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Warum sind Ebbe und Flut nicht überall gleich stark?

Wissenswert

Ebbe © Harald Frater

In der Ostsee beträgt er lediglich um die 30 Zentimeter, in der Bay of Fundy an der kanadischen Küste kann er auch mal 15 Meter erreichen: Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut ist je nach Region alles andere als einheitlich. Doch warum machen sich die Gezeiten an manchen Küsten kaum bemerkbar, während sie an anderen unglaubliche Tidenhübe entwickeln?

„Dazu muss man sich zunächst vergegenwärtigen, wie die Gezeiten überhaupt zustande kommen“, erläutert Stephan Dick vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. Verantwortlich dafür ist vor allem die Anziehungskraft von Sonne und Mond, die auf die Erde und auch das Wasser in den Ozeanen einwirkt. Dadurch steigt das Wasser an einigen Stellen an und bildet einen Flutberg, an anderen Orten dagegen entsteht eine Senke. Weil sich die Erde in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht, verschiebt sich auch die Lage dieser Gezeitenwellen im Laufe der Zeit.

Wie stark die Gezeitenkräfte wirken, hängt vom Abstand der Himmelskörper, der Neigung ihrer Umlaufbahnen und auch davon ab, in welchem Winkel Sonne und Mond zueinander und zur Erde stehen. Liegen Sonne, Erde und Mond auf einer Linie, etwa bei Neu- oder bei Vollmond, kommt es zu den sogenannten Springtiden, bei denen die Flut besonders hoch steigt und die Ebbe besonders niedrig ausfällt. Stehen Sonne und Mond dagegen 90 Grad zueinander versetzt, tritt der gegenteilige Effekt ein und es kommt zu Nipptiden, also weniger stark ausgeprägten Gezeiten. Aber das allein erklärt noch nicht, warum an einigen Küsten immer meterhohe Fluten anlaufen, an anderen dagegen nie.

Große Ozeane reagieren stärker

„Das Wasser kann nicht überall gleich stark auf die Gezeitenkräfte reagieren“, sagt Dick. Deshalb seien Ebbe und Flut auch nicht überall gleich stark. Einer der wichtigsten Faktoren ist dafür die Größe eines Gewässers. „In großen Ozeanen können durch die Gezeitenkräfte leichter Wassermassen bewegt werden als in kleineren Meeren wie zum Beispiel der Ost- oder der Nordsee“, erklärt der Experte. Dass die Gezeiten an der Nordseeküste trotzdem ziemlich ausgeprägt sind, liegt an ihrer breiten Verbindung zum Atlantik: Die Gezeitenwellen aus dem großen Meer laufen in die kleinere Nordsee ein und verstärken so deren eigene Reaktion auf die Gezeitenkräfte.

Aber auch die Form der Küsten und auch des Meeresgrundes sind für Ebbe und Flut entscheidend. Sehr gut vorstellen kann man sich das am Beispiel von trichterförmigen Flussmündungen: Hier drückt die Gezeitenwelle das Wasser in ein immer schmaler und flacher werdendes Becken. Das Wasser staut sich auf und dadurch ist der Pegelstand am Ende des Trichters deutlich höher als an seinem Anfang.

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Resonanzeffekte des schwingenden Wassers verstärken die Gezeiten

„Besonders starke Auswirkungen gibt es, wenn die Topografie so beschaffen ist, dass das Wasser durch die Gezeitenkräfte in Resonanz gerät“, sagt Dick. Die Bay of Fundy in Kanada gehört zu diesen Meeresregionen: Hier schaukelt sich das Auf und Ab der Wassermassen so auf, dass die Bucht zwischen den Provinzen Nova Scotia und New Brunswick mit den größten bekannten Tidenhüben der Welt aufwarten kann. „Es gibt allerdings auch das Gegenteil – bei kleineren Meeren oder Seen mit ungünstigen Resonanzverhältnissen kommt es dann nur zu sehr kleinen Gezeitenbewegungen“, sagt Dick.

Auch das Wetter spielt für die Wasserstände eine beachtliche Rolle. Bläst etwa ein starker Wind vom Meer ins Landesinnere, schiebt er das Wasser Richtung Küste. Das kann fatale Konsequenzen haben: Erhöht der Sturm den Wasserstand genau dann, wenn ohnehin Flut herrscht, dann können daraus Sturmfluten entstehen, wie der Experte erklärt. Ein starker Wind vom Land aufs Meer hinaus kann dagegen auch zu einer extrem niedrigen Ebbe führen.

Bei einem derart komplexen System aus Gezeiten, Wind, Topographie und anderen Einflüssen ist eine genaue Vorhersage von Wasserständen naturgemäß schwierig. „Trotzdem“, sagt Dick, der beim BSH Referatsleiter für Vorhersagedienste ist, „sind unsere Vorhersagen dank genauer Analysen der Wasserstände und moderner Vorhersagewerkzeuge mittlerweile sehr gut.“

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