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Medizin

Bluttest enthüllt unseren Chronotyp

Forscher identifizieren Biomarker für den individuellen Rhythmus der inneren Uhr

Eine Blutprobe genügt künftig, um den Chronotyp und die individuelle "Innenzeit" herauszufinden. © narith/ iStock.com

„Lerche“ oder „Nachteule“? Um den Chronotyp eines Menschen herauszufinden, waren bisher langwierige Hormon- oder Schlaflabortests nötig. Doch jetzt haben Forscher einen Bluttest entwickelt, der schnell und einfach den Status der inneren Uhr verrät – eine Blutprobe reicht. Möglich wird dies durch zwölf Biomarker, die je nach „Innenzeit“ unterschiedlich aktiv sind. Das Wissen um den Chronotyp könnte helfen, Medikamente zur jeweils günstigsten Zeit zu verabreichen, wie die Forscher erklären.

Unsere innere Uhr beeinflusst den Rhythmus zahlreicher Körperfunktionen – von Schlaf und Müdigkeit über die Immunabwehr, die Wundheilung und den Hormonhaushalt bis hin zum Sehvermögen und unserer Aggression. Doch nicht bei jedem Menschen tickt dieser innere Taktgeber gleich schnell: Genetische Faktoren sorgen dafür, dass die innere Uhr bei einigen Menschen dem 24-Stunden-Rhythmus hinterherhinkt. Diese „Nachteulen“ kommen morgens kaum aus dem Bett und finden abends nicht hinein. Bei Frühaufstehern dagegen „tickt“ die Uhr schneller – auch dafür sorgen Gene.

Ob jemand eine Lerche oder eine Nachteule ist, kann auch für die Medizin wichtig sein. Denn Studien zeigen, dass bestimmte Medikamente verschieden gut wirken – je nachdem, in welcher Phase des inneren Tageszyklus sie eingenommen werden. Doch den individuellen Chronotyp herauszufinden, war bisher aufwändig und alles andere als einfach.

Von 20.000 auf zwölf

Jetzt jedoch haben Achim Kramer von der Charité in Berlin und sein Team Biomarker im Blut identifiziert, die schon anhand einer Blutprobe den Chronotyp und damit die individuelle „Innenzeit“ verraten. Für ihre Studie entnahmen sie zunächst Probanden den ganzen Tag hindurch mehrfach Blut und bestimmten darin die Aktivität von rund 20.000 Genen.

Mithilfe eines lernfähigen Algorithmus gelang es den Forschern dann, aus dieser Fülle von Daten zwölf Gene zu isolieren. Wie sich zeigte, lässt sich an ihrer Aktivität ablesen, welche „Innenzeit“ gerade bei einem Probanden herrscht und ob er ein Frühaufsteher oder eine Nachteule ist. Dies funktioniert selbst dann, wenn die betreffende Person entgegen ihrem biologischen Rhythmus früh am Morgen von einem Wecker geweckt wird, wie die Forscher berichten.

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Ablauf des Tests: Aus einer Blutprobe (1) werden Zellen isoliert (2) und darin die Aktivität von zwölf speziellen Zeitgenen bestimmt (3). Ein Computeralgorithmus berechnet daraus den Stand der inneren Uhr (4). © Kramer/ Charité

Schnell und dennoch präzise

Auf Basis der zwölf „Markergene“ haben die Wissenschaftler einen einfachen Bluttest entwickelt, der zuverlässig und schnell den Chronotyp anzeigt. „Unser Assay benötigt nur einen kleinen Satz von blutbasierten Biomarkern und ist genau präzise wie der gegenwärtige Goldstandard, die Messung der Melatonin-Ausschüttung bei Dämmerlicht“, sagen Kramer und seine Kollegen. „Unser Test benötigt dafür aber weniger Zeit, Geld und Proben.“

Nach Ansicht der Forscher könnte ihr Test dazu beitragen, die medizinische Behandlung künftig gezielter auf den Chronotyp anzustimmen. „Eine solche Therapie unter Berücksichtigung der Tageszeit wurde bislang wegen einer fehlenden Diagnostik der Innenzeit selten angewandt“, sagt Kramer. „Wir denken, dass dieser erste objektive Test der Innenzeit dazu beitragen wird, dass die Tageszeit bei Therapie und Diagnose viel mehr an Bedeutung gewinnen wird.“

In klinischen Folgestudien wollen die Wissenschaftler nun die Wirksamkeit einer personalisierten Chronotherapie nachweisen. Hierzu wird die Therapie auf die individuelle Innenzeit der Patientinnen und Patienten abgestimmt. Kennt man das Zeitfenster, in dem ein Wirkstoff besonders effektiv ist, kann man die Wirkung der Behandlung so optimieren und gleichzeitig das Risiko von Nebenwirkungen verringern. (The Journal of Clinical Investigation, 2018; doi: 10.1172/JCI120874)

(Charité – Universitätsmedizin Berlin, 03.07.2018 – NPO)

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