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Umwelt

Verstädterung verschlingt wertvolles Ackerland

Bis 2030 schwinden 300.000 Quadratkilometer besonders fruchtbare Fläche

Die Millionenmetropole Guangzhou ist die größte Stadt am Perlflussdelta - Ballungsräume wie dieser werden nicht nur in Asien künftig weiter wachsen. © Chensiyuan/ CC-by-sa 4.0

Stadt schluckt Land: Der zunehmenden Urbanisierung wird in Zukunft weltweit etwa 300.000 Quadratkilometer besonders wertvolles Ackerland zum Opfer fallen. Wie nun Prognosen von Forschern zeigen, schwinden dabei ausgerechnet jene Flächen, die fast doppelt so fruchtbar sind wie der globale Durchschnitt. Besonders die rasant wachsenden Regionen in Asien und Afrika werden unter dieser Entwicklung leiden – und den Nahrungsmittelverlust regional womöglich nur schwer ausgleichen können.

Auf der Erde leben immer mehr Menschen und der Bedarf an Platz und Nahrung für die wachsende Bevölkerung steigt natürlich genauso rasant. Schon seit Jahrzehnten nehmen die Städte auf unserem Planeten immer größere Dimensionen ein, es entstehen mitunter wahre Megacities. Das Problem: Mit der Ausdehnung der urbanen Zentren schwinden zunehmend freie Flächen – darunter auch wertvolles Ackerland, das eigentlich dringend für die Ernährung der Weltbevölkerung benötigt wird.

Wohin wachsen unsere Städte?

Wissenschaftler um Christopher Bren d’Amour vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) haben nun berechnet, wie viel fruchtbare Fläche in Zukunft durch die weitere Ausdehnung von Städten verloren gehen wird. Dafür nutzten sie Prognosen der Yale University über die räumliche Entwicklung urbaner Zentren und verglichen diese mit Landnutzungsdaten der University of Minnesota und der University of British Columbia über die weltweit landwirtschaftlich genutzte Fläche und deren Ernteerträge.

Dabei interessierte sie nicht nur der gesamte Verlust an Anbauflächen, sondern auch, wie wertvoll die einzelnen gefährdeten Gebiete für die Nahrungsmittelproduktion sind. Deshalb berechneten die Forscher zusätzlich die aggregierte Produktion der 16 wichtigsten Nahrungspflanzen – unter anderem

Mais, Reis, Sojabohnen und Weizen.

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Ernährung für 300 Millionen Menschen

Das Ergebnis: Durch die rasante Expansion der Städte werden bis zum Jahr 2030 weltweit etwa 300.000 Quadratkilometer von besonders fruchtbarem Ackerland verloren gehen. Die globale Urbanisierung wird sich demnach ausgerechnet auf einer landwirtschaftlichen Fläche vollziehen, die fast doppelt so fruchtbar ist wie der weltweite Durchschnitt.

Dieses künftig wahrscheinlich verschwundene Ackerland hat nahezu die Größe Deutschlands. Das entspricht einer Fläche, die im Jahr 2000 fast vier Prozent des weltweiten Anbaus von Nahrungspflanzen möglich machte. Zum Vergleich: Von der Nahrungsmittelproduktion auf dieser Fläche könnten sich bei einem durchschnittlichen Kalorienverbrauch von 2.500 Kalorien pro Tag gut 300 Millionen Menschen ein ganzes Jahr lang ernähren.

China wird bis 2030 knapp 80.000 Quadratkilometer Ackerland verlieren. © MCC

Asien ist besonders betroffen

Besonders stark trifft die Entwicklung Asien. Auf dem Kontinent ist der absolute Anstieg der Stadtbevölkerung am stärksten und allein China wird der Analyse zufolge mit einem Viertel des globalen Verlusts von landwirtschaftlicher Fläche zu kämpfen haben, fast 80.000 Quadratkilometer. „Hotspots des Ackerlandverlusts liegen häufig in einem Flussdelta, etwa im Goldenen Dreieck des Jangtse bei Schanghai oder im Perlfluss-Delta bei Hongkong. Regional kann dieser Nahrungsmittelverlust nicht immer ausgeglichen werden“, sagt d’Amour.

Allerdings: Nicht überall in Asien wird der Verlust von Ackerland so schwerwiegend sein wie in China, berichten die Wissenschaftler. Das zeige das Beispiel Indien: „Vieles hängt von den individuellen Urbanisierungsdynamiken der Länder ab. In Indien vollzieht sich die Verstädterung langsamer und auf niedrigerem Niveau. Das spiegelt sich in unseren Resultaten wieder, die deutlich geringere Verluste prognostizieren“, so d’Amour.

Starke Verluste auch in Afrika

Ein weiterer Leidtragender der zunehmenden Verstädterung wird in Zukunft Afrika sein, der Kontinent mit den weltweit höchsten Urbanisierungsraten. Betroffen sind hier vor allem Nigeria sowie die ohnehin stark unter Hunger leidende Region zwischen Burundi und Ruanda beim Viktoriasee.

Auch in Ägypten schlägt die Urbanisierung den Forschern zufolge besonders zu Buche: Das Land könnte bis 2030 gut ein Drittel seines Ackerlandes verlieren. Zusätzlich wird die Situation dadurch erschwert, dass die Region des Nildeltas um Kairo voraussichtlich stark vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein wird. Diese vergleichsweise kleine Fläche ist aber für einen Großteil der landwirtschaftlichen Produktion des Landes verantwortlich.

Doch nicht nur Ägypten ist ein Beispiel dafür, dass Afrika neben der Ausdehnung der Städte zusätzlich mit dem Klimawandel zu kämpfen haben wird. Viele Länder seien für die Folgen der Erderwärmung besonders verwundbar, berichtet das Team. Zusätzlich sei es für die arbeitslose Landbevölkerung hier oftmals schwieriger, auf den urbanen Arbeitsmärkten Fuß zu fassen.

„Politische Entscheider am Zug“

Angesichts dieser Prognosen sehen die Forscher nun die Regierungen in der Verantwortung: „Politische Entscheider auf kommunaler Ebene sind jetzt am Zug: Stadtplanung ist inzwischen zur Weltpolitik geworden“, sagt d’Amours Kollege Felix Creutzig.

„Die Stadtplaner können dazu beitragen, dass besonders Kleinbauern nicht ihre landwirtschaftliche Lebensgrundlage verlieren. Dazu könnte eine raumeffiziente Urbanisierung beitragen, die vorhandene produktive Landwirtschaft bewahrt, aber auch weiterhin Kleinbauern den Zugang zum städtischen Lebensmittelmarkt ermöglicht“, schließt er. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1606036114)

(Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), 03.01.2017 – DAL)

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