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Archäologie

Türkei: „Wiege der Metallurgie“ war keine

Kupferschlacke aus der Steinzeit-Siedlung Çatalhöyük entstand wohl zufällig

Zeugnis einer Kupferverarbeitung oder Zufallsprodukt? Kupferhaltiges Relikt aus der Steinzeit-Siedlung Çatalhöyük. © Çatalhöyük Research Project

Sie galt als ältester Beleg einer gezielten Kupferverhüttung durch den Menschen. Doch nun hat sich vermeintliche Schlacke aus der rund 9.000 Jahre alten Steinzeit-Siedlung Çatalhöyük in Anatolien als zufällig entstanden entpuppt. Chemische und mikrostrukturelle Analysen des Materials ergaben: Das erzhaltige Mineral schmolz wohl nicht durch Menschenhand – stattdessen könnte ein Brand zu der nur oberflächlichen Verschlackung geführt haben.

Im Südosten Anatoliens entstand vor tausenden von Jahren eine der frühesten Großsiedlungen der Menschheit: Çatalhöyük. Die Relikte der jungsteinzeitlichen Stätte sind unter einem unscheinbaren Hügel verborgen, der für Archäologen immer wieder Überraschungen bereithält und interessante Einblicke in das Leben der ersten sesshaften Menschen ermöglicht.

Für Rätselraten sorgen dabei bis heute nicht nur viele der gefundenen Wandmalereien, darunter die möglicherweise älteste Karte der Welt. Auch die Rolle der Siedlung für die Geschichte der Metallgewinnung und -verarbeitung wird unter Wissenschaftlern heiß diskutiert: Wurde hier womöglich bereits vor 8.500 Jahren Kupfer geschmolzen?

Eine Wiege der Metallurgie?

Anlass zu dieser Vermutung gab in den 1960er Jahren ausgegrabene Kupferschlacke – ein Nebenprodukt, das beim Schmelzen erzhaltiger Gesteine und Mineralien entsteht. Der in einem Grab entdeckte Fund wird seitdem als potenziell frühester Beleg einer gezielten Kupferverhüttung durch Menschen im westlichen Eurasien gehandelt – und Çatalhöyük damit als eine mögliche Wiege der Metallurgie.

Blick über das überdachte Ausgrabungsgelände in Çatalhöyük © Çatalhöyük Project / CC-by-sa 2.0 us

Doch handelt es sich bei der Schlacke tatsächlich um Relikte eines Verhüttungsprozesses? Um das zu überprüfen, haben Miljana Radivojević von der University of Cambridge und ihre Kollegen den vermeintlichen Beweis noch einmal genauer untersucht. Ihre Analysen werfen nun ein neues Licht auf den Fund.

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Zufälliges Feuerereignis

Die Auswertung ergab, dass lediglich drei von fünfzehn analysierten Schlackefragmenten annähernd die chemischen und mikrostrukturellen Merkmale aufweisen, die für die Nebenprodukte früher Verhüttungsverfahren typisch sind. „Es zeigte sich schnell, dass die meisten Proben lediglich ‚halb-gebacken‘ waren. Das sprach gegen eine gezielte Erhitzung, sondern für ein eher zufälliges Feuerereignis, das auf die erzhaltigen Mineralien eingewirkt hatte“, sagt Radivojević.

Tatsächlich entdeckten die Forscher an der Fundstätte eindeutige Spuren eines Brandes, dessen Hitze zahlreiche im Boden verborgene Relikte in Mitleidenschaft gezogen hatte: Der in dem Grab zur Ruhe gelegte Körper war ebenso verkohlt wie weitere menschliche Überreste und Gegenstände in den oberen, bis zu 90 Zentimeter tiefen Schichten des Hügels.

Farbenreiche Bestattung

Was aber fingen die Menschen von Çatalhöyük mit dem Kupfererz an, wenn sie es nicht schmolzen? Und warum waren die Mineralien in einem Grab deponiert? Auch dafür haben Radivojević und ihre Kollegen eine Erklärung. Vermutlich, so ihre Theorie, war das Kupfererz wegen seiner blauen und grünen Farben beliebt und für bestimmte Rituale von Bedeutung.

Blaugrüne, kupferhaltige Pigmentreste in einem in Çatalhöyük entdeckten Grab. © Çatalhöyük Research Project

So deutet die Verteilung der Mineralien darauf hin, dass sie zum Teil zerstoßen und über den toten Körper gestreut wurden. Möglicherweise steckten sie auch in einem inzwischen zerfallenen Säckchen. „Durch die Verbrennung oder Verkohlung organischer Materialien in dem Grab entstanden leicht reduzierende Bedingungen, die dann bei einigen dieser Partikel zu einer oberflächlichen Verschlackung führten“, schreibt das Team.

„Errungenschaft aller modernen Kulturen“

„Die Erfindung der Metallurgie ist eine grundlegende Errungenschaft aller modernen Kulturen und hat sich wahrscheinlich wiederholt an unterschiedlichen Orten auf der Welt ereignet“, sagt Mitautor Thilo Rehren vom University College London. „Wir wissen jetzt aber, dass nicht jedes geschmolzene schwarze oder grüne Material, das bei einer Ausgrabung gefunden wird, zwangsläufig menschengemachte Schlacke im eigentlichen Sinne ist.“

„Nur mithilfe der Materialwissenschaften und guten archäologischen Funden lässt sich zwischen Abfällen gezielter Metallverhüttung und zufällig entstandenen Resten eines zerstörerischen Feuers unterscheiden“, ergänzt der Forscher. Eine Verbindung zwischen dem in Çatalhöyük gefundenen Material und den Anfängen der Metallurgie könne dank der neuen Ergebnisse nun endgültig ausgeschlossen werden, so das Fazit des Teams. (Journal of Archaeological Science, 2017; doi: 10.1016/j.jas.2017.07.001)

(University of Cambridge, 16.08.2017 – DAL)

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