3.000 Lichtjahre entfernte Pulsar PSR J0952-0607 gilt als ein Neutronenstern, der geeignete Bedingungen für eine Quark-„Suppe“ in seinem Inneren bieten könnte.

Quarkstern
Der Theorie nach könnten Quarks und Gluonen auch im Zentrum spezieller Neutronensterne frei vorliegen, den Quarksternen. © CXC/M. Weiss

„Strange Matter“ und die Hypothese der Quarksterne

Doch es gibt eine noch exotischere Theorie: Einige Physiker vermuten, dass einige wenige Neutronensterne sogar zu Quark-Sternen werden – Objekten, die vom Kern bis an die Oberfläche aus freien Quarks bestehen. Unter normalen Umständen ist dies nicht möglich, weil der geringere Druck an der Oberfläche die Elementarteilchen sofort wieder zu Neutronen und Atomen kombinieren würde. Aber einer in den 1970er Jahren von den Physikern Arnold Bodmer und Edward Witten aufgestellten Hypothese nach lässt sich dieses Problem umgehen: durch die sogenannte „Strange Matter“.

Nach dieser Hypothese geraten die Up- und Down-Quarks der normalen Materie unter extremer Kompression so in Bedrängnis, dass sie gegen eine fundamentale Gesetzmäßigkeit zu verstoßen drohen: Es dürfen niemals zwei Quarks mit demselben Quantenzustand zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein. Doch wenn im Neutronenstern die Quarks so dicht zusammengepresst sind, dass sie zu überlappen drohen, würden sie dieses Pauli-Ausschluss-Prinzip verletzen.

Quarks
Im Standardmodell der Teilchenphysik gibt es sechs verschiedene Quarksorten und ihre jeweiligen Antiteilchen. © MissMJ/ gemeinfrei

Strange-Quarks als Dritte im Bunde

Stattdessen geschieht etwas Ungewöhnliches: Weil in Neutronen doppelt so viele Down-Quarks wie Up-Quarks vorhanden sind, beginnen sich nun einige Down-Quarks umzuwandeln. Sie werden zu schwereren Strange-Quarks. Als Folge besteht die Quark-Mischung nun aus drei statt nur zwei verschiedenen Sorten von Quarks. Das wiederum ermöglicht es den Teilchen, näher zusammenzurücken, weil nun die Chance auf ein verbotenes Überlagern von zwei gleichen Quarks sinkt – so jedenfalls besagt es die Strange-Matter-Hypothese.

Bisher ist strittig, ob es solche Quarksterne überhaupt geben kann. Sollte die Hypothese jedoch stimmen, dann könnte es Neutronensterne geben, die nicht aus Neutronen, sondern zum größten Teil aus Quarks der drei Sorten Up, Down und Strange bestehen. Solche Quarksterne wären noch dichter und kompakter als normalerweise möglich. Sie könnten daher bei gleicher Größe noch massereicher sein – oder wären umgekehrt bei gleicher Masse kleiner als normale Neutronensterne.

Wie könnte man Quarksterne identifizieren?

Damit gäbe es gleich zwei Möglichkeiten, Quarksterne aufzuspüren und von normalen Neutronensternen zu unterscheiden. Das erste ist ihre Masse: Weil Quarksterne durch die Präsenz der Strange-Quarks stabilisiert werden, liegt ihre Massenobergrenze höher. Findet man demnach einen Neutronenstern, der schwerer ist als rund 2,5 Sonnenmassen, müsste es um einen Quarkstern handeln. Denn ein normaler Neutronenstern wäre bei dieser Masse längst zum Schwarzen Loch kollabiert. Bisher steht der Nachweis eines so schweren Neutronensterns jedoch noch aus.

Die zweite Möglichkeit, einen Quarkstern zu identifizieren wäre seine Rotation: Ein normaler Neutronenstern kann nicht schneller rotieren als rund 2.000 Umdrehungen pro Sekunde. Wäre er schneller, würde die Fliehkraft Material von seiner Oberfläche ins All hinausschleudern und ihn zerreißen. Tatsächlich dreht sich der bisher schnellste bekannte Millisekunden-Pulsar mit „nur“ rund 700 Umdrehungen pro Sekunde.

Weil ein Quarkstern aber dichter und stabiler ist, könnte er eine schnellere Rotation aushalten. Würde man daher einen Pulsar entdecken, der die Grenze der Rotationsgeschwindigkeit überschreitet, könnte es sich um einen Quarkstern handeln. Allerdings: Auch solche Extrem-Rotierer suchen Astronomen bisher vergeblich. Ob es exotischen Quarksterne und ihre „Strange Matter“ überhaupt gibt, bleibt damit vorerst offen.