Klimawandel unter Beschuss?

Streit ums Klima

Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und es wird immer wärmer auf der Erde – die Anzeichen für einen Klimawandel könnten kaum deutlicher sein. Auch der 2001 veröffentlichte dritte Klimabericht des IPCC bestätigte erneut den Trend zur Erwärmung und warnte vor den möglichen Folgen. Fast alle Klimaforscher sind sich darin einig, dass der Mensch und seine Emissionen bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle spielt. Er scheint das irdische Thermostat immer weiter in die Höhe zu treiben.

Und doch gibt es eine Reihe von Skeptikern, die genau das bezweifeln. Ihrer Ansicht nach ist die Lage bei weitem nicht so eindeutig. Einige von ihnen sprechen sogar von der „Legende vom Klimawandel“ oder einer „Klimalüge“ und wollen weder eine Erwärmung noch gar eine Mitschuld des Menschen erkennen. Wer und was steckt hinter diesen „Klimaskeptikern“ und ihren Ansichten? Handelt es sich um bloße „Spinner“ oder sollte man ihre Einwände doch vielleicht ernst nehmen?

Nadja Podbregar
Stand: 20.04.2002

Der Klimawandel und seine Skeptiker

Heißer Kampf um heiße Luft

Noch in den 1960er Jahren erwarteten die Klimaforscher einen Wandel hin zu einer neuen Eiszeit. Später warnten sie vor einem nuklearen Winter nach einem Atomkrieg. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Erde eine Gefahr nicht von einer Abkühlung sondern von einer Erwärmung droht – einer menschengemachten oder zumindestens vom Menschen mit verursachten.

Eis aus dem All © NASA

Doch obgleich auch die neuesten Klimamodelle und -berichte noch immer beharrlich in Richtung eines steigenden globalen Thermometers tendieren, gibt es Menschen und Gruppierungen, die diesen Erkenntnissen nicht glauben wollen und lautstark und meist sehr medienwirksam ihre Zweifel artikulieren.

Das Spektrum ihrer alternativ vorgetragenen Ansichten ist allerdings ebenso bunt und unterschiedlich wie die jeweilige wissenschaftliche Expertise der Akteure: Die Spannbreite der Meinungen reicht dabei von der absoluten Leugnung einer messbaren Erwärmung und der Anzweiflung sämtlicher Messergebnisse über die Negierung eines Zusammenhangs zwischen anthropogenen Treibhausgasen und einer Erwärmung bis hin zur Ansicht, der Klimawandel sei nicht nur naturgemäß sondern auch ein Segen.

Ähnlich disparat sieht es aus, wenn man den Hintergrund der tatsächlichen und selbsternannten Experten betrachtet: Die wissenschaftlichen Qualifikationen reichen von Physikern über Ingenieure, Biochemiker und Raketentechniker bis hin zu ehemaligen Offizieren der britischen Handelsmarine. Zu den Kritikern gehören sowohl Angehörige oder ehemaligen Angehörige etablierter Forschungseinrichtungen oder angeblich unabhängig agierende Einzelkämpfer als auch eindeutig der Industrie nahestehende Gruppierungen.

So verschieden die Herkunft und Ansichten dieser „Klimaskeptiker“ in Einzelnen auch sind, zumindestens eines haben sie offenbar gemeinsam: Ihre Theorien und Aktionen scheinen allesamt darauf abzuzielen, die Glaubwürdigkeit der Klimaprognosen und Handlungsempfehlungen der Mehrheit der Klimaforscher und des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu untergraben.

Doch warum? Welches sind die Beweggründe für diesen teilweise verbitterten Kampf gegen die vermeintliche „Klimalüge“? Wer sind die Akteure? Und nicht zuletzt: Was sind ihre Argumente?


Stand: 20.04.2002

Fruchtbare Diskussion oder polemische Schlammschlacht?

Vergiftetes Klima

Was treibt die Skeptiker des Klimawandels? Ist es wissenschaftliche Ethik, ein echtes Interesse an der Wahrheit oder einfach nur die Freude an Polemik und Provokation? Die Art und Weise, in der die Debatte geführt wird, scheint manchmal eher auf das Letztere hinzudeuten. Und dies, obwohl viele Vertreter der „Pro-Klimawandel“-Fraktion durchaus einräumen, dass ihre Modelle und Kalkulationen noch Raum für Verbesserungen bieten.

Erde aus dem All © NASA

Auch James Hansen, Leiter des NASA Goddard Institute for Space Studies und einer der wichtigsten und renommiertesten Klimaforscher weltweit, sieht eine begründete Kritik als einen natürlichen und durchaus begrüßenswerten Bestandteil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses: „Wissenschaft gedeiht erst durch wiederholte Herausforderung jeder Interpretation.“

Doch die Klimaskeptiker tragen trotz dieser fast schon einladenden Aussprüche ihre Argumente interessanterweise nur selten in wissenschaftlichen Diskursen, Publikationen oder auf Tagungen vor. Stattdessen nutzen sie meist die Massenmedien oder das Internet als Plattform, um ihre Ansichten kund zu tun. Dabei zeichnen sich ihre Stellungnahmen und Kommentare – nicht immer, aber doch sehr häufig – durch eifernde Rhetorik, öffentlichkeitswirksame Polemik und teilweise fast schon verleumderische Anwürfe aus.

So spricht beispielsweise Al Caruba, ein amerikanischer Klimaskeptiker und bekanntermaßen industrienaher PR-Mann vom Klimawandel als dem „größten Schwindel des Jahrzehnts“ und John Daly, einer der prominentesten Vertreter der „Greenhouse sceptics“, unterstellt dem IPCC Panikmache und wirft ihnen „schlechte Wissenschaft“ vor. Der im deutschsprachigen Raum sehr umtriebige Peter Dietze bezeichnet die vor einem Klimawandel warnenden Klimaforscher abfällig als „IPCC-gläubige Gutmenschen und Planetenretter“.

Diese Art der Rhetorik wird vielerorts gerade von den Massenmedien mit Vorliebe aufgegriffen. Besonders in den ohnehin nicht sehr klimaschutzbegeisterten USA schwenkten viele Zeitungen auf die Linie der Skeptiker ein: In der Washington Post sah Michelle Malkin in den Appellen der Klimaforscher an die Bush-Administration ein „junk science“-Erbe der Clinton-Gore-Ära und das eigentlich seriöse Wall Street Journal kommentierte 1997 anläßlich der Entscheidung über das Kyoto-Protokoll: „Die Klimaschutzbefürworter scheinen geradzu vor Wut zu platzen, wenn jemand es wagt anzudeuten, dass die globale Erwärmung nur Theorie und nicht bewiesene Tatsache sein könnte.“

Viele der solchermaßen angegriffenen Klimaforscher reagieren jedoch weniger mit Wut als vielmehr mit Bedauern auf die Eskalation der Klimadebatte. Ihrer Ansicht nach leidet vor allem die Sache darunter. Hansen: „Die ganze Aufregung mag dazu beigetragen haben, der Debatte um die globale Erwärmung öffentliche Aufmerksamkeit zu sichern, sie hat aber nicht vermittelt, wo die tatsächlichen wissenschaftlichen Argumente und Probleme liegen.“


Stand: 20.04.2002

Die Oregon Petition

Masse statt Klasse…

Seit April 1998 zirkuliert ein Papier in den USA, das in wissenschaftlichen Kreisen für erheblichen Aufstand sorgte. Grundsatzartikel und Unterschriftensammlung zugleich, erklärte die „Oregon Petition“ nicht nur die Unschuld des Menschen am Klimawandel, sondern schien gleichzeitig zu beweisen, dass die steigende Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre sogar positive Auswirkungen unter anderem auf das Pflanzenwachstum weltweit haben würde.

Diesem scheinbar offiziell von der amerikanischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Artikel war ein Brief von Frederick Seitz, einem ehemaligen Präsidenten ebenjener Institution vorangestellt, in dem er Forscher aus dem ganzen Land aufforderte, sich mit ihrer Unterschrift gegen die falsche Theorie vom anthropogenen Klimawandel und die daraus resultierenden erheblichen negativen Folgen für Wirtschaft und Technologie einzusetzen.

Kleiner Schönheitsfehler der Petition: Sie stammte keineswegs von der Akademie der Wissenschaften, sondern vom Oregon Institute für Science and Medicine (OISM), einer von Paul Robinson, einem Chemiker und aktiven Klimaskeptiker gegründeten privaten Forschungseinrichtung. Von ihm stammte auch der beigelegte Grundsatzartikel. Und auch Frederick Seitz drückte in seinem Begleitbrief keineswegs eine von der Akademie geteilte Ansicht aus, wie diese sich beeilte klarzustellen.

Dennoch hatten bis Juni 2000, zumindestens nach Angaben des OISM, immerhin 19.000 Wissenschaftler unterschrieben. Für Fred Singer, einen prominenten Klimaskeptiker, stellt dies „die größte Opposition von renommierten Wissenschaftlern gegen den Versuch dar, Wissenschaft zu Gunsten einer politischen Agenda umzustürzen.“

Die schiere Menge der Unterzeichner sorgte dafür, dass die Petition und ihr Ergebnis in allen wichtigen Zeitungen und Zeitschriften der USA ausführlich besprochen wurde und auch die im Artikel dargelegten „Fakten“ als aus glaubwürdiger Quelle stammend zitiert wurden. Doch was war wirklich dran an dieser angeblich so breiten Opposition?

Nicht viel, wie sich nur allzu schnell herausstellen sollte: Recherchen ergaben, dass nur wenige der angeblich so qualifizierten Unterzeichner überhaupt Wissenschaftler waren und von diesen wiederum nur die allerwenigsten Physiker, Klimatologen oder Meteorologen.

Und auch die Verfasser des scheinbar so wissenschaftlichen Artikels waren weder von Fach, noch war der Artikel durch die allgemein übliche Praxis der Begutachtung durch Fachkollegen gegangen – auch wenn beides durch Aufmachung und Stil impliziert wurde. Raymond Pierrehumbert, Atmosphärenchemiker der Universität Chicago kommentiert empört: „Die Petition ist wissentlich irreführend gestaltet, um den Eindruck zu erwecken, der Artikel, der voller Halbwahrheiten ist, sei ein Nachdruck einer geprüften wissenschaftlichen Veröffentlichung.“

Ein Einzelfall? Leider nicht. Es fällt auf, dass viele – wenn auch nicht alle – der eifrigsten Klimaskeptiker ihre angebliche Qualifikation betonen und Wert darauf legen, als rein wissenschaftliche Gegenstimme anerkannt zu werden. Gleichzeitig erscheinen ihre Artikel so gut wie nie in den wissenschaftlichen Fachmagazinen und entziehen sich damit einer echten wissenschaftlichen Prüfung…


Stand: 20.04.2002

Die Global Climate Coalition

Mit aller Macht?

Während die Motive für die Initiatoren der Oregon Petition eher unklar bleiben, gab und gibt es einige Gruppierungen unter den Klimaskeptikern, die eindeutig – und auch mehr oder weniger offen – politisch-wirtschaftliche Ziele verfolgen. Eine der bekanntesten ist die Global Climate Coalition (GCC).

Logo der GCC © GCC

Diese 1989 von Vertretern der wichtigsten großen Industrieunternehmen und Ölkonzerne unterstützte Vereinigung lancierte 1997, kurz vor der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls, eine massive Kampagne gegen die weltweiten Klimaschutzbemühungen. In ihren Reden vor dem Kongress oder „beratenden“ Gesprächen mit dem damaligen Präsidenten und zahlreichen Medienauftritten fuhren die Vertreter der GCC dabei eine Doppelstrategie:

Zum einen versuchten sie, die offizielle Klimaforschung, wie beispielsweise von der IPCC vertreten, wissenschaftlich zu diskreditieren und die Glaubwürdigkeit der Klimaprognosen und -modelle zu erschüttern. Zum anderen aber schürten sie bewusst Ängste der amerikanischen Bevölkerung vor einem wirtschaftlichen Einbruch. In Kommentaren und auf Pressekonferenzen beschworen sie düstere Bilder von tausenden von Arbeitslosen, einer zusammenbrechenden Auto- und Erdölindustrie und einer durch die Verschwörung der Umweltfanatiker zu Grunde gerichteten USA herauf.

Ihre Kampagne zeigte Wirkung: Bis heute stehen die USA dem Klimaschutz ablehnend oder bestenfalls „lauwarm“ gegenüber, das Kyoto-Protokoll haben sie nach wie vor nicht ratifiziert. Und selbst heute, nachdem angesichts der sich mehrenden Hinweise auf eine Klimaerwärmung sich auch in den USA die öffentliche Meinung allmählich zu wandeln beginnt, erfolgen Zugeständnisse an den Klimaschutz eher zögerlich.

Der Trend geht hin zu alrternativen AntriebenImmerhin reagierten viele der großen Ölkonzerne wie BP und Shell und Automobilunternehmen wie Daimler Chrysler und General Motors auf den Meinungsumschwung in der Öffentlichkeit: Schon im Jahr 2000 waren fast alle von ihnen aus der Global Climate Coalition ausgestiegen – aus Angst um ihr Image.

Im Frühjahr 2002 schließlich verkündete die GCC offiziell ihre Auflösung – mangels Unterstützung. Ihr abschließender Kommentar: „Die GCC hat ihrer Bestimmung gedient und zu einer neuen Herangehensweise an das Problem der Klimaerwärmung geführt.“ – In der Tat: George W. Bush kündigte im Februar 2002 Klimaschutzziele an, die nicht nur weit hinter denen des Kyoto-Protokolls zurückbleiben, sondern sogar in den nächsten Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Treibhausgasemissionen führen könnten.

Statt wie ursprünglich vorgesehen die Emissionen bis 2010 um sieben Prozent des Bezugswerts von 1990 zu senken, will Bush Emissionen und Bruttoinlandsprodukt verknüpfen. „Im Endeffekt würde das bedeuten, dass die USA 2010 mindestens 35 Prozent mehr Treibhausgase produziert, als im Kyoto-Protokoll erlaubt“, erklärt Chris Flavon, Präsident des Worldwatch Instituts gegenüber dem New Scientist.


Stand: 20.04.2002

Die seriöse Seite der Kritik

Nicht nur Scharlatanerie

Doch natürlich wäre es zu einfach, in allen Klimaskeptikern automatisch Scharlatane, blindwütige Eiferer oder Industrielobbyisten zu sehen – auch wenn es in dieser „Nische“ verdächtig viele von ihnen zu geben scheint. Immerhin gibt es auch seriöse Klimaforscher, die Kritik an den Modellen, Interpretationen und Prognosen des IPCC äußern.

Solare Aktivität als Auslöser? © IPCC

Einer von ihnen ist Douglas Hoyt, Atmosphärenphysiker und Autor von immerhin 80 wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu solarer Strahlung und ihren Klimawirkungen. Er sieht seine Kritik in erster Linie als Anstoß und Regulativ, als integralen Bestandteil der normalen wissenschaftlichen Diskussion: „Jede neue Hypothese braucht ihre Kritiker, um die Dinge ehrlich zu halten, und das ist genau das, was ich hier tue“ , erklärt er.

Im Gegensatz zu vielen anderen Klimaskeptikern streitet er weder den Klimawandel als solchen ab, noch die Tatsache, dass auch anthropogene Einflüsse eine Rolle spielen könnten. Hoyts Ansicht nach sind jedoch weder die heutigen Modelle noch die Messungen, auf denen sie basieren, genau genug, um das tatsächliche Ausmaß des Klimawandels eindeutig festzustellen.

Mit dieser Ansicht steht Hoyt nicht allein da, räumen doch immerhin auch die Mitglieder des IPCC ein, dass Modelle, die das tatsächliche Klimageschehen der Erde in all seiner Komplexität simulieren können, erst in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten sind.

Bestätigt wird dies auch durch Klimaforscher wie Michael Schlesinger von der Universität von Illinois, der im März 2001 in der Zeitschrift Journal of Geophysical Research eine Studie veröffentlichte, nach der die von der IPCC vorhergesagte Temperaturspanne von 1,4 bis 5,8°C Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 54 Prozent über- oder unterschritten werden kann. Schlesinger: „Wenn das Klima sensibler reagiert, als die Obergrenze der IPCC es voraussieht, könnte der Klimawandel zu einem der gravierendsten Probleme des 21. Jahrhunderts werden. Liegen die Werte jedoch unterhalb der IPCC-Grenzen, wäre es keine große Sache.“

Unabhängig von der Diskussion um das Ausmaß des Klimawandels weicht Douglas Hoyt auch in der Zuordnung der Ursachen von der IPCC Linie ab: Er sieht sie eher in natürlichen als in anthropogenen Faktoren: „Die solaren Einflüsse können den größten Teil der Klimaerwärmung im 20. Jahrhundert erklären, aber es bleibt noch immer eine unerklärbare Resterwärmung von etwa 0,16°C, die den anthropogenen Treihausgasen zugeordnet werden kann.“ Schlesinger dagegen mahnt bei aller Skepsis: „Es könnte den guten Teil des Jahrhunderts dauern, bis wir genügend Beobachtungsdaten haben, um den Grad der Unsicherheit deutlich absenken zu können. Bis dahin allerdings könnte es längst zu spät sein, um noch etwas dagegen zu tun.“

Die Auseinandersetzung Hoyts und anderer seriöserer Wissenschaftler mit der IPCC findet im Unterschied zu vielen anderen klimaskeptischen Stimmen nicht nur in den Massenmedien sondern auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen statt und entzieht sich damit nicht der Bewertung und Diskussion durch Fachkollegen. Damit bieten ihre Argumente und Daten immerhin die Möglichkeit zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung und können vielleicht sogar dazu beitragen, das komplexe Klimageschehen immer besser zu verstehen.


Stand: 20.04.2002

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

Trendbarometer der Klimaforschung

Als im Sommer 2001 das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) seinen dritten Bericht zur Lage des Weltklimas abgab, war ihm die Aufmerksamkeit der Medien – und der Skeptiker – sicher. Das internationale Gremium gilt als der Expertenrat in Klimafragen schlechthin. Seine Berichte und Studien geben die entscheidenden Impulse und Empfehlungen für die internationale und nationale Klimapolitik.

Klimabericht der IPCC © IPCC

Und diese gehen in den letzten Jahren in der Regel alle in eine Richtung: Sie konstatieren, dass es wärmer wird auf der Erde, dass der Mensch durch seine Emissionen von Treibhausgasen höchstwahrscheinlich eine entscheidende Rolle dabei spielt und dass Klimaschutzmaßnhamen dringend nötig sind, um eine weitere Erwärmung zu verhindern. Und genau dieses reicht bereits, um sie in den Augen vieler Klimaskeptiker zu „Panikmachern“ und „Klimaverschwörern“ zu machen. Für die meisten Klimaforscher dagegen sind sie nicht nur eine anerkannte und qualifizierte Instanz, sondern auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Forschung und Politik. Doch was genau ist dieses Gremium? Wer gehört ihm an und was tut es?

Das IPCC wurde 1989 von der Meteorologischen Weltorganisation (WMO) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) ins Leben gerufen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass ein potentieller Klimawandel erhebliche globale wirtschaftliche und politische Folgen nach sich ziehen könnte, sollte dieses Gremium alle wissenschaftliche, technische und sozio-ökonomische Information sammeln und auswerten, die für die Einschätzung des Risikos nötig sei.

Aktiv für das IPCC tätig sind mehrere hundert bis 2.500 renommierte Klimaforscher weltweit. Sie führen dabei im Auftrag des IPCC keine zusätzlichen Forschungen durch oder überwachen klimatische Parameter, sondern werten in erster Linie die in der wissenschaftlichen Fachpresse erscheinenden Veröffentlichungen aus.

Die im Abstand von einigen Jahren veröffentlichten „Assessment Reports“ des IPCC fassen die neuesten Erkenntnisse und Prognosen zum Klimawandel zusammen und diskutieren dabei durchaus auch abweichende Modelle und Studien. Sie geben nicht nur den jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft wieder, sondern sind gleichzeitig auch eine Art Trendbarometer in Sachen Klimaforschung. Doch trotz aller geballten Sachkompetenz sind sich die IPCC-Vertreter ihrer Grenzen durchaus bewusst: Im jüngsten IPCC-Bericht ist ein ganzes Kapitel nur der Diskussion der Unsicherheiten und möglichen Fehlerquellen in den Klimamodellen gewidmet und Passagen dazu finden sich im gesamten rund tausendseitigen Werk.

Ungeachtet solcher Einschränkungen kommen die „Klimaweisen“ letztendlich jedoch zu einem eindeutigen Fazit: „Es gibt neue und stärkere Belege, dass die beobachtete Erwärmung der letzten 50 Jahre zum Großteil auf menschliche Aktivität zurückzuführen ist.“


Stand: 20.04.2002

Die Debatte und die Öffentlichkeit

Verloren im Dickicht der Argumente?

Klimaskeptiker machen nicht nur als Organisationen oder durch öffentlichkeitswirksame Auftritte auf sich aufmerksam, auch im Bereich der populärwissenschaftlichen Literatur florieren ihre Thesen und Theorien. Bücher wie „Hot Talk Cold Science“ von Fred Singer oder „Klimalüge?“ von Manfred Müller verkaufen sich bestens und erfahren durchaus starke Beachtung seitens der Medien.

Und gerade hier zeigt sich sehr deutlich eines der grundsätzlichen Probleme der Debatte: Wenn über einen bloßen Austausch von Polemik hinaus tatsächlich sachliche Argumente und konkrete wissenschaftliche Fakten diskutiert werden, ist deren Plausibilität oder Richtigkeit für den Laien kaum mehr festzustellen. Zu komplex und speziell sind die physikalischen, mathematischen oder statistischen Grundlagen der Prozesse und Modelle.

Um der Verständlichkeit willen werden die komplexen Hintergründe daher oft vereinfacht – mit der Gefahr einer willkürlichen oder unwillkürlichen Verzerrung oder Simplifizierung. Oder aber sie werden in voller Pracht und Komplexität präsentiert – um den Preis der Verständlichkeit. Noch häufiger aber bilden beide Möglichkeiten eine wilde Mischung, gewürzt mit meist mehr als nur einer Prise Polemik.

Selbst vorgebildeten Laien oder teilweise sogar Forschern „vom Fach“ fällt es unter Umständen schwer, diesen Wust aus Fakten, Fehlschlüssen und Behauptungen auseinander zu sortieren – kein Wunder, dass ein „nicht vorbelasteter“ Leser hier kaum Chancen hat, durchzublicken.

Der Klimaforscher und Atmosphärenphysiker Charles Keller vom Los Alamos National Laboratory der USA hatte sich 1998 bereit erklärt, zu dem vom Klimaskeptiker Fred Singer veröffentlichten Buch „Hot Talk Cold Science“ in einer öffentlichen Diskussion Stellung zu nehmen. „Ich war auf den enormen Arbeitsaufwand nicht vorbereitet, der nötig war, um erst zum eigentlichen Kern von Singers Einwänden vorzudringen und dann darauf zu entgegnen“, erklärt er hinterher und fährt fort: „Diese Auseinandersetzung gab mir einen Eindruck, wie nahezu unmöglich es für den interessierten Laien sein muss, zu erkennen, wie falsch oder irreführend die Argumente sind.“


Stand: 20.04.2002

Die Ansatzstellen der Klimaskeptiker

Kritik auf allen Ebenen

Betrachtet man die Argumente der „Klimaskeptiker“, fällt auf, dass ihre Kritik auf ganz unterschiedlichen Ebenen ansetzt: Die einen bezweifeln schon die Korrektheit der Temperaturmessungen und damit auch meist die Existenz einer wie auch immer gearteten Klimaerwärmung. Zu ihnen gehören auch der Klimatologe Douglas Hoyt oder der vor allem im Internet sehr umtriebige John Daly.

Atmosphärische Wechselwirkungen © MMCD

Andere, wie die Global Climate Coalition und andere vor allem wirtschaftlich motivierte Gruppierungen, halten zwar die Messungen im Großen und Ganzen für korrekt, bemängeln aber die Unsicherheit der darauf basierenden Modelle und Prognosen und halten sie für zu ungenau, um eindeutige Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Wieder andere halten eine globale Erwärmung durchaus für wahrscheinlich, kritisieren aber die Interpretation der Daten: Im Gegensatz zum IPCC sehen sie keinen Zusammenhang zwischen steigender Kohlendioxidkonzentration der Atmosphäre und Temperaturanstieg. Sie favorisieren eher natürliche Ursachen und sehen die Erwärmung als Teil eines normalen Klimazyklus. Dazu gehören der amerikanische Buchautor Fred Singer und der deutsche Geologe und ehemalige Leiter des Geologischen Landesamtes von NRW, Peter Neumann-Mahlkau.

Und zu guter Letzt gibt es tatsächlich auch einzelne Gruppierungen, darunter die Greening Earth Society, die sowohl den Klimawandel als auch seine anthropogene Ursache mehr oder weniger akzeptieren, darin aber nur Positives entdecken können. Das zusätzliche CO2 in der Atmosphäre ist, so behaupten sie, nicht Fluch sondern sogar Segen, da es das Pflanzenwachstum anregt und so höhere Erträge garantiert. Und auch für die Tierwelt sei das dann ja nur von Vorteil – kurzum, der Klimawandel könnte geradezu paradiesische Zustände bescheren – wenn man ihm nur freien Lauf lassen würde…


Stand: 20.04.2002

Die Kritik an Messungen und Messstationen

Zahlenspiele…

Die erste Stufe der Kritik der Klimaskeptiker setzt schon an der Basis der Modelle und Prognosen an: den Temperaturmessungen. Hier eine kurze Gegenüberstellung der wichtigsten Positionen. Die unter „Einwand“ zusammengefassten Ansichten sind vor allem aus Veröffentlichungen von Douglas Hoyt, Vincent Gray und Fred Singer entnommen, die unter „Entgegnung“ subsummierten Entgegnungen stammen in erster Linie von James Hansen (GISS), Charles Keller (LANL), dem Global Hydrology & Climate Center (GHCC) der NASA und aus dem Bericht der IPCC von 2001.

Verteilung und Qualität der Messstationen

Einwand:

Die so genannten „globalen“ Messungen sind in Wirklichkeit keineswegs global. Sie haben, wenn es hoch kommt, in den 1960er Jahren 40 Prozent des Globus erfasst, ihre Dichte ist aber auf nur noch rund 20 Prozent in den letzten Jahren gesunken. Besonders in Gebieten der ehemaligen Sowjetunion und in ländlichen Bereichen wurden aus Geldmangel zahlreiche Stationen geschlossen, die Messdaten verschieben sich so global zu Gunsten der Stationen in „reichen“ Ländern und urbanen Gebieten.

Besonders in Ländern der dritten Welt oder der ehemaligen Sowjetunion erfüllen die Klimamessstationen außerdem oft nicht die Qualitätskriterien. Ungenügende Wartung oder mangelnde Sorgfalt bei der Ablesung können die Werte höher erscheinen lassen als sie tatsächlich sind. Auch eine sich im Laufe der Jahre verändernde Vegetation nahe der Station kann beispielsweise zu stärkerer Abschirmung vor Wind oder Kälte führen und so eine langsame Erwärmung suggerieren.

Entgegnung:

Um Unterschiede in der Verteilung der Messstationen auszugleichen, nutzen die Modelle nicht einfach nur die Daten aller vorhandenen Stationen, sondern der Globus wird in ein virtuelles Gitter mit einer jeweiligen Kantenlänge von 5°x5° eingeteilt. Für jede dieser Boxen wird pro Zeitpunkt nur ein Wert genutzt, der sich wiederum aus den Durchschnitten der innerhalb dieser Fläche befindlichen Stationen zusammensetzt. Das Datennetz des NASA GISS umfasst damit immerhin 8.000 Einzelregionen, das des Climate Research Unit in Großbritannien immerhin noch 2592. In die von der IPCC diskutierten Modelle flossen alle Ergebnisse der verschiedenen Netze mit ein.

Eine direkte Entgegnung auf die Kritik an der Sorgfalt und Qualität der Messungen findet sich bei der IPCC oder bei der NASA allerdings nicht.


Stand: 20.04.2002

Weitere Kritik an Messungen und Messstationen

Hitzeinseln und Satellitendaten

„Heat Island“-Effekt, Urbanität

Einwand:

Städtische Gebiete wirken als Wärmeinseln. Die Steinoberflächen von Straßen oder Gebäuden heizen sich tagsüber stärker auf als beispielsweise Vegetation und geben die gespeicherte Wärme nachts an die Umgebung ab. Da viele Messstationen in urbanen Gebieten stehen, weil sie dort leichter erreichbar sind und ihr Unterhalt damit billiger ist, werden ihre Messungen durch die Stadtwärme künstlich erhöht. Ein Indiz für diesen Effekt ist auch die geringer gewordene Spanne zwischen Tages- und Nachttemperaturen.

Entgegnung:

Urban heat - Effekt © MMCD

Eine neuere Studie, die die Werte von 7.280 Stationen auf Urbanitätseffekte hin kontrollierte, belegt, dass dieser Effekt auf globaler Ebene relativ vernachlässigbar ist. In der Regel liegt die globale Temperaturerhöhung durch die Wärmeinseln der Städte um eine ganze Größenordnung niedriger als die beobachteten Temperatureffekte. Die verringerte Spanne zwischen Tages- und Nachttemperaturen führt das IPCC nicht auf urbane Effekte sondern vor allem auf der Nordhalbkugel auf einen seit 1950 zunehmenden Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre und damit verbunden eine stärkere Bewölkung zurück.

Diskrepanz zwischen Satelliten- und Bodenmesssdaten

Einwand:

Die seit 1979 ergänzend durchgeführten Temperaturmessungen aus dem Orbit durch die Satelliten des „Microwave Sounding Unit“ (MSU) sind verlässlicher als die von Messstationen am Boden ermittelten Daten. Im Gegensatz zu den Bodenmessungen zeigen sie jedoch keine Temperaturerhöhung für die untere Troposphäre (0.7 km) sondern sogar einen leichten (0,05°) Abwärtstrend. Weil aber Treibhausgase vornehmlich in der Atmosphäre wirken, müsste der Klimawandel gerade dort am stärksten nachweisbar sein.

Entgegnung:

SatelllitenmessungIn der Tat zeigen die Satellitenmessungen für die untere Troposphäre keine eindeutige Erwärmung und widersprechen damit den Klimamodellen, nach denen gerade dort die stärkste Erwärmung zu erwarten sein müsste. Die IPCC geht zur Zeit davon aus, dass dieses Ergebnis aber keinen Widerspruch zur globalen Erwärmung darstellen muss. Eine Studie von 1999 zeigte, dass sich der Schwund der Ozonschicht und die durch einige große Vulkanausbrüche in die Atmosphäre geschleuderten Aerosole abkühlend auf die Temperaturen in der unteren Stratosphäre und sogar der mittleren Troposphäre auswirken können. In jedem Fall waren die Experten von NASA und IPCC allerdings gezwungen festzustellen, dass die atmosphärische Schichtung wohl doch komplexer ist, als zuvor angenommen und das noch einiger Forschungsbedarf herrscht.


Stand: 20.04.2002