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Psychologie

Die meisten von uns sind Neider

Unsere soziale Interaktion lässt sich in nur vier Typen klassifizieren

Wenn es um Kooperation oder Verweigerung geht, gehören die meisten Menschen zu einem von nur vier Persönlichkeitstypen. © Zoonar RF/iStock.com

Zu welchem Typ gehören Sie? Vor ein soziales Dilemma gestellt, erweisen sich die meisten Menschen als einer von nur vier Persönlichkeitstypen, wie ein Experiment enthüllt. Sie reagieren pessimistisch, optimistisch, neidisch oder vertrauensvoll. Die größte Gruppe bilden dabei die Neider: Zu ihnen gehören ein Drittel der Menschen. Nur zehn Prozent der Getesteten ließ sich nicht eindeutig in eine der vier Gruppen einteilen, so die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“.

Wenn es um unsere Persönlichkeit geht, nutzen Psychologen meist das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell, um uns zu charakterisieren. Dabei spielt eine Rolle, wie stark Charakterzüge wie Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus bei uns ausgeprägt sind. Doch weniger klar war bisher, ob es auch für unser Verhalten in einer ganz speziellen Situation ein Schema gibt – dem sozialen Dilemma.

In einem solchen Dilemma stehen wir beispielsweise bei der Frage, ob wir mit einem Menschen kooperieren sollen oder nicht. Diese Entscheidung wird davon beeinflusst, wie wichtig uns der eigene Gewinn ist, aber auch, für wie vertrauenswürdig und kooperativ wir unser Gegenüber halten. Angel Sanchez von der Universität Saragossa und seine Kollegen haben dieses Verhalten in mehreren Spielexperimenten untersucht.

Kooperation oder Ausstieg?

Für die Studie wurden 541 Probanden unterschiedliche Alters, Einkommens und Bildungsgrads zufällig zu Paaren zusammengestellt. In mehreren Durchgängen absolvierten sie dann jeweils verschiedene Varianten des klassischen Kooperationsdilemmas: Entscheiden sich beide für Kooperation, gewinnen beide. Wählt aber einer von beiden den Ausstieg, verliert er weniger als der zu vertrauensvolle Kooperierer.

Der Clou daran: Die Auswertung übernahmen nicht Psychologen, sondern der Computer. Ein Algorithmus prüfte für jeden Probanden, ob sich ein Muster in seinem Verhalten in den verschiedenen Spieldurchgängen zeigte. „Das ist wichtig, weil dann die Gruppierungen nicht etwas sind, was von uns Forschern aufgepfropft wurde“, sagt Sanchez.

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Je nach Typ entschgieden sich die Probanden in den verschiedenen Spieltypen (HG, SG, SH, PD) konsistent für entweder Kooperation ocer Ausstieg. © Sanchez et al / UC3M

30 Prozent sind Neider

Das Ergebnis: 90 Prozent der Probanden ließen sich anhand ihres Verhaltens einer von nur vier Persönlichkeitstypen zuordnen. „Unserer Ergebnisse sprechen dafür, dass sich die Mehrheit der Individuen durch nur wenige Typen beschreiben lassen: Neider, Pessimisten, Optimisten und Vertrauensvolle“, so die Forscher. Nur zehn Prozent entzogen sich dieser Kategorisierung.

Ein Drittel gehörte zu den Neidern: Ihnen war egal, wie viel sie gewannen, solange es mehr war als der Gegenüber. 20 Prozent waren Optimisten: Sie verließen sich darauf, dass der andere die beste Lösung für beide wählen würde. 20 weitere Prozent waren vertrauensvoll und wählten immer die Kooperation. Pessimisten stellten weitere 20 Prozent, sie rechneten immer damit, dass der andere sich für sie nachteilig entscheiden würde.

Reh oder Kaninchen?

Sanchez verdeutlicht diese Verhaltensmuster an einem konkreten Beispiel: Wenn zwei Menschen bei der Jagd kooperieren, können sie ein Reh erlegen – wenn sie Glück haben. Jagen sie allein, fangen sie zwar nur Kaninchen, diese sind ihnen aber sicher. Ein Neider wird sich immer für die Kaninchen entscheiden, weil er dann mindestens genauso viel oder mehr Beute machen kann wie sein Gegenüber, wie Sanchez erklärt.

Der Optimist wählt dagegen die Kooperation und das Reh, weil davon beide Partner profitieren. Der Pessimist entscheidet sich für das Kaninchen, weil er dann sicher sein kann, wenigstens irgendwas zu fangen. Der Vertrauensvolle entscheidet sich dagegen ohne große Überlegung immer für Kooperation.

Robuste, individuelle Klassifikation

Wie die Forscher erklären, ist diese klare Aufteilung in nur vier Typen überraschend – und sie widerspricht gängigen Theorien, nach denen der Mensch die Vorteile und Nachteile beider in solchen Entscheidungen rational abwägt. Statt wie angenommen in einem solchen sozialen Dilemma rein situativ zu entscheiden, spielt offenbar der Persönlichkeitstyp eine entscheidende Rolle.

„Diese Klassifikation ist so robust, dass wir über bloße Korrelationen hinaus jedem Individuum einen spezifischen Typ zuordnen konnten“, betonen Sanchez und seine Kollegen. Ein Neider wird demnach nahezu immer entsprechend seines Typs entscheiden. Diese Klassifikation sei darüber hinaus unabhängig vom Alter und Geschlecht.

Ob allerdings die Zugehörigkeit zu einem dieser vier Persönlichkeitstypen angeboren, erlernt oder beides ist, muss nun noch untersucht werden. (Scientific Advances, 2016; doi: 10.1126/sciadv.1600451)

(Universidad Carlos III de Madrid, 19.09.2016 – NPO)

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