Vom Geschenk der Götter zum Umweltkiller

Tabak

Tabakanbau © Carolyn Merchant

Als Christoph Columbus 1492 in Westindien als erster Europäer auf Tabak stieß, hielten die Ureinwohner die Pflanze noch für ein Geschenk der Götter.

Heute sterben nach Schätzungen der WHO weltweit jährlich fünf Millionen Menschen an den Folgen des Tabakgenusses, 2020 werden es vermutlich schon doppelt so viele sein.

Doch längst ist es nicht mehr allein das Rauchen, das den Wissenschaftlern Sorgen macht. Auch der Tabakanbau gerät in den letzten Jahren immer mehr ins Zwielicht. Pestizide, extremer Düngemitteleinsatz und vor allem die im großen Maßstab betriebene Vernichtung des Tropenwaldes für immer neue Plantagen machen den Tabak-Boom zu einer Gefahr für Mensch und Umwelt.

Dieter Lohmann
Stand: 12.06.2003

Tabak verändert die Welt

Zwischen Kult und Kahlschlag

„Ich gehe meilenweit für eine Camel Filter“ – Den Clip mit dem braungebrannten Abenteurer, der seine Lederstiefel durchgelaufen hat, nur um an seine Lieblingszigarette zu kommen, kannte in den 1970er und 1980er Jahren jedes Kind. Auch die Cowboys aus dem Marlboro Country oder das HB-Männchen erreichten Kultstatus.

Zigarretten © National Cancer Institute

Die schillernden Werbeprodukte sorgten für ein Zigarrettenimage, bei dem Rauchen eine Garantie für Spaß, Abenteuer und Lebensfreude war. Wen kümmerte es da schon, dass der Lustraucher aus der Camel-Reklame schon bald an Krebs verstarb und Mediziner – meist mit erhobenem Zeigefinger – vor den Folgen des blauen Dunstes warnten. Der Run auf die Zigaretten war nicht mehr aufzuhalten. Heute werden jährlich 5,5 Billionen Zigaretten weltweit produziert und konsumiert. Dazu kommen noch andere Tabakerzeugnisse wie Zigarren, Zigarillos oder Pfeifentabak.

Doch dieser Boom blieb nicht ohne Folgen. So beklagt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass mittlerweile jährlich fünf Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens sterben. Tendenz stark steigend: 2020 könnten es nach UNO-Schätzungen bereits doppelt so viele sein. Und auch die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens explodieren. Allein in Deutschland belaufen sie sich auf mindestens 40 Milliarden Euro.

Das Stigma „Rauchen gefährdet ihre Gesundheit“, das man heutzutage auf jeder Zigarettenschachtel nachlesen kann, ist jedoch längst nicht der einzige schwarze Fleck auf dem Hochglanzimage des Tabaks.

Brandrodung © IMSI MasterClips

„Plantagen statt Tropenwald“ – so lautet das Motto vieler Tabakbauern bei dem Versuch, genügend „Rohmaterial“ für Zigarettenkonzerne wie Philipp Morris oder Reynolds bereit zu stellen. Mit Feuer, Axt und Motorsäge schlagen sie tiefe Schneisen in die ohnehin bedrohten Waldgebiete in den Tropen und Subtropen, nur um Platz für immer neue Tabakfelder zu machen. Wie die Umweltorganisation „Rettet den Regenwald“ in ihrem Report 2003 berichtet, stammen heute bereits knapp 80 Prozent der Tabakernte aus Entwicklungs- oder Schwellenländern, die auf diese Rohstoffeinnahmen dringend angewiesen sind.

Doch nicht nur der Kahlschlag, der die grünen Lungen der Erde zu Wüsten mutieren lässt, macht Mensch, Natur und Klima arg zu schaffen. Pestizide und andere Gifte sowie Unmengen an Düngemitteln gehören zum Tabakanbau fast überall dazu und gefährden die Arbeiter auf den Feldern, aber auch Boden und Grundwassser.


Stand: 12.06.2003

Die Kulturgeschichte des Tabaks

Von der rituellen Pflanze zum Heilmittel

Tabakpflanze © ARS/USDA

Tabak gehört zu den ältesten Nutzpflanzen der Welt. Schon lange vor der Blütezeit der ersten menschlichen Hochkulturen in Mesopotamien oder Ägypten begannen die Ureinwohner Amerikas um 6.000 vor Christus das Gewächs gezielt anzubauen. Zwar sollte es danach noch einige Zeit dauern, bis sie die Pflanze auch als Rausch- und Genussmittel entdeckten, doch für religiöse und rituelle Zwecke wurde das Nachtschattengewächs bereits früh genutzt. Erst um Christi-Geburt – so weiß man heute – kamen schließlich auch andere Verwendungszwecke in Mode: Die Indianer fingen an, Tabak zu rauchen oder per Einlauf zu „genießen“.

Nach Europa und auf alle anderen Kontinente der Welt kam der Tabak erst viel später. Christoph Columbus, der legendäre genuesische Seefahrer soll es gewesen sein, der die ersten Tabakpflanzen in die alte Welt brachte. Im Rahmen von Entdeckungstouren auf den Westindischen Inseln kam er im Oktober 1492 auch auf die heutige Insel Kuba, wo er laut Tagebuch auf Indianer „mit einer kleinen glimmenden Stange aus einem Kraut“ traf, deren Rauch sie inhalierten.

Um an den so begehrten blauen Dunst zu gelangen, benutzten die Einheimischen ein auf den ersten Blick merkwürdiges, aber sehr effektives Verfahren. Während man ein extra dafür angefertigtes Rohr in Y-Form mit dem einen Ende in den brennenden Tabak hielt, wurde der Rauch mithilfe der beiden anderen Ausgänge über die Nasenlöcher tief in die Lunge inhaliert. Das Rauchen hatte damals vor allem rituellen Charakter und durfte fast ausschließlich von Priestern oder Medizinmännern praktiziert werden. Der Tabak galt als Hilfsmittel, um mit ihnen in Kontakt zu treten.

Karikatur © National Cancer Institute

Columbus jedenfalls war vom Tabak beeindruckt und nahm einige Pflanze mit auf die Heimreise nach Spanien. Einmal in Europa angekommen ließ der Siegeszug der Tabakpflanze zunächst auf sich warten. Die ersten Exemplare landeten als biologische Sensation oder Kuriosität in botanischen Gärten und hinter Klostermauern. Dort jedoch widmete man sich ihnen hingebungsvoll und begann schon früh mit der Züchtung neuer Sorten. Das Rauchen jedoch war meist noch verpönt und wurde – wie zum Teil auch später noch – beispielsweise in der Türkei, in England und in vielen anderen Ländern verboten und gelegentlich sogar unter Todesstrafe gestellt.

Mit der Zeit jedoch kamen immer mehr Menschen auf den Geschmack und der blaue Dunst wurde, bei all denen, die sich das teure Kraut leisten konnten, zur Sitte und zum Laster. Um 1620 entstanden in England bereits erste Tabakläden und rund 50 Jahre später machte der berühmte Seefahrer und Pfeifenraucher Sir Walter Raleigh das seltsame Kraut in England sogar hoffähig.

Schon bald aber hielt die Pflanze auch Einzug in die Medizin. So galt im späten Mittelalter Tabaklauge als Medikament gegen Gicht oder Krätze, ihr wurde aber damals auch eine verdauungsfördernde Wirkung zugeschrieben. Bereits der französische Gesandte Jean Nicot wusste 1566 bereits um die angeblichen Wunderwirkungen des Tabaks und schickte der französischen Königin Katharina von Medici einen Beutel Schnupftabak um ihre Migräne zu lindern. Der Mythos vom Tabak als Heilmittel, der sich zum Teil bis heute gehalten hat, war geboren.


Stand: 12.06.2003

Die Kommerzialisierung des Tabaks

Auf dem Weg zum Massenprodukt…

Raucherin © National Cancer Institute

Wie bei allem was selten und begehrt ist, entwickelte sich im Handumdrehen ein lukrativer Handel mit dem ehemals als Teufelszeug verschrienen Tabak. Um den lukrativen Rohstoff nach Europa zu holen, blühte ein reger Handelsverkehr mit den Tabakländern jenseits des großen Teichs auf. Aber auch in der alten Welt begann man den Tabakanbau zu forcieren und neue, besser angepasste Sorten zu züchten.

Obwohl bereits im 18. Jahrhundert erste medizinische Studien wie von Sammuel Thomas von Sömmering über „Lippenkrebs“ bei Rauchern erschienen, war der Siegeszug des Tabaks in Europa, Asien und Amerika nicht mehr aufzuhalten. Doch noch immer gab es auf der Weltkarte noch Regionen, wo die Pflanze und das Rauchen unbekannt waren. So wurde Kapitän Cook 1769 bei seiner Landung auf Neuseeland von den Einheimischen sogar noch für einen gefährlichen Dämon gehalten, weil er eine Pfeife rauchte.

Tabakzüchter © Carolyn Merchant

Erwachsene tun es, Jugendliche tun es, ja gelegentlich sogar Kinder von 10, 11 oder 12 Jahren können sich heute ein Leben ohne Glimmstängel nicht mehr vorstellen. Die Zigarette ist nicht zuletzt durch effektive Werbemaßnahmen zum Massenprodukt geworden. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2002 rund 130 Milliarden Zigaretten verkauft.

Mehr als 100 Länder der Erde – darunter auch Deutschland – teilen als Anbauer den profitablen Tabakmarkt unter sich auf. Zusammen produzieren sie rund acht Millionen Tonnen an Rohmaterial jährlich. Zum Weltmeister in Sachen Tabak hat sich mittlerweile die Volksrepublik China entwickelt. Dort wird fast die Hälfte der weltweiten Tabakernte eingefahren und verbraucht. Erst mit gebührendem Abstand folgen die USA, Indien und Brasilien.

Während früher Tabak vor allem aus Nordamerika in den Handel kam, haben sich seit einiger Zeit viele Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Lateinamerika zum neuen El Dorado des Tabakanbaus entwickelt. Länder wie Simbabwe, Malawi oder Tansania melden immer neue Ernterekorde. So hat Simbabwe, das ehemalige Rhodesien, allein zwischen 1985 und 1997 seinen Tabak-Output auf 215.000 Tonnen mehr als verdoppelt.

Und auch beim Tabakverbrauch ziehen die Entwicklungs- und Schwellenländer immer mehr nach. Während der Markt in den westlichen Industriestaaten für Marken wie Marlboro, Camel oder Lucky Strikes beinahe ausgereizt ist, scheint in diesen Ländern noch reichlich Potential für Umsatzzuwächse der internationalen Tabakmultis vorhanden zu sein.

Tabakzüchter © Carolyn Merchant

„Wir wurden uns schon früh bewusst, dass unser Geschäft weltumspannend ist, und wir bauten auf dem ganzen Erdball Märkte auf. Unsere Zukunft liegt vor allem in Ländern, die auf dem Weg zur Entwicklung sind und wo Einkommen und Bevölkerung nachwachsen“, sagt dazu laut dem Regenwaldreport 2003 einer der Chefs von Philipp Morris. Und schon heute gibt ihm die Raucherstatistik Recht. Mehr als 80 Prozent der Glimmstängel-Anhänger lebt heute bereits in den Entwicklungsländern.


Stand: 12.06.2003

Nikotin macht süchtig

Giftige Glimmstengel

Geschenk der Götter – So nannten die Ureinwohner des amerikanischen Kontinentes den Tabak früher. Auch wenn von diesem glorifizierenden Image heute nicht mehr viel übrig geblieben ist, so hat die Pflanze von ihrer Heimat aus doch die ganze Welt erobert.

Wie so viele Dinge, die seit damals über den großen Teich nach Europa gelangten – seien es nun Kartoffeln, Cola, Hamburger, Videospiele oder Genfood – hat auch der Tabak auf die Menschen eine eigenartige Faszination ausgeübt und sie in seinen Bann gezogen.

tödliches Rauchen © National Cancer Institute

Dies ist umso verwunderlicher, weil es sich bei Nicotiana Tabacum, wie die Tabakpflanze mit dem wissenschaftlichen Namen genannt wird, eigentlich um eine Giftpflanze handelt. Mit Tomate, Kartoffel oder Stechapfel gehört sie zu den Nachschattengewächsen, die für ihren Gehalt an Alkaloiden wie Atropin, Scopolamin oder Meskalin bekannt sind. So reicht bei der Tollkirsche der Genuss von fünf bis zwanzig Beeren aus, um beim Menschen den Tod durch Atemlähmung herbeizuführen.

Das im Tabak vorkommende Alkaloid ist das Nikotin, das bei regelmäßigem Konsum – Rauchen, Kauen oder als Einlauf – noch vor Heroin zu den am schnellsten süchtig machenden Drogen gehört. Laut der neuesten EU-Tabak-Richtlinie darf eine Zigarette deshalb heute maximal ein Milligramm Nikotin enthalten. Angeblich reicht bereits das Nikotin einer einzigen Zigarette aus, einen Menschen zu töten, wenn diese nicht geraucht, sondern als Tee aufgebrüht wird.

Weltweit gibt es heute 700 Tabaksorten, die bei Temperaturen zwischen 15 und 27°C am Besten gedeihen. Meist handelt es sich dabei um einjährige Pflanzen, die allerdings rapide an Größe und Gewicht zu nehmen. Aus einem 0,1 Milligramm schweren, winzigen Samenkorn wird innerhalb weniger Monate eine zwei Kilogramm schwere Pflanze mit einer Höhe von bis zu zwei Metern.

Getrocknete Tabakblätter © Carolyn Merchant

Geerntet werden die reifen Tabakblätter von unten nach oben und das in mehreren zeitlichen Etappen. Anschließend trocknet man sie wochen- bis monatelang aufgereiht an Schnüren. Sonne und Luft, aber auch Feuer oder künstlichen Methoden wie Heißluftströme, sorgen für einen langsamen aber stetigen Wasserverlust, der verhindert, dass der Tabak brüchig wird oder an Aroma verliert.

Gebündelt und zu tonnenschweren Ballen verpackt erfolgt dann die Weiterverarbeitung des Tabaks. Dabei werden unter anderem Eiweiße entfernt und künstliche Duft- und Aromastoffe hinzugefügt, um den Geschmack zu verbessern. Erst nach dieser Spezialbehandlung ist der Tabak reif für die Zigaretten- oder Zigarrenindustrie.


Stand: 12.06.2003

Schneisen des Todes

Tabakplantagen statt Bäume

Brandrodung © IMSI MasterClips

Jahr für Jahr gehen nach Informationen der Umweltschutzorganisation Robin Wood rund 200.000 Quadratkilometer Tropenwald verloren. Das sind im Schnitt mehr als 5.500 Bäume pro Minute. Schuld daran ist der Mensch. Skrupellose Ölfirmen verlegen Pipelines durch Naturschutzreservate, die illegale Holzmafia schlägt ganze Regionen kahl, Kleinbauern räumen per Brandrodung Flächen für die Landwirtschaft frei.

Neben diesen altbekannten Bedrohungen hat in den letzten Jahren eine neue Gefahr Einzug in die immergrünen Wälder gehalten – der Tabakanbau. Längst regieren in Tansania, Malawi, Simbabwe und anderen Entwicklungsländern Axt und Feuer und sorgen unbarmherzig dafür, dass große Gebiete entwaldet werden. Anschließend schießen entlang von zum Teil mit Krediten der Weltbank neu angelegten Straßen immer neue Tabakplantagen aus dem Boden.

Die Umweltschutzorganisation „Rettet den Regenwald“ hat ausgerechnet, dass für ein Kilogramm fertigen Tabak 160 Kilogramm Holz den Flammen zum Opfer fallen. Laut WHO werden jährlich insgesamt rund 1,2 Millionen Hektar Waldland in den Tropen und Subtropen für den Tabakanbau vernichtet – mit fatalen Folgen für das Weltklima.

Holzverbrauch zum Trocknen des Tabaks

Viel schlimmer als die Rodung selbst ist dabei der Holzverbrauch für das Trocknen des Tabaks nach der Ernte. Allein in Tansania werden 1,2 Prozent des gesamten Brennholzverbrauchs dafür verwendet. Besonders begehrt sind wegen der starken Rauchentwicklung vor allem Harthölzer, die dem Tabak einen speziellen, unnachahmlichen Geschmack verleihen.

Weltraumaufnahme © NASA/Modis

Doch der Tabakanbau auf den neu angelegten Feldern ist ein ebenso lukratives wie kurzes „Vergnügen“. Gerade mal zwei Ernteperioden reichen die Nährstoffe im Boden aus, um die anspruchsvollen Tabakpflanzen mit allem zu versorgen was sie brauchen. „Danach ist der Boden ausgelaugt, die Produktion geht zurück und die Bauern müssen sich nach neuer Anbaufläche umsehen. Der Entwaldung folgen Erosion und Verwüstung.“ sagt dazu der Forstwissenschaftler Aaron S. Mganim von der Universität in Morogoro, dem Zentrum des tansanischen Tabakhandels im Regenwaldreport 2003 der Organisation Rettet den Regenwald.

Nachdem die Karawane des Tabakanbaus weiter gezogen ist, bleibt ein Boden zurück, der auf Jahre hinaus für landwirtschaftliche Zwecke unbrauchbar ist. Wenn die anschließende Erosion und die direkte Sonneneinstrahlung ihr Werk vollendet haben, bleiben häufig genug nur noch wüstenartige Landschaften zurück.

Tabak macht Wüsten

„Wo einst Wälder wuchsen, dehnt sich verödete Steppe aus“ – so lautet denn auch das Resumee des Regenwaldreports für Malawi, das seit rund 40 Jahren fast ausschließlich auf die Karte Tabak gesetzt hat, um Devisen ins Land zu holen. Auch in anderen Ländern Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas sieht die Situation kaum anders aus.

Zusätzlich droht den Tabakhochburgen jetzt vermutlich auch noch ein katastrophales Artensterben in Fauna und Flora. Wie das Wissenschaftsmagazin „Nature“ am 26.07.2003 berichtet, haben Forscher in Japan, Australien und Singapur festgestellt, dass durch den Kahlschlag in den dortigen Wäldern, die Lebensräume für Tiere und Pflanzen in den letzten knapp 200 Jahren um 95 Prozent schrumpft sind. Die Wissenschaftler befürchten nun, dass dort zum Ende des 21. Jahrhunderts knapp die Hälfte aller Spezies ausgestorben sind. Ähnliches könnte – wenn der Waldverbrauch in Zukunft so weiter geht – auch den Tabakländern blühen.

NASA Aufnahme © NASA/JSC

Die meisten Zigarettenkonzerne jedoch versuchen, sich von dem Vorwurf an der Tropenwaldzerstörung beteiligt zu sein, reinzuwaschen. Wie Philipp Morris, der größte Tabakkonzern der Welt, betonen sie meist, dass sie ihr Rohmaterial ausschließlich von renommierten internationalen Großhändlern beziehen. Im Übrigen berufen sie sich auf ihre Anstrengungen beim Umweltschutz, die einen nachhaltigen Tabakanbau gewährleisten sollen. „… International betreibt keine eigenen Tabakplantagen. Wir kaufen unseren Tabak bei Großhändlern und Farmern in vielen Ländern der Welt. Wir achten streng darauf, dass der von uns gekaufte Tabak umweltschonend und nachhaltig angebaut wird. Wir betrachten dies als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung.“ Die Realität, das weiß nicht nur Aaron S. Mganim, sieht oft anders aus…


Stand: 12.06.2003

Gift und Dünger gefährdet Mensch und Umwelt

Viel hilft viel

„Ohne Gift kein Tabak“ – auf diese einfache Formel lässt sich in vielen Regionen das Vorgehen der Bauern beim Tabakanbau reduzieren. Oft wird gespritzt, gesprüht oder vernebelt was das Zeug hält. Dabei werden auch Mittel und Methoden eingesetzt, die in den modernen Industrieländern längst verboten sind, weil sie die Gesundheit der Arbeiter und die Umwelt gefährden. Zahlreiche dieser Gifte sammeln sich in den Tabakblättern an oder sickern ins Grundwasser ein.

In einigen Provinzen Argentiniens – so berichtete das Magazin „Nano“ im Jahre 2002 – werden die Tabakbauern sogar regelrecht dazu verdonnert Pestizide beim Tabakanbau einzusetzen, ob sie nun wollten oder nicht. Alle Pflanzer, die sich nicht nach den Vorgaben der dortigen Erzeugergemeinschaften richten, werden ausgeschlossen und stehen vor dem Bankrott. Die verwendeten Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, darunter das auch für den Menschen hochgiftige Methylbromid, haben mittlerweile dazu geführt, dass Missbildungen bei Neugeborenen und andere Erbgutschäden dort viel häufiger auftreten als anderswo auf der Welt.

Dabei ist Methylbromid so etwas wie ein Dinosaurier unter den Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, das vor allem dazu eingesetzt wird, die Böden keimfrei zu machen. Die Reste der Spezialbehandlung für den Tabak entfliehen nach einer Einwirkzeit von mehreren Tagen in die Atmosphäre und reagieren in der Statosphäre mit dem Ozon. Das Mittel trägt so erheblich zur Schädigung der Schutzhülle der Erde bei. Laut der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit werden heute jährlich weltweit noch immer mehrere Millionen Tonnen der Substanz eingesetzt.

Brandrodung © IMSI MasterClips

Doch Tabak leidet nicht nur unter Pilz- oder Virenbefall, auch ein reduziertes Nährstoffangebot im Boden sorgt dafür, dass das Wachstum der Pflanzen unter den Erwartungen bleibt. Neben immer neuen Brandrodungen oder einem regelmäßigen Fruchtwechsel, sehen viele Pflanzer einen hohen Düngemitteleinsatz als probates Mittel an, um ein Optimum an Profit aus den Tabakfeldern herauszuholen.

Stickstoff, Phosphor, schwefelsaurer Kali, Jauche, Schafsmist oder Stallmist kommen einzeln oder als Power-Mix zum Einsatz und werden nach dem Prinzip „viel hilft viel“ auf die Felder gestreut oder geschüttet. Eine solche Überdüngung lässt den Nitratgehalt im Grundwasser auf für den Menschen bedrohliche Werte ansteigen und belastet auch Bäche und Flüsse schwer mit Schadstoffen.


Stand: 12.06.2003

Tabak in Deutschland

Lukratives Nischenprodukt

Tabakanbau © Carolyn Merchant

Tabakanbau in den USA? Na klar. In Brasilien? Keine Frage. Aber in Deutschland? Unvorstellbar? Keineswegs. Auch in heimischen Gefilden hat der Tabak als landwirtschaftliche Nutzpflanze bereits eine lange Tradition. Das älteste Anbaugebiet liegt in der Pfalz, wo Tabak bereits im Jahre 1573 im Kirchgarten des kleinen Ortes Hatzenbühl kultiviert wurde.

Reichtümer jedoch waren mit dem Tabak in heimischen Gefilden kaum zu machen. Die Jahresernte brachte meist nicht mehr als einen durchschnittlichen Monatslohn ein. Dieser diente eher als Notgroschen für schlechte Zeiten, denn als Mittel um die normalen Kosten für die Versorgung der Familien zu bestreiten. Heute liegen die wichtigsten Tabakanbaugebiete Deutschlands in Baden-Württemberg, der Pfalz und in der östlichen Uckermark nahe der polnischen Grenze. Insgesamt 1.200 Betriebe produzieren dabei 11.000 Tonnen Rohmaterial jährlich. Zum Vergleich: Die Tabakernte in China belief sich 1997 auf rund vier Millionen Tonnen.

Als ungekrönte Königin unter den Sorten gilt in Deutschland die Sorte „Virgin“, die aus den USA stammt und bis zu einem Meter hoch wird. Jede Pflanze liefert maximal 20 Blätter, die vor allem zu Zigaretten, Zigarren oder Pfeifentabak verarbeitet werden. Auch der weltgrößte Tabakmulti Philipp Morris deckt sich jährlich mit mehr als zehn Prozent der deutschen Ernte ein, um die ungebrochene Nachfrage nach Glimmstängeln zu befriedigen.

Obwohl der Tabakanbau in Deutschland aus gesundheitlichen Gründen längst nicht mehr unumstritten ist, verfügt er doch über eine erstaunliche Lobby in Regierungskreisen. So erteilte im Oktober 1999 der damalige Bundesernährungsminister Karl-Heinz Funke dem Vorschlag, vom Tabakanbau doch lieber auf andere Kulturen auszuweichen, eine klare Absage.

Funke argumentierte, dass die EU derzeit etwa 50 Prozent ihres Tabakbedarfs importieren müsse und deshalb ein enormer Bedarf vorhanden sei. Ziel müsse es sein, den Anbau besonders hoher Qualitäten auszuweiten. Auch Insider der Branche, wie der Vorsitzende des Landesverbandes baden-würtembergischer Tabakpflanzer Alexander Kopf, sehen die Zukunft des Nachtschattengewächses hierzulande eher positiv. Ihrer Meinung nach gehört der Tabakanbau zu den wenigen profitablen Zweigen der Landwirtschaft und kann selbst als Nischenprodukt durchaus zur Existenzsicherung vieler Bauern beitragen.

Ein wichtiger Grund für das auch in Deutschland beliebte Geschäft mit der Nikotinbombe Tabak sind allerdings die üppig fließenden Subventionen aus den Töpfen der EU, die den Bauern unabhängig von der Marktsituation ein gewisses Grundeinkommen garantieren.


Stand: 12.06.2003

Frisches Geld für das Steuersäckel

Raucher als Opferlämmer

Rauchverbot © National Cancer Institute

Raucher haben es schwer in Deutschland. So werden Glimmstängel-Anhänger heute in Ghetto-ähnliche Raucherzonen in Bahnhöfen oder öffentlichen Gebäuden verbannt. Und auch immer dann, wenn wieder mal irgendwo ein Loch in den öffentlichen Kassen zu beklagen ist, sind es die Raucher, die die notwendigen Milliarden liefern müssen.

Ob zur Finanzierung der Terrorbekämpfung oder zur Sicherung des maroden Gesundheitssystems: kaum eine Bundesregierung egal ob schwarz -gelb oder rotgrün hat es bisher versäumt, in höchster Not zunächst einmal die Tabaksteuer zu erhöhen, um die schwindsüchtigen Kassen zu füllen.

Operation gelungen – Patient raucht weiter: Dies belegen die neuesten Zahlen, die das Statistische Bundesamt am 21.07.2003 herausgegeben hat. Danach wurden im 2. Quartal 2003 Tabakwaren im Wert von 6,2 Milliarden Euro versteuert, dies sind trotz der letzten Steuererhöhung zum 1. Januar 2003 rund 7,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Erst kürzlich haben nun Schröder, Fischer & Co erneut zugeschlagen und beschlossen, in den nächsten Jahren die Preise für Zigaretten in drei Stufen erneut um einen Euro anzuheben. Wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefehring gegenüber der Presse deutlich machte, ist dabei ein abschreckender Effekt auf die Raucher durch die Steuererhöhung nicht geplant. Ganz im Gegenteil, das Splitten der Abgabenerhöhung soll sogar ausdrücklich verhindern, dass Raucher ihr Laster aufgeben. Sonst könnten dem Staat schließlich die dringend benötigten Mehreinnahmen verloren gehen.

Was auf den ersten Blick wie ein genialer Schachzug zur Sanierung der Staatsfinanzen aussieht, entpuppt sich in Wahrheit jedoch als Milchmädchen-Rechnung. Zwar spülen die Raucher kurzfristig frisches Geld in das Steuersackel, die Folgekosten in Höhe von jährlich 40 Milliarden Euro oder mehr, die für die deutsche Volkswirtschaft durch das Rauchen entstehen, bleiben dabei unberücksichtigt.

Die „toughe“ Politik Deutschlands in Sachen Tabak zeigt sich aber auch noch auf anderen Ebenen. So hat sich vor allem Deutschland zusammen mit dem Marlboro-Country USA langer Zeit vehement gegen die von der WHO im März 2003 verabschiedete Anti-Tabak-Konvention (FCTC) gesträubt. Erst als die strengen Richtlinien der Konvention für Werbe- und Verkaufsverbote oder Gesundheitshinweise auf den Zigarettenpackungen soweit aufgeweicht waren, dass die Zigarettenindustrie damit leben konnte, haben die deutschen Politiker ihre Zustimmung signalisiert.

Einen ähnlichen Zick-Zack-Kurs beim Tabak fährt die EU. Während die neue Tabak-Richtlinie aus dem Jahr 2002 u.a. geringere Grenzwerte für Nikotin, Teer und Kohlenmonoxid bei Zigaretten vorsieht, um die Gesundheit der Verbraucher zu schützen, wird im Gegenzug der Tabakanbau selbst jährlich mit etwa einer Milliarde Euro subventioniert.


Stand: 12.06.2003

Die Nikotinpflanze als Biofabrik

Liebling der Gentechnik

Tabak ist Krebs-erregend, Tabak sorgt für Impotenz, Tabak macht aus Tropenwald öde Wüsten: Das Image der hoch gehandelten Nikotinpflanze hat zahlreiche schwarze Flecken. Doch zumindest in einem Bereich hat sich die Tabakpflanze einen Spitzenruf erworben – als Biofabrik.

Fraunhofer-Experten schätzen, dass mittlerweile etwa ein Viertel aller Medikamente und Wirkstoffe der Pharmaindustrie per Bio- und Gentechnologie und damit mit Hilfe von transgenen Tieren und Pflanzen hergestellt werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei bei vielen Wissenschaftlern die Tabakpflanze.

Wissenschaftler Stefan Schillberg © Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME

„Am besten eignet sich Tabak zur Massenproduktion von Wirkstoffen. Die Pflanze ist leicht gentechnisch zu verändern und preiswert zu kultivieren. Tabak produziert pro Hektar und Jahr die meiste Biomasse und somit große Mengen an Produkt“, fasst der Biologie Stefan Schillberg vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME die Bedeutung des Nachtschattengewächses zusammen.

Antikörper gegen Karieserreger

Schillberg hat im Jahr 2001 den Fraunhofer-Sonderpreis für seine Arbeiten zum sogenannten Molecular Farming erhalten. Ihm war es gelungen, Antikörper gegen den Karieserreger im Tabak zu züchten. Der Wissenschaftler hatte dabei zunächst ein vorbereitetes zusätzliches Gen, das für die Produktion des gewünschten Wirkstoffes im Tabak sorgt, in das Erbgut der Versuchspflanzen eingefügt. Dann hieß es eigentlich nur noch warten.

Wie Schillberg berichtet, erzeugte der gentechnisch veränderte Organismus während des Wachstums automatisch immer mehr vom gewünschten Protein. Am Ende musste der Wirkstoff gegen Karies schließlich nur noch aus dem Tabak isoliert werden. Im Vergleich zu von Tieren erzeugten Antikörpern hat das Tabakeiweiss einen enormen Vorteil: „Pflanzen erzeugen keine bakteriellen Giftstoffe, Viruspartikel oder Krankheitserreger, die den Menschen gefährden«, erläutert Schillberg.

Tollwut und nikotinfreie Zigaretten

Doch nicht nur in Sachen Kariesbekämpfung nimmt der Tabak heute eine Vorreiterrolle ein, auch bei anderen Krankheiten und Erregern könnte sich die Pflanze zu einer Art botanischen Wunderwaffe entwickeln. So ist es Wissenschaftlern von der Thomas-Jefferson-Universität Philadelphia zusammen mit britischen Kollegen gelungen, Tabak genetisch so zu manipulieren, dass er Antikörper gegen den gefährlichen Tollwut-Erreger bildet.

In ersten Tierversuchen haben die Forscher bereits gute Erfolge mit diesem Wirkstoff erzielt. Sollten die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sein, könnten die Tabak-Wirkstoffe irgendwann die teuren und auch nicht nebenwirkungsfreien Antikörper, die bisher beispielsweise aus Pferden isoliert werden, ersetzen.

Der Clou sind im Moment jedoch nikontinfreie Zigaretten, die mithilfe von Gentech-Tabak produziert werden und die unter dem Namen „Quest“ bereits den US-Markt erobern. Sie sollen Rauchern helfen von der Sucht los zu kommen. Das Erbgut des Tabaks wurde dabei genetisch so verändert, dass ein zur Nikotinbildung notwendiges Enzym nicht mehr wirksam ist.

Survival of the fittest

Tabak sorgt mithilfe der Gentechnik nicht nur für neue Medikamente, er wird auch selbst durch Erbgutmanipulationen für den Einsatz in der Landwirtschaft optimiert. So haben Wissenschaftler mithilfe von Hefe-Genen Tabakpflanzen erzeugt, die trockentoleranter sind und so auch in niederschlagsarmen Gebieten eingesetzt werden können. Auch an herbizidresistenten Varianten und Tabakpflanzen mit integrierten Pflanzenschutzmitteln arbeiten die Forscher seit einiger Zeit erfolgreich.

Doch so vielversprechend Gentech-Tabak auch sein mag, nicht überall stößt er auf Gegenliebe. Umweltschützer fürchten beispielsweise, dass durch die eine unkontrollierte Verbreitung des manipulierten Erbguts Gefahren für die Natur und die biologische Vielfalt bestehen.


Stand: 12.06.2003