Vom Tiervirus zur tödlichen Gefahr für den Menschen

Vogelgrippe

Vogelgrippe © IMSI MasterClips

H5N1 – hinter diesem Kürzel verbirgt sich ein gefährlicher Vogelgrippevirus, der seit einiger Zeit weltweit für Angst und Schrecken sorgt. Denn der Erreger tötet nicht nur Hühner, Puten oder Gänse, er ist auch auf den Menschen übertragbar und kann dann zu schweren Atemwegserkrankungen und oft auch zum Tod führen.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation infizierten sich seit dem ersten Ausbruch der Vogelgrippe im Jahr 1997 weit über 100 Personen mit H5N1, rund die Hälfte davon ist an dem Virus gestorben.

Vor rund einem Jahr hat der Virus nun seine ursprüngliche „Heimat“ Südostasien verlassen. Auf seinem Zug Richtung Westen ist er längst in Europa angekommen. Durch infizierte Zugvögel droht er jetzt auch nach Afrika „überzuschwappen“.

Was Mediziner und Politiker gleichermaßen aufschreckt, ist die Tatsache, dass H5N1 zu einem neuen Supervirus mutieren könnte, der in rasantem Tempo von Mensch zu Mensch überspringt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet in einem solchen Fall eine weltweite Grippewelle mit Millionen von Todesopfern.

Doch wie gefährlich ist H5N1 wirklich? Wird es auch in Deutschland schon bald zum Ausbruch der Geflügelpest kommen? Wie kann man sich vor dem Virus schützen? Diese Fragen beschäftigen zurzeit viele Menschen. Aber sind diese Sorgen und Ängste der obersten Gesundheitswächter und der Bevölkerung überhaupt berechtigt? Oder haben wir vielleicht nur eine Vogelgrippe-Psychose, wie der Chef der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), Bernard Vallat, meint?

Dieter Lohmann
Stand: 28.10.2005

Vogelgrippe ein „alter Hut“?

Emerging diseases auf dem Vormarsch

Rituale begleiten uns ein Leben lang. © Greenaperture/ iStock.com

Aids, Ebola, SARS – im Zeitalter der neuen Seuchen, der so genannten „emerging disease“, gehört das plötzliche Auftauchen bisher unbekannter Krankheitserreger für Mediziner längst zur Normalität. Rund 30 neue Virusinfektionen sind seit 1967 bekannt geworden, als in dem kleinen Universitätsstädtchen Marburg der gleichnamige Virus ohne Ankündigung für Aufregung sorgte. Sechs Menschen starben damals, 23 waren infiziert. Auffällig dabei: fast alle der Erreger hatten ihren Ursprung im Tierreich und sprangen von Affen oder Zibetkatzen auf den Menschen über.

Die Vogelgrippe jedoch ist keine neue „Erfindung“ der Natur. Bereits seit mehr als 100 Jahren sind im Tierreich Influenza-Epidemien weltweit bekannt. Ausgelöst werden sie von einer Virengruppe, die relativ nahe mit den menschlichen Grippeviren verwandt ist, normalerweise aber nur Vögel und seltener auch Schweine befällt.

Wie Wissenschaftler des National Institute for Medical Research im Februar 2004 in einer Studie entdeckt haben, ist ein Vogelgrippe-Virus vermutlich aber auch für die bisher schlimmste Grippe-Epidemie in der Menschheitsgeschichte verantwortlich. Zwischen 1918 und 1920 erreichte die so genannte „Spanische Grippe“ innerhalb von einem halben Jahr auch die entlegensten Winkel der Erde und sorgte weltweit in mehreren Infektionswellen für mindestens 40 bis 50 Millionen Tote.

Die Forscher gehen davon aus, dass der damalige Erreger H1N1 zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Sprung vom Tier- zum Menschenvirus geschafft hat und sich dann später ungehindert über eine Tröpfcheninfektion weiter verbreiten konnte.

Vogelgrippe-Viren: Harmlos und brandgefährlich

H5N1-Virionen © CDC

Wissenschaftler unterscheiden heute mindestens 15 verschiedene gefährliche Unterarten des Influenza-Virus im Tierreich, die zumeist von Zugvögeln an Zuchtgeflügel weiter gegeben werden. Während die natürlichen Überträger der Viren wie Enten oder Gänse weitgehend immun gegen diese Erreger zu sein scheinen, sind Hühner oder Puten oft anfällig für die Geflügelpest, die schnell epidemieartige Züge annehmen kann.

Manche dieser Vogelgrippe-Viren sind eher harmlos, andere besitzen dagegen ein enormes Gefahrenpotential. Dazu gehört beispielsweise H5N1. Der Virus – so viel wissen die Forscher heute – verändert nicht nur dauernd sein Aussehen und nähert sich genetisch gesehen den menschlichen Influenza-Viren immer mehr an, er übersteht auch niedrige Temperaturen oder Frost ohne größere Schäden. In kontaminiertem Mist oder Gülle kann H5N1 mehr als drei Monate überleben. Ein einziges Gramm Dung enthält genug Viren, um eine Million Vögel zu infizieren.

Anfällig ist der Virus dagegen gegen hohe Temperaturen und herkömmliche Desinfektionsmittel wie Formalin. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit sind deshalb „gekochte oder anderweitig erhitzte Lebensmittel als frei von infektiösen Viren anzusehen. Eine Infektion über Lebensmittel ist bisher nicht bekannt.“


Stand: 28.10.2005

Ablauf der Infektion

Gefahr für Mensch und Tier

Huhn © IMSI MasterClips

Der Erreger der Geflügelpest H5N1 vermehrt sich in den erkrankten Tieren in allen Organen, auch im Legeapparat und im Darm. Mit allen Sekreten und Exkreten scheiden die Hühner oder Puten den Virus aus, besonders hoch ist die Konzentration im Kot.

Wie jedoch kann man an Vogelgrippe erkrankte Hühner von den anderen unterscheiden? Durchfall oder Legeunlust sind nach Informationen der WHO häufig erste Anzeichen für eine Infektion. „Kranke Hühner legen entweder keine Eier mehr oder nur noch deformierte Ei-ähnliche Gebilde mit weicher oder fehlender Kalkschale“, sagen dazu auch die Wissenschaftler des FLI.

Ist der Virus erst einmal eingeschleppt, dann gibt es meist keine Rettung mehr für den jeweiligen Bestand auf der Geflügelfarm. Innerhalb von 24 Stunden nachdem die ersten Symptome bei den Tieren aufgetreten sind, beginnt das große Hühnersterben. Am Ende fallen dem Virus bis zu 100 Prozent aller Tiere zum Opfer.

Mit Husten und Fieber fängt alles an

Meist jedoch sind Tierviren artspezifisch und damit unschädlich für den Menschen. Aber H5N1 ist anders. Der Virus kann auch beim Homo Sapiens schwere Grippesymptome hervorrufen.

Wie jedoch kommt es zur Übertragung des Erregers auf den Menschen? Auch auf diese Frage wissen die Forscher mittlerweile eine Antwort. Die Untersuchungen zum Ansteckungsweg bei mit Geflügelpestvirus infizierten Menschen in Hongkong im Jahr 1997 und seit Ende 2003 in Südostasien haben gezeigt, dass sich alle betroffenen Personen direkt an krankem Geflügel angesteckt haben. „Vermutlich ist die Virusübertragung durch direkten Kontakt mit Sekreten beziehungsweise Tröpfcheninfektion oder virushaltigem Stallstaub über das Auge oder über den Atmungsapparat erfolgt“, so das FLI.

Der Ablauf einer Infektion mit dem Virus H5N1 läuft beim Menschen immer nach einem ähnlichen Muster ab. Erste Symptome sind Husten, Fieber und Schwindel. Im nächsten Stadium kommen schwere Atembeschwerden, eine schnelle Verschlechterung des Allgemeinzustands oder Lungenentzündungen hinzu. Am Ende der Kette steht laut den Statistiken der WHO in mehr als 50 Prozent aller Fälle der Tod.


Stand: 28.10.2005

H5N1 erobert Europa

Immer weiter Richtung Westen?

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200 Millionen tote Hühner, Puten oder Hausgänse, Im- und Exportverbote für Fleisch oder lebende Tiere und Schäden in Milliardenhöhe. Dies ist die Bilanz von acht Jahren Vogelgrippe in Südostasien. Seit dem ersten Ausbruch 1997 in Hongkong melden die Behörden vor allem in Vietnam und Thailand, aber auch in Kambodscha oder Indonesien immer wieder ein Aufflammen der Seuche. Gerade wenn irgendwo durch Massentötungen und/oder Serienimpfungen ein Krisenherd gelöscht scheint, taucht der Virus urplötzlich an anderer Stelle wieder auf.

Doch nicht nur Zuchtgeflügel ist von der Seuche betroffen, auch 121 Menschen sind bisher weltweit am Vogelgrippe-Erreger H5N1 erkrankt. Tendenz stark steigend. Dies geht jedenfalls aus dem aktuellen Bericht der WHO vom 27. Oktober 2005 hervor. Seit Beginn des letzten Ausbruchs in Vietnam im Dezember 2004 haben die obersten Gesundheitshüter allein 77 neue Fälle registriert.

Rund die Hälfte aller Erkrankten (62) ist laut den Statistiken der WHO innerhalb kurzer Zeit nach der Infektion gestorben – allesamt in Südostasien. Die meisten Todesfälle werden bisher aus Vietnam gemeldet (41), es folgen Thailand (13) sowie Indonesien und Kambodscha mit jeweils vier Opfern.

Von Südostasien bis in die Türkei

Puten © USDA/Scott Bauer

Doch längst hat H5N1 die Grenzen des früheren Verbreitungsgebiets gesprengt und eine „Wanderung“ westwärts Richtung Europa angetreten. Zunächst tauchte der Virus Anfang 2004 in weiten Teilen Chinas auf und sorgte dort für schwere Schäden beim Zuchtgeflügel. Nur mithilfe von Massenimpfungen gelang es den chinesischen Behörden Mitte des Jahres der Situation Herr zu werden und die Tierseuche teilweise oder sogar vollständig einzudämmen. Ob die Chinesen tatsächlich so erfolgreich waren, wie sie damals selbst verkündeten, bezweifeln heute viele Wissenschaftler in Europa und den USA.

Rund ein Jahr danach meldete sich aber der Virus in Zentralchina zurück und befiel dieses Mal in erster Linie Wildvögel wie Gänse, Möwen oder Kormorane. Nur wenig später wiesen Wissenschaftler darüberhinaus in der benachbarten Mongolei den auch für den Menschen gefährlichen Erreger H5N1 nach.

Im Juli und August 2005 schließlich verließ der Virus Zentralasien und sprang über nach Sibirien. Dort waren vor allem Gänse, Enten und Hühner in den Regionen um Nowosibirsk und Altai betroffen. Auch im Norden Kasachstan machte sich der Erreger breit. Die Opfer hier: Mindestens 600 Gänse. Unklar ist, ob damals auch ein Mensch an der Seuche erkrankte.

Während man das allmähliche Näherkommen von H5N1 bis dahin in Deutschland noch eher gelassen zur Kenntnis nahm, begannen auch hier die Alarmglocken zu schrillen, als die Vogelgrippe Anfang Oktober 2005 Europa erreichte. Nahezu zeitgleich meldeten die Behörden in der Türkei und im rumänischen Donau-Delta die Erkrankung von Tieren. Schnelltests ergaben auch hier den Erreger H5N1 als Infektionsursache. Und auch in Kroatien wurde der Virus einige Tage später aufgespürt.

Zugvögel als Überträger

Nach Angaben des EU-Kommissars für Gesundheit und Verbraucherschutz Markos Kyprianou unterschieden sich die dort nachgewiesenen Stämme des Vogelgrippevirus genetisch kaum von denen in Sibirien.

Sonnenuntergang über dem Pazifik, von der Raumstation ISS aus gesehen © NASA

Obwohl die Rolle von Zugvögeln bei der Ausbreitung der Vogelgrippe bis heute nicht endgültig geklärt ist, gehen Wissenschaftler von einem direkten Zusammenhang zwischen dem Überspringen des Erregers nach Europa und dem saisonalen Vogelflug aus. Dies geht beispielsweise aus einem Bericht der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) hervor. Forscher des OIE hatten nach dem Auftreten der Geflügelpest Russland bereist und dort umfangreiche Untersuchungen vorgenommen.

Die Wissenschaftler sind jedenfalls sicher, dass H5N1 mittlerweile unter Wildvögeln weit verbreitet ist und halten eine Infektion von Zuchtgeflügel durch Kot oder direkten Kontakt durchaus für wahrscheinlich.


Stand: 28.10.2005

Angst vor der Vogelgrippe in Deutschland

„Knast“ für Hühner

Subduktion: Beispiel Marianengraben © MMCD

Stall-„Arrest“ für deutsche Hühner oder Puten, ja oder nein? Stärkere Beobachtung der Wildvögel? Oder Business as usual? Politiker in Bund und Ländern stritten in den Tagen nachdem die Vogelgrippe Mitte Oktober 2005 Europa endgültig erreichte hatte, viel und ausgiebig über mögliche Maßnahmen in Deutschland. Bayern drohte sogar mit einem Alleingang in Sachen Vogelgrippe und kündigte eine landesweite Aufstallung von Zuchtgeflügel und das Verbot von Geflügelmärkten an.

„Eine Einschleppung des Virus über Wildvögel nach Deutschland kann nicht ausgeschlossen werden. Um eine Infektion der Geflügelbestände durch Zugvögel zu verhindern, sind Vorsorgemaßnahmen unumgänglich“, erklärte dazu Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf.

Ein weiterer Geflügelpestausbruch am 19. Oktober 2005 in Russland sorgte dann für neue Aufregung unter Politikern und Wissenschaftlern. Im Dorf Jandowka 290 Kilometer südlich von Moskau hatten russische Behörden auf sieben Bauernhöfen mit H5N1 infizierte Tiere entdeckt. Grund genug für Bundesminister Jürgen Trittin per Eilverordnung eine Stallpflicht für Geflügel anzuordnen.

Deutschland macht dicht…

Doch warum hat gerade der Nachweis von H5N1 nahe Moskau zum eiligst verkündeten „Knast“ für Hühner, Puten oder Gänse geführt? Entscheidend für die große Eile Trittins war die Warnung des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems in Mecklenburg-Vorpommern. Grund für den Alarm: Aus dieser Region, so die FLI-Wissenschaftler, finde regulärer Vogelzug nach Deutschland statt. Die Gefahr einer Einschleppung der Viruserkrankung durch Vögel wie Bless- und Saatgänse oder verschiedene Entenarten sei damit deutlich gestiegen.

Betroffen vom „Arrest“ sind seit dem Inkrafttreten der Verordnung am 22. Oktober 2005 nicht nur die Tiere von gewerblichen sondern auch die von Hobbyhaltern. Ist kein entsprechender Stall vorhanden, müssen die die Tiere – so sieht es die Richtlinie vor – „von oben und von der Seite“ durch Zäune oder Zelte vor Kontakt mit Wildvögeln geschützt werden. Darüberhinaus ist der gesamte Bestand monatlich von einem Amtstierarzt auf verdächtige Symptome zu untersuchen.

Ergänzend zur Aufstallung dehnte Trittin auch die Beobachtung von Wildvögeln aus. Geflügelhalter erhielten zudem die Anweisung, ihre Bestände genau zu beobachten. Mögliche Symptome einer Vogelgrippe müssen umgehend an die Amtstierärzte oder andere zuständigen Behörden gemeldet werden.

Mindestens ebenso wahrscheinlich wie eine Einschleppung durch Zugvögel ist nach Ansicht der Wissenschaftler des FLI ein Überspringen des Virus durch illegale Importe von Geflügel oder Produkten wie Hähnchenschnitzeln aus den Krisenregionen. Auch der Schmuggel von lebenden Tieren birgt nach Ansicht von Forschern und Umweltschützern erhebliche Gefahren. Die Bundesregierung verstärkte deshalb die Einfuhrkontrollen an den Grenzen und bildete eine Task Force aus Zollbeamten, Polizisten und Vertretern der Veterinärbehörden, die widerrechtlich mitgebrachte Produkte und Waren aufspüren sollte.


Stand: 28.10.2005

Auch Afrika bedroht

H5N1 wandert weiter

Viren machen vor Ländergrenzen nicht halt: dies hat die Ausbreitung der Vogelgrippe von Asien aus bis nach Europa gezeigt. Um sich vor der Seuche zu schützen, ist deshalb nach Ansicht von Seuchenexperten und Politikern eine gemeinsame Strategie aller EU-Länder notwendig.

Mars-500: 520 Tage im Isolations-Container als Simulation eines Marsflugs © IBMP / NASA

Die EU stoppte deshalb frühzeitig alle regulären Einfuhren von Geflügelfleisch und lebenden Vögeln aus den vom Virus heimgesuchten Ländern bis auf Weiteres. Am 26. Oktober 2005 kam dann noch ein einmonatiges Importverbot für alle Ziervögel hinzu. „Das heutige Importverbot ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, allerdings kann nur ein dauerhaftes Verbot die vielseitigen Probleme lösen“, so Daniela Freyer von der Umwelt- und Naturschutzorganisation Pro Wildlife. „Der Import von Wildvögeln für den Heimtiermarkt ist völlig unverantwortlich – sowohl in Bezug auf die Vogelgrippe als auch auf den Tier- und Naturschutz“.

Ursache der EU-Entscheidung war der Tod einer mit H5N1 infizierten Venezuelaamazone (Papagei) während der Einfuhrquarantäne in England. Rund 1,8 Millionen Ziervögel wie Papageien, Beos, Finken oder Gimpel aus Afrika, Lateinamerika und Asien gelangen jährlich legal in die EU.

Armes Afrika

Während Deutschland und die anderen Länder der EU zumindest mobil machen gegen die Vogelgrippe, droht die Seuche auf Afrika nahezu ungehindert überzuschwappen. Der Kontinent ist das Ziel- und Überwinterungsgebiet von Millionen von Zugvögeln aus Nordost- und Mitteleuropa – und der Südflug der Vögel hat bereits begonnen.

Grüne Wassertröpfchen enthalten einen mutierten DNA-Abschnitt, rote Tröpfchen einen gesunden. Die dunklen Tröpfchen sind zu Beginn des Verfahrens leer ausgegangen und enthalten keine DNA. © MPIDS

Die meisten afrikanischen Länder jedoch sind auf den Kampf gegen H5N1 unvorbereitet. Gefährdet sind nach Ansicht von Wissenschaftlern vor allem Äthiopien, Kenia oder Tansania, in denen noch dieses Jahr Zugvögel aus Osteuropa eintreffen. Sie könnten mit dem Geflügelpest-Erreger verseucht sein.

Das Thema Vogelgrippe kam deshalb auch auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz des Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelübereinkommens Ende Oktober 2005 zur Sprache. Die rund 150 Teilnehmer der Veranstaltung forderten die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, die Länder Afrikas auf die Vogelgrippe vorzubereiten. Information der Öffentlichkeit oder eine rasche Entwicklung von Programmen zur Überwachung der Haustiere und der Wildvögel sollten nach Meinung der Konferenzteilnehmer ganz oben auf der Agenda stehen.

„Gerade die Vogelgrippe und ihre mögliche Verbreitung durch den Vogelzug macht deutlich, dass die internationale Zusammenarbeit zum Schutz des Menschen und der Natur dringlicher denn je ist“, kommentierte Bundesumweltminister Jürgen Trittin den Konferenzbeschluss. Die Delegierten aus 52 Ländern sowie von wissenschaftlichen und Nicht-Regierungsorganisationen waren sich einig, dass Tötungsmaßnahmen oder die Zerstörung bekannter Lebensräume von Wildvogelpopulationen zur Verhinderung der Ausbreitung der Epidemie nutzlos sind.

Auch Menschen von Ansteckung bedroht?

Fast überall in den gefährdeten Ländern mangelt es jedoch an Möglichkeiten Hausgeflügel vor dem gefährlichen H5N1-Virus der Zugvögel zu schützen. Hühner oder Enten leben auf der Straße oder sonst wo im Freien und können aus Geldmangel weder „aufgestallt“ noch anderweitig abgeschottet werden. Bis es zu einer Übertragung der Geflügelpest von den Wildvögeln auf das Hausgeflügel kommt, ist nach Ansicht von vielen Experten daher nur eine Frage der Zeit.

Da die Bevölkerung oft mit den Zuchttieren auf engstem Raum zusammenlebt, ist auch eine Ansteckung von Menschen vermutlich kaum zu verhindern.


Stand: 28.10.2005

Die Bedrohung durch die Vogelgrippe

Reale Gefahr oder Hysterie?

Oben der Bühnen-Modus, unten der Kuppel-Show-Modus. © Kraftwerk Living Technologies

Was wäre wenn der Vogelgrippevirus tatsächlich nach Deutschland gelangt? Müssten die Menschen hierzulande sich dann große Sorgen um ihre Gesundheit machen? Sind die teilweise schon jetzt herrschende Panik und Hysterie notwendig? Wissenschaftler des Robert Koch Instituts (RKI) in Berlin meinen „nein“ und geben bisher deutlich Entwarnung. Ein in heimische Gefilde eingeschlepptes gefährliches H5N1, so die Forscher, wäre erst einmal ausschließlich für Geflügel wie Hühner, Puten oder Gänse gefährlich. Eine direkte Übertragung von Wildvögeln auf den Menschen hat es bisher vermutlich noch nicht gegeben.

„Die Tierseuche Vogelgrippe steht vor den Toren der EU, nicht die für den Menschen gefährliche Pandemie“, sagte auch Professor Dr. Thomas C. Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Löffler-Instituts am 15. Oktober 2005.

Auch wenn tatsächlich irgendwann einmal eine Geflügelpest in Deutschland auftreten sollte, bleibt die Bedrohung für „Otto Normalverbraucher“ gering. Züchter oder Tierärzte mit engem Kontakt zu kranken Tieren müssten jedoch geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen, wie das RKI im Oktober 2005 mitteilte. Entgegen anderslautenden Meldungen in den Medien sei für die allgemeine Bevölkerung in Deutschland kein Risiko erkennbar.

Neue Impfstoffe für besseren Schutz

Wie aber kann man eine Ansteckung von heimischem Geflügel verhindern, wenn der Virus H5N1 tatsächlich eingeschleppt wird? Die bisher auf dem Markt befindlichen Impfstoffe verhindern nach Angaben von Forschern des Friedrich-Löffler-Instituts zwar eine Erkrankung des Geflügels, aber nicht die Infektion und die Ausscheidung des Virus beispielsweise über den Kot. So kann das Virus auch aus geimpften Beständen noch in andere Bestände überspringen. Die konventionellen Vakzine sorgen zudem im geimpften Huhn für eine ähnliche Immunreaktion wie der Virus selbst. Es ist deshalb nur mit großem Aufwand möglich, zwischen geimpften und infizierten Tieren zu unterscheiden.

Truthahn © USDA/Scott Bauer

Wissenschaftler des FLI arbeiten deshalb bereits seit einiger Zeit emsig an einem Impfstoff, der Hühner auch gegen die Infektion durch gefährliche Viren wie H5N1 schützt. Die Forscher um Professor Thomas C. Mettenleiter und Walter Fuchs haben im Rahmen ihres Projektes zunächst einen Geflügel-Herpesvirus so modifiziert, dass er Hühner nicht mehr krankmacht, das geimpfte Tier aber trotzdem immun wird.

In das veränderte Virus fügten sie anschließend die Erbinformation für das so genannte Hämagglutinin-Protein des Geflügelpestvirus ein. Wie die Wissenschaftler betonen, führt eine Impfung deshalb nicht nur zu einer Immunantwort gegen das Geflügel-Herpesvirus, sondern auch gegen das Vogelgrippevirus und somit zu einem Schutz gegen beide Viren. Dies haben erste Test auch bereits belegt.

Impfstoff noch nicht marktreif

Die Forscher kommen zu dem Schluss: „Der Vorteil der Nutzung des Herpesvirus als Träger des Fremdgens liegt unter anderem darin, dass Antikörper nur gegen das Hämagglutinin-Protein des Grippevirus induziert werden, während eine natürliche Infektion zur Ausbildung von Immunreaktionen gegen eine Reihe anderer viraler Eiweißstoffe führt. Damit lassen sich geimpfte Tiere von virusinfizierten Tieren unterscheiden.“

Wann das neue Vakzin auf den Markt kommt, ist noch ungewiss. Die Forscher um Mettenleiter und Fuchs müssen zunächst noch eine Reihe von Tests mit dem Impfstoff durchführen und sichere und effektive Möglichkeiten zur Massenproduktion entwickeln.

Bis dahin wird es keine flächendeckende Impfung des Geflügels in Europa gegen die Vogelgrippe geben. Dies verbietet ohnehin zurzeit noch das EU-Recht. Kommt eine Geflügelpest zum Ausbruch, nimmt das Katastrophenszenario deshalb vermutlich einen ähnlichen Verlauf wie im Jahr 2003. Damals war allerdings erst mal „Holland in Not“…


Stand: 28.10.2005

Seuchenalarm in Mitteleuropa

Holland in Not

Schon einmal hat eine Vogelgrippe in Mitteleuropa gewütet. Nicht H5N1, sondern der etwas harmlosere Stamm H7N7 trieb damals von Februar bis Juni 2003 in der Landwirtschaft sein Unwesen. Ausgebrochen war die Epidemie irgendwo in den Niederlanden. Nachdem die Seuche einmal Fuß gefasst hatte, breitete sie sich mit großer Geschwindigkeit immer weiter aus und machte auch vor Ländergrenzen nicht halt. Schon bald waren auch Geflügelzucht- und Mastbetriebe in Belgien betroffen. Zahlreiche Hühnerfarmen wurden rigoros von der Außenwelt isoliert und alle dort lebenden Hühner – insgesamt sind es am Ende rund 25 Millionen – vorsorglich getötet oder starben am Virus selbst.

Quarantäne kann Virus nicht aufhalten

Intensität des Erdbebens in Chile 2010 © USGS

Aus Furcht vor drohenden Exportverboten für Geflügelprodukte versuchten deutsche Politiker und Behörden das Herüberschwappen der Geflügelpest aus den angrenzenden Beneluxländern nach Nordrhein-Westfalen zu verhindern. Doch alle Absperrungen, Quarantäne- und Hygienemaßnahmen hatten letztlich keinen Erfolg. Am 13. Mai 2003 musste die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere den ersten Fall von Geflügelpest in Schwalmtal (Kreis Viersen) bestätigen. Die Untersuchungen ergaben eindeutig eine Infektion mit dem Influenzavirus vom Subtyp H7 in den Proben – derselbe Erreger, der auch in Niederlanden und Belgien wütete.

Das Landwirtschaftsministerium NRW hatte bereits nach Bekanntwerden des Verdachtsfalles, um den betroffenen Hof eine 20 Kilometer große Pufferzone eingerichtet, in der ein generelles „Stand Still“ für sämtliche Transporte von lebendem Geflügel galt. Trotzdem reagierte die EU prompt und beschlloss ein generelles Exportverbot für Lebendgeflügel und Bruteier sowie Gülle und Einstreu aus NRW. Konsumeier und Geflügelfleisch durften jedoch weiterhin gehandelt werden, es sei denn, sie stammten aus dem direkten Radius von zehn Kilometern um den Betrieb, in dem die Geflügelpest nachgewiesen wurde.

Die strengen Restriktionen griffen: Dem Rest Deutschlands blieb die Vogelgrippe inklusive aller drohenden wirtschaftlichen Folgen erspart. Aus Sicherheitsgründen mussten zwar entlang der Grenze zu den Niederlanden rund 100.000 Tiere wegen der Geflügelpest getötet werden. Die Landwirte bekamen jedoch zumindest den Marktwert der Tiere von der Tierseuchenkasse erstattet.

Ein Toter und zahlreiche Infizierte

Viel dramatischer sah die Situation in Holland und Belgien aus. Dort sprang die Geflügelpest auch auf Menschen über. Bis die Epidemie endlich eingedämmt wurde, hatten sich dort nach Angaben des Robert Koch Instituts in Berlin mindestens 83 Menschen mit dem Erreger angesteckt und litten zum Teil an Bindehautentzündungen oder grippeähnlichen Symptomen. Ein holländischer Tierarzt starb sogar an den Folgen der Geflügelpest. Eine Weitergabe des Erregers an Familienmitglieder und andere unmittelbare Kontaktpersonen konnten die Behörden aber ausschließen.

Die Frage jedoch, die man sich in Deutschland und den Niederlanden stellte lautete: Wie konnte die Vogelgrippe nach Holland gekommen? Für Christian Griot vom Institut für Viruskrankheiten und Immunpropylaxe in Mittelhäusern/Schweiz war der Fall relativ klar. Er hielt es für wahrscheinlich, dass Zugvögel das todbringende Virus nach Mitteleuropa gebracht hatten. Wilde Enten oder Gänse gehören zu den natürlichen Überträgern der Viren, sind aber selbst gegen die Seuche immun. Griot schloss aber auch eine Viruseinschleppung durch länderüberschreitende Tiertransport nicht völlig aus. Woher genau das Virus allerdings stammte, ist bis heute auch für die Forscher unklar.


Stand: 28.10.2005

Weitergabe des Virus von Mensch zu Mensch möglich

Todesursache Vogelgrippe

Untersuchung von Geflügel © USDA/Keith Weller

Nur wer mit H5N1-infiziertem Geflügel oder deren Körperausscheidungen in Kontakt kommt, läuft Gefahr sich dieses Virus einzufangen und an der Vogelgrippe zu erkranken: So lautete lange Zeit der Lehrsatz der WHO und anderer Wissenschaftler. Doch eigentlich sollten sie es besser wissen. Denn schon 1997 beim ersten Virus-„Outbreak“ von H5N1 in Hongkong ist es auch zu Übertragungen des Geflügelpest-Virus von Mensch zu Mensch gekommen. Dies haben Wissenschaftler des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA herausgefunden.

Nur leichte Symptome

Im Rahmen einer Studie untersuchten sie Krankenschwestern und Pfleger auf Virus-Antikörper im Blut, die damals Vogelgrippepatienten betreut hatten. Das Ergebnis: Bei knapp vier Prozent des Krankenhauspersonals, das unmittelbar mit den Virusopfern in Kontakt gekommen war, ließen sich Antikörper gegen die Vogelgrippe nachweisen. Die Auswirkungen der Infektion waren allerdings nach Angaben der Mediziner gering: Wenn überhaupt, blieb es bei leichten Symptomen wie einer Erkältung.

Laut Carolyn Buxton Bridges, eine der Leiterinnen der Studie, ließen diese Ergebnisse zwei Rückschlüsse zu. Zum einen, so die Wissenschaftlerin, war damit nachgewiesen, dass die Vogelgrippe von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Eine Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus muss zudem laut Buxton Bridges darüberhinaus nicht immer mit den dafür typischen Krankheitsanzeichen wie Fieber oder Lungenentzündungen verbunden sein. Weitere Untersuchungen an Arbeitern auf Geflügelfarmen oder mit dem Abtöten von Hühnern beschäftigten Einsatzgruppen brachten ähnliche Ergebnisse.

Sprung zum Menschenvirus geschafft?

Selbst wenn die Situation in Hongkong 1997 tatsächlich keinen großen Anlass zur Besorgnis gegeben haben mag, so hat sich die Situation um das Vogelgrippe-Virus spätestens seit Anfang des Jahres 2004 offenbar dramatisch verändert. Am 1. Februar gab die WHO bekannt, dass sich in Vietnam zwei Frauen möglicherweise bei ihrem Bruder mit der Vogelgrippe angesteckt haben. Alle drei Patienten in der Thai Binh Provinz sind mittlerweile gestorben.

Während bei den beiden Frauen mittlerweile zweifelsfrei feststeht, dass sie der Vogelgrippe zum Opfer gefallen sind, bleibt die Todesursache ihres Bruders wohl für immer im Dunklen. Denn es gibt keine Blut- oder Gewebeproben von ihm, die man auf H5N1-Befall untersuchen könnte.

Sollte in diesem Fall tatsächlich eine nachweisliche Infektion von Mensch zu Mensch stattgefunden haben, scheint das Virus seit 1997 deutlich aggressiver geworden zu sein. Zeigten Infizierte damals nur leichte Symptome, könnte H5N1 im Jahr 2004 möglicherweise den Tod der beiden 23- und 30-jährigen Frauen verursacht haben.

Später ist auch in Thailand ein Fall bekannt geworden, bei dem wahrscheinlich eine Übertragung des Virus von einem Erkrankten auf eine enge Kontaktperson stattgefunden hat. Doch noch hat sich H5N1 scheinbar nicht so gut an den Menschen angepasst, dass eine einfache und schnelle Übertragung möglich ist.


Stand: 28.10.2005

Droht eine neue weltweite Grippewelle?

Warnung vor dem „Killervirus“

Etwa drei Mal innerhalb von 100 Jahren, so haben Wissenschaftler herausgefunden, breiten sich normalerweise Grippeepidemien in kürzester Zeit über die ganze Welt aus. Die Folgen solcher Pandemien können wie bei der „Spanischen Grippe“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts verheerend sein. Damals starben bis zu 50 Millionen Menschen weltweit. Aber auch die „asiatische Grippe“ und die „Hongkong-Grippe“ 1957 bzw. 1968/69 waren kaum harmloser und forderten jeweils Hunderttausende von Menschenleben – mindestens.

Ganz typisch für solche Pandemien ist, dass sie in zwei oder mehr Wellen rund um den Globus laufen. Sobald die erste Infektionsrunde langsam abebbt, sucht sich der Virus neue Opfer, die noch nicht immun oder geimpft sind.

Vom Supervirus zur Pandemie

Die Gefahr einer Pandemie droht immer dann, wenn ein besonders aggressiver Erreger auftaucht. Solche „Supermikroben“ können unter anderem dann entstehen, wenn in einem Lebewesen mehrere verschiedene Viren gemeinsam auftreten. Die meisten Erreger verändern ohnehin ihr Erbgut häufig durch Mutationen und können sich so den Umweltbedingungen perfekt anpassen. Treffen sie jedoch zu einer „Virenhochzeit“ im Menschen zusammen, kann es zum „Gene Swapping“, zum Genaustausch kommen, aus dem dann ein ganz neuer Virus mit noch gefährlicheren Eigenschaften hervorgeht.

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Besitzt dieser Supervirus genügend für den Menschen gefährliche Gene, lässt er sich leicht beispielsweise per Tröpfcheninfektion von Homo sapiens zu Homo sapiens weitergeben – die nächste erdballübergreifende Grippeepidemie ist dann möglicherweise nur noch eine Frage der Zeit. Denn nur die wenigsten Menschen weltweit sind durch eine natürliche Immunität vor dem Virus sicher.

Als ideales „genetisches Mischgefäß“ für Grippe- und andere humanpathogene Viren berüchtigt ist nach den Erfahrungen der Wissenschaftler das Schwein. Es verfügt beispielsweise über Andockstellen – Rezeptoren – sowohl für Vogelgrippeviren als auch für die Erreger der menschlichen Influenza. Deshalb ist bei dieser Tierart die Gefahr einer Doppelinfektion und damit auch einer Virenfusion besonders groß. Da in Südostasien Menschen und Nutztiere häufig auf engsten Raum zusammenleben, ist es für Forscher kein Wunder, dass diese Region in den letzten Jahrzehnten immer wieder zu einer Brutstätte für gefährliche Seuchen wie SARS geworden ist.

Ein Virus macht mobil

Was den Wissenschaftlern bei H5N1 jedoch Sorgen macht ist, dass der Virus schon in der Vergangenheit scheinbar immer gefährlicher wurde.

Der Qinghai-See in Zentralchina im April 2005. Unzählige Wildvögel tummeln sich wie immer in und am größten Salzwassersee des Landes. Streifengänse gehören genauso dazu wie Fischmöwen, Braunkopfmöwen oder Kormorane. Was die Bewohner der Region und eiligst herbeizitierte Wissenschaftler stutzig macht, ist ein Massensterben unter den Wildvögeln, das völlig untypisch ist. Innerhalb weniger Wochen erkranken mehr als 3.000 Tiere, mehr als die Hälfte davon fällt der merkwürdigen Seuche zum Opfer.

Hat auch hier H5N1 seine „Finger“ im Spiel? Aber eigentlich erkranken doch keine Wildvögel an der Vogelgrippe?! Die Wissenschaftler sind zunächst ratlos. Die Resultate der Test bringen schließlich Gewissheit: Die Vögel sind tatsächlich am H5N1-Erreger gestorben. Allerdings an einem neuen Stamm, der durch den Austausch von Erbmaterial mit anderen Vogelgrippeviren noch gefährlicher wurde und sogar die sonst immunen Wildvögel dahinrafft.

Supervirus auch ohne menschliche Gene?

Indricotherium, Deinotherium und heutiger Elefant im Vergleich. Das vor rund 37 bis 23 Millionen Jahren lebende Indricotherium erreichte eine Masse von 15 Tonnen, das vor rund acht bis zwei Millionen Jahren lebende Deinotherium sogar 17 Tonnen. © Alison Boyer/ Yale University

Und noch eine Entdeckung gibt den Wissenschaftlern zu denken: Bisher ging man davon aus, dass ein Supervirus in der Regel nur dann entsteht, wenn es zum Erbgutaustausch mit menschlichen Grippeviren kommt.

Neueste von den Wissenschaftsmagazinen Science und Nature im Oktober 2005 veröffentliche Studien amerikanischer Forscher widerlegen jetzt diese Theorie. Ein „Zutun“ menschlicher Viren ist demnach gar nicht nötig. Der Erreger der „Spanischen Grippe“ H1N1 war nach den Ergebnissen der Virologen ein reiner Vogelgrippevirus, der sich nur durch Mutationen selbst „optimiert“ und angepasst hat, bis er leicht von Mensch zu Mensch übertragbar war.

Wie das RKI auf seiner Website berichtet, zeigte nun ein Vergleich mit H5N1, „dass einzelne genetische Merkmale des Erregers der Spanischen Grippe inzwischen auch bei H5N1 zu finden sind.“


Stand: 28.10.2005

...aber wann?

Die Pandemie kommt…

Schema des rund 300 Lichtjahre großen Gasrings im Zentrum der Milchstraße auf der Infrarotaufnahme des Welttraumteleskops Herschel. © ESA / NASA / JPL-Caltech

Seit die letzte weltweite Grippeepidemie in den Jahren 1968/69 um den Globus zog, sind mittlerweile mehr als 35 Jahre vergangen. Nach Ansicht der WHO und des RKI ist deshalb die Zeit vermutlich schon bald reif für eine neue Pandemie. „Es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann und wie stark eine Epidemie ausbricht“, so die Ansicht der meisten Seuchenexperten. Ist vielleicht schon in wenigen Tagen mit solch einer medizinischen Katastrophe zu rechnen oder ist es erst in einigen Monaten oder Jahren soweit? Darüber streiten die Wissenschaftler zurzeit noch.

Die WHO jedenfalls stuft das Risiko für eine Epidemie im Oktober 2005 deutlich höher ein als noch vor ein paar Jahren. Heißester Kandidat als Auslöser für eine solche Grippepandemie ist ohne Zweifel H5N1.

„Behauptungen, denen zufolge der Erreger der Vogelgrippe noch in diesem Jahr in der Lage sein wird, Millionen von Menschen zu infizieren, sind nichts als unverantwortlicher Alarmismus. Niemand weiß, wann und wo der Erreger die entscheidenden Mutationen vollziehen könnte. Auf der anderen Seite sind Einwände, dass mit der Angst nur den Gesundheitsbehörden und der pharmazeutischen Industrie noch mehr Steuermittel zugeschustert werden sollen, ebenfalls grober Unfug. Die Gefahr einer Pandemie ist real und das Risiko derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“, sagte Professor Dr. Reinhard Kurth, Präsident des Berliner Robert Koch Instituts, am 18. August 2005 im Interview mit FAZ.NET

Weltweite Epidemie mit Millionen von Opfern

Wenn es nun auch H5N1 durch weitere Erbgutveränderungen gelingt, auch für den Menschen hochgradig ansteckend zu werden und sich sogar über die Luft oder durch Tröpfcheninfektion zu verbreiten, könnten ihn wahrscheinlich weder Quarantäne noch andere Hygienemaßnahmen zuverlässig stoppen.

Auch die bisher entwickelten Impfstoffe, die gegen die bekannten Grippeviren gut helfen, bieten vor dem neuen Virus keinen Schutz, da dieser mit der Mutation auch die Angriffstellen des Impfstoffs verändert hat. Prognosen der WHO gehen deshalb in einem solchen Fall von einer möglichen „weltweiten Epidemie mit Millionen von Opfern“ aus.

Weniger dramatisch sieht die Situation offenbar der Chef der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), Bernard Vallat. In einem Interview mit einer französischen Tageszeitung spricht er sogar von einer Vogelgrippe-Psychose unter der sowohl viele Wissenschaftler als auch die Medien und die breite Öffentlichkeit leiden. Seiner Meinung nach spricht bisher vor allem die bisher äußerst geringe Anzahl an Infektionen in den bevölkerungsreichen Ländern Südostasiens gegen eine extreme Bedrohung des Menschen durch H5N1. Wer hat Recht?


Stand: 28.10.2005