Neuigkeiten von einer ökologischen Katastrophe

Aralsee

Schiffswracks am ausgetrockneten Aralsee © Edda Schlager

Eine Rettung des Aralsees halten selbst die Experten für absolut unrealistisch. Der langsam schrumpfende See scheint dem Verschwinden geweiht. Dennoch gibt es derzeit wieder Hoffnung, denn zumindest ein Teil des einst viertgrößten Binnenmeers der Erde scheint sich zu erholen.

Als Anfang der 90er Jahre, kurz nach dem Fall der Sowjetunion, die Bilder vom austrocknenden Aralsee um die Welt gingen, war schnell klar – dieses menschgemachte Desaster sucht seinesgleichen. Die UNO bezeichnete die Tragödie des Aralsees, der innerhalb von 40 Jahren etwa drei Viertel seiner Fläche einbüßte, als größtes ökologisches Katastrophengebiet neben Tschernobyl.

Rund 15 Jahr später wird eine weitere Dimension der Katastrophe sichtbar. Denn trotz der Erkenntnisse über Ursachen und Folgen des schrumpfenden Binnenmeers gibt es bis heute kein Gesamtkonzept, das eine vollständige Rettung des Aralsees ernsthaft ins Auge fasst, geschweige denn zur Umsetzung kommt. Zu unterschiedlich sind die Interessen an den natürlichen Ressourcen in der Region. Über die Verteilung und vernünftige Nutzung des Wassers der beiden Aral-Zuflüsse Amudarja und Syrdaria konnten sich die beteiligten Staaten bis heute nicht einigen.

Hauptursache für den Wassermangel im Einzugsgebiet des Aralsees sind nach wie vor die ausufernden Bewässerungstechniken, mit denen die Anrainerstaaten ihre Baumwollfelder mit Wasser versorgen. Der wasserreichste Fluss Zentralasiens, der Amudarja, kommt an seiner Mündung in den Aralsee nur als Rinnsal an, in trockenen Jahren versickert er im Wüstensand der Kysylkum, hunderte Kilometer, bevor er überhaupt in die Nähe des Aralsees kommt.

Obwohl der Kampf gegen das Schicksal des Aralsees schier aussichtslos erscheint, kämpfen die Menschen an den Ufern ihres „Aral-Meeres,“ wie der See in den verschiedenen Landessprachen genannt wird, um ihre Existenz. Unterstützt werden sie dabei von internationalen Experten, die mit zahlreichen Projekten immer wieder versuchen, ein wenig Hoffnung in die Region zu bringen.

Ein Blick auf den Status quo des Aralsees.

Edda Schlager
Stand: 05.01.2007

Hoffnung in Aralsk

„Das Meer kommt zurück“

Hafen von Aralsk © Edda Schlager

Aralsk ist noch immer eine Hafenstadt – obwohl das Meer seit mehr als zwanzig Jahren knapp 80 Kilometer weit entfernt ist. Jeder in der Stadt kennt die Richtung zum Hafen. „Gleich dort hinten,“ gibt ein Halbwüchsiger bereitwillig Auskunft. Dass Fremde mit Fotokameras nach dem Hafen fragen, ist in Aralsk Normalität. Direkt gegenüber dem Basar liegt der Hafen, jenseits der Hauptstraße, die sich quer durch die Stadt mit den 30.000 Einwohnern zieht. Vor vierzig Jahren noch lebten hier fast doppelt so viele Menschen.

Hafenstadt ohne Wasser

Aralsk, das am Nordufer des Aralsees auf kasachischer Seite liegt, war durch seine Fischindustrie Jahrzehnte lang ein wichtiger Wirtschaftsstandort im Süden Kasachstans. Aralsk lebte vom Fisch und vom Aralsee. „Teniz“ – Meer – heißt der See deshalb bei den Leuten an beiden Ufern, bei den Kasachen im Norden und den Usbeken im Süden. Über 60.000 Quadratkilometer groß war der Aralsee bis zu den 1960er Jahren, das viertgrößte Binnengewässer der Erde. Doch seitdem ist das Meer zu einer Pfütze geschrumpft, auf weniger als 15.000 Quadratkilometer Fläche.

Aus Aralsk sind die Leute seitdem zu Tausenden weggezogen, weil erst das Meer aus der Stadt verschwand und dann der Fisch aus dem Meer. Die Fischer verloren ihre Arbeit, denn der Salzgehalt des Wassers war derart gestiegen, dass die heimischen Süßwasserfische verschwanden. Fast drei mal so viel Salz wie die Ostsee enthielt das Wasser des Aralsees in den letzten Jahren, mehr als 20 Gramm pro Liter.

Der Hafen von Aralsk verwaiste. Einige der Schiffe blieben einfach liegen und wurden nie weggeräumt. Heute gleicht der Hafen einem Schrottplatz, Meeresrauschen hört man nicht einmal in der Ferne. Verrostete Fischkutter liegen auf die Seite gekippt am Ufer und im alten Hafenbecken. Das bisschen Wasser, das gegen die Kaimauer schwappt, ist eine Giftbrühe aus Öl, Benzin und Salz. Die einzigen Geräusche im Hafen sind die Schreie der Möwen, die über den Schiffswracks kreisen. Hin und wieder fährt ein alter Lada auf der Piste am Hafenbecken entlang und wirbelt Staub auf.

Zeitenwende in Aralsk

Doch die Tristesse täuscht. Vor ein paar Monaten ist die Hoffnung wieder in Aralsk eingezogen. Denn der nördliche Teil des Aralsees, einer der drei Teilseen, in die das Binnenmeer mittlerweile zerfallen ist, steigt seit dieser Zeit unaufhörlich an und wächst wieder.

Im Akimat, der Stadtverwaltung von Aralsk, herrscht geschäftiges Treiben. Kulbai Danabejew, der Zweite Bürgermeister von Aralsk, gibt gerne Auskunft zu dem Thema, das die Stadt derzeit am meisten bewegt: Das Meer kehrt zurück! Auch Danabejew ist sich dessen sicher. Bis auf 15 Kilometer sei das Ufer schon wieder an die Stadt herangekommen. „Wir hoffen, dass das Wasser bald auch unseren Hafen erreicht,“ so der stellvertretende Bürgermeister.

Auf dem Basar sind sich die Fischverkäuferinnen nicht ganz so sicher, was es wirklich mit den Gerüchten auf sich hat. „Ja, man sagt, das Meer kommt zurück,“ sagt eine, „aber glauben werden wir das erst, wenn wir es mit eigenen Augen gesehen haben.“ Eine andere schimpft darüber, dass alle nur von Umweltverschmutzung redeten. „Wir leben trotzdem gut hier, wir haben alles,“ sagt sie. Einig sind sich die kasachischen Marktfrauen allein darüber, dass es heute überhaupt wieder Fisch gibt und der zudem mittlerweile wieder billiger als Fleisch sei.

Fischfang wiederbelebt

Fischmarkt von Aralsk © Edda Schlager

Die Fische, die auf dem Basar jeden Tag frisch verkauft werden, kommen aus der Fischfabrik in Aralsk. Erst vor zwei Jahren war die Fabrik wiedereröffnet worden mit Hilfe von dänischen Fischerei-Experten. Bereits seit Beginn der 90er Jahre unterstützen die Dänen die Fischer am Aralsee beim Wiederaufbau einer funktionierenden Fischwirtschaft. Als Basis diente damals die salzwasserliebende Flunder, die einen Mindestsalzgehalt von etwa 14 Gramm pro Liter im Wasser braucht, um sich überhaupt vermehren zu können.

„Heute werden sogar wieder Brassen, Karpfen, Hechte oder Zander gefangen,“ berichtet Kulshei Tauekilowa. Die Fischhändlerin fährt mit einem Jeep mehrmals täglich zwischen dem Aralsee und der Stadt hin und her, um den Fang weiterzuverarbeiten. In der Fischfabrik wird die Ware tiefgefroren und von hier auf die Basare der Nachbarorte verteilt oder in die kasachischen Großstädte Astana und Almaty und sogar bis nach Russland verschickt.

Tauekilowa ist 60 Jahre alt und bereits Rentnerin. Früher hat sie in Restaurants gearbeitet und als Verkäuferin. Als sie vor einem Jahr merkte, dass das Meer wieder mehr Fisch hergibt, hat sie sich mit einem ihrer Söhne als Händlerin selbständig gemacht. Dass das Meer die Stadt bald wieder erreicht, hofft auch sie. Doch, ob es kommt oder nicht, „wir müssen so oder so arbeiten,“ sagt sie. Auch jetzt ist sie in Eile. Als die 650 Kilogramm Fisch von diesem Morgen ausgeladen sind, macht sie sich erneut auf in Richtung Aralsee, um die nächste Fuhre zu holen.


Stand: 05.01.2007

Der Aral wird zum Stausee

„Gerettet, was zu retten ist“

Aralsee 1989 und 2003 (rechts oben der Kleine Aral) © NASA

Der Aralsee wächst also wieder. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist. Das gilt nur für den Kleinen Aral, den nördlichen, auf kasachischem Territorium liegenden Teil des Aralsees, der mittlerweile in drei Einzelseen zerfallen ist. Durch die sinkende Wasseroberfläche und Landzungen, die aus früheren Inseln entstanden sind, wurde er quasi vom Großen Aral im Süden abgeschnürt. Die Fläche des südlichen Sees, der zum Grossteil in Usbekistan liegt, ist etwa vier mal so groß wie die des Kleinen Arals. Doch auch der Große Aral löst sich auf. Die frühere Insel Wozroshdenje hat den See in einen tiefen westlichen Teil und einen weitaus flacheren östlichen Teil gespalten.

Der Syrdarja, der östliche der beiden einzigen Zuflüsse, die den Aral speisen, mündet in den Kleinen Aralsee, nachdem er Kirgistan und Usbekistan durchquert hat. Der Amudarja im Westen dagegen entspringt in Tadschikistan und Afghanistan und quert auf seinem Weg nach Kasachstan auch Usbekistan und Turkmenistan, um schließlich in den See zu münden.

Letzte Hoffnung – ein Staudamm

Angesichts der bevorstehenden Katastrophe – Experten hatten das vollständige Verschwinden des Arals bis zum Jahr 2020 vorhergesagt – hatten die Bewohner am Nordufer des Arals bereits im Jahr 1999 zu Spaten und Bulldozern gegriffen, um den Syrdarja aufzustauen und so wenigstens den Kleinen Aral zu retten. Doch ein Sandsturm brachte den Staudamm zum Einsturz.

Kokaral-Damm zwischen Kleinem und Großem Aral © Edda Schlager

Im Jahr 2001 dann unterzeichneten Kasachstan und die Weltbank einen Kreditvertrag über 65 Millionen Dollar – für einen haltbaren Staudamm aus Beton an der gleichen Stelle zwischen dem Kleinen Aral im Norden und dem Großen Aral im Süden. 2005 wurde das letzte Stück des 13 Kilometer langen Kokaral-Staudamms geschlossen. Seitdem füllt das Wasser des Syrdaria den Kleinen Aralsee schneller als gedacht, dank eines Winters mit unerwartet viel Schmelzwasser. Um knapp drei Meter ist der Wasserspiegel bereits gestiegen. Die Uferlinie hat sich an manchen Stellen um 15 Kilometer verlagert.

Den Norden gerettet, im Süden verloren

Doch was schon als „Wiedergeburt des Aralsees“ gefeiert wird, ist eher die Kapitulation vor der ökologischen Katastrophe. Denn der See im Süden trocknet durch den Damm nur noch schneller aus. „Wir haben den kleinen, nördlichen Teil zwar gerettet. Der Große Aral aber ist wohl endgültig verloren,“ so Serikbai Smailow vom Komitee für Wasserressourcen beim kasachischen Landwirtschaftsministerium.

Der Gesamt-Zufluss für den usbekischen Teil des Aralsees wurde durch den Damm um ein Drittel gekappt. Bis auf ein paar Tausend Kubikmeter Wasser, die im Sommer kontrolliert über den Kokaral-Damm abgelassen werden, bezieht der Große Aral sein Wasser jetzt nur noch aus dem Amudarja. Der ist in seinem Delta jedoch nicht mehr als ein Rinnsal. Denn Turkmenistan und Usbekistan entnehmen dem Fluss jährlich etwa zehn Kubikkilometer Wasser für den bewässerungsintensiven Baumwoll- und Weizenanbau. Wasser, das der Aralsee dringend braucht.

Experten sind sich einig, dass der künstlich aufgestaute See in Kasachstan die einzige Möglichkeit ist, überhaupt einen Teil des Arals zu retten. „Weil der Große Aral so flach ist, verdunstet dort sehr viel Wasser,“ so Christopher Martius vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn. „Jetzt wird das Wasser wieder genutzt, auch wenn der Stausee sicher nie die ursprüngliche ökologische Qualität des Aralsees haben wird.“

Fehlendes Gesamtkonzept

Fischer am Kokaral-Damm © Edda Schlager

Auch Bakhtiyor Karimow vom Institut für Wasserprobleme in Usbekistan begrüßt die positiven Folgen des Staudamms. „Das Ökosystem am Kleinen Aralsee wird sich stabilisieren, die Fischerei wiederbelebt“, ist er überzeugt. Dennoch kritisiert er die internationalen Institutionen, die sich seit Jahren vergeblich um ein Gesamtkonzept zur Rettung des Aralsees bemühten, darunter die zwischenstaatliche Wasserkommission der fünf zentralasiatischen Länder im Einzugsgebiet des Aralsees und der 1993 gegründete Internationale Fond zur Rettung des Aralsees (IFAS). Zu dessen Geldgebern gehören die Weltbank, die Asian Development Bank oder das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP. „Doch all diese Organisationen arbeiten vereinzelt, stimmen ihre Tätigkeit nicht ab und finanzieren Projekte unabhängig von wissenschaftlichen Erkenntnissen,“ so Karimow.

Loup Brefort, Landesmanager der Weltbank in Kasachstan, weist die Kritik zurück: „Ein Gesamtkonzept steht und fällt mit der Nutzung des Wassers aus dem Amudarja. Leider ist es der internationalen Gemeinschaft bisher nicht gelungen, Usbekistan und Turkmenistan davon zu überzeugen, die Bewässerung zu reduzieren oder wassersparende Methoden zu nutzen,“ so Brefort. „Die Wiederbelebung des kompletten Aralsees ist unter diesen Umständen absolut unrealistisch. Wir haben das Bestmögliche getan und gerettet, was zu retten ist.“


Stand: 05.01.2007

Land- und Wassernutzung in Usbekistan

Kampf dem Salz

Während Kasachstan auf den Kleinen Aral setzt und darauf hofft, dass sich das Ökosystem im Delta des Syrdaria zumindest teilweise wieder erholt, hat der südliche Nachbar Usbekistan eine weitaus größere Last zu tragen. Der Große Aral und damit der größte Teil des Aralsees liegt auf usbekischem Territorium. Hier hat sich die neue Aralkum-Wüste gebildet: 50.000 Quadratkilometer ausgetrockneter Seeboden, mit Pestiziden verseucht.

Tödlicher Salzstaub

Staubsturm über dem Aralsee © NASA

Etwa 75 Millionen Tonnen Salzstaub gelangen jährlich durch Staubstürme in der Aralsee-Region in die Atmosphäre. Das meiste davon fällt in einem Radius von etwa 1.000 Kilometern nieder. Schwere gesundheitliche Schäden bei der Bevölkerung in der Region sind die Folge. Tuberkulose und Asthma sind hier Volkskrankheiten. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen am Aralsee beträgt nur 59 Jahre, während der Durchschnitt im restlichen Usbekistan bei 64 Jahren liegt.

Hinzu kommt die Gesundheitsgefahr durch die Landverbindung der ehemaligen Insel Wosroshdenje. Zu Sowjetzeiten wurden auf der Insel hoch geheim Bio-Kampfstoffe getestet. Bachtiyar Schollybekow, Professor am Institut für Bodenkunde an der Universität von Nukus, hält einen Zusammenhang mit zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden in der Region für wahrscheinlich: „Es gibt eine mögliche Verbindung zwischen der Insel und der schwachen Gesundheit vieler Menschen hier,“ ist er sich sicher.

Baumwolle – ein Fass ohne Boden

Um die Bodenversalzung und damit auch die gesundheitliche Belastung der Bevölkerung zu verringern, betreibt das Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn (ZEF) seit fünf Jahren ein Projekt zur nachhaltigen Land- und Wassernutzung in Usbekistan.

Baumwolle © Edda Schlager

In der Region Khorezm am Unterlauf des Amudarja arbeiten etwa 65 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Die ist in Usbekistan weitgehend staatlich reguliert. Hauptanbaukultur ist die sehr bewässerungsintensive Baumwolle. Usbekistan ist mit 3,5 Millionen Tonnen jährlich weltweit zweitgrößter Exporteur von Rohbaumwolle und lebt hauptsächlich von den Einnahmen aus dem Verkauf.

Obwohl es Baumwollsorten gibt, die mit wenig Wasser, beispielsweise aus geringen Niederschlägen und dem Grundwasser, auskommen, wird der Anbau dieser Sorten aufgrund der etwas schlechteren Faserqualität von staatlicher Seite nicht gefördert.

Steigendes Grundwasser

Salzausfällung auf Baumwollfeld © Edda Schlager

Doch die Bewässerungspraktiken in der Region verursachen nur eine weitere Versalzung der Böden. Die Wasserkanäle sind so groß wie Flüsse. Zum einen verdunstet so ein Großteil des aus dem Amudarja entnommenen Wassers, bevor es überhaupt die Felder erreicht. Zum anderen verursacht die Bewässerung einen Anstieg des Grundwasserspiegels. Weil so viel Wasser verdunstet, wird das Grundwasser nach oben gesaugt und hinterlässt dann im Boden die schädlichen Salzkrusten. 15 bis 20 Tonnen Salz pro Hektar und Jahr kommen so an die Oberfläche, haben die Forscher vom ZEF festgestellt.

Das Problem ließe sich mit weniger Bewässerung lösen. Doch obwohl die Ursache für die starke Versalzung bei den Bauern bekannt ist, bleiben die bei ihren alten Praktiken. Der Grund: Die Bauern bekommen das Wasser für ihre Felder von den staatlichen Behörden zugeteilt. Da es schwierig ist, regelmäßig Wasser zu erhalten, bewässern die meisten auf Vorrat – und damit zu viel.

Integriertes Ressourcennutzung

Nachdem die Forscher vom ZEF diesen Zusammenhang erkannt hatten, haben sie begonnnen, ein integriertes Land- und Wassernutzungskonzept aufzustellen, gemeinsam mit den Bauern und heimischen Wissenschaftlern vor Ort.

Zum einen setzen die Deutschen auf neue politische Konzepte. So wird derzeit auf Testfarmen in Erfahrung gebracht, ob eine kostenpflichtige Abgabe des Wassers zu sparsamerem Umgang führt. Zum anderen sollen Institutionen vor Ort in die Umsetzung der Forschungsergebnisse eingebunden werden, denn ohne eine Akzeptanz durch staatliche Entscheidungsträger, sei ihre Arbeit sinnlos, so die Forscher vom ZEF. Zum Dritten werden zur Zeit neue Methoden des Ressourcenmanagements getestet. Beispielsweise hat sich schon gezeigt, dass die Aufforstung des alten Seebodens mit salzresistenten Pflanzen wie beispielsweise Saksaul nicht nur machbar ist, sondern auch entscheidende Vorteile für die Umwelt bringt. Die Winderosion kann gestoppt werden und der Boden erhält durch Wurzeln und absterbende Pflanzen zusätzliche organische Substanz – der Wasserverbrauch wird verringert.


Stand: 05.01.2007

Die Heuschreckenplage von Karakalpakistan

„Zähne des Windes“

Wanderheuschrecken © Jonathan Hornung

Das Austrocknen des Aralsees hat eine weitere, unerwartete Plage mit sich gebracht. Weil weniger Wasser im Aralsee ist, bilden sich über dem See kaum noch Wolken. Das Klima im Becken des Aralsees ist deshalb in den letzten Jahrzehnten im heißer und trockener geworden. Die riesigen Schilfwälder in den Deltas von Amudarja und Syrdaria trocknen dadurch schnell aus – und bilden eine ideale Brutstätte für Heuschrecken.

In den Brutregionen schlüpfen die Larven im Frühjahr und bleiben dort, bis sie sich voll entwickelt haben. Im August werden die Larven der Heuschrecken geschlechtsreif. In schlechten Jahren fallen die „Zähne des Windes“ dann zu Abermillionen über alles Fressbare her, was sich ihnen in den Weg stellt. Warum es nur hin und wieder zu bedrohlichen Heuschreckenplagen kommt, ist bisher noch unerforscht.

Satellitenbilder gegen Schrecken

In Karakalpakistan, einer autonomen Republik in Usbekistan, die südlich des Aralsees liegt, hat die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit den Kampf mit den Heuschrecken trotzdem aufgenommen. Hans Wilps, der Leiter des Projekts, hat jahrelang in Afrika Insekten bekämpft. Seine Erfahrungen kommen ihm jetzt auch am Aralsee zugute. „Eine effektive Bekämpfung ist nur möglich, wenn die Brutstätten der Schädlinge bekannt sind und Larvenbestände dort bereits während der Brutzeit dezimiert werden,“ so Wilps.

Um potentielle Brutgebiete zu identifizieren, setzt die GTZ auf moderne Fernerkundungstechnik. Gemeinsam mit der Universität Wyoming werten die Schädlingsbekämpfer Satellitenbilder der Region in Karakalpakistan aus, um Gefahrenpotential-Karten zu erstellen. In Falschfarben werden dabei verschiedene Vegetationsformen dargestellt. Schilfwälder, die möglichen Brutgebiete der Heuschrecken, erscheinen darauf beispielsweise grün, Felder rot. Am Boden und durch Überflüge verifizieren die Mitarbeiter von Wilps, welche der möglichen Flächen tatsächlich Brutgebiete der Heuschrecken sind. Sind die Karten erst einmal erstellt, können sie regelmäßig aktualisiert werden.

Noch kein effektiver Schutz

Das zweite Ziel des GTZ-Projekts ist die effektive Schädlingsbekämpfung. Schon zu Sowjetzeiten gab es gefräßige Heuschreckenschwärme. Ein staatliches Schutzsystem sorgte mit Tonnen von Pestiziden dafür, dass sich die Insekten nicht ausbreiteten. Heute haben die zentralasiatischen Länder ihre Schutzmaßnahmen gegen Heuschrecken alle einzeln organisiert. In Kasachstan liegt die Aufgabe in privater Hand. In Usbekistan und damit auch in Karakalpakistan wird der Schutz weiterhin staatlich gelenkt.

Zweieinhalb Millionen Hektar potenzielle Brutgebiete haben Wilps und seine Kollegen in der letzten Saison identifiziert. Doch nur 150.000 Hektar davon konnten regelmäßig kontrolliert werden. Denn die Ausstattung der einheimischen Überwachungsmannschaft ist veraltet. Außerdem sind längst nicht so viele Helfer im Einsatz wie nötig.

Sprühen muss noch immer sein

Aber die GTZ unterstützt die Einsatztruppe in Karakalpakistan mit neuester Technik. Mit dem umweltschonenden Ultra-Low-Verfahren ist pro Hektar nur noch ein Liter Sprühmittel notwendig. Nach der sowjetischen Methode wurde früher pro Hektar mehr als einhundert Liter eines Gemischs aus Wasser und Pestizid versprüht. Ganz auf Pestizide zu verzichten, ist bisher nicht möglich. Biologische Bekämpfungsmittel, bei denen beispielsweise für Heuschrecken schädliche Pilzsporen zum Einsatz kommen, sind noch nicht ausgereift. „Wenn die Heuschrecken in Massen auftreten, helfen nur Pestizide“, so Wilps.

Weil die Heuschreckenschwärme an Staatsgrenzen nicht Halt machen, sondern sich die für sie besten Umweltbedingungen suchen, kann der Kampf gegen die Insekten am Aralsee nur dann erfolgreich sein, wenn die Nachbarländer ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen. Auch Kasachstan hat bereits Interesse geäußert, die Beratung der GTZ in Sachen Heuschreckenabwehr in Anspruch zu nehmen.


Stand: 05.01.2007

Höchst- und Tiefstständen auf der Spur

Neuer Rekord!

Trockengefallenes Steilufer am Aralsee © CLIMAN, GFZ Potsdam

Dass der sinkende Wasserspiegel des Aralsees irgendetwas Gutes mit sich bringt, ist kaum vorstellbar. Dennoch machen sich seit wenigen Jahren Wissenschaftler zunutze, dass das zurückweichende Ufer des Aralsees Bereiche freilegt, die durch das Wasser bisher vor Blicken verborgen waren.

Bereits zu Sowjetzeiten hatte man begonnen, die Folgen der ökologischen Katastrophe am Aralsee auf Umwelt und Bevölkerung zu untersuchen. Kaum Beachtung fanden jedoch bisher die Seespiegelschwankungen, von denen es in den vergangenen Tausenden von Jahren ohne Zweifel mehrere gegeben hat.

Zweifelhafter Höchststand

Durch Sedimentbohrungen in den 1960er Jahren war man bisher davon ausgegangen, dass der Aralsee etwa um 3000 vor Christus einen Höchststand von 65 Metern, um 1000 vor Christus sogar von 73 Metern gehabt haben soll. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 hatte der Aralsee noch eine maximale Tiefe von 34 Metern.

Archäologen vom GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ) haben jetzt Zweifel am bisher angenommenen historischen Höchststand angemeldet. Gemeinsam mit russischen Kollegen hatten die Potsdamer Forscher unter der Leitung von Nikolaus Boroffka von der Universität Potsdam alte Siedlungen am Ufer des Aralsees ausgemacht. Laut den Ergebnissen der Forscher begann die Siedlungsgeschichte am Aralsee demnach bereits im Paläolithikum, in der Altsteinzeit, etwa 50.000 bis 35.000 Jahre vor Christus.

Anhand von Steinwerkzeugen, die auf etwa 60 Meter hohen Klippen über dem Meer lagen, aber nie von jüngeren Sedimenten überdeckt waren, schlossen die Archäologen, dass der Seespiegel nie über dieser Marke von 60 Metern gelegen haben kann. Einen Seespiegelstand auf der Höhe von 73 Metern halten die Potsdamer deshalb für unmöglich.

Tiefenrekord gebrochen

Bei den Untersuchungen der Potsdamer kamen aber auch bisher unbekannte rekordverdächtige Tiefststände des Aralsees zum Vorschein. Auf 42 bis 46 Metern über dem Meeresspiegel fanden die Archäologen Siedlungsreste aus der Jungsteinzeit, etwa 5000 bis 3000 Jahre vor Christus. Der Aralsee, der bis zu den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen Seespiegel auf der Höhe von 55 Metern hatte, musste im Neolithikum also deutlich flacher gewesen sein.

Sedimentbohrkern – direkt nach der Öffnung (rechts) und vier Stunden später © CLIMAN, GFZ Potsdam

Ein weiteres historisches Tief im 13. Jahrhundert wurde durch die Potsdamer bestätigt. Die mittelalterliche Siedlung Kerderi wurde auf 32 Metern über dem Meeresspiegel gefunden. Zu dieser Zeit muss der Wasserstand des Aralsees also niedriger gewesen sein, sonst hätte sich auf diesem Niveau keine Ortschaft entwickeln können.

Der Kerderi-Rekord wurde um die Jahrtausendwende allerdings eingestellt: Heute liegt der Wasserstand im Großen Aralsee bei etwa 30 Metern.

Während das Absinken des Seespiegels im Aralsee in jüngster Zeit eindeutig anthropogene, also menschgemachte Ursachen hat, sehen die Archäologen den Grund für die historischen Schwankungen vor allem in klimatischen Veränderungen. Auch tektonische Bewegungen kämen in Frage, so Nikolaus Boroffka. Dadurch könnten sich die Zu- und Abflussverhältnisse am Aralsee verändert haben. Die tatsächlichen Gründe für die Seespiegelschwankungen vor unserer Zeit seien jedoch noch nicht ausreichend untersucht.


Stand: 05.01.2007

... und wie geht es weiter?

Wer tut was …

Nördlicher Aralsee, 1973 © NASA

Spätestens seit Anfang der 90er Jahre weiß die Weltöffentlichkeit vom Ausmaß der Katastrophe am Aralsee. Die UNO bezeichnete sein allmähliches Verschwinden als größte ökologische Katastrophe neben dem Unglück von Tschernobyl.

Was hat die internationale Gemeinschaft seitdem unternommen, um das Austrocknen des Aralsees aufzuhalten oder gar zu stoppen? Wer ist unmittelbar betroffen und welche Akteure sind an Programmen beteiligt, die eine Rettung des Arals vorsehen?

IFAS – Internationaler Fond zur Rettung des Aralsees

Nördlicher Aralsee, 1986 © NASA

Im Jahre 1993 haben die fünf zentralasiatischen Länder Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan den IFAS (International Fond for the Saving of the Aral Sea) gegründet. Ziel des Zusammenschlusses war es, die Umweltkatastrophe abzuwenden und die sozio-ökonomischen Bedingungen der unmittelbar betroffenen Bewohner der Region zu verbessern.

Unterstützt wird der IFAS beispielsweise durch die Weltbank, durch das Entwicklungsprogramm der UNO (UNDP), den Global Ecology Fond (GEF), die Asian Development Bank (ADP), die US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID), das TACIS-Programm der Europäischen Union oder das Zentralasiatische Regionalentwicklungszentrum (CAREC).

Der IFAS koordiniert offiziell zahlreiche Projekte auf nationaler oder regionaler Ebene, bei denen es beispielsweise um die Verbesserung der Trinkwasserqualität geht, die gemeinsame Nutzung der Wasserressourcen der Region zur Energieerzeugung oder die Renaturierung von Feuchtgebieten. In erster Linie geht es hier aber um die Verteilung von Fördergeldern der unterstützenden internationalen Entwicklungsorganisationen.

ICWC – Interstate Coordination Water Commission

Die ICWC ist ein ähnlicher Zusammenschluss der fünf zentralasiatischen GUS-Länder wie der IFAS. Die Arbeit der Kommission besteht vor allem darin, wissenschaftliches Daten-Material bereitzustellen, aufgrund dessen Projektzu- oder absagen erteilt werden und mit deren Hilfe regionale Entwicklungskonzepte aufgestellt werden sollen.

Weltbank

Nördlicher Aralsee, 2000 © NASA

Die Weltbank ist einer der Hauptpartner des IFAS. Sie hat den insgesamt 85 Millionen US-Dollar teuren Bau des Kokaral-Staudamms am Aralsee mit einem Kredit über 65 Millionen unterstützt. Die Weltbank hat einzelne Filialen in den Anrainer-Staaten des Aralsees, die unabhängig voneinander über die Finanzierung von Projekten innerhalb eines Landes entscheiden. Zu einem möglichen Gesamtkonzept zur Rettung des Aralsees haben sich die beteiligten Weltbank-Filialen bisher nicht abgestimmt.

In regelmäßiger Folge finden in den Anrainerstaaten des Aralsees Konferenzen zur Nutzung der Wasserressourcen in Zentralasien statt. Ebenso regelmäßig kommt es dabei zu Appellen an die internationale Gemeinschaft, die betroffenen Länder bei der Bewältigung der Umweltschäden im Aralsee-Becken zu unterstützen. Eine Konvention zum Schutz des Aralsees, die von allen fünf Ländern unterzeichnet wurde, gibt es jedoch bis heute nicht.


Stand: 05.01.2007

Interview mit Serikbai Smailow

„Erdöl und Erdgas sind wichtiger“

Serikbai Smailow ist Projektkoordinator zur Regulierung des Syrdaria und zur Rettung des nördlichen Aralsees beim Komitee für Wasserressourcen im kasachischen Landwirtschaftsministerium. Er hat den Bau des Staudamms zwischen dem Kleinen und dem Großen Aralsee geplant und koordiniert. g-o.de hat ihn zum Staudamm befragt und welche Perspektive er für den Aralsee sieht.

g-o.de:

Welche Probleme hat das Schrumpfen des Aralsees in Kasachstan mit sich gebracht?

Smailow:

Es gibt eine erhebliche Belastung der Gesundheit durch Staubstürme, bei denen der mit hohen Salzgehalten belastete Boden aus den trockengefallenen Gebieten ausgeblasen wird. Es gibt Auswirkungen auf das Atmungssystem der Menschen, Lungenkrankheiten, Tuberkulose. Wir haben eine sehr hohe Kindersterblichkeit. Außerdem war bisher die Fischwirtschaft praktisch nicht mehr existent und der Grundwasserspiegel im Aralseebecken ist stark gefallen

g-o.de:

Warum wurde das Projekt eines Staudammbaus am Aralsee initiiert?

Smailow:

Heute teilt sich der Aralsee in drei Teile: den nördlichen Kleinen Aral und den Großen Aral im Süden, und letzterer ist in einen westlichen und einen östlichen See zerfallen. Die Idee von der Säuberung des nördlichen Teils des Arals existiert seit einigen Jahren, weil eine Rettung des gesamten Sees nicht möglich ist, denn das Wasser im Aralseebecken reicht derzeit nicht aus. Wenn wir den Kleinen Aral nicht retten würden, würde sich das Absinken des Wasserspiegels im südlichen Teil nur um etwa 10 bis 15 Prozent jährlich verlangsamen. Wenn wir aber den nördlichen Teil retten, kann sich dort die Fischwirtschaft wieder entwickeln, die Belastung mit Salzstaub wird verringert.

g-o.de:

Nach dem Bau des Staudamms ist der Kleine Aralsee viel schneller gewachsen als erwartet. Warum?

Smailow:

Als das Projekt begann, in den Jahren 1999 und 2000, haben wir für die Prognosen den Durchfluss der vorherigen Jahre zugrunde gelegt. Als wir dann den Bau des Damms in Angriff genommen haben, folgten drei sehr wasserreiche Jahre. Auch der letzte Winter im Aralseebecken war sehr kalt und schneereich, im Frühjahr hat es viel geregnet. Der Durchfluss war deshalb sehr hoch. Kirgistan hat sehr viel Wasser verwendet in diesem Jahr, um viel Energie herzustellen, weil es so kalt war. Außerdem gab es dieses Jahr kaum Hochwasser. Das sind alles Gründe dafür, dass der Aral so schnell voll gelaufen ist. Und das hat einen unerwarteten Effekt auf unsere Arbeit gehabt. Wir hätten gedacht, dass wir den Wasserstand von 42 Metern erst im Jahr 2010, manche Experten sagten auch 2013, erreichen würden. Aber wir haben das jetzt schon erreicht.

g-o.de:

Was hat sich seit dem Bau des Staudamms geändert?

Smailow:

Der Seespiegel des Kleinen Arals ist um zwei Meter gestiegen, die Wasserfläche ist um 900 Quadratkilometer gewachsen, das Volumen hat sich um 11,5 Kubikkilometer vergrößert. Die Salzbelastung hat sich von 23 auf 17 Gramm pro Liter verringert. Die Fischausbeute hat sich auf 11.000 Tonnen erhöht. Das sind die ersten Ergebnisse, die man schon sehen kann. In den letzten Jahren wurden jährlich etwa 200 Tonnen Fisch gefangen, im letzten Jahr waren es mehr als 2.000 Tonnen

g-o.de:

Wieso ist es so ausschlaggebend, wieviel Wasser aus dem Syrdaria Kirgistan nutzt? Kirgistan liegt über eintausend Kilometer vom Aralsee entfernt?

Smailow:

Der Syrdaria hat mehrere Quellen und verläuft durch das Territorium von vier Ländern: Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan. Kirgistan spielt insoweit eine Rolle, als dass das Land mehrere Wasserkraftwerke mit Rückhaltebecken betreibt. Das Wasser wird dort zur Energiegewinnung genutzt, insbesondere im Winter. Usbekistan und Kasachstan dagegen brauchen das Wasser im Sommer zur Bewässerung. Deshalb haben wir Probleme bei der Verteilung der Wasserressourcen. Im Winter werden in Kirgistan große Mengen Wasser freigesetzt, die bis nach Kasachstan gelangen. Für Kasachstan ist das schwierig, weil der Flusslauf im Winter zufriert, das Wasser gelangt also nicht bis in den Aral. In Usbekistan ist das Problem nicht so groß. Dort friert der Fluss nicht zu. Das Wasser, was aus den Bergen kommt, fließt durch das Land hindurch.

g-o.de:

Welche Maßnahmen haben Sie außer dem Staudammbau vorgenommen?

Smailow:

Wir haben zahlreiche Dämme entlang des Flusslaufs des Syrdaria gebaut und weitere geplant. Dazu gehört ein Staudamm, um die Stadt Kyzylorda vor den Frühjahrshochwässern zu schützen. Außerdem haben wir ältere Dämme und den Flusslauf repariert. All das dient dazu, den Aralsee mit mehr Wasser zu versorgen und den Zufluss aus dem Syrdaria zu erhöhen.

g-o.de:

Was ist Ihrer Meinung nach wichtig für das Wassermanagement am Aralsee?

Smailow:

Derzeit suchen die Regierungen von Kirgistan, Usbekistan und Kasachstan eine Form, in der sie zusammenarbeiten können. Für die vernünftige Nutzung der Wasserressourcen sollte ein Konsortium geschaffen werden, das sich mit Fragen rund um die Wasser- und Energieressourcen beschäftigt. Darin könnten sowohl die Interessen Kirgistans zur Nutzung der Hydroenergie berücksichtigt werden, als auch die Interessen Kasachstans, das das Wasser zur Bewässerung braucht. Leider gibt es so etwas noch nicht. Bisher entscheiden wir in jedem Jahr neu, wir legen fest, welche Mengen Wasser wir freigeben. Wir suchen nach möglichen Zugeständnissen gegenüber Kirgistan, die Kirgisen machen das gleiche uns gegenüber. Wir brauchen eine internationale Konvention zur Nutzung des Syrdaria und des Amudarja, um die zahlreichen Interessen in dieser Region aufeinander abzustimmen.

g-o.de:

Wie sieht Ihre Prognose für den südlichen Aralsee aus?

Smailow:

Der südliche Teil erhält heute nur noch Wasser aus dem Amudarja – und das Wasser, was wir zwei Monate lang aus dem Kleinen Aral ablassen. Andere Quellen gibt es nicht. Aus Satellitenbildern wissen wir, dass sich der Große Aralsee mittlerweile in zwei Seen geteilt hat. Der östliche Teil ist zwar größer als der westliche, aber viel flacher, deshalb ist dort die Verdunstung größer. Ich bin sicher, dass dieser Teil austrocknen wird. Der westliche Teil ist tiefer und könnte meiner Meinung nach noch gerettet werden. Doch diese Region in Usbekistan ist sehr erdöl- und erdgasreich. Deshalb interessiert der Aralsee vermutlich nicht besonders, weil man denkt, dass Bodenschätze für das Land wichtiger sind.


Stand: 05.01.2007