Handys - Gefahr am Ohr?

Elektrosmog

Handy - Gefahr am Ohr? © IMSI MasterClips/Podbregar

Ein Leben ohne Handy? – Für viele ist das kaum mehr vorstellbar. Immer mehr Menschen wollen nicht mehr darauf verzichten, stets und überall erreichbar zu sein, die Branche boomt. Doch in die Freude über die schöne Welt der neuen Telekommunikation mischen sich zunehmend auch warnende Töne.

Von Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, sogar Krebs und Gedächtnisschwund ist die Rede. Und dies beileibe nicht nur in der Sensationspresse, auch in der Welt der Wissenschaft mehren sich die Bedenken.

Elektromagnetische Strahlung ist überall – in Zeiten moderner Technik gibt es kaum noch einen strahlenfreien Ort. Doch mit dem Siegeszug des Handys und anderer mobiler Kommunikationstechnologien wird der Elektrosmog immer dichter- und rückt uns immer näher.

Doch was ist dran an der Handy-Angst? Was sagen die wissenschaftlichen Daten? Ist alles nur Panikmache oder gibt es Grund zur Sorge?

Nadja Podbregar
Stand: 26.08.2000

Panikmache der Medien oder berechtigte Befürchtungen?

Angst vor unsichtbaren Wellen

Strommasten, Sendeanlagen, Mikrowellengeräte und jetzt auch Handys – die Liste der Geräte, die elektromagnetische Wellen aussenden, wächst – und mit ihr auch die Ängste. Die Vorstellung, von einem dichten Netz aus unsichtbaren und nicht spürbaren Wellen umgeben zu sein, von ihnen gar durchdrungen zu werden, löst bei vielen Menschen schon per se Befürchtungen aus. Doch wie begründet sind diese Ängste?

Mobil telefonieren © BfS

Sind Sensationsmeldungen wie „Das Mobiltelefon war schuld“ oder „Mann durch Handy getötet?“ nur Panikmache oder ist doch was dran an der Angst vor den schädlichen Strahlen aus dem Lieblingsspielzeug? Bisher scheiden sich an dieser Frage noch die Geister. Solange eindeutige und umfassende Erkenntnisse über die speziellen Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlung von Mobiltelefonen und – sendeanlagen fehlen, bleibt viel Raum für Spekulationen und Interpretationen.

Einige Experten, wie der neuseeländische Radiologe Neill Cherry, warnen davor, die bisherigen unklaren Ergebnisse als Entwarnung zu verstehen. Denn die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass zwischen der Einführung einer neuen Technologie und der Erkenntnis ihrer gesundheitlichen Folgen immer einige Zeit vergeht. Viele der heute bestehenden Grenzwerte und Schutzbestimmungen wurden erst beschlossen, nachdem gesundheitliche Folgen aufgetreten waren und weitere Untersuchungen nach sich zogen. Angesichts der Tatsache, dass viele Krankheiten wie beispielsweise Krebs, Latenzzeiten von einigen Jahren bis Jahrzehnten haben, könnte dieser Prozess der Erkenntnis uns demnach noch bevorstehen.

Andere Forscher wiederum – darunter natürlich vor allem Vertreter der Industrie – sehen in den verbreiteten Ängsten eine Art Selbstläufer: Einmal durch Medienberichte ins Gespräch gebracht, setze sich der Gedanke an eine mögliche Schadwirkung in der Bevölkerung fest, und führe so zu einer Übersensibilität. „Sagt der Welt, dass ein neues Produkt oder eine neue Technologie gefährlich sein könnte, und schon bald werden die ersten Leute auftauchen, die glauben, in ihr endlich den Schuldigen für den Tod eines Angehörigen oder die eigene Krankheit gefunden zu haben.“ lautet das verbreitete Credo.

Zwar gibt es sicher tatsächlich eine ganze Reihe von besonders Klagefreudigen, aber allzu oft werden berechtigte Klagen von Industrie und Unternehmen mit diesem Argument als unbegründet und lächerlich abqualifiziert. Dass viele der heute geltenden Schutzbestimmungen ihre Existenz gerade einigen solcher vermeintlich „grundlosen“ Prozessen verdanken, wird dabei offenbar nur zu gerne verdrängt…


Stand: 26.08.2000

Technik auf dem Vormarsch, Forschung im Verzug

Eine Klage mit Folgen?

Es geht um 800 Millionen Dollar und eine Grundsatzentscheidung. Wieder einmal. Und es geht um die strittige Frage, ob telefonieren mit einem Handy Krebs verursachen kann oder nicht. Während Experten in aller Welt noch versuchen, in unzähligen Studien und Gegenstudien eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist die Sache für den Amerikaner Chris Newman längst klar: Der heute 41-jährige Neurologe macht die Strahlung seines Mobiltelefons für den bösartigen Tumor hinter seinem rechten Ohr verantwortlich.

Täglich mehrmals hat der Arzt das Handy benutzt, um für seine Patienten jederzeit erreichbar zu sein. Und – davon ist er überzeugt – genau dies macht ihn nun selbst zum Patienten. Darum klagt er jetzt von den Mobilfunkfirmen Motorola und Verizon Communications die stattliche Summe von 800 Millionen Dollar als Schmerzensgeld ein. Die Klage des amerikanischen Arztes ist bei weitem nicht die erste ihrer Art, doch vielleicht könnte sie die erste erfolgreiche werden.

Auch in Deutschland ist seit der milliardenschweren Versteigerung der UMTS-Lizenzen die Debatte über mögliche Gesundheitsfolgen von Handys wieder aufgeflammt. Während die Betreiber der Mobilfunknetze beruhigen und abwiegeln, fordern Umweltverbände und -organisationen neue unabhängige Studien und mehr Gelder für die Forschung. „Es besteht dringender Nachholbedarf!“, so charakterisiert Bernd Rainer Müller, Strahlenexperte der Umweltorganisation BUND, die Situation.

In der Tat scheint es so, als wenn die Erforschung der möglichen Auswirkungen der rasanten Entwicklung der Technik bei weitem hinterherhinkt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in den Industrieländern nutzt bereits Mobiltelefone, und ihre Zahl steigt weiter rapide. Nach Schätzungen der Telekommunikationsindustrie wird es im Jahr 2005 weltweit mindestens 1,6 Milliarden Handynutzer geben – und damit verknüpft steigt auch der Bedarf an leistungsfähigen Sendeanlagen. Schon heute stehen allein in Großbritannien mehr als 20.000 Basisstationen, in den USA sind es knapp 100.000.

Demgegenüber wächst die Zahl der Untersuchungen, die sich umfassend mit den möglichen Auswirkungen dieser Entwicklung befassen, nur langsam. Und die Studien, die bisher durchgeführt wurden, darunter auch eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO – werden zum großen Teil von den Handybetreibern mitfinanziert. Eine wirklich unabhängige Grundlagenforschung im Bereich elektromagnetischer Strahlung existiert daher bisher kaum, konstatieren die Umweltverbände. Dennoch sind, so Eduard Bernhard, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), „schon jetzt vielfältige Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Organismen bekannt.“

Für die Umweltorganisationen grenzt es deshalb auch an sträflichen Leichtsinn, wenn in Deutschland eine neue Mobilfunktechnik wie das UMTS eingeführt werden soll, ohne dass zuvor ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit eindeutig sichergestellt wurde. Die Mobilfunkunternehmen sehen dagegen selbstverständlich keinerlei Grund zur Beunruhigung…


Stand: 26.08.2000

Strahlung ist nicht gleich Strahlung....

Was ist Elektrosmog?

Anfang der 80er Jahre tauchte es zum ersten Mal auf – das Schlagwort „Elektrosmog“. Seither ist der Begriff, der nicht ganz unbeabsichtigt Assoziationen mit Luftverschmutzung und Abgasen weckt und eine gewisse unterschwellige Bedrohung ausdrückt, zum festen Bestandteil der Umgangssprache geworden. Ausdrücken sollte er primär eines: die zunehmende „Verunreinigung“ der menschlichen Umgebung mit elektromagnetischer Strahlung.

Doch was heute ebenso landläufig wie griffig als „Elektrosmog“ firmiert, ist in Wahrheit ein Sammelsurium der verschiedensten Strahlungstypen mit jeweils speziellen Eigenschaften und Wirkungen. Ob es sich um das elektrische Feld eines Stromkabels, die Radiowellen eines Senders oder die kurzen Wellenpulse eines Mobilfunks handelt, alle beruhen auf dem selben Prinzip: der Schwingung von elektromagnetischen Teilchen. Ähnlich wie beim sichtbaren Licht sind es diese winzigen schwingenden Energiebündel, die dafür sorgen, dass Informationen übertragen, Licht und Farben zum Leuchten gebracht und Essbares erhitzt wird.

Obwohl damit alle Strahlen sozusagen zu einer Familie gehören, sind es gerade die Unterschiede, die die Erforschung ihrer biologischen Wirkungen so kompliziert machen. Denn Strahlung ist keineswegs gleich Strahlung. Ob die Wellen die neuesten Nachrichten bringen oder nur die Nahrung aufwärmen, entscheiden Wellenlänge und Frequenz der Schwingungen. Während die Wellenlänge die Größe einer Schwingung beschreibt, gibt die Frequenz an, wieviele Schwingungen pro Sekunde durchgeführt werden. Gemeinsam beschreiben sie den Energietransport der Strahlung.

Energiereiche Strahlung hat eine hohe Frequenz mit einer kleinen Wellenlänge, die „Energiebündel“ sind bei ihr dichter gepackt. Im Gegensatz dazu hat Strahlung mit niedrigem Energiegehalt geringere Frequenzen mit großen Wellenlängen. Die dadurch entstehenden sogenannten niederfrequenten Felder treten überall dort auf, wo elektrische Energie erzeugt, transportiert oder angewendet wird.

Alle Wellen zusammengenommen bilden heute gerade in den Ballungsräumen ein dichtes Netz, einen „Wellensalat“, dem man kaum entkommen kann. Und genau hier setzen auch die Probleme der Forscher ein, die die biologischen Auswirkungen der Strahlen untersuchen wollen. Denn so unterschiedlich die physikalischen Eigenschaften der Wellen dieses „Salats“, so unterschiedlich sind auch ihre Wirkungen auf Organismen…


Stand: 26.08.2000

Ein Who's Who der elektromagnetischen Strahlung

Wer strahlt wie – und wie stark?

Mikrowellengeräte

Die Mikrowelle nutzt hochfrequente Strahlung mit Frequenzen von 2,45 Gigahertz zum Erhitzen von Nahrung. Durch die schnellen Umpolungen der elektromagnetischen Felder fangen die Wassermoleküle in den Lebensmitteln an zu schwingen und produzieren dabei Wärme. Nach Angaben des BfS können zwar bei einigen Geräten leichte Leckstrahlungen an den Türritzen auftreten, dennoch soll „an den üblichen Aufenthaltsorten in der Umgebung der Mikrowellengeräte“ die Strahlung noch um das 1000fache unter dem gültigen Grenzwert liegen.

Mobilfunk

In der mobilen Telekommunikation stammt die Strahlung aus zwei unterschiedlichen Quellen: den Handys und den Basisstationen, die für die Übertragung und Weiterleitung der Daten sorgen.

Handys

Handy © IMSI MasterClips

Mobiltelefone senden nur relativ schwache Hochfrequenzstrahlung aus, ihre maximale Leistung liegt bei 0,5 bis zwei Watt, ihre Frequenzen zwischen 905 bis 959 MHz (GSM-900, D-Netz) und 1710 bis 1880 MHz (DCS-1800, E-Netz). In der Regel werden die Daten heute digital mithilfe von frequenzmodulierten und gepulsten Wellen übertragen. Obwohl die Stärke des elektromagnetischen Feldes mit der Entfernung zum Gerät rapide abfällt, reicht sie aus, um bei der typischen Telefonhaltung mit direkt ans Ohr gepresstem Hörer noch einige Zentimeter in den Kopf einzudringen. Deutlich weniger Strahlung bekommt derjenige ab, der mit einem „hands free“ Headset telefoniert, bei dem lediglich Mikrofone und Kopfhörer direkt am Schädel anliegen, das eigentliche Gerät sich aber am Gürtel oder auf dem Schreibtisch befindet.

Sendeanlagen

Die Basisstationen der verschiedenen Mobilfunkanbieter überziehen besonders die dicht besiedelten Ballungsräume mit einem immer feinmaschiger werdenden Netz. In Abständen von zum Teil nur hundert Metern senden und empfangen sie die ungezählten Datenpakete, die über die Pulse der elektromagnetischen Strahlung transportiert werden. Die Sendeleistung der Basisstationen liegt zwischen fünf und 40 Watt, meist sind sie auf Gebäuden oder Türmen montiert.

Da sie ihre Strahlung in horizontaler Richtung zwar breit streuen, aber in ihrer Höhe eng fokussiert sind, ist die Belastung in und an dem Gebäude direkt unterhalb einer solchen Sendestation meist eher gering. Die typischen Werte von Wohnungen in der Nähe von Basisstationen liegen bei 20 µW/m2, einem Bruchteil von Promille des geltenden Grenzwerts. Häufig ist der gesundheitsgefährdende Bereich von zwei bis fünf Metern direkt um die Antenne herum zusätzlich eingezäunt.

Radaranlagen

Radaranlage © BfS

Die von Radaranlagen zum Beispiel auf Flugplätzen abgegebene Strahlung hat eine Frequenz von rund 10 Gigahertz. Da mit steigender Frequenz die Eindringtiefe der Wellen in einen Körper abnimmt, gelangen die Radarwellen nur maximal einen Millimeter weit in die Haut hinein. Die Feldeinwirkungen im Umkreis der Radaranlagen sind in den öffentlich zugänglichen Bereichen meist gering, da die Hauptenergie nicht auf den Boden, sondern in den Luftbereich abgestrahlt wird. Übliche Verkehrs-Radargeräte, die auf Schiffen und im Straßenverkehr verwendet werden, sind – so das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) – auch in geringer Entfernung von einigen Metern gesundheitlich unbedenklich.

Fernsehsender

Sendeantennen von Fernsehsendern arbeiten im Frequenzbereich von 174 – 216 Megahertz (VHF-Band) und 470 – 890 Megahertz (UHF-Band). Bei Leistungen von 300 Kilowatt bis fünf Megawatt werden die Grenzwerte von zwei Watt pro Quadratmeter in einer Entfernung ab 75 Metern bei UHF und ab 150 Metern bei VHF-Anlagen eingehalten. In der Regel wird sowohl beim Bau einer neuen Anlage als auch bei den bestehenden Sendemasten die Einhaltung dieser Werte regelmäßig kontrolliert.

Radiosender

Je nach Sendefrequenz variiert die Schwingungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Strahlung zwischen 1,4 Megahertz (Mittelwelle), sechs bis zehn Megahertz (Kurzwelle) und 88 – 108 Megahertz (UKW). Die Leistungen der Sender sind ebenfalls von der Sendefrequenz abhängig: UKW-Sender haben nur eine relativ geringe Leistung von maximal 100 Watt, Mittelwellensender dagegen immerhin 1,8 Megawatt. Nach Angaben des BfS werden bei allen Sendeanlagen die jeweils gültigen Grenzwerte in 220 bis 350 Metern Abstand von der Antenne erreicht.

In Deutschland kontrolliert die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) seit 1992 in periodischen Abständen von vier Jahren bundesweit die Einhaltung der für die jeweiligen Antennen geltenden Grenzwerte. Das Monitoring soll sicher stellen, dass mit der Errichtung immer neuer Sendeanlagen sich die Strahlenmengen nicht doch irgendwann so konzentrieren, dass die höchstzulässigen Werte überschritten werden.


Stand: 26.08.2000

Das kleine Alphabet des Mobilfunks

Von A-Netz bis UMTS

A-Netz

Startete 1958 als erstes flächendeckendes öffentliches Funktelefonnetz Deutschlands. Über das 1977 abgeschaltete Netz wurden bis zu 11.000 Teilnehmer per Handvermittlung verbunden.

B-Netz

1972 als erstes Funknetz ohne Handvermittlung gestartet. Bis zu 26.000 Teilnehmer konnten direkt angewählt werden. Es gab spezielle Vorwahlnummern für 158 Aufenthaltszonen des Empfängers, die Geräte waren extrem teuer und unhandlich. Abgeschaltet 1994.

C-Netz

Seit 1984 als flächendeckendes analoges Netz in Betrieb. Deutschlandweit über eine einheitliche Rufnummer ansprechbar. Kein Senden oder Empfangen im Ausland möglich. Bisher 800.000 Teilnehmer.

Frequenz: 450 – 465 MHz, analoges Signal

Leistung des Handys: typischerweise bis 0,75 W

D-Netz

1992 gestartet. Sendet und empfängt gepulste digitale Signale. Seit 1995 flächendeckend in Deutschland, Versendung weltweit möglich, Servicedienste wie Mailboxen werden ebenfalls angeboten.

Frequenz: 890 – 960 MHz, digitales Signal, gepulst mit 217 Hz

Leistung des Handys: weniger als zwei W

E-Netz

Seit 1994 im Aufbau, bisher vorwiegend in den Ballungsräumen der Großstädte präsent. Sendet mit doppelter D-Netz-Frequenz aber geringerer Leistung. Eine größere Dichte von Sendeanlagen ist daher nötig, um ein Gebiet abzudecken.

Frequenz: 1710 – 1880 MHz, digitales Signal, gepulst mit 217 Hz

Leistung des Handys: ein W

UMTS

Die Abkürzung steht für „Universal Mobile Telecommunications System“. Mithilfe dieses neuen Systems soll sich die Datenübertragungsrate im Mobilfunk drastisch erhöhen. Beim Start der Technologie ab dem Jahr 2002 werden zunächst die schon bestehenden Netz-Infrastrukturen genutzt, später kommen eigene Anlagen dazu.

Frequenz: 1.950 und 2.150 MHz

Alle gängigen Handys liegen nach Angaben des BfS unter dem internationalen Grenzwert.


Stand: 26.08.2000

Wieviel Wärme ist zuviel?

Heiße Ohren…

Telefonieren kann nicht nur heiße Ohren, sondern auch ein heißes Gehirn machen – wenn man dabei ein Handy benutzt. Das jedenfalls haben Untersuchungen unter anderem des Bundesamtes für Strahlenschutz schon Anfang der 90er Jahre ergeben. Wie ist diese Erwärmung zu erklären?

Erwärmung der Kopfregion im Infrarotbild © BfS

Treffen elektromagnetische Wellen auf den Körper eines Menschen oder Tieres, dringen sie je nach ihrer Frequenz unterschiedlich weit ein: Sind es bei den langsamen Wellen eines Radiosenders im Mittelwellenbereich bis zu 30 Zentimeter, geht die Mobilfunkstrahlung mit ihrer bis zu tausend Mal höheren Frequenz dagegen nur wenige Zentimeter unter die Haut.

Einmal im Gewebe angekommen, wirken die Wellen vor allem auf die dort vorhandenen Wassermoleküle. Als elektrische Dipole – Moleküle mit einem positiven und einem negativen Ende – reagieren sie wie winzige Magneten und richten sich an der Polarität der elektromagnetischen Strahlung aus. Da aber diese bei hochfrequenten Feldern mehrere Millionen bis sogar Milliarden Mal in der Sekunde wechselt, reiben und stoßen sich die Wassermoleküle bei ihrer entsprechend schnellen Bewegung gegenseitig an – es entsteht Wärme.

Wie viel Wärme entsteht, hängt nicht nur von der Frequenz sondern auch entscheidend von den elektrische Eigenschaften und Strukturen des betroffenen Gewebes ab. Knochengewebe nimmt die Energie beispielsweise anders auf als gut durchblutetes Muskelgewebe. Dadurch kann auch in unmittelbarer Nähe eines Handys oder einer anderen Strahlenquelle die Absorptionswärme sehr ungleichmäßig verteilt sein. Bei Antennen von Mobiltelefonen sind es vor allem Auge oder Ohr, die am stärksten aufgeheizt werden.

Normalerweise kann der Körper ein Zuviel an Wärme ausgleichen: Es wird mehr Schweiß produziert, der beim Verdunsten kühlt und die Poren der Hautgefäße erweitern sich, so dass mehr Wärme über die Körperoberfläche abgegeben werden kann. Doch dieses System der Temperaturregulation hat auch seine Grenzen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine länger anhaltende starke Überwärmung den gesamten Stoffwechsel und das Nervensystem durcheinander bringen kann.

Viele chemische Reaktionen laufen beispielsweise bei Wärme schneller ab, die feine Abstimmung der einzelnen Stoffwechselschritte gerät dadurch aus dem Takt. Zu große Hitze im Augenbereich, so haben andere Untersuchungen ergeben, fördert die Entstehung von grauem Star und anderen Augenkrankheiten und auch die Entwicklung eines ungeborenen Kindes im Mutterleib kann durch Überwärmung gestört werden.

Aber wieviel Wärme ist zu viel? Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien legen nahe, dass eine Erhöhung der Gewebetemperatur um mehr als ein Grad Celsius möglichst vermieden werden sollte. Nach diesem Richtwert wurden auch die zur Zeit gültigen internationalen Grenzwerte festgelegt, die die Dauerbelastung deshalb auf maximal zwei Watt pro Kilogramm Körpergewicht begrenzen. Doch vielen Forschern sind diese Werte noch immer viel zu hoch. Sie sind davon überzeugt, dass die beim Mobiltelefonieren nachgewiesene „Hitzeinsel“ im Gehirn auch bei Werten unterhalb der Grenzwerte schon biologische Folgen haben kann.

Andere Forscher kontern jedoch mit dem Argument, dass sich schon bei einem schnellen Sprint eine Treppe hinauf das Gehirn weit stärker erwärmt, als bei einem Handytelefonat, der Körper also im Rahmen seiner natürlichen Temperaturregulation locker damit fertig werden müsste. Völlig unklar ist allerdings, ob der Körper auch so locker mit möglichen indirekten Effekten der Handystrahlung umgeht…


Stand: 26.08.2000

Zehntausend Skandinavier können nicht irren...?

Indirekte Wirkungen von Strahlung

1998 brachte eine skandinavische Studie frischen Wind in die Debatte. Angeregt wurde sie durch die immer wieder publik werdenden Einzelfälle von Menschen, die über Schwindelgefühle, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche nach Handybenutzung klagten. Ein Forschungsteam um Kjell Hansson Mild vom nationalen Institut für Arbeit und Medizin im schwedischen Umea wollte es genauer wissen und befragte daraufhin zehntausend norwegische und schwedische Handynutzer.

Risiko Handystrahlung? © MMCD

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich tatsächlich eine interessante Parallele: Mit steigender Dauer und Anzahl der Handytelefonate pro Tag stieg auch die Häufigkeit, mit der die Befragten über gesundheitliche Beschwerden klagten. Von den Personen, die nur maximal zwei Minuten am Tag mobil telefoniert hatten, berichteten sechs Prozent über Kopfschmerzen, bei denjenigen, die bis zu 15 Minuten pro Tag ihr Handy nutzten, stieg dieser Anteil auf zehn Prozent und bei den Vieltelefonierern mit mehr als 60 Minuten am Tag waren es sogar 22 Prozent, die von Kopfschmerzsymptomen betroffen waren. Auch bei den anderen untersuchten Symptome wie Müdigkeit, Schwindelgefühlen und Konzentrationsschwächen ergaben sich ähnliche, wenn auch nicht so deutliche Parallelen.

Aber bedeuteten diese Parallelen auch einen Zusammenhang? Für Kjell Hansson Mild und sein Team war die Antwort klar: Die neurologischen Symptome seiner zehntausend Versuchspersonen wiesen daraufhin, dass die Mikrowellenstrahlung des Mobilfunknetzes nicht nur kleine vermeintlich ungefährliche „Hitzeinseln“ im Gehirn produzierte, sondern darüber hinaus auch die Hirnfunktionen beeinflusst hatte.

Doch trotz ihres bisher unerreichten Umfangs sind die Ergebnisse der Studie umstritten. Da die erfassten Symptome von den Interviewern nur erfragt und nicht in irgendeiner Form gemessen werden konnten, spielte zwangsläufig die subjektive Wahrnehmung der Versuchspersonen eine sehr große Rolle. Kritiker weisen beispielsweise daraufhin, dass norwegische Handynutzer offenbar zweimal so häufig über Symptome klagten wie die schwedischen – sollten Norweger per se empfindlicher sein? Eine Erklärung könnte allerdings ein Blick in die Medienlandschaft der beiden Länder liefern: In Norwegen hatten die Medien das Thema „Krank durch Handy“ bereits mehrfach aufgegriffen, es war daher im öffentlichen Bewusstsein präsent, in Schweden hingegen nicht.

Auch die WHO wollte sich in der Frage nach neurologischen Effekten elektromagnetischer Strahlung nicht genau festlegen: In ihrem Bericht zu „Elektromagnetischen Feldern und der öffentlichen Gesundheit“ schließt sie zwar „andere Effekte bei der Nutzung von mobilen Telefonen, darunter Änderungen in der Gehirnaktivität, den Reaktionszeiten und dem Schlafverhalten“ nicht aus, bewertet diese Wirkungen jedoch als „klein und ohne offenkundige Gesundheitsfolgen“…


Stand: 26.08.2000

Wenn Handypulse die Zellkommunikation stören

Ist Calcium der Schlüssel?

Auch wenn die WHO noch keinen Grund zur Beunruhigung sieht, werden die Ergebnisse der skandinavischen Studie von 1998 von ähnlichen Untersuchungen deutscher Forscher eher bestätigt. Sie stellten fest, dass schon leichte Schwankungen in den atmosphärischen elektromagnetischen Feldern ausreichten, um bei Versuchspersonen Änderungen in der Reaktionszeit und im Schlaf-Wachrhythmus auszulösen. Und auch in Versuchen mit Affen, Katzen und Ratten beobachteten die Forscher, dass sich deren Hirnströme und Verhalten unter dem Einfluss von schwachen elektromagnetischen Feldern deutlich veränderte.

Aber wie waren diese Wirkungen zu erklären? Eine Antwort darauf könnten Susan Bawin und Ross Adey haben. Die beiden amerikanischen Wissenschaftler machten bereits 1974 eine wichtige Entdeckung: Sie stellten fest, dass elektromagnetische Strahlung, die, wie auch bei Handys üblich, gepulst und frequenzmoduliert war, den Transport von Calciumionen in und aus den Zellen beeinflusste.

Sprengkraft erhielt dieses Ergebnis vor allem aus der Tatsache, das Calcium nicht irgendein Stoff ist, sondern ein für die Kommunikation der Körper- und Nervenzellen entscheidendes Ion. Calcium dient dabei sowohl als Botenstoff zwischen den Zellen, als auch als entscheidender Signalgeber für wichtige Zellfunktionen.

Der amerikanische Forscher Carl Blackman wollte es genauer wissen, verfeinerte die Versuchsanordnungen von Bawin und Adey und wiederholte die Tests. Er fand Verblüffendes: Der Ein- und Ausstrom der Ionen veränderte sich keineswegs gleichmäßig mit steigender Strahlenbelastung. Bei ganz bestimmten Frequenzen und Temperaturen schien er besonders stark zu sein, bei dazwischen liegenden dagegen überhaupt nicht aufzutreten. Und das ganze bei Strahlendosen, die weit unterhalb jeder wärmeerzeugenden Intensität lagen, in einem Bereich, den man bisher immer für absolut ungefährlich und folgenlos gehalten hatte.

Eine Sensation? Vielleicht, aber auch dieses Ergebnis blieb nicht unumstritten. Mit den Ergebnissen konfrontiert, musste der WHO-Vertreter Michael Repacholi 1999 auf einer Konferenz zwar eingestehen, dass wohl tatsächlich auch extrem niedrige Strahlenmengen biologische Wirkungen auslösen können, von einer potentiellen Gesundheitsgefährdung wollte er jedoch nichts wissen…

Andere Forscher sehen allerdings keinerlei Grund für eine Entwarnung: Ein im Januar 1999 veröffentlichtes Paper berichtete von der entscheidenden Rolle, die Calcium für den programmierten Zelltod spielt. Diese sogenannte Apoptose sorgt als eine Art körpereigener Müllabfuhr dafür, dass kranke oder beschädigte Zellen absterben und entfernt werden. Schwache elektromagnetische Felder scheinen diesen wichtigen Prozess zu hemmen. Die Wissenschaftler in ihrem Bericht: „Die Störung des Zelltods könnte eine Erklärung dafür sein, warum magnetische Felder zwar nicht als solches mutagen wirken, aber dennoch die Rate der Mutationen und Tumore erhöhen können.“ Also doch Krebs durchs Handy?


Stand: 26.08.2000

Wechselbad widersprüchlicher Ergebnisse

DNA-Schäden durch Handystrahlung?

Kann Handystrahlung Krebs erzeugen? Diese entscheidende Frage versuchen Radiologen und Mediziner schon seit gut zehn Jahren zu beantworten – bisher ohne Erfolg. Inzwischen gibt es fast so viele unterschiedliche Ergebnisse und Interpretationen wie es Studien zu diesem Thema gibt. Hiobsbotschaften und Entwarnungen folgen einander in schnellem Wechsel.

DNA-Strang auf Oberfläche © University of Putra

Die bisher besorgniserregendste Meldung kam 1995 aus dem amerikanischen Seattle: Der Forscher Henry Lai und sein Team von der University of Washington hatten Rattengehirne mit niedrigen Dosen von Mikrowellen bestrahlt. Als Folge traten in den DNA-Strängen der Gehirnzellen zahlreiche Brüche auf – normalerweise ein typisches Anzeichen dafür, das die betroffenen Zellen einer stark krebserregenden Substanz oder starken Röntgenstrahlen ausgesetzt wurden. Würde sich dieses Ergebnis bestätigen, hieße das, dass auch schwache elektromagnetische Strahlung durchaus krebserregend wirken könnte.

Forscher in den USA und Belgien versuchten sofort, den sensationellen Befund mit eigenen Experimenten zu überprüfen – und kamen zu sehr gemischten Ergebnissen: Der Belgier Luc Verschaeve stellte fest, dass seltsamerweise nur die Mobilfunkfrequenzen bestimmter Handytypen regelmäßig Chromosomenschäden und DNA-Brüche produzierten, andere dagegen keinerlei schädliche Wirkungen zeigten. Der Radiologe Joseph Roti Roti von der Washington University in St. Louis erklärte 1999, er habe überhaupt keine Zellschäden beobachten können. Kritiker machen für dieses Ergebnis allerdings einen reichlich unmedizinischen Grund verantwortlich: die Studie wurde vom Handyhersteller Motola finanziert…


Stand: 26.08.2000

Noch immer keine Klarheit...

Tumor durchs Telefonieren?

Während über die Bedeutung der DNA-Studie noch immer gestritten wurde, sorgte 1997 schon die nächste Meldung für Aufsehen: Australische Forscher bestrahlten 18 Monate lang Mäuse eines besonders krebsanfälligen Stamms mit einer Strahlendosis, die dem von digitalen Mobiltelefonen entsprach.

Weder die Wissenschaftler selbst, noch der Koordinator der Studie, der WHO-Beauftragte Michael Repacholi, erwarteten sich davon besonders aufregende Ergebnisse, doch sie täuschten sich gewaltig: Nach Ende des Versuchs entwickelten die bestrahlten Mäuse mehr als doppelt so häufig Lymphtumore wie die unbestrahlte Kontrollgruppe.

Hatte man endlich einen stichhaltigen Beweis für die krebserzeugende Wirkung von Handystrahlung gefunden? Endgültige Klarheit konnte auch hier wieder nur die Reproduktion der Ergebnisse schaffen. Doch seither haben dies bereits drei andere Forscherteams versucht und sind gescheitert, ihre Tests bestätigten die Werte der australischen Forscher nicht.

Die WHO will mit einer endgültigen Aussage zum Thema Krebs und Handys warten, bis ein neuer Test der australischen Forschergruppe abgeschlossen ist. Repacholi dazu: „Wenn sie das Ergebnis von 1997 nicht wiederholen, wäre das ein glückliches Ende dieser Affäre.“ In ihrem offiziellen Bericht von 1999 betont die WHO zwar, dass „Strahlung von Mobiltelefonen und ihren Basisstationen wahrscheinlich keinen Krebs auslöst oder fördert.“, zitiert aber gleichzeitig die Ergebnisse der 97er Studie und weist auf noch andauernde Untersuchungen hin.

Das große Problem – nicht nur der WHO – ist die Tatsache, dass auch mit noch so vielen Daten, die gegen eine krebserzeugende Wirkung sprechen, niemals 100-prozentige Sicherheit herrschen kann. John Moulder, Strahlenbiologe des Medizinischen College von Wisconsin dazu: „Es gibt keine Methode, mit der man prüfen könnte, das etwas garantiert keinen Krebs auslöst. Wenn man oft genug vergeblich versucht hat, einen positiven Zusammenhang nachzuweisen, entscheidet man einfach irgendwann, dass es wohl ungefährlich sei muss.“


Stand: 26.08.2000