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Geowissen

Chemie im Erdmantel wichtiger als gedacht

Lage der Phasenübergänge nicht allein Temperatur- und Druckabhängig

Das Erdinnere gehört noch immer zu letzen unentdeckten Bereichen unseres Planeten. Jetzt hat eine im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Studie wieder einmal Neues enthüllt. Sie zeigt, dass die Prozesse im oberen Mantel, der Schicht, die sich bis in 660 Kilometer Tiefe erstreckt, nicht nur durch Temperatur und Druck, sondern auch durch chemische Faktoren beeinflusst werden.

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In den letzten Jahren hat sich das Bild der Geologen vom Inneren der Erde ziemlich radikal gewandelt: von der Vorstellung einer relativ gutmütigen, homogenen Umgebung hin zu einen hoch dynamischen und chemisch vielfältigen Umfeld. Heute sehen sie die Erde als lebendiges System, bei dem die Vorgänge tief im Inneren nicht isoliert ablaufen, sondern auch das beeinflussen, was sich an der Oberfläche abspielt, wie beispielsweise das Wandern und Kollidieren der Krustenplatten oder der Ausbruch eines Vulkans.

Konvektion komplexer als gedacht

Bisher wurde der Erdmantel dabei häufig mit einem einfachen Konvektionssystem verglichen: Wie in einem Topf mit kochendem Wasser steigen heiße Bereiche auf, beispielsweise an den mittelozeanischen Rücken, während kühlere absinken, wie an den Subduktionszonen. „Ein großer Teil der bisherigen Forschung zur Mantelstruktur hat abnormale seismische Beobachtungen immer als Folge thermischer Variationen angesehen“, erklärt Nicholas Schmerr von der Arizona State Universität. „Wir versuchen die Leute jetzt dazu zu bringen, dass sie vom Inneren der Erde nicht nur als thermisch unterschiedlich, sondern auch als chemisch unterschiedlich denken.“

In bestimmten Schlüsseltiefen des Erdmantels, das ist bereits seit langem bekannt, wird das Gestein zu noch dichterem Material zusammengepresst und verändert dabei seine Atomstruktur. So wandelt sich das dominante Mineral der äußeren Erdkruste, Olivin, in 410 Kilometern Tiefe in ein anderes Mineral namens Wadsleyit um. Noch tiefer, bei 520 Kilometern verändert sich dieses erneut und wird zu Ringwoodit, um dann schließlich bei 660 Kilometern Tiefe zu Perovskit und Magnesiowüstit zu werden. Diese Veränderungen in der Kristallstruktur der Minerale, als Phasenübergänge bezeichnet, sind abhängig von Temperatur und Druck. Daher variiert die Übergangstiefe jeweils mit den örtlichen Bedingungen.

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Grenzschicht auf Irrwegen

Der Forscher und sein Team nutzten für ihre Untersuchung die 500 Seismometer des USArrays, eines Netzes von Messgeräten, dass sich quer durch die USA erstreckt. Sie registrierten die von Erdbeben ausgesendeten Erschütterungen und vor allem die Reflektionen und Brechungen, die diese Wellen an den verschiedenen Phasenübergängen erfuhren. Der Schwerpunkt ihrer Messungen lag dabei auf der Beobachtung der Subduktionszone an der Westküste Südamerikas – dem Gebiet, in dem die ozeanische Kruste unter die kontinentale Platte gedrückt wird.

Bei seinen Untersuchungen des Mantels unter Südamerika entdeckte Schmerr, dass sich der 410 Kilometer-Phasenübergang hier nicht entsprechend der Theorie verhielt. Anstatt sich an der Subduktionszone empor zu wölben, bog die Grenzschicht scharf nach unten ab. Die absinkende ozeanische Krustenplatte unterschied sich auch chemisch von dem Mantelmaterial.

Für Schmerr ist dies daher ein Hinweis, dass genau diese chemischen Differenzen nicht die Ursache, sondern sogar die treibende Kraft für die Temperatur- und Druckunterschiede in diesem Gebiet sein könnten. „Wir sind nicht die ersten, die chemische Heterogenitäten im Mantel finden“, erklärt Schmerr. „Aber wir sind die ersten, die Wasserstoff und Eisen als entscheidende Faktoren sehen – und dies bei einer detaillierten Beobachtung über eine geographische Region, die mehrere tausend Kilometer umfasst.“

Wasserstoff oder Magnesium als Ursache

Wasserstoff aus dem Wasser des Meeres wird von den Mineralien der ozeanischen Kruste gebunden und an den Subduktionszonen mit in die Tiefe gezogen. Wenn die Krustenplatte die Phasengrenze bei 410 Kilometern Tiefe erreicht, beeinflusst die Wasserstoffmenge die chemische Umsetzung von Olivin zu Wadsleyit: Sie verringert die Dichte des Wadsleyits und führt dazu, dass sich dieses unter der 410 Kilometergrenze sammelt. Diese „Pools“ wiederum erzeugten in den seismischen Untersuchungen Schmerrs deutliche Signale.

Eine alternative Erklärung für das ungewöhnliche „Abbiegen“ der Tiefe des Phasenübergangs könnte der Transport von eisenarmen und magnesiumreichen, zuvor in Oberflächennähe aufgeschmolzenen Gesteinen in größere Tiefen sein. Denn eine Anreichung mit Magnesium macht Mantelmineralien stabiler und verschiebt damit den Phasenübergang nach unten.

“Jede der beiden Hypothesen könnte unsere Beobachtung einer tiefen Grenze unter Südamerikas Subduktionszone erklären”, so Schmerr. „Und beide Ideen basieren auf einer chemischen Heterogenität.”

(Arizona State University, 02.11.2007 – NPO)

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