Vision Aufwindkraftwerk

Schlanke Giganten

Blick in den Turm eines Aufwindkraftwerkes © Schlaich Bergermann und Partner

Wie riesige Schornsteine könnten Aufwindkraftwerke in Zukunft – etwa in Wüstenregionen – in den Himmel ragen und die Welt quasi zum „Nulltarif“ mit elektrischer Energie versorgen.

Wider alle Unkenrufe machen sich verschiedene Gruppen von Ingenieuren heute weltweit dafür stark, eine geniale Idee dank moderner Stahlbetonbau- und Windingenieur-Technologien aus dem Reich der Visionen in die Gegenwart – oder doch zumindest in die nahe Zukunft zu holen.

Barbara Kruse / Wissenschaftsmagazin RUBIN der Ruhr-Universität Bochum / Frühjahr 2008
Stand: 02.05.2008

Erster Prototyp bereits vor 25 Jahren

Vision mit Anlaufschwierigkeiten

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Nicht selten beruhen große Erfindungen auf einem bestechend einfachen Prinzip und manchmal müssen mehr als 100 Jahre vergehen, bis sie der Menschheit nützen können. Bereits 1903 hatte der spanische Ingenieur Colonel Isidoro Cabanyes die Idee zu einem Sonnenkraftwerk. Dabei war ihm die Bedeutung erneuerbarer Energien durchaus bewusst. Ökologie und Ökonomie zu verbinden ist nicht erst Anliegen unserer Tage.

Doch erst 1982 knüpfte der Stuttgarter Ingenieurwissenschaftler Professor Jörg Schlaich an Cabanyes’ Erfindung an: Er entwickelte und baute den Prototyp des ersten Aufwind- oder Solarthermischen Kraftwerks im Spanischen Manzanares.

Einfaches Prinzip

Das Prinzip: Die durch die Sonne unter einem Glasdach erwärmte Luft strömt zu einem Schlot (Aufwindkamin), steigt darin wie in einem Schornstein nach oben und zieht kalte Luft nach. © RUB

„Das Prinzip ist denkbar einfach, durch ein großes Glasdach strahlt die Sonne auf den möglichst dunklen Boden und erwärmt die Luft. Das Dach steigt zu einem Schlot in seinem Zentrum hin leicht an. Dorthin strömt die erwärmte Luft. Wie in jedem Schornstein steigt sie auch hier nach oben und zieht kalte Luft nach. Dieser Kreislauf liefert Energie – und die bleibt nicht ungenutzt. Kinetische Energie wird umgewandelt, indem sie erst Ventilatoren, dann Stromgeneratoren antreibt – einfacher geht’s nicht!“, schildert angetan der Windingenieur Professor Hans-Jürgen Niemann.

Gemeinsam mit dem Tragwerksplaner Professor Wilfried Krätzig – wie Niemann Emeritus der Ruhr-Universität Bochum und reich an Erfahrung in besonders kniffligen Projekten – bringt er sein Wissen heute in die Ingenieurgesellschaften Niemann&Partner sowie Krätzig &Partner ein.

Ein internationales Team

Sie gehören mit dem Bochumer Ingenieur Professor Rüdiger Höffer und seinem Wuppertaler Kollegen Professor Reinhard Harte zu einer Gruppe, die sich seit sieben Jahren mit dem Thema Aufwindkraftwerk befasst und die Technologie nun verstärkt vorantreiben will.

Die NRW Ingenieurwissenschaftler arbeiten eng mit den Professoren Theodor W. Backström, Detlev G. Kröger und Gideon P. A. G. van Zijl von der Universität Stellenbosch, Südafrika, zusammen. Zudem sind die Firma GreenTower ldt., Pretoria, und verschiedene deutsche Industriepartner beteiligt.


Stand: 02.05.2008

Neue Technologie ist gefragt

Ein Glasdach mit sieben Kilometern Durchmesser

Blick durch das Glasdach © Schlaich Bergermann und Partner

Die Technologie für Aufwindkraftwerke weiter zu entwickeln ist auch deshalb nötig, weil der vor 25 Jahren bereits technisch funktionierende Prototyp von Professor Jörg Schlaich letztlich die Technologie doch ins Gerede brachte: Denn nach erfolgreicher Testphase von sechs Jahren baute Schlaich die Anlage nicht ab. Irgendwann löste sich dann ein Spannseil und der rund 200 Meter hohe Turm stürzte ein. Der Ruf war unberechtigt ruiniert. Zudem hatte Schlaich zu viel Leistung versprochen: anstelle 100 lieferte sein Prototyp nur 50 Kilowatt.

Höhenvergleich: Auf den Entwurfskizzen von Ingenieurwissenschaftlern „wachsen“ solare Aufwindkraftwerke bereits in Höhen bis auf 1.500 Meter – hier im Vergleich mit dem Kühlturm in Niederaußem und dem im Bau befindlichen Burj Dubai. © RUB

„Was wir heute entwerfen – es gibt Konstruktionen für Buronga (Australien), Swakopmund (Namibia), Ciudad Real (Spanien), auch in den USA und in der Volksrepublik China sind Forscher aktiv – ist etwas ganz anderes als der damalige Prototyp. Wir streben Leistungen von 50 Megawatt und mehr an“, sagt Professor Wilfried Krätzig.

Betone so fest wie Gusseisen

Dafür wachsen solche Türme im Entwurf bereits von 700 bis zu 1.500 Meter (m) in die Höhe und der Durchmesser des Glasdaches erreicht sieben Kilometer. Das Gewicht des Turmes würde das 30fache des mit 200 m heute höchsten Naturzugkühlturms der Welt im RWE-Kraftwerk Niederaußem erreichen.

Skyline von Dubai mit Burj Dubai © Imre Solt/GFDL

„Vor 25 Jahren hätte man diese Schlote aus Stahlbeton überhaupt nicht bauen können, wir haben heute Betone, die sind so fest wie Gusseisen“, trägt Krätzig nach. „Noch vor drei, vier Jahren haben die meisten gelacht, als wir von unseren Plänen erzählten und gemeint, es würde Zeit für uns in Rente zu gehen. Spätestens seit Baubeginn des Burj Dubai Skyscraper, der 818 m erreichen soll, ist die Höhenfrage völlig vom Tisch“, so Krätzig.


Stand: 02.05.2008

Turm als technische Herausforderung

Die Kunst des Schalenbaus

Turbine (von unten) © Schlaich Bergermann und Partner

Bei Aufwindkraftwerken gibt es heute viel Neues im Vergleich zum ersten Prototyp: So liegen die Flügel der Windturbinen heute nicht mehr waagerecht (darauf hätte ein Jumbo Jet Platz), sie haben horizontale Achsen bei Durchmessern von etwa 30 Metern (m) und befinden sich im Umkreis des Schlotes.

Die Lufttemperatur erreicht kurz vor dem Schlot bis zu 100 Grad, was ganz neue Technologien für die Windturbinen und Baumaterialien erforderlich macht. Und warum sollen die Wärme und der Platz unter dem riesigen Glasdach nicht auch anderweitig Nutzen bringen: etwa für Gewächshäuser oder zur Meerwasserentsalzung. Die heutige Glas- und Glasbeschichtungstechnologie bietet unglaublich viele Möglichkeiten.

Die technische Herausforderung bleibt dennoch der Stahlbetonturm, der dem Angriff des Windes und der Eigenlast widerstehen muss, zudem muss der Baugrund das Gewicht des Turmes tragen. Besonders gefährdet sind so genannte Beulfelder, das sind Bereiche des Turmes, die durch Versteifungsringe stabilisiert werden müssen. Der Turm entsteht in Schalenbauweise – und „bei der Schale trägt die Form“.

Stabilitätsanalysen des solaren Aufwindkamins für kombinierte Eigenlast-Wind und Innensog-Belastungen. Instabilitätsdeformationen durchlaufen den gesamten Turm schräg in Richtung der Beanspruchung. Durch Versteifungsringe kann dieses ungünstige Formverhalten verbessert werden. Bereits drei von acht Versteifungsringen verbessern das Formverhalten erheblich und beschränken das Ausbeulen der Schalen nicht nur auf das untere Turmdrittel. Sie heben die niedrigste Beulsicherheit auf das 1,7fache an. © RUB

Dünne Wand muss wie eine dicke tragen

Das heißt, die Kunst des Schalenbaus besteht darin, eine Form zu finden, die der verhältnismäßig dünnen Wand die Tragwirkung einer viel stabileren, dickeren verleiht. Das ist letztlich eine mühselige Arbeit am Computer, mit der Ingenieurwissenschaftler um Professor Wilfried Krätzig für ein Kraftwerk (Turm: 1.000 m, Kollektordurchmesser. 6.000 m) in der Vorplanungsphase erste Ergebnisse lieferten.

Die Werte für einen hohen schlanken Turm müssen möglichst niedrig sein, damit man so wenig wie möglich Beton benötigt – denn alles Material muss hoch hinaus transportiert werden. Zudem müssen die widerstehenden Spannungen in der Schale stärker sein als die Kräfte, die von außen einwirken. Dafür heißt es wiederum, über die ganze Dicke des Turmes von oben bis unten in etwa die gleiche Spannung aufzubauen – das ist hier das Hauptproblem.


Stand: 29.04.2008

Auf dem Weg zu einem neuen Prototypen

Energie satt für 100 Jahre?

Glasdach und Turm © Schlaich Bergermann und Partner

Für seine Berechnungen ist der Schalenstatiker Professor Wilfried Krätzig auf die Angaben des Windingenieurs angewiesen. „Noch haben wir keine Erfahrungen mit Windströmungen in diesen großen Höhen“, gibt Professor Hans-Jürgen Niemann zu bedenken. „Die Normen gelten nur bis zu einer Höhe von 300 Metern (m) über Grund. Wir wissen durch physikalisch-meteorologische Modelle, dass der in Bodennähe sehr böige Wind in großen Höhen in einen gleichförmigeren Wind übergeht. Aber in der Frage, wie das geschieht, müssen wir uns noch an theoretische Ansätze halten.“

Niemann will das Modell eines Aufwindkraftwerks bald im Windkanal untersuchen und dann die Daten über Kräfte- und Druckverteilungen an die Schaleningenieure um Krätzig weitergeben.

Preis ist entscheidend

Dass man so etwas heute bauen kann, ist für beide Forscher keine Frage. Die aktuelle Herausforderung ist eher wirtschaftlicher Natur. „Wir müssen das so preiswert machen, dass die Investitionskosten innerhalb von zehn Jahren abgeschrieben werden können“, schildert Krätzig die gegenwärtige Lage und kalkuliert bei möglichen Investoren auch den CO2-Emissionshandel mit ein. Die große Investition steht hier am Anfang, doch dann gibt es Energie umsonst für 100 Jahre.

Die Gruppe kooperiert international, um das wirtschaftliche Konzept des Solarkraftwerks an nationale Stromsubventionsgesetze anzupassen. Mit den Eckdaten Turmhöhe: 750 m, Durchmesser: 90 m (unten 160 m), Kollektordurchmesser: 3,5 bis vier Kilometer, Spitzenleistung: 50 Megawatt, wird derzeit in Bochum der Entwicklungsauftrag für den Prototyp eines Aufwindkraftwerks in Angriff genommen.


Stand: 02.05.2008