Klimawandel in der Erdgeschichte

Treibhaus Kreidezeit

Treibhausklima in der Kreidezeit. © Naturkundemuseum Oslo

Steigende CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre, globale Erwärmung, Abschmelzen der Polkappen und Überflutung der Küstenebenen – der Klimawandel sorgt nicht nur für tägliche Schlagzeilen, er zählt auch zu größten Herausforderungen der Menschheit.

Um das Klima der Zukunft zu beschreiben und vorherzusagen, kann jedoch ein Blick in die Vergangenheit nützen. Denn im Laufe der Erdgeschichte hat es immer wieder ähnliche Treibhausverhältnisse gegeben wie heute. Ihr Verständnis kann daher den Schlüssel zur künftigen Entwicklung liefern.

Eine Phase, die sich durch ein extremes Treibhausklima auszeichnete, war die Kreidezeit vor 145 bis 65 Millionen Jahren. Diese Ära, als noch die Dinosaurier die Erde beherrschten, erforschen seit einiger Zeit Paläontologen und Sedimentologen der Ruhr-Universität Bochum.

Um die damaligen klimatischen und biologischen Verhältnisse zu verstehen, treten wir einen zeitlichen und geographischen Ausflug an. Von Bochum geht die Reise über Nord-Deutschland bis in die großen Ozeane unserer Erde…

Prof. Dr. Jörg Mutterlose und Prof. Dr. Adrian Immenhauser
Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik, Sediment- und Isotopengeologie/Geobiologie der Ruhr-Universität Bochum
Stand: 27.04.2007

Strandkörbe im Geologischen Garten

Bochum als Hafenstadt

Nur zehn Fahrradminuten von der Ruhr-Universität entfernt im Geologischen Garten Bochum machen wir unseren ersten Halt. Hier können wir eine wichtige Beobachtung zu den Treibhausbedingungen der Kreidezeit machen. Über Gesteinen der Karbonzeit vor 359 bis 299 Millionen Jahren liegen hier direkt die ältesten Ablagerungen der Oberkreidezeit, der so genannten Cenomanzeit (vor 99 bis 93,5 Millionen Jahren).

Paläogeographische Karte Nordwestdeutschlands in der Cenomanzeit (vor 99 bis 93,5 Millionen Jahren). Der Geologische Garten Bochum nimmt eine küstennahe Position ein, Wunstorf eine küstenferne. (Umgezeichnet nach Geologischem Landesamt NRW 1995) © RUB

Diese Gesteine, in Bochum vertreten durch strandnahe Sande und Kiese, wurden damals in einem flachen Meer abgelagert. Die südliche Küstenlinie eines Nordsee-Vorläufers verlief in der Cenomanzeit etwa über Duisburg – Mülheim – Essen – Bochum – Dortmund – südlich Paderborn.

Ähnlich großräumig verbreitet sind altersgleiche Gesteine in weiten Teilen der Welt – unter anderem in Polen, Südfrankreich, Russland, Nordamerika. Wissenschaftler sind sich einig, dass der Meeresspiegel vor etwa 93 Millionen Jahren um mindestens 200 Meter höher gelegen hat als heute. Derartige globale Meeresspiegelanstiege werden unter anderem durch das Abschmelzen der polaren Eiskappen infolge einer Erhöhung der CO2-Konzentration erklärt.

Auf dem Weg zur eisfreien Welt?

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Diese Beobachtungen lassen Schlüsse auf unsere Zukunft zu. Die Erwärmung der heutigen Welt wird zu einem Abschmelzen der arktischen und vor allem der antarktischen Eismassen führen; eine eisfreie Welt hätte eine globale Erhöhung des Meeresspiegels um etwa 70 Meter zur Folge. Die im Vergleich zur Kreidezeit verbleibenden circa 100 bis 130 Meter lassen sich durch plattentektonische Vorgänge erklären, die durch starken Magmenausfluss am Meeresboden den Meeresspiegel vorübergehend erhöht haben.

In einer eisfreien Welt würde Bochum – heute 100 bis 150 Meter über Normalnull (NN) – zwar nicht überflutet werden, wohl aber die Funktion der heutigen Hafenstädte Hamburg oder Bremerhaven übernehmen. Im heutigen Geologischen Garten hätten in der Cenomanzeit Strandkörbe stehen können.


Stand: 27.04.2007

Ursache des globalen Temperaturanstiegs in der Kreidezeit

Was das Klima antrieb

Der Campus der Ruhr-Universität Bochum unter Wasser – ganz so weit kommt es wohl nicht. Aber in Bochum hätten in der Kreidezeit Strandkörbe stehen können. © RUB

Verstärkter Magmenausfluss auf den Ozeanböden setzte in der Kreidezeit CO2 frei und führte zu erhöhten Konzentrationen dieses Klimagases in der Atmosphäre. Gleichzeitig verdrängten die austretenden warmen Magmen am Ozeanboden viel Wasser. Der ansteigende Meeresspiegel verursachte eine weiträumige Überflutung großer Schelfbereiche. Große Wasseroberflächen, wesentlich mehr als heute, standen zur Verfügung.

Da Wasser eine höhere Wärmespeicherkapazität hat als Festland, wurde der Treibhauseffekt verstärkt. Gleichzeitig fehlten hohe Gebirge, über deren Verwitterung und Abtragung in den Ozean wieder CO2 in marinen Gesteinen gebunden wird. Das System schaukelte sich so hoch zu extremen Treibhausbedingungen.

Umgekehrt betrachtet leben wir seit circa 40 Millionen Jahren in einer Phase der Abkühlung, da sich mehrere Bedingungen ergänzen: Geringer Magmenausfluss setzt verhältnismäßig wenig CO2 frei. Mit der ersten Eisbildung am Südpol vor 35 Millionen Jahren entstand ein Rückkoppelungseffekt: Weiße Flächen wie Eis strahlen zum einen viel Energie in den Weltraum zurück (=Albedo), was die Abkühlung verstärkt.

Die Eisbildung führt zum anderen zu einem niedrigen Meeresspiegel, so dass weniger Wasserflächen zur Verfügung stehen, die Wärme speichern können. Außerdem entstand vor circa 35 Millionen Jahren das Hochgebirge des Himalaya. Seine intensive Abtragung führt zu einer raschen Bindung von CO2 in marinen Gesteinen in den Ozeanen.


Stand: 27.04.2007

Ein ozeanisches anoxisches Ereignis

Sauerstoffmangel am Meeresboden

Forschungsbohrung Wunstorf im März 2006. © RUB

Wir setzen unsere Reise im PKW fort; die an der A2 gelegene Mergelgrube Wunstorf, 20 Kilometer östlich von Hannover, ist unser nächstes Ziel. Im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DGF) wurde hier im März 2006 eine 80 Meter tiefe Kernbohrung abgeteuft, um die cenomanzeitlichen Ablagerungen zu erbohren.

Im Gegensatz zu den sandig-kiesigen, küstennahen Ablagerungen von Bochum liegen in Wunstorf küstenferne ozeanische, heute zu Kalkstein verfestigte Ablagerungen vor. Die Wassertiefe muss in der Kreidezeit hier circa 100 bis 200 Meter betragen haben. Die Küstenlinie lag 70 Kilometer weiter südlich im Raum Bad Gandersheim. Die Kalksteine setzen sich aus den Skeletten winziger Schwebalgen, den Coccolithophoriden, zusammen.

Bemerkenswert an der Gesteinsabfolge von Wunstorf sind 15 schwarze Tonsteinbänke von bis zu einem Meter Dicke, die in die Kalksteine eingelagert sind. Diese dunklen Gesteine weisen eine hohe Anreicherung – mehr als fünf Prozent – an organischem Kohlenstoff auf, der aus marinen einzelligen Algen besteht, den Coccolithophoriden und den Dinoflagellaten.

Algen als Primärproduzenten

Bohrkern mit kohlenstoffreichen, dunklen Lagen. Die hellen Lagen spiegeln die Normalablagerungen wider. Hierbei handelt es sich um verfestigten Kalkschlamm, der aus Skeletten von Schwebalgen besteht. © RUB

Neben einer dritten Algengruppe, den Diatomeen, stellen diese kleinwüchsigen, Photosynthese betreibenden Schwebalgen noch heute die wichtige Gruppe der so genannten Primärproduzenten in den Ozeanen dar. Mit Hilfe von Sonnenenergie, CO2 und mineralischen Nährstoffen (Phosphate, Nitrate) synthetisieren sie einfache organische Bausteine (Zucker); gleichzeitig setzen sie Sauerstoff frei. Diese pflanzlichen Primärproduzenten bilden als Nahrung für alle anderen Organismen die Grundlage unserer Existenz.

Die kohlenstoffreichen Gesteine stellen zum einen Erdölmuttergesteine dar, da Erdöl im Wesentlichen aus den Resten mariner Schwebalgen besteht. Sie sind zum anderen ein Zeichen für eine Unterbrechung des biologischen Kreislaufs aus Zeugung, Wachstum, Tod, Zerfall und Abbau.

Im Normalfall werden alle organischen Verbindungen wieder in die mineralischen Ausgangskomponenten zerlegt und dem Stoffkreislauf zugeführt. Offenbar konnte bei unserem Beispiel der Kohlenstoff nicht wieder freigesetzt werden, da Mikro- und Makroorganismen, die für die Zersetzung zuständig sind, aufgrund von Sauerstoffarmut im Bodenwasser – anoxische Bedingungen – nicht leben konnten.

Dunkle Gesteine in allen Ozeanen

Derartige dunkle Gesteine der Cenomanzeit und der folgenden Turonzeit vor 93,5 bis 89 Millionen Jahren hat man nicht nur in Deutschland, sondern altersgleich in allen Ozeanen der Welt gefunden. Daher spricht man von einem ozeanischen anoxischen Ereignis oder Ocean Anoxic Event (OAE). Ein OAE repräsentiert einen geologisch kurzen Abschnitt von circa 500.000 Jahren, in dem es zu einer Unterbrechung des Kohlenstoffkreislaufs kam.

Bei den Gesteinen des OAE handelt es sich um Kohlenstoffsenken, da in ihnen Kohlenstoff lange gebunden und somit dem Stoffkreislauf entzogen wird. Dieses Phänomen wirkt regulierend auf den erhöhten CO2-Gehalt in der Warmphase. Allerdings beginnt diese Bindung von CO2 erst einige Millionen Jahre verspätet, so dass erst vor circa 85 Millionen Jahren wieder eine Abkühlung einsetzte. Ein globales OAE weist auf ein vollständig anderes klimatisches Regime als heute für den Zeitraum vor 99 bis vor 89 Millionen Jahren hin.


Stand: 27.04.2007

Archaebakterien als Paläothermometer

Tropenklima in Norddeutschland

Radioaktivität © MMCD

Die ozeanischen Zirkulationsmuster wurden in der Cenomanzeit nicht wie heute durch kalte Tiefenwässer getrieben, die sich bei Island und bei etwa 70° Süd am Rande der Antarktis bilden. Da Polkappenvereisungen fehlten, müssen wir von sehr trägen Ozeanströmungen ausgehen. Die fehlende Zirkulation verursachte vermutlich das Sauerstoffdefizit in den Ozeanbecken. Das ständig auf die Ozeanböden herabrieselnde organische Material, im Wesentlichen einzellige Schwebalgen, wurde nicht mehr abgebaut.

Erste Untersuchungen zur detaillierten Rekonstruktion des kreidezeitlichen Klimas wurden im Mai 2006 an den organischen Verbindungen (Archaebakterien) der kohlenstoffreichen Lagen der Bohrkerne in Kooperation mit dem Ozeanographischen Institut in Texel (Holland) durchgeführt. Der Aufbau bestimmter Kohlenwasserstoffmoleküle in den Membranen von Archaebakterien ist abhängig von der Wassertemperatur; diese stellen somit ein Paläothermometer dar.

Die Untersuchungen belegen für Wunstorf unerwartet hohe Oberflächenwassertemperaturen von 34°C – mit Temperaturen über 30°C hatte die Forschung zuvor nicht gerechnet. Bei einer damaligen Breitenlage von etwa 40° Nord für die erbohrten Ablagerungen – heute nach Kontinentalplattenverschiebung etwa 52° Nord – ergeben sich damit tropische Klimaverhältnisse für Nord-Deutschland in der Cenomanzeit. Zum Vergleich: Die mittleren Oberflächenwassertemperaturen in der heutigen Nordsee schwanken von 6°C im Winter bis 16°C im Sommer.

Als Tropen wird heute die Region bezeichnet, die durch den nördlichen (23,5° Nord) und den südlichen Wendekreis (23,5° Süd) begrenzt wird, und in der die Sonne mindestens einmal im Jahr im Zenit steht. Dieser Bereich ist durch höhere tageszeitliche und geringere jahreszeitliche Temperaturschwankungen gekennzeichnet, Jahreszeiten sind nicht entwickelt.


Stand: 27.04.2007

… und wieder auferstehen

Wenn Ökosysteme zugrunde gehen…

Auf der Suche nach dem Treibhausklima vergangener Welten in der Wüste von Oman. © RUB

Für unseren nächsten Ausflug fliegen wir fünf bis sechs Stunden Richtung Südosten. Im sonnigen Muskat, der Hauptstadt des Sultanats Oman, steigen wir aus. Ein Geländefahrzeug bringt uns in einem weiteren Tag in die Huqf Wüste an der Ostküste Omans.

In der mittleren Kreidezeit vor 120 Millionen Jahren, war auch diese Region von einem flachen Meer bedeckt. Das Wasser, das heute am Südpol die Eisschilde aufbaut, hatte damals auch die Küstenregionen Omans überflutet und bildete das Südufer des Ur-Mittelmeers. Die Ablagerungen aus dem flachen Küstenmeer, die genauso alt sind wie die schwarzen Tonsteinbänke, die wir in Nord-Deutschland kennen gelernt haben, enthalten jedoch hier keine organisch-reichen, schwarzen Gesteine: Hier scheint die Entwicklung des Lebens kurzfristig um viele Hundert Millionen Jahre zurückgedreht zu sein.

Entwicklung des Lebens zurückgedreht

Eine Lokalität in der Wüste Omans, die die Algen-Mikroben Ablagerungen zeigt. Diese verdrängten kurzfristig die normalen Küstenökosysteme infolge von Überdüngung. © RUB

Während unter normalen Bedingungen diese subtropischen Kreide-Küstenmeere vom Leben nur so wimmelten, verschwanden plötzlich die Korallen- und Rudisten-Riffe. Rudisten sind kreidezeitliche Muscheln. An ihre Stelle traten Lebensformen, die wir aus der Frühzeit der Erde kennen, vor allem Algen und Bakteriengemeinschaften. Nach einigen 100.000 Jahren – etwa 1,5 Meter im Sediment – war der Spuk vorbei und die Korallen-Rudisten-Riffe traten wieder an ihre gewohnte Stelle. Etwas höher treten die seltsamen Gesteine nochmals auf und verschwinden auch wieder. Hier scheinen Mechanismen am Werk zu sein, die ein ganzes Küsten-Ökosystem kurzfristig kippen können

Geochemische Datierungsmethoden wie etwa die Messung stabiler Isotope, die während des Lebens von Organismen aufgenommen werden und nach deren Tod allmählich zerfallen, erlauben es, diese Intervalle zeitlich einzugrenzen. Und tatsächlich scheinen sie die Äquivalente der schwarzen Tonsteine der tieferen Becken zu sein. Wie soll man das erklären?

Überdüngte Lebensräume als Ursache?

Eine mögliche Analogie findet sich in der modernen Welt. Überall dort, wo wir viele zusätzliche Nährstoffe ins Meer oder in Seen einbringen, wie etwa Dünger aus der Landwirtschaft in den Dümmer (ein See nördlich von Osnabrück), gehen die jeweils vorherrschenden Ökosysteme zugrunde.

An ihre Stelle treten Algen und Mikroben, die unter diesen nährstoffreichen Bedingungen prächtig gedeihen. Es ist denkbar, dass während gewisser Zeiten in der Kreidezeit das Klima so feucht-warm war, dass durch starke Regenfälle gewaltige Mengen verwitterten Gesteins und organisches Material vom Festland in Flüssen her antransportiert wurden und die Meere überdüngten.

Auf ihrem Weg in den Ozean mussten diese Nährstoffe das flache Küstenmeer queren und haben dort die Ökosysteme kurzfristig zerstört. Damit hätte sich die kreidezeitliche Treibhauswelt hier in Form von überdüngten Lebensräumen manifestiert. Ob diese Spekulationen für alle OEA gelten, muss die Forschung erst zeigen.


Stand: 27.04.2007

Große Vielfalt, geringe Artenzahl

Überleben in einer CO2-Welt

Das Bohrschiff „Joides Resolution“. © RUB

Wir setzen unseren Ausflug in die Treibhauswelt der Cenomanzeit zu Wasser fort. Im Februar/März 2003 führte eine wissenschaftliche Ausfahrt des Bohrschiffes „Joides Resolution“ vor die Küste Surinams. Dort wurden etwa 200 Kilometer östlich von Surinam auf Höhe des Äquators Bohrkerne mit kreidezeitlichen Ablagerungen gewonnen. An fünf Punkten wurden umfangreiche Abfolgen mit hohen Anteilen an organischem Kohlenstoff erbohrt. Sie werden nun in Bochum, den USA, England, Frankreich und Japan geologisch, paläontologisch und paläoozeanographisch untersucht.

Bohrkerne geben Geheimnisse preis

Die bisherigen Ergebnisse zeigen in allen Bohrkernen etwa 30 bis 60 Meter dicke kohlenstoffreiche Abfolgen aus der Cenoman- und Turonzeit. Paläotemperaturdaten wurden über das Verhältnis der beiden stabilen Sauerstoffisotope 18 O und 16 O an gut erhaltenen Kalkschalen von heterotrophen, das heißt sich von organischem Material ernährenden, Einzellern – Foraminiferen – von der Bundesanstalt für Geowissenschaften in Hannover ermittelt. Warmes Wasser enthält weniger 18 O als kaltes, so dass das Verhältnis der in die Schalen eingebauten Isotope Rückschlüsse auf die Wassertemperatur erlauben.

Dabei ergaben sich Temperaturen von 24 bis 28°C für die Foraminiferen, die am Meeresboden lebten, 30 bis 32°C für die des Oberflächenwassers. Diese Befunde belegen nun generell sehr hohe Wassertemperaturen für den Äquatorbereich in der Cenomanzeit und nur wenig unterschiedliche Temperaturen für das Boden- und das Oberflächenwasser. Die hohen Bodenwassertemperaturen lassen sich durch die Bildung von warmen, salzreichen Tiefenwässern bei hoher Verdunstung in dieser Region erklären.

Das bereits in Wunstorf eingesetzte „Archaebakterienthermometer“ belegt zudem Oberflächenwassertemperaturen von bis zu 36°C für die kohlenstoffreichen Lagen der Bohrkerne der späten Cenomanzeit. Diese Beobachtungen liegen damit deutlich über den heutigen Werten für den äquatorialen Atlantik, die 27 und 29°C betragen. Klimamodellierungen auf der Basis der Paläotemperatur- und paläobiologischen Daten für die CO2-Konzentrationen in der Cenoman- und Turonzeit liegen bei 600 bis 2.400 ppm (parts per million, 1 ppm = 0,0001 Prozent), also deutlich höher als heute (365 ppm).

Krokodile nördlich des Polarkreises

Global herrschten in der Cenoman- und Turonzeit somit über einen Bereich, der vom Äquator bis 40° N, das heißt in Höhe des heutigen Madrid, reichte, tropisch-warme Klimabedingungen. Die hohen Temperaturen führten zu intensiver Verdunstung und feucht-warmen Bedingungen; Polkappen existierten nicht. Das Temperaturgefälle vom Äquator zu den Polen war mit 35°C – 35°C am Äquator, 0°C am Pol – in der Cenomanzeit deutlich geringer als heute mit 75°C – 25°C am Äquator, -50°C am Südpol. Es herrschten also global aus geglichene Verhältnisse; aus Nordalaska (75° bis 85°N) sind cenomanzeitliche Floren (Farne, Ginkgos, Koniferen, Blütenpflanzen) dokumentiert. Auch Krokodilfunde aus dem Bereich nördlich des Polarkreises belegen diese Vorstellung.

Ozeanische Strömungssysteme: a) Heute: Kalte Tiefenwasserbildung an den Polen. b) In der mittleren Kreidezeit: Warme Tiefenwasserbildung in den Tropen. © RUB

Ein extrem hoher Meeresspiegel, über 200 Meter höher als heute, verursachte eine großräumige Überflutung der flachen Küstenregionen. Im Gegensatz zu den heutigen ozeanischen Strömungssystemen mit warmen, vom Äquator nach Norden bzw. Süden gerichteten Oberflächenströmen wie den Golfstrom und von Nord nach Süd – Arktis > Antarktis – beziehungsweise von Süd nach Nord – Antarktis > Äquator – ausgerichteten kalten Tiefenströmungen herrschte wohl ein genau entgegen gesetztes Strömungssystem, das vom Äquator ausging.

Träge Meeresströmungen

Hier bildeten sich aufgrund der hohen Temperaturen und der starken Verdunstung salzreiche Wässer. Diese sanken aufgrund ihres hohen Gewichtes in die Tiefe und flossen vom Äquator in nördliche und südliche Richtung zu den Polen. Bei hohen CO2-Konzentrationen war die Ozeanzirkulation insgesamt eher träge, bei reduziertem Wasseraustausch erfolgte dann die Ablagerung der kohlenstoffreichen Gesteine.

Die marine Lebenswelt reagierte auf diese Bedingungen mit großer Vielfalt bei gleichzeitig geringer Individuenzahl. Kosmopolitische Elemente, das heißt weltweit verbreitete Arten, dominierten. In der Ökologie werden solche Verhältnisse als stabile Gleichgewichtsbedingungen bezeichnet. In den Ozeanen blühen pflanzliche und tierische kalkschalige Einzeller wie Coccolithophoriden und Foraminiferen auf, die zu weiträumiger Kalkablagerung auch in den mittleren Breiten führten.

Welche Bedeutung hat nun das kreidezeitliche Szenario für die heutige beziehungsweise die zukünftige Welt? Können wir die beschriebenen Lebensbedingungen aus der Treibhauswelt der Kreidezeit auf die Zukunft unseres Planeten übertragen?


Stand: 27.04.2007

Szenario auf heutige Verhältnisse übertragbar?

Treibhaus Erde im 22. Jahrhundert?

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Wenn sich der seit circa 1960 dokumentierte Anstieg des CO2-Anteils in unserer Atmosphäre von 310 ppm (1960) auf 365 ppm (2005) weiter fortsetzt, so ist etwa im Jahr 2200 mit kreidezeitlichen CO2-Gehalten – 500 ppm- 1.200 ppm je nach Modell – zu rechnen. Über den erhöhten CO2-Gehalt wird ein guter Teil der von der Erde ins Weltall abgestrahlten Energie zur Erde zurückgestrahlt; es kommt zum Treibhauseffekt.

Die Temperaturerhöhung wird zum Abschmelzen der Polkappen führen und über höhere Verdunstungsraten den Wasserkreislauf beschleunigen. Ähnlich wie in der Kreidezeit wird das Temperaturgefälle vom Äquator zu den Polen geringer werden, das derzeitige Strömungssystem wird zusammenbrechen.

Primärproduzenten vor dem Aus?

Schwieriger ist es, die Reaktion der Biosphäre abzuschätzen. Es werden sich sicher wieder stabile Gleichgewichtsbedingungen einstellen, die Verbreitung kälteliebender Formen wird signifikant eingeschränkt werden. In den Meeren werden Primärproduzenten mit kieseligem Skelett (Diatomeen) zugunsten von solchem mit kalkigem, also kohlenstoffhaltigem Skelett (Coccolithen) und organisch gewandeten Algen (Dinoflagellaten) zurückgedrängt werden. Es würde also eine ganz andere Struktur der Nahrungsketten in den Meeren entstehen.

Bei nach wie vor vielen Unsicherheiten, Ungenauigkeiten und Fehlern bei der Erfassung und dem Verständnis des kreidezeitlichen Systems bietet diese Zeitscheibe ein gutes Analogon für die mögliche Entwicklung unseres Planeten. Erkenntnisse über vergangene Klimaphasen können zum Beispiel mit Modellierungen der künftigen Klimaentwicklung abgeglichen werden.

Nichts ist so beständig wie der Wandel

Vielleicht ist es für Politiker und andere an der Klimadiskussion Beteiligte beruhigend, dass aus der erdgeschichtlichen Perspektive der derzeitige, anthropogen verursachte CO2- Ausstoß nicht erheblich ist. Es hat in der Vergangenheit viel extremere Klimabedingungen gegeben, die sich später, aufgrund langfristiger geologischer Prozesse, wieder verändert haben. Auf die Lebens- und Überlebensbedingungen einzelner Organismengruppen haben sich diese Veränderungen aber erheblich ausgewirkt.


Stand: 27.04.2007